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HRRS-Nummer: HRRS 2024 Nr. 1302

Bearbeiter: Julia Heß/Karsten Gaede

Zitiervorschlag: BGH, 2 StR 41/24, Beschluss v. 22.05.2024, HRRS 2024 Nr. 1302


BGH 2 StR 41/24 - Beschluss vom 22. Mai 2024 (LG Wiesbaden)

Handeltreiben mit Cannabis (unerlaubte Einfuhr: Handeln mit Betäubungsmitteln, nicht geringe Menge, Bewertungseinheit, Strafrahmendivergenz; bewaffneter Handel).

§ 34 KCanG; § 29a BtMG; § 30 BtMG; § 30a BtMG

Leitsatz des Bearbeiters

Das Konsumcannabisgesetz sanktioniert sowohl die Einfuhr von Cannabis (§ 34 Abs. 1 Nr. 5 KCanG) wie auch den Handel mit Cannabis (§ 34 Abs. 1 Nr. 4 KCanG) mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe. Beziehen sich diese Handlungen auf eine nicht geringe Menge, soll nach dem Willen des Gesetzgebers regelmäßig ein besonders schwerer Fall mit einem Strafrahmen von Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren zur Anwendung kommen (§ 34 Abs. 3 Satz 1 und Satz 2 Nr. 4 KCanG). Der Gesetzgeber hat damit die im Betäubungsmittelgesetz verankerte erhöhte Strafbarkeit des Einfuhrvorgangs gegenüber dem Handeltreiben, sofern beides eine nicht geringe Menge betrifft, im Konsumcannabisgesetz nicht übernommen. Dementsprechend unterfällt die Einfuhr von Cannabis in nicht geringer Menge hier der Bewertungseinheit des Handeltreibens mit Cannabis in nicht geringer Menge.

Entscheidungstenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Wiesbaden vom 17. August 2023, soweit es ihn betrifft,

a) im Schuldspruch dahin abgeändert, dass der Angeklagte des bewaffneten Handeltreibens mit Cannabis in Tateinheit mit vorsätzlichem unerlaubtem Besitz einer halbautomatischen Kurzwaffe zum Verschießen von Patronenmunition und mit vorsätzlichem unerlaubtem Besitz von Munition sowie des Handeltreibens mit Cannabis schuldig ist,

b) im Strafausspruch aufgehoben.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge und wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in Tateinheit mit Besitz einer halbautomatischen Kurzwaffe zum Verschießen von Patronenmunition zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und zehn Monaten verurteilt und Einziehungsentscheidungen getroffen. Die auf die ausgeführte Rüge der Verletzung sachlichen Rechts gestützte Revision des Angeklagten führt zur Abänderung des Schuldspruchs und zur Aufhebung des Strafausspruchs. Im Übrigen ist das Rechtsmittel offensichtlich unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).

1. Der Schuldspruch war an die Änderung durch das am 1. April 2024 in Kraft getretene Konsumcannabisgesetz anzupassen, auf das gemäß § 2 Abs. 3 StGB i.V.m. § 354a StPO bei der revisionsgerichtlichen Kontrolle abzustellen ist. Zudem war das vom Landgericht festgestellte Vergehen des vorsätzlichen unerlaubten Besitzes von Munition (§ 52 Abs. 3 Nr. 2 Buchst. b WaffG) aufgrund der tateinheitlichen Begehung im Tenor aufzunehmen.

a) Im Fall II.1 der Urteilsgründe hat sich der Angeklagte wegen Handeltreibens mit Cannabis (§ 34 Abs. 1 Nr. 4 KCanG) strafbar gemacht.

aa) Nach den rechtsfehlerfreien Feststellungen organisierte und begleitete der Angeklagte am 18. August 2022 die Übernahme und den Transport von 23.290 g Marihuana mit einem Wirkstoffgehalt von 2.422,2 g THC aus den Niederlanden in die Bundesrepublik Deutschland. Tateinheitlich hierzu war er auch, wie das Landgericht rechtlich zutreffend ausgeführt und gewürdigt hat, täterschaftlich in den Handel der Gesamtmenge eingebunden (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 28. Februar 2007 ? 2 StR 516/06, BGHSt 51, 219, 222 ff.; Beschluss vom 30. März 2007 ? 2 StR 81/07, juris Rn. 10).

bb) Danach ist der Angeklagte des Handeltreibens mit Cannabis schuldig (§ 34 Abs. 1 Nr. 4 KCanG). Einer darüberhinausgehenden Tenorierung des mitverwirklichten Einfuhrdelikts (§ 34 Abs. 1 Nr. 5 KCanG) bedarf es im Anwendungsbereich des Konsumcannabisgesetzes nicht.

(1) Für den Handel mit Betäubungsmitteln ist Folgendes anerkannt:

(a) Der Erwerb, die Veräußerung oder die Einfuhr von Betäubungsmitteln gehen als rechtlich unselbständige Tatbestandsverwirklichungen im Handeltreiben mit Betäubungsmitteln auf (vgl. BGH, Urteil vom 24. November 1982 ? 3 StR 384/82, BGHSt 31, 163, 165). Deshalb macht sich derjenige Täter, der Betäubungsmittel unterhalb der Grenze zur nicht geringen Menge im Ausland erwirbt und zum Weiterverkauf nach Deutschland verbringt, nicht wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln, sondern allein wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln (beides erfasst in § 29 Abs. 1 Nr. 1 BtMG) schuldig (vgl. BGH, Beschlüsse vom 10. Mai 2005 ? 3 StR 133/05, NStZ 2006, 172 und vom 22. Mai 2014 ? 4 StR 223/13, juris Rn. 11).

(b) Wird jedoch eine nicht geringe Menge von Betäubungsmitteln eingeführt, so wird diese Einfuhr von einem täterschaftlichen Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge nicht verdrängt, sondern steht in Tateinheit, da § 30 Abs. 1 Nr. 4 BtMG mit zwei Jahren eine höhere Mindeststrafe vorsieht als § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG mit einer Mindeststrafe von einem Jahr für das Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge. Denn diese Tatbestandsausgestaltung, durch die der Gesetzgeber die Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in abstrakt generalisierender Weise als die gegenüber dem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge schwerere Straftat bewertet, führt dazu, dass ihr Vorliegen im Schuldspruch hervorgehoben werden muss (vgl. BGH, Urteil vom 24. November 1982 ? 3 StR 384/82, BGHSt 31, 163, 165 f.; Patzak in Patzak/Volkmer/Fabricius, BtMG, 10. Aufl., § 29 Rn. 772).

(c) Mangels Strafrahmendivergenz unterfällt demgegenüber bei einem bandenmäßigen Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge nach § 30a Abs. 1 BtMG die Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge aber wieder der Bewertungseinheit des bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (vgl. BGH, Beschluss vom 14. April 2010 ? 2 StR 70/10, NStZ-RR 2010, 216).

(2) Das Konsumcannabisgesetz sanktioniert sowohl die Einfuhr von Cannabis (§ 34 Abs. 1 Nr. 5 KCanG) wie auch den Handel mit Cannabis (§ 34 Abs. 1 Nr. 4 KCanG) mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe. Beziehen sich diese Handlungen auf eine nicht geringe Menge, soll nach dem Willen des Gesetzgebers regelmäßig ein besonders schwerer Fall mit einem Strafrahmen von Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren zur Anwendung kommen (§ 34 Abs. 3 Satz 1 und Satz 2 Nr. 4 KCanG). Der Gesetzgeber hat damit die im Betäubungsmittelgesetz verankerte erhöhte Strafbarkeit des Einfuhrvorgangs gegenüber dem Handeltreiben, sofern beides eine nicht geringe Menge betrifft, im Konsumcannabisgesetz nicht übernommen. Dementsprechend unterfällt die Einfuhr von Cannabis in nicht geringer Menge hier der Bewertungseinheit des Handeltreibens mit Cannabis in nicht geringer Menge. Eine Notwendigkeit, die Einfuhr von Cannabis in nicht geringer Menge im Schuldspruch besonders zum Ausdruck zu bringen, ist für den Bereich des Konsumcannabisgesetzes angesichts der aufgezeigten gesetzgeberischen Ausgestaltung jedenfalls für die hier zur Aburteilung stehende Konstellation nicht erkennbar.

b) Im Fall II.2 der Urteilsgründe ist der Angeklagte des bewaffneten Handeltreibens mit Cannabis (§ 34 Abs. 4 Nr. 4 KCanG) in Tateinheit mit Besitz einer halbautomatischen Kurzwaffe zum Verschießen von Patronenmunition (§ 52 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b WaffG) und unerlaubtem Besitz von Munition (§ 52 Abs. 3 Nr. 2 Buchst. b WaffG) schuldig.

aa) Nach den ebenfalls rechtsfehlerfreien Feststellungen verwahrte der Angeklagte am 18. August 2022 in seiner Wohnung 1.620,2 g Marihuana mit einem Wirkstoffgehalt von 254,1 g THC sowie 641,62 g Haschisch mit einem Wirkstoffgehalt von 243,82 g THC. Er wollte das Marihuana und das Haschisch gewinnbringend verkaufen; zu einzelnen Absatzhandlungen war es bereits gekommen. Zum Selbstschutz und zur Absicherung der „Betäubungsmittel“ verwahrte er ohne waffenrechtliche Erlaubnis in unmittelbarer Zugriffsnähe eine geladene und funktionsfähige scharfe Schusswaffe. Zwei weitere funktionsfähige Schusswaffen hatte er ab dem 3. August 2022 in seinem Besitz, verbrachte diese jedoch spätestens am 17. August 2022 zu einem Mittäter.

bb) Den bewaffneten Handel mit Cannabisprodukten in nicht geringer Menge hat der Gesetzgeber nunmehr in § 34 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 4 Nr. 4 KCanG unter Strafe gestellt. Dieser eigenständige Straftatbestand bedarf als Qualifikation, anders als das Vorliegen eines Regelbeispiels, der Aufnahme in der Urteilsformel (vgl. Meyer-Goßner/Appl, Die Urteile in Strafsachen, 30. Aufl., Rn. 48 ff. mwN). Hinzu tritt die tatsächliche Besitzausführung über eine halbautomatische Kurzwaffe zum Verschießen von Patronenmunition (§ 52 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b WaffG). Die hier nicht ausschließbare gleichzeitige tatsächliche Besitzausübung über alle drei eingezogenen Schusswaffen verbindet die Verstöße gegen das Waffengesetz zur Tateinheit (vgl. BGH, Urteil vom 7. Juli 2020 ? 1 StR 242/19, juris Rn. 16 mwN). Ferner hat sich der Angeklagte tateinheitlich wegen unerlaubten Besitzes von Munition nach § 52 Abs. 3 Nr. 2 Buchst. b WaffG strafbar gemacht (vgl. BGH, Beschlüsse vom 5. Mai 2009 - 1 StR 737/08, juris Rn. 6 und vom 31. Januar 2012 - 2 StR 409/11, juris Rn. 2).

c) Der Senat ändert den Schuldspruch in entsprechender Anwendung von § 354 Abs. 1 StPO ab. § 265 Abs. 1 StPO steht dem nicht entgegen, weil sich der Angeklagte nicht erfolgreicher als geschehen hätte verteidigen können. Das Verschlechterungsverbot schließt die teilweise Verschärfung des Schuldspruchs nicht aus (vgl. BGH, Beschluss vom 26. Oktober 2023 ? 2 StR 225/23, juris Rn. 61).

2. Der Strafausspruch kann keinen Bestand haben. Der Senat kann nicht mit Sicherheit ausschließen, dass das Tatgericht bei der nunmehr gebotenen Anwendung der Strafrahmen des Konsumcannabisgesetzes zu geringeren Einzelstrafen und damit auch zu einer milderen Gesamtstrafe gelangt wäre.

3. Im Übrigen hat die Überprüfung des Urteils aus den Gründen der Zuschrift des Generalbundesanwalts keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.

4. Im Umfang der Aufhebung bedarf die Sache neuer Verhandlung und Entscheidung. Die rechtsfehlerfreien Feststellungen haben Bestand (§ 353 Abs. 2 StPO).

HRRS-Nummer: HRRS 2024 Nr. 1302

Bearbeiter: Julia Heß/Karsten Gaede