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HRRS-Nummer: HRRS 2025 Nr. 119

Bearbeiter: Christoph Henckel

Zitiervorschlag: BGH, 1 StR 353/24, Beschluss v. 28.11.2024, HRRS 2025 Nr. 119


BGH 1 StR 353/24 - Beschluss vom 28. November 2024 (LG Tübingen)

Geldstrafe (Bestimmung der Tagessatzhöhe auch bei Einbeziehung in eine Gesamtfreiheitsstrafe); nachträgliche Gesamtstrafe (erforderliche Angaben im Urteil zur einbezogenen Verurteilung).

§ 40 Abs. 2 StGB; § 55 Abs. 1 StGB; § 267 Abs. 2 Satz 1 StPO

Leitsatz des Bearbeiters

Auch bei Einzelgeldstrafen, die in einer Gesamtfreiheitsstrafe aufgehen, muss die Tagessatzhöhe bestimmt werden.

Entscheidungstenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Tübingen vom 23. April 2024 im Strafausspruch

a) mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben, soweit der Angeklagte unter Einbeziehung des Urteils des Landgerichts Tübingen vom 11. November 2020 zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt worden ist,

b) bezüglich Ziffer II. 2. der Urteilsgründe (Fall 2) dahingehend ergänzt, dass die Höhe des Tagessatzes für die verhängte Einzelgeldstrafe von 120 Tagessätzen auf einen Euro festgesetzt wird.

2. Die weitergehende Revision des Angeklagten wird als unbegründet verworfen.

3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gewerbsmäßigen Bandenbetrugs in fünf Fällen sowie wegen Betrugs in drei Fällen verurteilt. Hiervon ausgehend hat es gegen ihn wegen Betrugs in drei Fällen sowie gewerbsmäßigen Bandenbetrugs in zwei Fällen unter Einbeziehung von 28 Einzelstrafen aus dem Urteil des Landgerichts Tübingen vom 11. November 2020 eine Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und wegen gewerbsmäßigen Bandenbetrugs in drei Fällen eine weitere Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und drei Monaten festgesetzt. Die auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO); im Übrigen ist sein Rechtsmittel unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).

1. Die vom Landgericht gemäß § 55 Abs. 1, §§ 53, 54 StGB nachträglich unter Einbeziehung der Einzelstrafen aus dem Urteil des Landgerichts Tübingen vom 11. November 2020 gebildete Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren hat keinen Bestand, weil dem Senat mit Blick auf die - insoweit lückenhaften - Feststellungen deren revisionsgerichtliche Überprüfung nicht möglich ist.

a) Das Landgericht ist zwar im Ansatz rechtsfehlerfrei von der Notwendigkeit der Bildung einer nachträglichen Gesamtstrafe nach § 55 StGB ausgegangen. Auch hat es zutreffend auf die Zäsurwirkung des eine Sachentscheidung enthaltenden Berufungsurteils des Landgerichts Tübingen vom 11. November 2020 abgestellt (UA S. 4; BGH, Beschluss vom 30. Juni 1960 - 2 StR 147/60, BGHSt 15, 66-72) und dementsprechend zu Recht nur die Taten Ziffer II. 1. bis 5. der Urteilsgründe als gesamtstrafenfähig im Sinne des § 55 StGB angesehen. Die Betrugstaten des Angeklagten waren erst beendet, als der Vermögensvorteil für ihn endgültig gesichert war. Dies ist bei durch Täuschung erlangten Zahlungen über einen längeren Bewilligungszeitraum (vgl. dazu BGH, Urteil vom 8. März 2023 - 1 StR 281/22 Rn. 9 mwN) - wie hier - erst dann der Fall, wenn der letzte Zahlungseingang auf dem Zielkonto des Täters gutgeschrieben ist und der Geschädigte keine Möglichkeit mehr hat, diesen zu hindern und über die Geldmittel zu verfügen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 26. Juni 2024 - 3 StR 177/24 Rn. 7 und vom 18. August 2015 - 1 StR 305/15 Rn. 3), bei Tat Ziffer II. 5. der Urteilsgründe mithin am 31. August 2020. Demgegenüber war die Tat Ziffer II. 6. der Urteilsgründe, die sich zwar auf eine Bewilligung durch den Leistungsträger vom 26. August 2020 bezog, nicht einzubeziehen, weil diese Tat erst mit der letzten Auszahlung im August 2021 - und damit nach der zäsurbildenden Entscheidung des Landgerichts Tübingen vom 11. November 2020 - beendet wurde (UA S. 23). Auch die Taten II. 7. und 8. der Urteilsgründe waren damit nicht gesamtstrafenfähig. Für sie war deshalb - wie vom Landgericht zutreffend gesehen - eine weitere Gesamtfreiheitsstrafe zu bilden.

b) Die vom Landgericht gemäß § 55 StGB nachträglich gebildete Gesamtstrafe von drei Jahren kann gleichwohl nicht bestehen bleiben. Denn das Landgericht hat es unterlassen, die gemäß § 55 Abs. 1 StGB einbezogenen Einzelstrafen aus dem Urteil des Landgerichts Tübingen vom 11. November 2020 (UA S. 4) mit den wesentlichen Strafzumessungserwägungen mitzuteilen. Den Urteilsgründen ist lediglich zu entnehmen, dass der Angeklagte wegen Betrugs in 28 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und acht Monaten unter Aussetzung der Strafvollstreckung zur Bewährung verurteilt worden ist. Eine revisionsrechtliche Überprüfung der nachträglich gebildeten Gesamtfreiheitsstrafe ist dem Senat deshalb nicht möglich (vgl. BGH, Urteil vom 8. November 2017 - 2 StR 542/16 Rn. 23; Beschluss vom 11. Juni 1997 - 2 StR 134/97, Rn. 19; je mwN). Den Urteilsgründen ist zudem der Vollstreckungsstand - insbesondere im Hinblick auf einen möglichen Straferlass gemäß § 56g Abs. 1 StGB - nicht zweifelsfrei zu entnehmen (vgl. BGH, Beschluss vom 20. August 2020 - 1 StR 239/20 Rn. 4). Auch teilt das Landgericht etwaige vom Angeklagten erbrachte Leistungen, die dieser zur Erfüllung von Auflagen, Anerbieten, Weisungen oder Zusagen erbracht hat, nicht mit. Solche wären gemäß § 58 Abs. 2 Satz 2 StGB in Verbindung mit § 56f Abs. 3 Satz 2 StGB auf die neu gebildete Gesamtfreiheitsstrafe anzurechnen.

2. Bei der Festsetzung der Einzelgeldstrafe von 120 Tagessätzen für die Tat Ziffer II. 2. der Urteilsgründe hat das Landgericht keine Tagessatzhöhe bestimmt. Dies ist rechtsfehlerhaft, weil eine solche auch dann festzusetzen ist, wenn Einzelgeldstrafen in einer Gesamtfreiheitsstrafe aufgehen (BGH, Beschlüsse vom 19. August 2015 - 1 StR 308/15 Rn. 3 und vom 14. Mai 1981 - 4 StR 599/80, BGHSt 30, 93, 96). Da das Landgericht keine weiteren Feststellungen zu den wirtschaftlichen Verhältnissen des Angeklagten getroffen hat, setzt der Senat - um jegliche Beschwer des Angeklagten auszuschließen - die Tagessatzhöhe gemäß § 40 Abs. 2 Satz 4 StGB auf die gesetzliche Mindesthöhe von einem Euro fest (vgl. BGH, Beschluss vom 19. August 2015 - 1 StR 308/15 Rn. 3).

3. Der Senat hebt auch die zugehörigen Feststellungen zur Strafzumessung bei der nachträglichen Gesamtfreiheitsstrafe mit auf, um dem neuen Tatgericht insgesamt widerspruchsfreie Feststellungen bei der Bildung der neuen Gesamtfreiheitsstrafe zu ermöglichen (§ 353 Abs. 2 StPO).

HRRS-Nummer: HRRS 2025 Nr. 119

Bearbeiter: Christoph Henckel