HRRS-Nummer: HRRS 2023 Nr. 575
Bearbeiter: Karsten Gaede
Zitiervorschlag: BGH, 3 StR 167/22, Beschluss v. 08.02.2023, HRRS 2023 Nr. 575
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Mainz vom 20. Dezember 2021 wird verworfen.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Bestechlichkeit in vier Fällen sowie Untreue in zwölf Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und acht Monaten verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt und ihn im Übrigen freigesprochen. Die Revision des Angeklagten, die er auf die Rüge der Verletzung formellen und materiellen Rechts stützt, ist unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
Nach den vom Landgericht getroffenen Feststellungen schloss der Angeklagte als Bürgermeister der Stadt O. im Herbst 2013 im Zusammenhang mit der Entwicklung und Bebauung des Baugebiets K. in der Gemeinde O. einen Maklervertrag mit der G. GmbH, deren faktischer Geschäftsführer der frühere Mitangeklagte war. Hintergrund dessen war, dass zur Sanierung des desolaten Haushalts der Stadt O. verschiedene Grundstücke vor dem Umlegungsverfahren durch die Stadt angekauft und nach Erschließung gewinnbringend verkauft werden sollten. Der frühere Mitangeklagte, ein Steuerberater, leistete für die G. GmbH bei dem Ankauf der Grundstücke Vermittlungstätigkeiten in unterschiedlichem Umfang.
Bei Abschluss des Maklervertrages wurde die nach der Gemeindeordnung (GemO) Rheinland-Pfalz erforderliche Schriftform nicht eingehalten; überdies wurde der zuständige Stadtrat nicht einbezogen. Der Angeklagte sagte dem früheren Mitangeklagten zu, dass die Maklerprovision gezahlt werde. Zudem vereinbarten beide, dass im Gegenzug ca. 10% der Maklerprovision von der G. GmbH bzw. dem früheren Mitangeklagten an den SPD-Ortsverein O. fließen sollten. Dem Angeklagten war bewusst, dass er zur Beauftragung der G. GmbH ohne Stadtratsbeschluss nicht berechtigt war und außerhalb der ihm im Innenverhältnis zustehenden Befugnisse handelte. Er wollte insgesamt eine Einbindung des Stadtrates umgehen und nahm an, zukünftige Rechnungen der G. GmbH auch ohne entsprechende Grundlage bei der Verbandsgemeinde, die die Einheitskasse verwaltet, allein durch Anweisung zur Auszahlung bringen zu können.
In der Folgezeit wurden mehrere Grundstücke unter Mitwirkung des früheren Mitangeklagten durch die Stadt O. angekauft. Diese bildeten die Grundlage für Provisionsrechnungen der G. GmbH, die auf Anweisung des Angeklagten in Höhe von insgesamt 172.249,94 € zum Nachteil der Stadt O. ausgezahlt wurden.
Entsprechend der zwischen dem Angeklagten und dem früheren Mitangeklagten getroffenen Abrede leistete dieser in den Jahren 2014 und 2015 Spenden in Höhe von insgesamt 17.600 € an den SPD-Ortsverein O..
Der Erörterung bedarf über die Ausführungen des Generalbundesanwalts in dessen Antragsschrift hinaus lediglich das Folgende:
1. Der Schuldspruch wegen Untreue zum Nachteil der Stadt O. in den Fällen 2 bis 5, 7 und 8 sowie 10 bis 13 der Urteilsgründe weist keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten auf. Das Landgericht hat zutreffend einen Vermögensnachteil in Höhe der jeweils an den früheren Mitangeklagten gezahlten Provisionen angenommen.
a) Ob ein Vermögensnachteil im Sinne von § 266 Abs. 1 StGB eingetreten ist, muss grundsätzlich durch einen Vergleich des gesamten Vermögens vor und nach der beanstandeten Verfügung nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten geprüft werden (vgl. BGH, Beschlüsse vom 24. September 2019 - 5 StR 394/19, NStZ-RR 2020, 20, 21; vom 26. November 2015 - 3 StR 17/15, NJW 2016, 2585 Rn. 62; Urteil vom 23. Mai 2002 - 1 StR 372/01, BGHSt 47, 295, 301 f.). Ein Vermögensnachteil kann auch durch die Erbringung einer rechtsgrundlosen Zahlung bewirkt werden, weil diese nicht zum Erlöschen einer wirksamen Forderung führt (vgl. BGH, Beschluss vom 8. Juni 2021 - 5 StR 481/20, StV 2021, 726 Rn. 14; Urteil vom 10. Oktober 2012 - 2 StR 591/11, NJW 2013, 401 Rn. 31).
Vorliegend war der Maklervertrag für den Angeklagten und den früheren Mitangeklagten erkennbar unwirksam und die Zahlungen erfolgten ohne Rechtsgrund. Nach den Feststellungen missbrauchte der Angeklagte - für den früheren Mitangeklagten erkennbar - seine Vertretungsmacht, indem er den Maklervertrag infolge einer Bestechungsabrede (vgl. dazu BGH, Beschluss vom 8. Juni 2021 - 5 StR 481/20, StV 2021, 726 Rn. 14; Urteil vom 6. Mai 1999 - VII ZR 132/97, BGHZ 141, 357, 363 f.) und zudem unter Umgehung des nach § 32 Abs. 1 Satz 1 GemO Rheinland-Pfalz zuständigen Stadtrates sowie Verletzung des Schriftformerfordernisses aus § 49 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 GemO Rheinland-Pfalz schloss. Auch eine spätere Genehmigung des Maklervertrages durch den Stadtrat, der - wie der Angeklagte wusste - der Beauftragung eines Maklers mangels Erforderlichkeit nicht zugestimmt hätte, war von vornherein nicht beabsichtigt.
b) Der durch die Pflichtverletzung hervorgerufenen Vermögensminderung stand kein Vermögensvorteil gegenüber, welcher den Nachteil vollständig oder auch nur teilweise hätte ausgleichen können.
Entgegen der Auffassung der Revision ist ein solcher Vorteil nicht deswegen anzunehmen, weil die Stadt O. Maklerleistungen durch den früheren Mitangeklagten erhielt. Zwar trifft es im Ausgangspunkt zu, dass der Vermögensnachteil im Sinne des § 266 StGB nach dem Prinzip der Gesamtsaldierung festzustellen ist, so dass es an einem Nachteil im Falle einer schadensausschließenden Kompensation fehlt. Eine solche liegt vor, wenn und soweit der durch die Tathandlung verursachte Nachteil durch zugleich bzw. unmittelbar eintretende wirtschaftliche Vorteile ausgeglichen wird (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteile vom 11. Dezember 2014 - 3 StR 265/14, BGHSt 60, 94 Rn. 33; vom 23. Mai 2002 - 1 StR 372/01, BGHSt 47, 295, 301 f.; Beschluss vom 17. August 2006 - 4 StR 117/06, NStZ-RR 2006, 378, 379). Unabhängig von der Frage, ob den Leistungen des früheren Mitangeklagten im Zusammenhang mit dem Ankauf der Grundstücke durch die Stadt O. überhaupt ein Vermögenswert zukam, sind diese auf der Grundlage der rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen des Landgerichts unter dem Gesichtspunkt des bei der Haushaltsuntreue relevanten persönlichen Schadenseinschlags ohne kompensierbaren Wert, da sie aus der Sicht der Stadt O. subjektiv wertlos waren (vgl. BGH, Beschluss vom 8. Januar 2020 - 5 StR 366/19, BGHSt 64, 246 Rn. 29 mwN). Denn der Ankauf der Grundstücke hätte durch den Angeklagten und die Stadt sowie Mitarbeiter der Verbandsgemeinde, der die Stadt O. angehört, ohne Weiteres selbst organisiert werden können. Dies gilt nach den Feststellungen besonders vor dem Hintergrund, dass die angesprochenen Grundstückseigentümer ohnehin verkaufsbereit waren. Aber auch im Hinblick auf das haushaltsrechtliche Gebot der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit ist - wie der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift zutreffend ausgeführt hat - angesichts der evidenten und schwerwiegenden Pflichtverstöße des Angeklagten eine Kompensation des eingetretenen Schadens zu verneinen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 8. Januar 2020 - 5 StR 366/19, BGHSt 64, 246 Rn. 17 mwN; vom 26. November 2015 - 3 StR 17/15, BGHSt 61, 48 Rn. 81 ff.; Schünemann, Leipziger Praxiskommentar Untreue, § 266 Rn. 299; MüKoStGB/Dierlamm/Becker, 4. Aufl., § 266 Rn. 294 ff.).
2. Der Schuldspruch des Angeklagten in den Fällen 6, 9 und 14 der Urteilsgründe wegen Bestechlichkeit gemäß § 332 Abs. 1 StGB begegnet ebenfalls keinen Bedenken. Eine Strafbarkeit nach dieser Vorschrift setzt unter anderem voraus, dass der Amtsträger einen Vorteil für sich oder einen Dritten fordert, sich versprechen lässt oder annimmt. Umstritten ist, ob das Tatbestandsmerkmal der Annahme auch erfüllt ist, wenn der Vorteil auf der Grundlage der Unrechtsvereinbarung - wie vorliegend - unmittelbar an den Dritten, hier den SPD-Ortsverein O., geleistet wird und bei diesem verbleiben soll.
Ein Teil der Literatur ist der Auffassung, dass der Tatbestand trotz Einbeziehung des Drittvorteils auf den eigennützig handelnden Amtsträger zugeschnitten sei und daher in der zuvor genannten Konstellation keine Annahme durch den Amtsträger vorliege; erforderlich sei vielmehr entweder, dass der Vorteil zunächst an den Amtsträger geleistet wird, der ihn dann an den Dritten weiterleitet, oder dass der Dritte den Vorteil im Einverständnis mit dem Amtsträger für diesen in Empfang nimmt und ihn später weiterreicht (vgl. BeckOK-StGB/von Heintschel-Heinegg, 56. Ed., § 331 Rn. 26; MüKoStGB/Korte, 4. Aufl., § 331 Rn. 79).
Demgegenüber wird in der Literatur und Rechtsprechung vertreten, dass für die Tatbestandsvariante des Annehmens ausreichend sei, wenn der Vorteil unmittelbar dem Dritten zugewandt wird (vgl. Fischer, StGB, 70. Aufl., § 331 Rn. 20; LG Wuppertal, Urteil vom 19. Dezember 2002 - 26 Kls 835 Js 153/02 - 17/02 IV, NJW 2003, 1405), jedenfalls dann, wenn an den Dritten in Kenntnis und mit Einverständnis des Amtsträgers geleistet wird (vgl. OLG Karlsruhe, Beschluss vom 27. April 2010 - 2 (7) Ss 173/09-AK, NStZ 2011, 164; LK-StGB/Sowada, 12. Aufl., § 331 Rn. 29; Schönke/Schröder/Heine/Eisele, StGB, 30. Aufl., § 331 Rn. 29; O?lakc?o?lu, HRRS 2011, 275, 278, der auf die Verfügungsmacht hinsichtlich des Vorteils abhebt). Wird die Zuwendung ohne aktuelles Wissen des Amtsträgers vollzogen, so bedarf es hiernach für die Annahme seiner nachträglichen Kenntnisnahme und Billigung (vgl. LK-StGB/Sowada, 12. Aufl., § 331 Rn. 29; Schönke/Schröder/Heine/Eisele, StGB, 30. Aufl., § 331 Rn. 29).
Für die letztgenannte Auffassung, die eine Vorteilsannahme durch einen Dritten mit Kenntnis und Einverständnis des Amtsträgers genügen lässt, spricht zunächst die Gesetzesbegründung, nach der durch die Gesetzesänderungen klargestellt werden sollte, dass auch die Vorteilsgewährung an Dritte erfasst wird (BT-Drucks. 13/5584, S. 16). Zudem streitet der Gesetzeszweck, die Lauterkeit des öffentlichen Dienstes und das Vertrauen der Öffentlichkeit in diese zu schützen, dafür, die Vorteilsannahme unmittelbar durch Dritte im Einverständnis mit dem Amtsträger ausreichen zu lassen. Da anerkannt ist, dass ein Gewähren eines Vorteils auch vorliegt, wenn der Vorteilsgeber die Zuwendung absprachegemäß an den Dritten leistet (vgl. BGH, Urteil vom 28. Oktober 2004 - 3 StR 301/03, BGHSt 49, 275, 298), kann überdies für die spiegelbildliche Annahme - wie der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift zutreffend ausgeführt hat - nichts Anderes gelten.
Im Ergebnis kann die Auslegung des Tatbestandsmerkmals der Annahme bei Vorteilsgewährung unmittelbar an einen Dritten hier jedoch offen bleiben, da nach den Feststellungen eine Annahme durch den Angeklagten jedenfalls durch seine Mitwirkung - als Vorstandsvorsitzender - an den Beschlüssen des Vorstands des Ortsvereins der SPD O., die jeweiligen Spenden des früheren Mitangeklagten zu akzeptieren, gegeben ist. Dies zumal, weil die Spenden dem Angeklagten - mittelbar - zugute kamen, da sie auch für seinen Wahlkampf bei der Bundestagswahl genutzt wurden.
3. Hinsichtlich des Vermögensnachteils der Bundes-SPD in den Fällen 15 und 16 der Urteilsgründe kann dahinstehen, ob der Revision dahin zu folgen ist, dass der aus § 31c Abs. 1 Satz 1 PartG folgende Betrag in Höhe des Dreifachen der Spenden, mithin 32.100 € für das Jahr 2014 und 20.700 € für das Jahr 2015, unter dem Gesichtspunkt der Schadenskompensation um die Höhe der (einfachen) Spenden zu vermindern ist (vgl. dazu insgesamt bereits BGH, Urteil vom 11. Dezember 2014 - 3 StR 265/14, BGHSt 60, 94 Rn. 50). Hierfür könnte einerseits die Regelung des § 31c Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 PartG sprechen, nach der von der Partei bereits abgeführte Spenden auf die Strafzahlung angerechnet werden. Andererseits ist es fraglich, ob durch die Tat unmittelbar bzw. gleichzeitig auch ein Vorteil für die Partei begründet wird; denn die Sanktion des § 31c Abs. 1 Satz 1 PartG wird nicht schon allein durch die Annahme einer rechtswidrigen Spende ausgelöst. Maßgebende, den Schaden verursachende und die Tat vollendende Handlung ist vielmehr das Nichtweiterleiten der Spende an den Bundestagspräsidenten; denn nur unter dieser Voraussetzung wird ein Verstoß gegen § 25 Abs. 4 PartG begründet, der wiederum Voraussetzung des Anspruchs nach § 31c Abs. 1 Satz 1 PartG ist (vgl. BGH, Urteil vom 11. Dezember 2014 - 3 StR 265/14, BGHSt 60, 94 Rn. 50; Lenski, Parteiengesetz, § 31c Rn. 3).
Jedenfalls wird durch diese Frage der Schuldspruch nicht berührt. Es ist mit Blick auf die übrigen Strafzumessungserwägungen im konkreten Fall überdies auszuschließen, dass das Landgericht geringere Einzelstrafen verhängt hätte, wenn es davon ausgegangen wäre, dass die Höhe des Schadens der Partei nicht das Dreifache, sondern das Zweifache der Spenden betrug.
HRRS-Nummer: HRRS 2023 Nr. 575
Bearbeiter: Karsten Gaede