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HRRS-Nummer: HRRS 2024 Nr. 582

Bearbeiter: Fabian Afshar/Karsten Gaede

Zitiervorschlag: BGH, 3 StR 15/24, Beschluss v. 06.03.2024, HRRS 2024 Nr. 582


BGH 3 StR 15/24 - Beschluss vom 6. März 2024 (LG Wuppertal)

Verschlechterungsverbot (gesamtschuldnerische Haftung für Wertersatzeinziehung).

§ 73 StGB; § 73c StGB; § 358 Abs. 2 Satz 1 StPO

Leitsätze des Bearbeiters

Das Verschlechterungsverbot steht einer Begrenzung der gesamtschuldnerischen Haftung auf einen Teilbetrag entgegen, wenn diese zuvor den Gesamtbetrag umfasste.

Entscheidungstenor

1. Auf die Revision der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Wuppertal vom 19. September 2023 dahin geändert, dass die Angeklagte für den gesamten Geldbetrag von 71.989,46 €, hinsichtlich dessen die erweiterte Einziehung des Wertes von Taterträgen angeordnet worden ist, als Gesamtschuldnerin haftet.

2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

3. Die Beschwerdeführerin hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Gründe

Das Landgericht hatte die Angeklagte im ersten Rechtsgang wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe verurteilt. Ferner hatte es gegen sie die Einziehung sichergestellten Bargelds und eines - gegenständlich nicht vorhandenen - Geldbetrages von 222.123,40 € jeweils als Gesamtschuldnerin angeordnet. Auf ihre Revision hatte der Senat mit Beschluss vom 21. September 2021 (3 StR 158/21) das Urteil im Ausspruch über die Einziehung des Bargelds geändert sowie im Ausspruch über die Einziehung des Wertes von Taterträgen unter Aufrechterhaltung der zugehörigen Feststellungen aufgehoben und die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen; das weitergehende Rechtsmittel hatte er verworfen. Nunmehr hat das Landgericht gegen die Angeklagte die erweiterte Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 71.989,46 € angeordnet und bestimmt, dass sie hinsichtlich eines Teilbetrages von 23.339,51 € als Gesamtschuldnerin haftet. Ihre auf die Sachrüge gestützte Revision hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

1. Soweit das Landgericht auf die erweiterte Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 71.989,46 € erkannt hat, hat die Nachprüfung des Urteils keinen der Angeklagten nachteiligen Rechtsfehler ergeben. Dagegen erweist sich die Entscheidung über die gesamtschuldnerische Haftung als zu ihren Lasten rechtsfehlerhaft. Die - der Angeklagten günstige (vgl. BGH, Urteil vom 28. Oktober 2010 - 4 StR 215/10, BGHSt 56, 39 Rn. 26) - Gesamtschuld erstreckt sich unter zwei Gesichtspunkten auf den der erweiterten Wertersatzeinziehung unterliegende Gesamtbetrag:

a) In verfahrensrechtlicher Hinsicht steht das Verschlechterungsverbot des § 358 Abs. 2 Satz 1 StPO einer Begrenzung der gesamtschuldnerischen Haftung auf einen Teilbetrag entgegen. Denn im ersten Rechtsgang hatte das Landgericht diese in voller Höhe bestimmt. Nach der Teilaufhebung des Urteils auf die Revision der Angeklagten darf ihr dieser die Rechtsfolgen betreffende Vorteil nicht wieder genommen werden.

b) In sachlichrechtlicher Hinsicht ist nicht festgestellt, dass der Ehemann der Angeklagten nur im Umfang von 23.339,51 € tatsächliche (Mit-)Verfügungsgewalt über die Veräußerungserlöse aus dem gemeinschaftlichen Betäubungsmittelhandel hatte.

Nach den bindenden Feststellungen aus dem nur teilaufgehobenen Urteil handelte es sich bei allen auf den Bankkonten der Angeklagten eingezahlten Geldbeträgen - mit Ausnahme der aus ihren legalen Geschäften stammenden und deshalb in Abzug gebrachten 24.000 € - um Bareinnahmen aus dem Betäubungsmittelhandel ihres Ehemanns, an dem sie sich mehr als zwei Jahre lang beteiligte. Das arbeitsteilige Vorgehen umfasste die Abrede, dass der Ehemann für den Einund Verkauf der Betäubungsmittel zuständig war, während ihr die Sicherung und Verwaltung der eingenommenen Gelder im Sinne der gemeinsamen Lebensplanung oblag. Daher drängt es sich auf, dass zunächst er die tatsächliche Verfügungsgewalt über die Taterlöse erhalten hatte.

Für die gesamtschuldnerische Haftung kommt es nicht darauf an, über welche Bankkonten der Ehemann verfügungsberechtigt war. Die am 30. April 2019 bestehenden Kontoguthaben sind lediglich deshalb von Bedeutung, weil für die erweiterte Wertersatzeinziehung nach §§ 73a, 73c StGB Feststellungen dazu haben getroffen werden müssen, inwieweit die Angeklagte im Zeitraum der abgeurteilten Tat noch Verfügungsgewalt über die anderweitigen Taterträge oder über deren Surrogate hatte (vgl. BGH, Beschlüsse vom 21. September 2021 - 3 StR 158/21, BGHR StGB § 73a Abs. 1 Wertersatz 1 Rn. 12 ff.; vom 27. Juli 2023 - 3 StR 132/23, juris Rn. 13 mwN).

c) Infolgedessen ist die Entscheidung über die gesamtschuldnerische Haftung in entsprechender Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO zu ändern.

2. Angesichts des geringen Erfolgs der Revision ist es nicht unbillig, die Angeklagte mit den gesamten Kosten ihres Rechtsmittels zu belasten (§ 473 Abs. 4 StPO).

HRRS-Nummer: HRRS 2024 Nr. 582

Bearbeiter: Fabian Afshar/Karsten Gaede