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HRRS-Nummer: HRRS 2024 Nr. 660

Bearbeiter: Julia Heß/Karsten Gaede

Zitiervorschlag: BGH, 2 StR 96/23, Urteil v. 11.10.2023, HRRS 2024 Nr. 660


BGH 2 StR 96/23 - Urteil vom 11. Oktober 2023 (LG Köln)

Sexueller Missbrauch von Kindern ohne Körperkontakt mit dem Kind; Besitz jugendpornographischer Inhalte (Sichverschaffen des Besitzes: Unternehmensdelikt, Versuch des Sicherverschaffens, unmittelbares Ansetzen, Zwischenakte, notwendiges Mitwirken des Opfers; Konkurrenzen: versuchte sexuelle Nötigung, Sichverschaffen jugendpornographischer Inhalte, geschütztes Rechtsgut).

§ 176a StGB; § 184c StGB; § 177 StGB

Leitsätze des Bearbeiters

1. Eine räumliche Anwesenheit des Angeklagten ist für die Verwirklichung des § 176a Abs. 1 Nr. 2 StGB nicht erforderlich. Zur Tatbestandserfüllung reicht es aus, wenn das Opfer auf Veranlassung des Täters ohne dessen Anwesenheit eine optische und/oder akustische Aufzeichnung sexueller Handlungen vornimmt.

2. § 184c Abs. 3 StGB ist als Unternehmensdelikt ausgestaltet. Es setzt das Unternehmen voraus, sich den Besitz an einem jugendpornographischen Inhalt zu verschaffen. Hierfür genügt gemäß § 11 Abs. 1 Nr. 6 StGB der Versuch des Sichverschaffens. Für die Abgrenzung zu bloßen Vorbereitungshandlungen gelten die allgemeinen Regeln; es ist auf das unmittelbare Ansetzen im Sinne des § 22 StGB abzustellen.

3. Ein unmittelbares Ansetzen zur Tat liegt bei Handlungen des Täters vor, die nach seiner Vorstellung in ungestörtem Fortgang unmittelbar zur Tatbestandserfüllung führen oder mit ihr in einem unmittelbaren räumlichen und zeitlichen Zusammenhang stehen. Dies ist insbesondere der Fall, wenn der Täter subjektiv die Schwelle zum „Jetzt geht es los“ überschreitet, es eines weiteren Willensimpulses nicht mehr bedarf und er objektiv zur tatbestandsmäßigen Angriffshandlung ansetzt, so dass sein Tun ohne Zwischenakte in die Erfüllung des Tatbestandes übergeht, wobei auf die strukturellen Besonderheiten der jeweiligen Tatbestände Bedacht zu nehmen ist.

4. Nicht als Zwischenakte in diesem Sinne anzusehen sind Handlungen, die wegen ihrer notwendigen Zusammengehörigkeit mit der Tathandlung nach dem Plan des Täters als deren Bestandteil erscheinen, weil sie an diese zeitlich und räumlich angrenzen und mit ihr im Falle der Ausführung eine natürliche Einheit bilden; dies kann auch für ein notwendiges Mitwirken des Opfers gelten. Maßgebliche Kriterien für die Beurteilung im Einzelfall sind unter anderem die Dichte des Tatplans und der Grad der Rechtsgutsgefährdung.

5. Zwischen der versuchten sexuellen Nötigung (§§ 22, 177 Abs. 2 Nr. 5 StGB) und dem Sichverschaffen jugendpornographischer Inhalte besteht Tateinheit. Während § 177 Abs. 2 Nr. 5 StGB die sexuelle Selbstbestimmung der Geschädigten und deren Entwicklung schützt, ist geschütztes Rechtsgut des § 184c Abs. 3 StGB nicht nur der Jugendschutz, sondern darüber hinaus wird bezweckt, den Markt für jugendpornographische Produkte zu bekämpfen.

Entscheidungstenor

1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Köln vom 2. November 2022

a) im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte der Vergewaltigung in Tateinheit mit Sichverschaffen jugendpornographischer Inhalte, der sexuellen Nötigung in Tateinheit mit Sichverschaffen jugendpornographischer Inhalte in vier Fällen, des sexuellen Missbrauchs von Kindern ohne Körperkontakt mit dem Kind in Tateinheit mit Sichverschaffen kinderpornographischer Inhalte in zwei Fällen, der versuchten sexuellen Nötigung in Tateinheit mit Sichverschaffen jugendpornographischer Inhalte, der Vorbereitung des sexuellen Missbrauchs von Kindern sowie des Sichverschaffens jugendpornographischer Inhalte schuldig ist,

b) im Strafausspruch in den Fällen B. III. 1. und III. 2., B. IV. der Urteilsgründe und im Gesamtstrafenausspruch aufgehoben.

c) Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere für Jugendschutzsachen zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

d) Die weitergehende Revision wird verworfen.

2. Die Revision des Angeklagten gegen das vorbezeichnete Urteil wird als unbegründet verworfen.

Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Vergewaltigung in Tateinheit mit Besitz jugendpornographischer Inhalte, sexueller Nötigung in Tateinheit mit Besitz jugendpornographischer Inhalte in vier Fällen, sexuellen Missbrauchs von Kindern ohne Körperkontakt mit dem Kind in Tateinheit mit Besitz kinderpornographischer Inhalte, versuchter sexueller Nötigung, Vorbereitung des sexuellen Missbrauchs von Kindern in zwei Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit Besitz kinderpornographischer Inhalte, sowie wegen Besitzes jugendpornographischer Inhalte zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und neun Monaten verurteilt. Die Staatsanwaltschaft beanstandet mit ihrer auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützten Revision den Schuldspruch und die Strafzumessung, der Angeklagte richtet sich mit der Rüge der Verletzung formellen und materiellen Rechts gegen seine Verurteilung. Das Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft hat weitgehend Erfolg; die Revision des Angeklagten erweist sich als unbegründet.

I.

Das Landgericht hat folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:

1. Der einschlägig vorbestrafte Angeklagte nahm im Zeitraum zwischen August/September 2021 und Januar 2022 in mehreren Fällen über die sozialen Netzwerke Kontakt zu Mädchen im Alter zwischen 12 und 17 Jahren auf. Bei der ersten Kontaktaufnahme gab er sich regelmäßig als gleichaltriges Mädchen aus, um das Vertrauen der Mädchen zu gewinnen. Nach Intensivierung des Kontakts verlangte er die Herstellung und Übersendung von kinder- bzw. jugendpornographischem Material; teilweise versprach er, für die übersandten Bilder und Videos zu bezahlen, teilweise drohte er mit der Veröffentlichung bereits übersandten Materials oder damit, den Kontakt abzubrechen, wenn er ein Abhängigkeitsverhältnis geschaffen hatte.

2. Im Einzelnen sind nachfolgende zehn Taten festgestellt:

a) Im August/September 2021 nahm der Angeklagte zunächst unter dem Namen „V.“ über Instagram zu der 13-jährigen T. Kontakt auf, die ihm gegenüber angab, 14 Jahre alt zu sein. Im weiteren Verlauf der Kommunikation, die über WhatsApp verlief, und in der es auch zu Telefongesprächen kam, wurde ihr „klar (…), dass sie es mit einem erwachsenen Mann zu tun hat“. T., kognitiv eingeschränkt, wähnte sich alsbald in einer Beziehung mit dem Angeklagten, stellte sich vor, mit ihm intim zu werden, und geriet in zunehmende Abhängigkeit von ihm. Der Angeklagte, der erkannte, dass T. leicht zu manipulieren und in ein Abhängigkeitsverhältnis zu bringen war, umgarnte sie einerseits und trat andererseits rüde und fordernd auf.

Nachdem er T. mit fast täglich verfassten Nachrichten gefügig gemacht hatte, verlangte er von ihr, ihm Nacktbilder zu schicken; er drohte damit, ein Bild von ihr zusammen mit ihrer Mobiltelefonnummer zu veröffentlichen. Aus Furcht vor der Veröffentlichung übersandte T. daraufhin erste Nacktbilder von sich. Fortan verlangte er von ihr die Übersendung pornographischen Materials, wobei er zunehmend konkrete Handlungsanweisungen vorgab. Auch übte er entsprechenden Druck aus, wenn T. aus seiner Sicht nicht schnell genug reagierte, und drohte mit dem Abbruch des für sie als existentiell empfundenen Kontakts.

Am 29. Oktober 2021 zwischen 05.15 Uhr und 12.10 Uhr schickte der Angeklagte der Geschädigten mehrere Nachrichten, in denen er sie mit den Worten „Schick Video jetzt“, „Jetzt“, „Schick Video“, „Arsch Fingern wie gestern“, „Bin allein/Schick jetzt“, „Schick jetzt“, „Ich block dich gleich“, „Ich block dich Bye“, zur Übersendung von Videos aufforderte. Aus Furcht, der Angeklagte würde den Kontakt zu ihr abbrechen, übersandte T. ihm um 12.40 Uhr ein Video mit einer Länge von 34 Sekunden, auf dem zu sehen ist, wie sie den Stiel einer WC-Bürste zwischen ihren entblößten Gesäßbacken hin- und herbewegt. Nach weiteren Aufforderungen des Angeklagten („Will Dein Loch sehen“, „Aufmachen und dich Fingern“) übersandte sie ihm ein weiteres Video vorbeschriebener Art sowie ein Video mit der Nahaufnahme ihres entblößten Intimbereichs mit einer Länge von 15 bzw. neun Sekunden (Fall B. I. 1. der Urteilsgründe).

b) Am 2. November 2021 zwischen 14.53 Uhr und 15.50 Uhr schickte der Angeklagte dem Mädchen mehrere Nachrichten mit den Worten „Schick Video“, „Arsch Fingern“, „Bye“, „Why schickst du nicht“, woraufhin sie ihm aus Furcht davor, dass er den Kontakt zu ihr abbrechen würde, ein Video mit einer Länge von 16 Sekunden übersandte, auf dem zu sehen ist, wie sie „den Stiel einer WC-Bürste zwischen ihren entblößten Gesäßbacken hin- und herbewegt(e)“ (Fall B. I. 2. der Urteilsgründe).

c) Vom 4. auf den 5. November 2021 sandte der Angeklagte erneut mehrfach Nachrichten der vorbezeichneten Art an die Geschädigte, u.a. „Finger Dich“, „Bye“, „Lösch meine Nummer“, „Arsch und muschi Finger“, wodurch er erreichen wollte, dass T. ihm ein Video schickt, auf dem sie sich einen Finger vaginal und anal einführt. Am 5. November 2021 um 18.57 Uhr übersandte T. ihm aus Furcht davor, dass er den Kontakt zu ihr abbrechen würde, ein Video mit einer Länge von fast fünf Minuten, auf dem zu sehen ist, wie sie den Stiel einer Gesichtsreinigungsbürste vaginal einführt und ihn mehrfach vor- und zurück bewegt (Fall B. I. 3. der Urteilsgründe).

d) Vom 5. auf den 6. November 2021 schickte der Angeklagte der Geschädigten erneut mehrfach Nachrichten vorbezeichneter Art, u.a. „Arsch“, „Soll ich dich block“, „Video“, „3 Minuten arsch Fingern“, woraufhin sie ihm erneut aus Furcht davor, dass er den Kontakt zu ihr abbrechen würde, ein Video mit einer Länge von 27 Sekunden übersandte, auf dem zu sehen ist, wie sie „den Stiel einer WC-Bürste zwischen ihren entblößten Gesäßbacken hin- und herbewegt(e)“ (Fall B. I. 4. der Urteilsgründe).

e) Am 10. November 2021 forderte der Angeklagte die Geschädigte erneut mehrfach mit Nachrichten der vorbezeichneten Art auf, u.a. „Schick Video, „Geh auf Klo“, „Ich hab dich gesehen, du hast schule aus“, ihm entsprechendes Material zu senden. T. übersandte ihm daraufhin ein kurzes Video, auf dem ihre entblößte Brust zu sehen ist. Nachdem der Angeklagte weitere Nachrichten versandt hatte, u.a. „Schick arsch Video jetzt“, „Solle ich wieder deine Bilder posten“, „Schick jetzt“, „Jetzt“, „egal ich poste jetzt alles“, „Hast Du 4 Minuten Zeit wenn Du nicht schickst poste ich“, übersandte ihm T. aus Furcht davor, dass der Angeklagte bereits übersandte Bilder und Videos veröffentlicht, ein Video mit einer Länge von wenigen Sekunden, auf dem zu sehen ist, wie sie ihre entblößten Gesäßbacken auseinanderzieht, sodass ihr Intimbereich in Nahaufnahme erkennbar ist (Fall B. I. 5. der Urteilsgründe).

f) Nachdem die Geschädigte T. dem Angeklagten im September 2021 die Mobilfunknummer der 13-jährigen W. weitergeleitet hatte, nahm der Angeklagte über WhatsApp auch Kontakt zu ihr auf. W., die dem Angeklagten ihr wahres Alter mittgeteilt hatte, nahm an, der Angeklagte sei nur geringfügig älter. Er forderte sie auf, ihn als „Baby“ einzuspeichern, was sie auch tat. Nach kurzer Zeit des Nachrichtenaustausches forderte der Angeklagte das Mädchen über WhatsApp und telefonisch auf, Nacktbilder zu fertigen und zu übersenden. W. kam der Aufforderung nicht nach und blockierte die Telefonnummer des Angeklagten, so dass er keinen Kontakt mehr zu ihr aufnehmen konnte (Fall B. II. der Urteilsgründe).

g) Ende des Jahres 2021 nahm der Angeklagte unter dem Mädchennamen „Wh.“ über „Snapchat“ Kontakt zu der 12-jährigen O. auf. O. teilte „Wh.“ ihr Alter mit; der Angeklagte spiegelte ihr - als „Wh.“ - vor, in ihrem Alter zu sein. In der Folgezeit intensivierte sich der Kontakt. „Wh.“ übersandte O. ein Nacktbild einer weiblichen Jugendlichen, das von ihr stamme und bat, sie möge ebenfalls ein Nacktbild senden. O., hinsichtlich der Identität von „Wh.“ weiterhin arglos, übermittelte „Wh.“ sodann ein Nacktbild von sich. „Wh.“ teilte sodann mit, dass das Nacktbild der Geschädigten Gefallen gefunden habe und eine „dritte“ Person namens „B.“ bereit sei, Nacktbilder solcher Art käuflich zu erwerben. Dabei übermittelte „Wh.“ eine Mobiltelefonnummer, die von dem Angeklagten verwendet wurde.

O., die in finanziell prekären Verhältnissen lebte, versprach sich durch die Veräußerung von Nacktbildern eine Aufbesserung ihres Taschengeldes und nahm deshalb Kontakt zu „B.“ auf. Der selbstbewusst und erwachsen auftretende Angeklagte bestärkte den Glauben der Geschädigten, Geld für Bilder bzw. Videos zu erhalten.

Am 7. Januar 2022 zwischen 23.13 Uhr und 23.46 Uhr versandte der Angeklagte an O. mehrere Nachrichten, u.a. „muschi fingern arsch bruste und spucken“, „Muss 4 Minuten sein“, „Wann schickst du morgen?“, „Schick wenn du wach bist“, mit der er sie zur Vornahme sexueller Handlungen aufforderte. O. übersandte ihm am nächsten Tag mehrere Videodateien, unter anderem eine Datei mit einer Länge von 40 Sekunden, auf der zu sehen ist, wie sie mit heruntergezogener Hose und entblößtem Intimbereich im Badezimmer steht, sich zwei Finger vaginal einführt und dort „hin und her bewegt“ (Fall B. III. 1. der Urteilsgründe).

h) Am 22. Januar 2022 versandte der Angeklagte weitere Nachrichten an O., u.a. „Zieh dich komplett aus“, „Spuck dich an“, woraufhin diese ihm eine kurze Videodatei sendete, auf der zu sehen ist, wie sie ihre entblößten Brüste zunächst bespuckt und anschließend knetet (Fall B. III. 2. der Urteilsgründe).

i) Anfang Dezember 2021 nahm der Angeklagte unter dem Mädchennamen „Wh.“ über „Snapchat“ Kontakt zur 17-jährigen U. auf, der sich sodann nach kurzer Zeit über WhatsApp weiter intensivierte. „Wh.“ forderte U. zum Austausch von Nacktbildern auf und gab vor, sie in Kontakt mit dem „Bo.“ zu bringen. Der Angeklagte, der sich sodann als „Bo.“ zu erkennen gab, kontaktierte die Geschädigte und erklärte, „Wh.“ sei seine Sekretärin, U. könne mit dem Versenden von Nacktbildern Geld verdienen. Mehrfach forderte der Angeklagte U. auf, ihm Nacktbilder und Videos zu schicken. Er drohte damit, intime Bilder der Geschädigten, die er erlangt hatte, zu veröffentlichen. Da sich U. nicht einschüchtern ließ, versuchte der Angeklagte herauszufinden, wo sie wohnte und arbeitete, um sie verstärkt unter Druck setzen zu können. Er drohte der Geschädigten, Arbeitsstelle und Schule anzurufen, was U. indes nicht dazu veranlasste, ihm intimes Material von ihr zu übersenden. Schließlich blockierte sie den Kontakt zu dem Angeklagten, der deswegen keine weiteren Bemühungen mehr entfaltete (Fall B. IV. der Urteilsgründe).

j) Im Dezember 2021 nahm der Angeklagte erneut unter dem Mädchennamen „Wh.“ über „Snapchat“ Kontakt zur 16-jährigen A. auf. Auch hier gab „Wh.“ vor, A. könne mit Nacktbildern Geld verdienen und vermittelte die Telefonnummer zu ihrem „Bo. “. A., die sich in finanziellen Schwierigkeiten befand, kontaktierte den Angeklagten und übersandte in der Folgezeit zunächst Bilder, auf denen sie in Unterwäsche bekleidet zu sehen ist. Nach entsprechender Aufforderung durch den Angeklagten, der das Alter der Geschädigten kannte, schickte sie mehrere Bild- und Videodateien, die sie vollständig entkleidet zeigen, wobei insbesondere deren Brüste und in zwei jeweils nahezu einminütigen Videodateien deren Vagina in Nahaufnahme zu sehen sind. Am 8. Dezember 2021 übergab der Angeklagte der Geschädigten für das übersandte Material verabredungsgemäß 50 Euro (Fall B. V. der Urteilsgründe).

3. Das Landgericht hat die Taten als Vergewaltigung in Tateinheit mit dem Besitz jugendpornographischer Inhalte (Fall B. I. 3. der Urteilsgründe), sexueller Nötigung in Tateinheit mit dem Besitz jugendpornographischer Inhalte in vier Fällen (Fälle B. I. 1., 2., 4. und 5. der Urteilsgründe), sexuellen Missbrauchs von Kindern ohne Körperkontakt mit dem Kind in Tateinheit mit dem Besitz kinderpornographischer Inhalte (Fall B. III. 2. der Urteilsgründe), versuchter sexueller Nötigung (Fall B. IV. der Urteilsgründe), Vorbereitung des sexuellen Missbrauchs von Kindern in zwei Fällen (Fälle B. II. und B. III. 1. der Urteilsgründe), davon in einem Fall (Fall B. III. 1. der Urteilsgründe) in Tateinheit mit dem Besitz kinderpornographischer Inhalte, sowie wegen Besitzes jugendpornographischer Inhalte (Fall B. V. der Urteilsgründe) gewertet.

In den Fällen B. II. und B. IV. der Urteilsgründe ist das Landgericht der Ansicht, ein unmittelbares Ansetzen zur Besitzverschaffung kinder- bzw. jugendpornografischen Materials sei nicht gegeben, weil es schon nicht zur Herstellung - geschweige denn zu einer Übersendung - des von dem Angeklagten geforderten Materials an den vor Ort nicht anwesenden und daher jedenfalls körperlich nicht einwirkungsfähigen Angeklagten gekommen sei.

II.

Revision der Staatsanwaltschaft 1. Das Rechtsmittel hat teilweise Erfolg.

a) Mit Ausnahme von Fall B. II. der Urteilsgründe begegnet die rechtliche Bewertung der getroffenen Feststellungen durchgreifenden rechtlichen Bedenken.

aa) Die Annahme des Landgerichts, der Angeklagte habe sich in den Fällen B. I. 1. bis 5., B. III. 1. und 2. sowie B. V. der Urteilsgründe jeweils (auch) wegen Besitzes kinder- bzw. jugendpornographischer Inhalte strafbar gemacht, ist rechtsfehlerhaft. Es hätte stattdessen jeweils ein „Sichverschaffen“ der kinder- bzw. jugendpornographischen Inhalte annehmen müssen.

(1) Der Besitz kinder- und jugendpornographischer Inhalte tritt als Auffangtatbestand regelmäßig hinter einem Sichverschaffen zurück. Das Sichverschaffen ist am illegalen Markt der Kinder- und Jugendpornographie das gefährdungsintensivere Delikt (vgl. BGH, Beschlüsse vom 10. Juli 2008 - 3 StR 215/08, BGHR StGB § 184b Konkurrenzen 1, und vom 8. Dezember 2021 - 3 StR 405/21, juris, Rn. 3, jeweils mwN).

(2) Die Feststellungen in den Fällen B. I. 1. bis. 5., B. III. 1. und 2. und B. V. der Urteilsgründe belegen ein Sichverschaffen kinder- bzw. jugendpornographischen Inhalte durch den Angeklagten im Sinne der § 184b Abs. 3 Alt. 2, § 184c Abs. 3 Alt. 2 StGB. Der Angeklagte hat erhebliche Aktivitäten entfaltet, die auf das Erlangen tatsächlicher Verfügungsgewalt kinder- und jugendpornographischen Materials gerichtet waren, indem er die Mädchen T., O. und A. zur Herstellung und Übersendung der pornographischen Inhalte aufforderte und von diesen anschließend erhielt.

bb) Darüber hinaus ist die rechtliche Bewertung der Handlung des Angeklagten in Fall B. III. 1. der Urteilsgründe (auch) wegen Vorbereitung des sexuellen Missbrauchs von Kindern gemäß § 176b Abs. 1 Nr. 2 StGB fehlerhaft.

Indem der Angeklagte die zwölfjährige O. - in Kenntnis ihres Alters - mit den Worten „muschi fingern arsch bruste und spucken“, „muss 4 Minuten sein“, „wann schickst du morgen?“, „schick wenn du wach bist“ zur Vornahme sexueller Handlungen aufforderte und O. ihm daraufhin eine Videodatei übersandte, auf der zu sehen ist, wie sie mit heruntergezogener Hose und entblößtem Intimbereich im Badezimmer steht, sich zwei Finger vaginal einführt und dort hin und her bewegt, hat sich der Angeklagte des sexuellen Missbrauchs von Kindern ohne Körperkontakt mit dem Kind gemäß § 176a Abs. 1 Nr. 2 StGB, der § 176b Abs. 1 Nr. 2 StGB als tatbestandlich vertyptes Vorbereitungsdelikt verdrängt, strafbar gemacht. Eine räumliche Anwesenheit des Angeklagten ist nicht erforderlich. Zur Tatbestandserfüllung reicht es aus, wenn das Opfer auf Veranlassung des Täters ohne dessen Anwesenheit eine optische und/oder akustische Aufzeichnung sexueller Handlungen vornimmt (vgl. NK-StGB/Papathanasiou, 6. Aufl., § 176a Rn. 10; BeckOK-StGB/Ziegler, 58. Ed., § 176a Rn. 6, jeweils mwN).

cc) Der Angeklagte hat sich im Fall B. IV. wegen versuchter sexueller Nötigung in Tateinheit mit Sichverschaffen jugendpornographischer Inhalte (vgl. § 177 Abs. 2 Nr. 5, Abs. 3, § 22, § 184c Abs. 3, § 52 StGB) strafbar gemacht.

(1) Der Tatbestand des Unternehmens des Sichverschaffens des Besitzes an einem jugendpornographischen Inhalt (Fall B. IV. der Urteilsgründe) ist entgegen der Ansicht des Landgerichts, das insoweit von einer straflosen Vorbereitungshandlung ausgegangen ist, erfüllt.

(a) § 184c Abs. 3 StGB ist als Unternehmensdelikt ausgestaltet. Es setzt das Unternehmen voraus, sich den Besitz an einem jugendpornographischen Inhalt zu verschaffen. Hierfür genügt gemäß § 11 Abs. 1 Nr. 6 StGB der Versuch des Sichverschaffens. Für die Abgrenzung zu bloßen Vorbereitungshandlungen gelten die allgemeinen Regeln; es ist auf das unmittelbare Ansetzen im Sinne des § 22 StGB abzustellen (vgl. BGH, Beschluss vom 16. Juli 2015 - 4 StR 219/15, juris, Rn. 13 ff. mwN [zu § 184b Abs. 4 Satz 1 StGB aF]).

(b) Ein unmittelbares Ansetzen zur Tat liegt bei Handlungen des Täters vor, die nach seiner Vorstellung in ungestörtem Fortgang unmittelbar zur Tatbestandserfüllung führen oder mit ihr in einem unmittelbaren räumlichen und zeitlichen Zusammenhang stehen. Dies ist insbesondere der Fall, wenn der Täter subjektiv die Schwelle zum „Jetzt geht es los“ überschreitet, es eines weiteren Willensimpulses nicht mehr bedarf und er objektiv zur tatbestandsmäßigen Angriffshandlung ansetzt, so dass sein Tun ohne Zwischenakte in die Erfüllung des Tatbestandes übergeht, wobei auf die strukturellen Besonderheiten der jeweiligen Tatbestände Bedacht zu nehmen ist (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 17. März 2022 - 4 StR 223/21, juris, Rn. 16).

Nicht als Zwischenakte in diesem Sinne anzusehen sind Handlungen, die wegen ihrer notwendigen Zusammengehörigkeit mit der Tathandlung nach dem Plan des Täters als deren Bestandteil erscheinen, weil sie an diese zeitlich und räumlich angrenzen und mit ihr im Falle der Ausführung eine natürliche Einheit bilden; dies kann auch für ein notwendiges Mitwirken des Opfers gelten (vgl. BGH, Urteil vom 30. April 1980 - 3 StR 108/80, NJW 1980, 1759 f.; Beschluss vom 16. Juli 2015 - 4 StR 219/15, juris, Rn. 13 ff.; Urteil vom 17. März 2022 - 4 StR 223/21, juris, Rn. 16). Maßgebliche Kriterien für die Beurteilung im Einzelfall sind unter anderem die Dichte des Tatplans und der Grad der Rechtsgutsgefährdung (vgl. BGH, Urteile vom 16. September 2015 - 2 StR 71/15, BGHR StGB § 22 Ansetzen 39, und vom 17. März 2022 - 4 StR 223/21, juris, Rn. 16, jeweils mwN).

(2) Gemessen hieran ist die rechtliche Würdigung des Landgerichts im Fall B. IV. der Urteilsgründe fehlerhaft.

Der Angeklagte hat nach seiner Vorstellung unmittelbar zum Sichverschaffen des Besitzes an einem jugendpornographischen Inhalt angesetzt, indem er die Geschädigte U. über WhatsApp und telefonisch zunächst gegen Bezahlung und anschließend mit der Drohung, intime Bilder von ihr zu veröffentlichen und ihren Arbeitgeber und ihre Schule zu informieren, zur Übersendung von Nacktbildern mit pornographischen Inhalten drängte. Das Fertigen und Übersenden der Bilder durch sie gehörten notwendig zur Tat selbst und bildeten mit der Aufforderung durch den Angeklagten eine natürliche Einheit. Dass der Angeklagte selbst nicht körperlich anwesend war, steht dem nicht entgegen. Er hatte mit seinen Forderungen subjektiv die Schwelle zum „Jetzt geht es los“ überschritten und die nach seinem Tatplan erforderlichen Handlungen vorgenommen.

(3) Zwischen der versuchten sexuellen Nötigung (§§ 22, 177 Abs. 2 Nr. 5 StGB) und dem Sichverschaffen jugendpornographischer Inhalte besteht Tateinheit. Während § 177 Abs. 2 Nr. 5 StGB die sexuelle Selbstbestimmung der Geschädigten und deren Entwicklung schützt (vgl. NK-StGB/K. Schumann, aaO, § 177 Rn. 5), ist geschütztes Rechtsgut des § 184c Abs. 3 StGB nicht nur der Jugendschutz (vgl. BeckOK-StGB/Ziegler, aaO, § 184c Rn. 2), sondern darüber hinaus wird bezweckt, den Markt für jugendpornographische Produkte zu bekämpfen (vgl. BeckOK-StGB/Ziegler, aaO).

dd) Gegen die rechtliche Würdigung des Falles B. II. der Urteilsgründe als Vorbereitung des sexuellen Missbrauchs von Kindern (§ 176b Abs. 1 Nr. 2 StGB) ist nichts zu erinnern. Anders als im Fall B. IV. der Urteilsgründe hat sich der Angeklagte nicht auch tateinheitlich wegen Sichverschaffens - hier - kinderpornographischer Inhalte (vgl. § 184b Abs. 3 StGB) strafbar gemacht. Denn nach den getroffenen Feststellungen hatte der Angeklagte die Geschädigte zunächst nur aufgefordert, „Nacktbilder von sich zu fertigen und ihm zu übersenden“. Dass die Nacktbilder bereits einen pornographischen Inhalt aufweisen sollten, hat das Landgericht gerade nicht festgestellt. Vielmehr entsprach es dem regelmäßigen Tatplan des Angeklagten, erst später, nach Übersendung entsprechender Bilder, mit deren Veröffentlichung für den Fall zu drohen, dass nicht weitere Bilder, nunmehr mit pornographischem Inhalt, an ihn übersandt würden. Zu einer solchen Aufforderung durch den Angeklagten ist es indes noch nicht gekommen.

ee) Infolge der genannten Rechtsfehler hat der Senat den Schuldspruch - wie aus dem Tenor ersichtlich - entsprechend § 354 Abs. 1 StPO geändert. § 265 Abs. 1 StPO steht dem nicht entgegen, weil die Strafbarkeit wegen Sichverschaffens kinder- bzw. jugendpornographischer Schriften in allen hier maßgeblichen Fällen bereits von der Anklage erfasst war; im Übrigen ist auszuschließen, dass sich der geständige Angeklagte anders als geschehen verteidigt hätte.

b) Der Strafausspruch hat nur in den Fällen B. III. 1., III. 2. und B. IV. der Urteilsgründe keinen Bestand, was auch zur Aufhebung der Gesamtstrafe führt. Im Übrigen schließt der Senat aus, dass die verhängten Einzelstrafen in den Fällen B. I. 1. bis 5. und B. V. der Urteilsgründe auf der rechtlich fehlerhaften Bewertung der Taten beruht.

aa) Hinsichtlich Fall B. III. 1. der Urteilsgründe ist die Strafkammer gemäß § 52 Abs. 2 Satz 1 StGB zwar rechtlich zutreffend von dem Strafrahmen des § 184b Abs. 3 StGB ausgegangen. Bei der Strafzumessung im engeren Sinne kommt aber hinzu, dass der Angeklagte mit gleichzeitiger Verwirklichung des § 176a Abs. 1 Nr. 2 StGB (sechs Monate bis zu zehn Jahre Freiheitsstrafe) im Vergleich zu § 176b Abs. 1 Nr. 2 StGB (drei Monate bis zu fünf Jahre Freiheitsstrafe) eine Tat mit einem höheren Unrechtsgehalt verwirklicht hat.

bb) In Bezug auf Fall B. III. 2. der Urteilsgründe hat die Strafkammer § 52 Abs. 2 Satz 2 StGB nicht beachtet. Das Landgericht ist von dem Strafrahmen des § 176a Abs. 1 StGB (sechs Monate bis zu zehn Jahre Freiheitsstrafe) ausgegangen, obwohl das - von der Strafkammer selbst angenommene - tateinheitlich verwirklichte Verbrechen nach § 184b Abs. 3 StGB eine höhere Mindeststrafe vorsieht (ein Jahr bis zehn Jahre Freiheitsstrafe).

cc) Die Änderung des Schuldspruchs im Fall B. IV. der Urteilsgründe erfasst hier auch die betreffende Einzelstrafe. Mit der tateinheitlichen Verwirklichung des § 184c Abs. 3 StGB tritt ein schulderhöhender Umstand hinzu, der regelmäßig strafschärfend zu bemessen ist, wenn die Straftatbestände - wie hier (vgl. dazu unter II. 1. a) cc) (b) (3)) - unterschiedliche Rechtsgüter schützen (vgl. MüKo-StGB/von Heintschel-Heinegg, aaO, § 52 Rn. 124 mwN).

dd) Der Wegfall der Einzelstrafen in den Fällen B. III. 1., III. 2. und B. IV. der Urteilsgründe bedingt die Aufhebung der vom Landgericht gebildeten Gesamtstrafe.

ee) Im Übrigen schließt der Senat aus, dass die verhängten Einzelstrafen in den Fällen B. I. 1. bis 5. und B. V. der Urteilsgründe auf der rechtlich fehlerhaften Bewertung der Taten wegen Besitzes kinder- und jugendpornographischer Inhalte statt des Sichverschaffens kinder- und jugendpornographischer Inhalte beruht. Dass das Landgericht das jeweils festgestellte konkrete Tatbild - der Angeklagte hat intensiv und initiativ auf die Kinder und Jugendlichen eingewirkt, um die Anfertigung und Übersendung der pornographischen Inhalte zu erwirken - bei der Strafzumessung aus dem Blick verloren hat, kann der Senat ausschließen.

2. Der Aufhebung von Feststellungen bedarf es nicht, da es sich um bloße Wertungsfehler handelt. Der Tatrichter ist nicht gehindert, neue Feststellungen zu treffen, die den bisherigen nicht widersprechen.

III.

Revision des Angeklagten Die Revision des Angeklagten ist unbegründet.

1. Die Rüge der Verletzung formellen Rechts ist nicht ausgeführt und deshalb unzulässig (vgl. § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO).

2. Die Überprüfung des Urteils auf die nicht näher ausgeführte Sachrüge hat keinen den Angeklagten beschwerenden Rechtsfehler erkennen lassen.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 StPO.

HRRS-Nummer: HRRS 2024 Nr. 660

Bearbeiter: Julia Heß/Karsten Gaede