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HRRS-Nummer: HRRS 2025 Nr. 189

Bearbeiter: Felix Fischer/Karsten Gaede

Zitiervorschlag: BGH, 2 StR 276/24, Urteil v. 04.12.2024, HRRS 2025 Nr. 189


BGH 2 StR 276/24 - Urteil vom 4. Dezember 2024 (LG Hanau)

Besitz von und Handeltreiben mit Betäubungsmitteln (Beweiswürdigung: Anteil zum Eigenverbrauch, Anteil zum Weiterverkauf); bewaffnetes Handeltreiben mit Cannabis.

§ 29 BtMG; § 34 KCanG; § 261 StPO

Leitsatz des Bearbeiters

Der Tatrichter darf, wenn der Täter Rauschmittel teils zum Eigenverbrauch, teils zum Weiterverkauf besitzt, wegen der unterschiedlichen Auswirkungen auf die rechtliche Einordnung und die Strafzumessung nicht offenlassen, welcher Anteil für den späteren Verkauf vorgesehen war; er muss diesen feststellen und notfalls unter Beachtung des Zweifelssatzes schätzen.

Entscheidungstenor

Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Hanau vom 2. Februar 2024 mit den Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Handeltreiben mit Betäubungsmitteln zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und zwei Monaten verurteilt. Die auf die Sachrüge gestützte Revision der Staatsanwaltschaft hat Erfolg.

I.

Nach den Feststellungen wurde der Angeklagte am 11. März 2022 an einer Verkehrskontrollstelle herausgewinkt und durchsucht. Dabei trug er eine Umhängetasche, in der sich Marihuana und Haschisch sowie ein einseitig geschliffenes Messer mit einer Klingenlänge von 7,5 cm befanden. In seiner Jackentasche führte er zudem ein Klappmesser mit einer Gesamtlänge von 8 cm bis 10 cm mit sich. Die aufgefundenen Drogen hatte er zuvor sowohl zum Eigenverbrauch als auch zum Handeltreiben erworben.

Das sichergestellte Marihuana hatte ein Gewicht von 97,06 Gramm bei einem THC-Anteil von 14,75 Gramm, das Haschisch ein Gewicht von 76,26 Gramm bei einem THC-Anteil von 12,96 Gramm. Feststellungen dazu, in welchem Umfang die sichergestellten insgesamt 173,32 Gramm Cannabis mit einem Wirkstoffgehalt von 27,71 Gramm THC zum Eigenkonsum bzw. zum Handeltreiben bestimmt waren, hat die Strafkammer nicht getroffen.

Sie hat den Angeklagten in Anwendung des Zweifelssatzes wegen Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Handeltreiben mit Betäubungsmitteln verurteilt.

II.

1. Die Verurteilung des Angeklagten hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Sie weist Rechtsfehler zu Gunsten und zu Ungunsten (vgl. § 301 StPO) des Angeklagten auf.

a) Die Beweiswürdigung ist lückenhaft, soweit das Landgericht keine konkreten Feststellungen dazu getroffen hat, welcher Anteil des sichergestellten Cannabis zum Eigenkonsum und welcher Anteil zum Weiterverkauf bestimmt war. Das Landgericht hat lediglich in nicht überprüfbarer Weise dargelegt, dass „ein Teil“ zum Eigenkonsum bestimmt war.

Der Tatrichter darf aber, wenn der Täter Rauschmittel teils zum Eigenverbrauch, teils zum Weiterverkauf besitzt, wegen der unterschiedlichen Auswirkungen auf die rechtliche Einordnung und die Strafzumessung nicht offenlassen, welcher Anteil für den späteren Verkauf vorgesehen war; er muss diesen feststellen und notfalls unter Beachtung des Zweifelssatzes schätzen (vgl. für Fälle nach dem BtMG BGH, Beschlüsse vom 19. September 2001 - 3 StR 268/01, BGHR BtMG § 29 Abs. 1 Nr. 1 Konkurrenzen 5, und vom 9. Januar 2008 - 2 StR 531/07, NStZ-RR 2008, 581; Winkler NStZ 2001, 303). Bei dieser Schätzung hätte die Strafkammer in den Blick nehmen müssen, dass umfangreiche Gespräche mit einem potentiellen Abnehmer vorausgegangen waren und, dass die sichergestellten Cannabisprodukte einen für einen weit überwiegenden Eigenkonsum außerordentlichen Umfang hatten, zumal der Angeklagte über ein Rezept für medizinische Cannabisblüten verfügte.

b) Das Urteil beruht sowohl zugunsten als auch zulasten des Angeklagten auf diesem Beweiswürdigungsfehler. Der Senat kann nicht ausschließen, dass das Landgericht bei einer rechtsfehlerfreien Beweiswürdigung dahin gelangt wäre, dass entweder die Besitzmenge oder die Handelsmenge größer als bisher angenommen war, wovon letztlich die rechtliche Bewertung - zu Lasten oder auch zu Gunsten des Angeklagten - abhängt.

2. Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat darauf hin, dass der neue Tatrichter zu prüfen haben wird, ob gemäß § 2 Abs. 3 StGB das am 1. April 2024 in Kraft getretene Gesetz zum Umgang mit Konsumcannabis (KCanG) zur Anwendung gelangt (vgl. BGH, Beschluss vom 15. Oktober 2024 ? 3 StR 427/24, Rn. 2). Gegebenenfalls wird er - die nicht geringe Menge THC beträgt auch nach neuer Rechtslage 7,5 Gramm und der Angeklagte führte zwei Messer mit sich - eine Strafbarkeit wegen bewaffneten Handeltreibens mit Cannabis gemäß § 34 Abs. 4 Nr. 4 KCanG zu erwägen haben.

HRRS-Nummer: HRRS 2025 Nr. 189

Bearbeiter: Felix Fischer/Karsten Gaede