HRRS-Nummer: HRRS 2024 Nr. 94
Bearbeiter: Julia Heß/Karsten Gaede
Zitiervorschlag: BGH, 2 StR 441/23, Beschluss v. 14.11.2023, HRRS 2024 Nr. 94
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 24. März 2023 im Strafausspruch aufgehoben.
Die Sache wird im Umfang der Aufhebung zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und neun Monaten verurteilt. Die auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Erfolg. Im Übrigen ist das Rechtsmittel offensichtlich unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).
Die Überprüfung des Schuldspruchs sowie das Absehen von der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt haben keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Hingegen hat der Strafausspruch keinen Bestand.
Der Generalbundesanwalt hat hierzu ausgeführt:
„Zwar ist die - sachverständig beratene Strafkammer ohne Rechtsfehler zu der Überzeugung gelangt, dass die Steuerungsfähigkeit des Angeklagten zur Tatzeit gemäß § 21 StGB erheblich vermindert war (UA S. 26); in die Strafrahmenwahl ist dieser Umstand jedoch nicht erkennbar eingeflossen. So ist die Kammer vom Regelstrafrahmen des § 224 Abs. 1 StGB (Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren) ausgegangen und hat die Annahme eines minder schweren Falles (Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren) abgelehnt (UA S. 27). Schon insoweit lassen die Urteilsgründe nicht erkennen, ob der Kammer bewusst war, dass sie - mangels ausreichender allgemeiner Milderungsgründe - auch den vertypten Milderungsgrund der erheblich verminderten Schuldfähigkeit zur Bejahung eines minder schweren Falles hätte heranziehen können (vgl. BGH, Urteil vom 9. Februar 2016 - 1 StR 415/16, NStZ-RR 2017, 168). Eine Verschiebung des Regelstrafrahmens gemäß §§ 21, 49 Abs. 1 StGB (Freiheitsstrafe von einem Monat bis zu sieben Jahren und sechs Monaten) hat das Landgericht ebenfalls nicht erörtert.
Zwar gestattet § 21 StGB auch das Absehen von einer Strafrahmenmilderung, hierfür bedarf es jedoch einer Gesamtwürdigung aller schuldrelevanten Umstände des Einzelfalls. Dabei ist zu beachten, dass der Gesetzgeber die Tatschuld als typischerweise beträchtlich verringert ansieht, wenn der Täter vermindert schuldfähig war, was sich im Ausmaß der fakultativen Strafrahmenverschiebung nach § 49 Abs. 1 widerspiegelt. Hieraus folgt, dass es für die Verweigerung der Milderung eines besonderen Grundes bedarf, der umso gewichtiger sein muss, je gravierender sich die Beibehaltung des Regelstrafrahmens auswirkt (BGH, Beschlüsse vom 30. November 2022 - 6 StR 414/22, juris Rn. 5; vom 24. Juli 2017 - Großer Strafsenat 3/17, BGHSt 62, 247 [260 ff.]). Dass die Kammer eine solche Gesamtwürdigung vorgenommen hat, lässt sich den Urteilsgründen nicht entnehmen.
Es ist nicht auszuschließen, dass sich der aufgezeigte Rechtsfehler auf die Strafzumessung ausgewirkt hat. Die Feststellungen sind hiervon jedoch nicht betroffen und können bestehen bleiben (§ 353 Abs. 2 StPO). Sie können um weitere Feststellungen ergänzt werden, die den bisherigen nicht widersprechen.“
Dem stimmt der Senat zu. Die Sache bedarf insoweit neuer Verhandlung und Entscheidung.
HRRS-Nummer: HRRS 2024 Nr. 94
Bearbeiter: Julia Heß/Karsten Gaede