hrr-strafrecht.de - Rechtsprechungsübersicht


HRRS-Nummer: HRRS 2023 Nr. 181

Bearbeiter: Fabian Afshar

Zitiervorschlag: BGH, StB 42/22, Beschluss v. 14.12.2022, HRRS 2023 Nr. 181


BGH StB 42/22 - Beschluss vom 14. Dezember 2022 (Schleswig-Holsteinisches OLG)

Bestechlichkeit und Bestechung von Mandatsträgern (Vorteilsbegriff bei städtebaulichen Verträgen; Bedeutung der verwaltungsrechtlichen Rechtmäßigkeit; Unrechtsvereinbarung; Irrelevanz innerer Vorbehalte bei Stimmabgabe; Handlung im Auftrag oder auf Weisung; Zuständigkeit des Oberlandesgerichts); Bestechlichkeit; Bestechung; sofortige Beschwerde gegen Ablehnung der Eröffnung des Hauptverfahrens (Überprüfung des hinreichenden Tatverdachts durch das Beschwerdegericht).

§ 108e StGB; § 332 Abs. 1 StGB; § 334 Abs. 1 StGB; § 203 StPO; § 210 Abs. 2 StPO; § 304 Abs. 4 Satz 2 Halbsatz 2 Nr. 2 StPO; § 120b Satz 1 GVG

Leitsätze des Bearbeiters

1. Unter einem Vorteil i.S. der §§ 108e, 332, 334 StGB ist grundsätzlich jede Leistung des Zuwendenden zu verstehen, die das Mitglied oder einen Dritten materiell oder immateriell in seiner wirtschaftlichen, rechtlichen oder persönlichen Lage objektiv besser stellt und auf die das Mitglied beziehungsweise der Dritte keinen Anspruch hat. Ein solcher Vorteil kann auch in dem Abschluss eines Vertrages und der dadurch begründeten Forderung bestehen.

2. Es bedarf der Abgrenzung des unlauteren korruptiven Kaufs einer Diensthandlung im formellen Gewande eines gegenseitigen Vertrages von den vielfältigen Fällen, in denen die öffentliche Verwaltung zur Erfüllung ihrer Aufgaben rechtmäßig öffentlich-rechtliche oder zivilrechtliche Verträge schließt. Als taugliches Abgrenzungskriterium kann hierbei die verwaltungsrechtliche Rechtmäßigkeit des Vertragsschlusses herangezogen und dabei insbesondere die Frage gestellt werden, ob die Diensthandlung in rechtlich zulässiger Weise von einer Vergütung abhängig gemacht werden darf.

3. Das Tatbestandsmerkmal der „Gegenleistung“ verlangt eine qualifizierte Unrechtsvereinbarung im Sinne einer engen Kausalbeziehung zwischen dem ungerechtfertigten Vorteil und der Handlung. Ob sich das Mitglied innerlich vorbehält, sein Verhalten nicht durch den ungerechtfertigten Vorteil beeinflussen zu lassen, ist für die Strafbarkeit nach § 108e StGB unerheblich. Insoweit sind nicht innere Vorbehalte, sondern der vom Vorsatz erfasste äußere Erklärungswert des Verhaltens entscheidend. Wer nach außen seine Stimme für eine Wahl oder Abstimmung gegen Vorteilszuwendungen „verkauft“, kann sich nicht darauf berufen, er habe sowieso im Sinne des Zuwendenden stimmen oder überhaupt nicht an der Stimmabgabe teilnehmen wollen, sich schließlich der Stimme enthalten oder sogar dagegen gestimmt.

4. Die Tatbestandsmerkmale Auftrag und Weisung i.S. des § 108e StGB sind weit und im Sinne eines allgemeinen Sprachgebrauchs zu verstehen; sie erfassen jede Handlung, die den Abgeordneten dazu bewegen soll, sich dem Interesse des Auftrags- oder Weisungsgebers zu unterwerfen. Der Ausnutzung einer besonderen Überlegenheit bedarf es nicht.

Entscheidungstenor

Auf die sofortige Beschwerde der Generalstaatsanwaltschaft Schleswig-Holstein wird

1. der Beschluss des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts vom 31. März 2022 aufgehoben;

2. die Anklage der Generalstaatsanwaltschaft vom 8. November 2021 unter Eröffnung des Hauptverfahrens zur Hauptverhandlung vor einem anderen Strafsenat des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts zugelassen.

Gründe

Die Generalstaatsanwaltschaft Schleswig-Holstein hat gegen die fünf Angeklagten Anklage zum Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgericht erhoben. Im Einzelnen sind angeklagt

- die Angeklagten N. und K., in der Zeit von Anfang 2015 bis Ende 2016 jeweils durch zwei selbständige Handlungen als Amtsträger einen Vorteil für einen Dritten als Gegenleistung dafür gefordert, sich versprechen lassen und in einem Fall auch angenommen zu haben, dass sie Diensthandlungen vorgenommen und dadurch ihre Dienstpflichten verletzt haben sowie Diensthandlungen künftig vornehmen und dadurch ihre Dienstpflichten verletzen würden, und dabei in einem Fall durch dieselbe Handlung als Mitglieder einer Volksvertretung einer kommunalen Gebietskörperschaft einen ungerechtfertigten Vorteil für einen Dritten als Gegenleistung dafür gefordert und sich versprechen lassen zu haben, dass sie bei der Wahrnehmung ihres Mandates eine Handlung im Auftrag oder auf Weisung vornehmen, strafbar gemäß § 332 Abs. 1, § 108e Abs. 1 und 3 Nr. 1, §§ 52, 53 StGB;

- die Angeklagten D. und T., im selben Zeitraum gemeinschaftlich handelnd jeweils durch zwei selbständige Handlungen Amtsträgern einen Vorteil für einen Dritten als Gegenleistung dafür angeboten, versprochen und in einem Fall auch gewährt zu haben, dass diese Diensthandlungen vorgenommen und dadurch ihre Dienstpflichten verletzt haben sowie Diensthandlungen künftig vornehmen und dadurch ihre Dienstpflichten verletzen würden, und dabei in einem Fall durch dieselbe Handlung Mitgliedern einer Volksvertretung einer kommunalen Gebietskörperschaft einen ungerechtfertigten Vorteil für einen Dritten als Gegenleistung dafür angeboten und versprochen zu haben, dass diese bei der Wahrnehmung ihres Mandates eine Handlung im Auftrag oder auf Weisung vornehmen, strafbar gemäß § 334 Abs. 1, § 108e Abs. 2 und 3 Nr. 1, §§ 52, 53 StGB;

- der Angeklagte W., in derselben Zeit durch zwei selbständige Handlungen als Amtsträger einen Vorteil für einen Dritten als Gegenleistung dafür gefordert, sich versprechen lassen und in einem Fall auch angenommen zu haben, dass er Diensthandlungen vorgenommen und dadurch seine Dienstpflichten verletzt hat sowie Diensthandlungen künftig vornehme und dadurch seine Dienstpflichten verletzen würde, und dabei in einem Fall den anderen Angeklagten zu einer Bestechlichkeit und Bestechung von Mandatsträgern Hilfe geleistet zu haben, strafbar gemäß § 332 Abs. 1, § 108e Abs. 1, 2 und 3 Nr. 1, §§ 27, 52, 53 StGB.

Das Oberlandesgericht hat die Eröffnung des Hauptverfahrens aus rechtlichen Gründen, zudem aber auch aufgrund von der Anklageschrift abweichender tatsächlicher Bewertung abgelehnt. Gegen diese Entscheidung wendet sich die Generalstaatsanwaltschaft mit der sofortigen Beschwerde. Das Rechtsmittel hat Erfolg.

A.

I. Mit der Anklageschrift ist den Angeklagten zusammengefasst Folgendes zur Last gelegt worden:

1. Die Angeklagten N. und K. seien in den Jahren 2015 und 2016 jeweils Bürgermeister und Gemeindevertreter zweier Gemeinden in Schleswig-Holstein gewesen, der Angeklagte W. Geschäftsbereichsleiter Bauen und Wirtschaftsförderung des Amtes, dem die beiden Gemeinden angehörten. Die Angeklagten D. und T. seien vertretungsbefugte Gesellschafter einer mit dem Betrieb von Windenergieanlagen befassten GmbH & Co. KG gewesen.

Im Februar 2013 habe die Gemeinde B. unter anderem mit der Rechtsvorgängerin der KG einen städtebaulichen Vertrag geschlossen. Diese habe sich im Gegenzug zur Errichtung von insgesamt fünf neuen Windkraftanlagen verpflichtet, insgesamt zehn alte Windkraftanlagen spätestens sechs Monate nach Inbetriebnahme der neuen Anlagen zurückzubauen. Falls sie dem nicht nachkommen würde, habe die vertragliche Pflicht bestanden, für jeden Monat des Weiterbetriebes pro Anlage einen Betrag in Höhe von 5.000 € an einen Schulverband zweckgebunden für Schulbauprojekte zu zahlen. Bis zum 1. Oktober 2015 seien die fünf neuen Anlagen gebaut und fünf Altanlagen zurückgebaut worden.

Infolge mehrerer Entscheidungen des Schleswig-Holsteinischen Oberverwaltungsgerichts habe das Land Schleswig-Holstein ein Moratorium verhängt, in dem nach dem Landesplanungsgesetz ab dem 5. Juni 2015 neue raumbedeutsame Windenergieanlagen im gesamten Landesgebiet grundsätzlich für vorläufig unzulässig erklärt worden seien.

2. Die Angeklagten D. und T. seien in Verhandlungen mit den anderen Angeklagten mit dem Anliegen getreten, die noch im Betrieb befindlichen alten Windkraftanlagen auf dem Gebiet der Gemeinde E. nicht, wie vertraglich vorgesehen, zurückzubauen, sondern bis maximal Ende 2020 weiterzubetreiben. Nachdem der Angeklagte D. in Abstimmung mit dem Angeklagten T. zunächst die Zahlung von 500 € pro Windkraftanlage und Monat für die Duldung des Weiterbetriebes der Altanlagen durch die Gemeindevertretungen angeboten gehabt habe, habe er infolge eines von der Gegenseite geforderten Betrages von 1.000 € schließlich mit E-Mail vom 19. September 2015 für den Weiterbetrieb eine monatliche Zahlung von 850 € pro Anlage an den Schulverband angeboten und auf die grundsätzliche Möglichkeit hingewiesen, infolge der Entscheidungen des Oberverwaltungsgerichts Windkraftanlagen über den im städtebaulichen Vertrag vereinbarten Zeitraum hinaus zu betreiben. Das Angebot sei im Folgenden noch erörtert worden. Der Angeklagte W. habe die Auffassung vertreten, die im städtebaulichen Vertrag vereinbarte Strafzahlung sei wegen Verstoßes gegen das Koppelungsverbot nicht wirksam.

Schließlich habe nach weiteren Modifikationen die Gemeindevertretung B. am 25. Februar 2016 nach Empfehlung und mit Zustimmung des Angeklagten N. für den Änderungsvertrag zum städtebaulichen Vertrag gemäß der vom Angeklagten W. vorbereiteten Beschlussvorlage gestimmt, die einen Zahlungsbetrag von 950 € pro Monat und Anlage vorgesehen habe. Am 15. März 2016 habe auch die Gemeindevertretung E. unter Leitung des Angeklagten K. und mit dessen Stimme auf Grundlage einer vom Angeklagten W. erstellten Beschlussvorlage für den Weiterbetrieb der fünf Windkraftanlagen gegen eine finanzielle Entschädigung zugunsten des Schulverbandes gestimmt.

Die Angeklagten hätten über das Angebot von Entschädigungszahlungen an den Schulverband verhandelt und das Angebot in den Gemeindevertretungen in der Annahme zur Abstimmung gestellt, dass die Gemeindevertreter ohne das Zahlungsangebot dem Weiterbetrieb der Altanlagen nicht zustimmen würden. Die Angeklagten N. und K. hätten ihre eigene Zustimmung zu der Änderung des städtebaulichen Vertrages ebenfalls von dem Zahlungsangebot abhängig gemacht, wovon die übrigen Angeklagten jeweils auch ausgegangen seien. Spätestens Anfang Dezember 2015 hätten alle Angeklagten das verwaltungsrechtliche Verbot sachwidriger Koppelung von Leistung und Gegenleistung gekannt. Sie hätten überdies gewusst, dass die Angeklagten W., N. und K. im Hinblick auf die Zahlungen an den Schulverband ausschließlich das Anliegen der KG verfolgten, die alten Windkraftanlagen weiter zu betreiben. Ihnen sei bewusst gewesen, das Stimmrecht der Gemeindevertreter auf diese Weise zum Gegenstand eines unlauteren Geschäfts zu machen (Fall 1).

3. Nach einem anonymen Hinweis und staatsanwaltlichen Ermittlungen seien die Angeklagten N. und K. spätestens am 1. April 2016 über das Ergebnis einer rechtlichen Prüfung in Kenntnis gesetzt worden, dass die Beschlüsse der beiden Gemeindevertretungen zu dem Änderungsvertrag gegen das Koppelungsverbot verstießen und die Bürgermeister mit der Prüfung einer Strafverfolgung rechnen müssten. Darauf hätten sie jeweils Widerspruch gegen die Beschlüsse ihrer Gemeindevertretung eingelegt. Die Beschlüsse seien dann im Juni 2016 durch die Gemeindevertretungen aufgehoben worden.

Bei einem persönlichen Gespräch am 14. April 2016 hätten die Angeklagten W., N. und K. von den beiden anderen Angeklagten gefordert, an der ursprünglich vorgesehenen Vereinbarung festzuhalten. Im Hinblick auf die staatsanwaltliche Vorprüfung und den darauf erteilten Rechtsrat solle die Vereinbarung jedoch nicht schriftlich in Vertragsform festgehalten, sondern als Zahlung „auf freiwilliger Basis“ deklariert werden. Dieser Forderung hätten die Angeklagten D. und T. nachgegeben und einen entsprechenden Gesellschafterbeschluss vom 26. Mai 2016 veranlasst. Der Angeklagte W. habe mit Schreiben vom 30. Juni 2016 den Angeklagten T. aufgefordert, die zugesagte Zuwendung für den Schulverband zu zahlen. Der Angeklagte T. habe allein dieser Forderung, nicht aber weiteren Zahlungsaufforderungen des Angeklagten W. entsprochen. Am 13. Juli 2016 sei eine Zahlung über 9.500 € beim Amt eingegangen (Fall 2).

II. Das Oberlandesgericht hat mit Beschluss vom 31. März 2022 die Eröffnung des Hauptverfahrens abgelehnt und angeordnet, dass die Angeklagten für die im Ermittlungsverfahren durchgeführten Durchsuchungen zu entschädigen seien. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass der angeklagte Sachverhalt keinen Straftatbestand erfülle. Das Stimmverhalten der Angeklagten N. und K. bei den Abstimmungen in den Gemeindevertretungen sei nicht im Sinne des § 108e Abs. 1 StGB „im Auftrag oder auf Weisung“ vorgenommen worden. Ferner fehle es an einem „ungerechtfertigten Vorteil“. Dies ergebe sich zum einen daraus, dass der Gesetzgeber Zahlungen der Windenergiebetreiber an betroffene Gemeinden mit Blick auf § 6 Abs. 1 EEG ausdrücklich als gewünscht bezeichne. Zum anderen liege kein Verstoß gegen ein verwaltungsrechtliches Koppelungsverbot vor. Zudem sei der subjektive Tatbestand nicht erfüllt. Dagegen wendet sich die Generalstaatsanwaltschaft mit ihrer - vom Generalbundesanwalt nicht vertretenen - sofortigen Beschwerde.

B.

Die gemäß § 210 Abs. 2, § 304 Abs. 4 Satz 2 Halbsatz 2 Nr. 2 StPO statthafte und auch im Übrigen zulässige sofortige Beschwerde der Generalstaatsanwaltschaft führt zur Eröffnung des Hauptverfahrens unter Zulassung der Anklage zur Hauptverhandlung vor einem anderen Strafsenat des Oberlandesgerichts sowie zur Aufhebung der mit der Nichteröffnung einhergehenden Entschädigungs- und Kostenentscheidungen. Die Voraussetzungen für die Eröffnung des Hauptverfahrens liegen vor.

I. Gemäß § 203 StPO beschließt das Gericht die Eröffnung des Hauptverfahrens, wenn nach den Ergebnissen des vorbereitenden Verfahrens der Angeschuldigte einer Straftat hinreichend verdächtig ist. Ein hinreichender Tatverdacht ist zu bejahen, wenn bei vorläufiger Tatbewertung auf Grundlage des Ermittlungsergebnisses die Verurteilung in einer Hauptverhandlung mit vollgültigen Beweismitteln wahrscheinlich ist (vgl. BGH, Beschlüsse vom 22. April 2003 - StB 3/03, BGHR StPO § 210 Abs. 2 Prüfungsmaßstab 2 mwN; vom 29. November 2018 - StB 34/18, BGHSt 63, 288 Rn. 16). Der hinreichende Tatverdacht setzt eine gewisse Wahrscheinlichkeit der Verurteilung voraus; damit wird ein geringerer Grad der Wahrscheinlichkeit vorausgesetzt, als dies beim dringenden Tatverdacht im Sinne des § 112 Abs. 1 Satz 1 oder § 126a StPO der Fall ist (vgl. BGH aaO). Erst recht ist zur Eröffnung des Hauptverfahrens nicht die für eine Verurteilung notwendige volle richterliche Überzeugung erforderlich. Der Bundesgerichtshof hat als Beschwerdegericht das Wahrscheinlichkeitsurteil des Oberlandesgerichts und dessen rechtliche Bewertung in vollem Umfang nachzuprüfen und die Voraussetzungen der Eröffnung selbstständig zu würdigen (BGH, Beschlüsse vom 26. März 2009 - StB 20/08, BGHSt 53, 238, 243 f.; vom 29. November 2018 - StB 34/18, BGHSt 63, 288 Rn. 16).

II. Hieran gemessen sind die Angeklagten der vorgeworfenen Straftaten hinreichend verdächtig; denn das Ermittlungsergebnis rechtfertigt bei vorläufiger Tatbewertung die Annahme einer ausreichenden Wahrscheinlichkeit dafür, dass sich die Angeklagten N. und K. wegen Bestechlichkeit in zwei Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit Bestechlichkeit von Mandatsträgern (§ 108e Abs. 1, 3 Nr. 1 aF, § 332 Abs. 1 Satz 1, §§ 52, 53 StGB), die Angeklagten D. und T. wegen Bestechung in zwei Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit Bestechung von Mandatsträgern (§ 108e Abs. 2, 3 Nr. 1 aF, § 334 Abs. 1 Satz 1, §§ 52, 53 StGB), und der Angeklagte W. wegen Bestechlichkeit in zwei Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit Beihilfe zur Bestechlichkeit und Bestechung von Mandatsträgern (§ 108e Abs. 1, 2 und 3 Nr. 1 aF, § 332 Abs. 1 Satz 1, § 27 Abs. 1, §§ 52, 53 StGB), strafbar gemacht haben und deswegen verurteilt werden.

1. Nach dem angeklagten Sachverhalt ist in Fall 1 sowohl von einer Bestechlichkeit und Bestechung von Mandatsträgern (§ 108e Abs. 1, 2 und 3 Nr. 2 StGB) als auch von Bestechlichkeit beziehungsweise Bestechung (§ 332 Abs. 1 Satz 1, § 334 Abs. 1 Satz 1 StGB) auszugehen.

a) Die Tatbestandsvoraussetzungen der Bestechlichkeit und Bestechung von Mandatsträgern werden sich in einer Hauptverhandlung voraussichtlich erweisen lassen.

aa) Die Angeklagten N. und K. waren als Gemeindevertreter (§ 31 Abs. 1 Satz 1 GO Schl.-H., §§ 3, 7 GKWG Schl.-H.) Mitglieder eines in unmittelbarer und allgemeiner Wahl gewählten Gremiums einer für ein Teilgebiet eines Landes oder einer kommunalen Gebietskörperschaft gebildeten Verwaltungseinheit und stehen damit nach § 108e Abs. 3 Nr. 1 StGB einem Mitglied einer Volksvertretung des Bundes oder der Länder gleich.

bb) Die in dem Änderungsvertrag vorgesehene, dem Schulverband zu zahlende „Entschädigung in Höhe von 950 € pro WEA zweckgebunden für die Ausstattung und bauliche Unterhaltung der Grundschule in E.“ stellt hinreichend wahrscheinlich einen ungerechtfertigten Vorteil für einen Dritten dar.

Unter einem Vorteil ist - ebenso wie bei den §§ 331 ff. StGB - grundsätzlich jede Leistung des Zuwendenden zu verstehen, die das Mitglied oder einen Dritten materiell oder immateriell in seiner wirtschaftlichen, rechtlichen oder persönlichen Lage objektiv besser stellt und auf die das Mitglied beziehungsweise der Dritte keinen Anspruch hat (s. BT-Drucks. 18/476 S. 7; zu §§ 331 ff. StGB BGH, Urteil vom 26. Mai 2011 - 3 StR 492/10, wistra 2011, 391 Rn. 19). Ein solcher Vorteil kann auch in dem Abschluss eines Vertrages und der dadurch begründeten Forderung bestehen. Insofern bedarf es der Abgrenzung des unlauteren korruptiven Kaufs einer Diensthandlung im formellen Gewande eines gegenseitigen Vertrages von den vielfältigen Fällen, in denen die öffentliche Verwaltung zur Erfüllung ihrer Aufgaben rechtmäßig öffentlich-rechtliche oder - etwa im Rahmen des Verwaltungsprivatrechts oder der Bedarfsverwaltung - zivilrechtliche Verträge schließt. Als taugliches Abgrenzungskriterium kann hierbei die verwaltungsrechtliche Rechtmäßigkeit des Vertragsschlusses herangezogen und dabei insbesondere die Frage gestellt werden, ob die Diensthandlung in rechtlich zulässiger Weise von einer Vergütung abhängig gemacht werden darf (BGH, Urteil vom 26. Mai 2011 - 3 StR 492/10, wistra 2011, 391 Rn. 22).

Demgemäß ist der vereinbarte Zufluss ein Gewinn für den Schulverband. Obschon der ursprüngliche Vertrag eine monatliche Strafzahlung von 5.000 € vorsah, wirkt sich die neue Zahlungsvereinbarung günstig aus. Ungeachtet der Frage, ob der vorangegangene Vertrag überhaupt wirksam war, hatte der Änderungsvertrag jedenfalls einen anderen, für den Schulverband vorteilhaften Inhalt: Während die höhere Zahlungspflicht lediglich den Rückbau der Anlagen absichern sollte und somit im Falle eines vertragsgerechten Verlaufs überhaupt nicht eingetreten wäre, sollte der neu vereinbarte Betrag eine Leistung dafür darstellen, dass die Anlagen weiter betrieben werden dürfen.

Zudem ist bei vorläufiger Betrachtung nicht ersichtlich, dass der Vertrag in verwaltungsrechtlicher Hinsicht rechtmäßig ist. Hierzu im Einzelnen:

(1) Gemeinden können gemäß § 11 Abs. 1 Satz 1 BauGB städtebauliche Verträge schließen. Die Vereinbarung einer vom Vertragspartner zu erbringenden Leistung ist unzulässig, wenn er auch ohne sie einen Anspruch auf die Gegenleistung hätte (§ 11 Abs. 2 Satz 2 BauGB). Handelt es sich um einen Austauschvertrag, muss die Gegenleistung nach § 123 Abs. 1 Satz 2 LVwG Schl.-H. (§ 56 Abs. 1 Satz 2 VwVfG) den gesamten Umständen nach angemessen sein und im sachlichen Zusammenhang mit der vertraglichen Leistung der Behörde stehen. Ansonsten ist das sogenannte Koppelungsverbot verletzt (vgl. BVerwG, Urteil vom 16. Mai 2000 - 4 C 4.99, BVerwGE 111, 162, 168 ff.). Für Vergleichsverträge ist anerkannt, dass sie unter bestimmten Voraussetzungen Leistungspflichten auch dann zu begründen vermögen, wenn der Vergleichsinhalt mit der Gesetzeslage nicht voll übereinstimmt (BVerwG, Urteil vom 14. November 1975 - 4 C 84.73, BVerwGE 49, 359, 364 mwN; BGH, Urteil vom 22. September 2011 - IX ZR 1/11, NJW 2012, 61 Rn. 12). Ein Vergleich ist gemäß § 122 LVwG Schl.-H. ein öffentlich-rechtlicher Vertrag, durch den eine bei verständiger Würdigung des Sachverhalts oder der Rechtslage bestehende Ungewissheit durch gegenseitiges Nachgeben beseitigt wird.

(2) Nach diesen Grundsätzen ergibt sich weder, dass Zahlungen an den Schulverband mit dem Weiterbetrieb von Windkraftanlagen sachlich zusammenhängen, noch, dass ein Vergleichsvertrag vorliegt und daher gegebenenfalls geringere Anforderungen zu beachten sind.

Ein sachlicher Zusammenhang zwischen Leistung und Gegenleistung kann etwa fehlen, wenn die vom Bürger zu erbringende Leistung einem anderen öffentlichen Interesse zu dienen bestimmt ist als die von der Behörde zu erbringende oder von ihr in Aussicht gestellte Leistung (vgl. BVerwG, Urteil vom 16. Mai 2000 - 4 C 4.99, BVerwGE 111, 162, 169 f.; Beschluss vom 17. Juli 2001 - 4 B 24.01, NVwZ 2002, 473, 475). Danach besteht hier keine Verknüpfung zwischen der Bauleitplanung (§ 1 Abs. 1 BauGB) einerseits und Aufgaben der vom Schulverband wahrgenommenen Schulträgerschaft (§§ 47, 56 Abs. 1 Satz 1 SchulG Schl.-H.) andererseits. Eine Auswirkung der Windenergieanlagen auf die Schulsituation ist - anders als gegebenenfalls bei neuen Baugebieten (vgl. BVerwG, Urteil vom 29. Januar 2009 - 4 C 15.07, BVerwGE 133, 85 Rn. 29 ff.) - nicht erkennbar. Daher bedarf es keiner weiteren Erörterung, ob ein Anspruch auf den Weiterbetrieb der Anlagen bestand und bereits aus diesem Grund keine Zahlung vereinbart werden durfte (§ 123 Abs. 2 LVwG Schl.-H.).

Die Einordnung des geplanten Vertrages als Vergleichsvertrag liegt nach gegenwärtigem Erkenntnisstand ebenfalls nicht nahe. Der Vertrag ist als „Änderungsvertrag“ bezeichnet und enthält in seinem Text weder den Begriff des Vergleichs noch den Hinweis, dass eine bestehende Ungewissheit im Sinne des § 122 LVwG Schl.-H. beseitigt werden soll (vgl. BVerwG, Urteil vom 14. Februar 1975 - IV C 79.73, NJW 1975, 1751). Unabhängig davon, dass der Vertragstext angesichts des Schriftformerfordernisses (§ 124 LVwG Schl.-H.; s. auch BVerwG, Urteil vom 15. Dezember 1989 - 7 C 6.88, BVerwGE 84, 236, 244) von besonderer Bedeutung ist, deuten die dem Vertragsentwurf vorangehenden Verhandlungen ebenso darauf hin, dass es den Angeklagten nicht um die Überwindung bestehender Zweifel, sondern um eine Änderung der bestehenden Vereinbarung ging.

Beispielsweise legten die Angeklagten D. und T. in einer E-Mail an die übrigen Angeklagten im September 2015 dar, die letzten fünf Anlagen seien bis Ende März 2016 zurückzubauen; sie würden diesen Zeitraum gern verlängern und „neu vereinbaren“. Der Angeklagte W. teilte dem Angeklagten D. in einer E-Mail aus Oktober 2015 mit, er habe mit den Angeklagten N. und K. über eine „Neugestaltung der entsprechenden Vertragsbestimmungen“ gesprochen. Dies deutet nicht darauf hin, dass die Angeklagten annahmen, wegen des Moratoriums sei die vertraglich vereinbarte Rückbaupflicht hinfällig und die Anlagen könnten ohne Weiteres fortbetrieben werden.

Die Vorlagen des Amtes für die Gemeindevertretungen enthalten gleichfalls keinen Hinweis auf eine unklare Rechtslage, die durch den „Änderungsvertrag“ behoben werden solle. Vielmehr heißt es, die Betreiber der Altanlagen hätten „darum gebeten, diese Windkraftanlagen weiterbetreiben zu dürfen und […] hierzu eine finanzielle Entschädigung an die Gemeinde E. in Form einer Zuweisung an den Schulverband M. angeboten“. Soweit ausgeführt ist, „der rechtliche Zwang außerhalb des geschlossenen städtebaulichen Vertrages“ sei „quasi entfallen“ und der „Betrieb der Altanlagen zurzeit uneingeschränkt möglich“, lässt sich dies im Zusammenhang dahin interpretieren, dass ein Rückbau nicht mehr von der - unwirksamen - Regionalplanung, aber weiterhin von dem Vertrag gefordert werde, der nunmehr mangels anderweitiger Vorgaben geändert werden könne.

Insgesamt bedarf der Sachverhalt danach einer abschließenden Beurteilung aufgrund einer Hauptverhandlung (vgl. zur Vertragsauslegung BGH, Beschlüsse vom 16. Juni 2014 - 4 StR 21/14, NJW 2014, 3170 Rn. 20 mwN; vom 10. April 2014 - 1 StR 649/13, NStZ 2015, 342 Rn. 13).

(3) Eine Rechtmäßigkeit des Vorteils folgt nicht aus der nach dem Tatzeitraum durch § 6 EEG in der Fassung des Gesetzes zur Umsetzung unionsrechtlicher Vorgaben und zur Regelung reiner Wasserstoffnetze im Energiewirtschaftsrecht vom 16. Juli 2021 (BGBl. I S. 3026, 3063 f.) sowie § 36k EEG in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes und weiterer energierechtlicher Vorschriften vom 21. Dezember 2020 (BGBl. I S. 3138, 3150) eröffneten Möglichkeit, Kommunen finanziell am Anlagenausbau zu beteiligen. Selbst wenn die Vorschrift auf zurückliegende Sachverhalte anwendbar ist (vgl. BVerfG, Beschluss vom 29. Mai 2019 - 2 BvR 2630/18, Blutalkohol 56 [2019], 330 Rn. 25 ff.), sind die Tatbestandsvoraussetzungen für eine rechtmäßige finanzielle Beteiligung wahrscheinlich nicht erfüllt. Erlaubt sind danach nur einseitige Zuwendungen an die Gemeinden, die von der Errichtung einer Anlage betroffen sind, ohne jegliche Gegenleistung (vgl. dazu BT-Drucks. 19/23482 S. 113). Dagegen ist in dem Änderungsvertrag eine „Entschädigung“ für den Weiterbetrieb vereinbart. Dies spricht - ebenso wie die Umstände im Vorfeld - dafür, dass es sich gerade um eine Gegenleistung handelte. Mithin kommt es nicht mehr darauf an, dass die vereinbarten Zahlungen nach den zuvor ermittelten Wirtschaftsdaten deutlich über den gemäß § 6 Abs. 2 Satz 1 EEG zulässigen Beträgen liegen.

(4) Die Strafbarkeit entfällt nicht unter dem Gesichtspunkt der Sozialadäquanz. Danach ist allenfalls das Anbieten, Versprechen oder Gewähren in gewissem Umfang üblicher Vorteile von der Strafbarkeit auszunehmen, soweit es sich um gewohnheitsmäßig anerkannte, relativ geringwertige Aufmerksamkeiten aus gegebenen Anlässen handelt (s. BGH, Urteil vom 26. Mai 2011 - 3 StR 492/10, wistra 2011, 391 Rn. 29 mwN). Angesichts der Höhe und der Regelmäßigkeit der vereinbarten Zahlungen ist die Schwelle der Geringwertigkeit ersichtlich überschritten. Sofern Umstände des Einzelfalls die Strafwürdigkeit als gering erscheinen lassen, ist dies für die Frage der Tatbestandsmäßigkeit nicht entscheidend. Vielmehr kann dem etwa im Rahmen einer möglichen Strafzumessung Rechnung getragen werden.

cc) Den Vorteil haben im Sinne einer Unrechtsvereinbarung die Angeklagten D. sowie T. wahrscheinlich gewährt und die Angeklagten N. sowie K. sich versprechen lassen als Gegenleistung für Handlungen bei der Mandatswahrnehmung.

(1) Abstimmungen in den Gemeindevertretungen sind Handlungen bei Wahrnehmung des Mandates (vgl. dazu BGH, Beschluss vom 5. Juli 2022 - StB 7-9/22, NJW 2022, 2856 Rn. 24 ff.).

(2) Das Tatbestandsmerkmal der „Gegenleistung“ verlangt entsprechend den gesetzgeberischen Motiven eine qualifizierte Unrechtsvereinbarung im Sinne einer engen Kausalbeziehung zwischen dem ungerechtfertigten Vorteil und der Handlung (s. BT-Drucks. 18/476 S. 7). Auch wenn danach die Grenze zur Strafbarkeit erst überschritten sein soll, wenn das Mitglied einer Volksvertretung sich den Interessen des Vorteilgebers unterwirft und seine Handlungen durch die Vorteilsgewährung bestimmt sind, ist es wie bei der zuvor geltenden Fassung des § 108e StGB für die Strafbarkeit unerheblich, ob sich das Mitglied innerlich vorbehält, sein Verhalten nicht durch den ungerechtfertigten Vorteil beeinflussen zu lassen (vgl. BT-Drucks. 18/476 S. 7 f.). Insoweit sind sowohl nach der früheren als auch nach der aktuellen Gesetzesfassung nicht innere Vorbehalte, sondern der vom Vorsatz erfasste äußere Erklärungswert des Verhaltens entscheidend. Wer nach außen seine Stimme für eine Wahl oder Abstimmung in einer kommunalen Volksvertretung gegen Vorteilszuwendungen „verkauft“, kann sich nicht darauf berufen, er habe sowieso im Sinne des Zuwendenden stimmen oder überhaupt nicht an der Stimmabgabe teilnehmen wollen, sich schließlich der Stimme enthalten oder sogar dagegen gestimmt (BGH, Urteile vom 9. Mai 2006 - 5 StR 453/05, BGHSt 51, 44 Rn. 53 f. mwN; vom 17. März 2015 - 2 StR 281/14, BGHR StGB § 108e Weisung 1 Rn. 38; BT-Drucks. 18/476 S. 8).

Eine solche Unrechtsvereinbarung ist ausweislich des Anklagevorwurfs, der durch die Beweislage hinreichend belegt wird, gegeben. Danach machten die Angeklagten N. und K. ihre Zustimmung zu der Vertragsänderung als Gemeindevertreter von dem Zahlungsangebot zugunsten des Schulverbandes abhängig. Hiervon gingen auch die anderen Angeklagten aus. Insbesondere ist nicht ersichtlich, wieso die Angeklagten ihr - durch einen Gesprächsvermerk belegtes - Angebot zur Zahlung von 500 € pro Windenergieanlage und Monat schließlich auf 950 € erhöht haben sollten, wenn kein Konnex zur Zustimmung der Gemeindevertretungen und der diesen angehörenden Bürgermeister zum Weiterbetrieb der Anlagen bestanden hätte.

dd) Den Anklagevorwurf zugrunde gelegt, handelten die Angeklagten N. und K. bei den Abstimmungen in den Gemeindevertretungen „im Auftrag oder auf Weisung“ (§ 108e Abs. 1 StGB) der Angeklagten D. und T. Nach der Gesetzesbegründung sind die Tatbestandsmerkmale Auftrag und Weisung weit und im Sinne eines allgemeinen Sprachgebrauchs zu verstehen; sie erfassen jede Handlung, die den Abgeordneten dazu bewegen soll, sich dem Interesse des Auftrags- oder Weisungsgebers zu unterwerfen (BGH, Urteil vom 17. März 2015 - 2 StR 281/14, BGHR StGB § 108e Weisung 1 Rn. 38 mwN; BT-Drucks. 18/476 S. 8). Zudem knüpft die Formulierung bewusst an Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG an (s. BGH, Beschluss vom 5. Juli 2022 - StB 7-9/22, NJW 2022, 2856 Rn. 32 mwN), der sich gegen jeden Versuch der Fremdbestimmung richtet (vgl. Dürig/Herzog/Scholz/Klein/Schwarz, GG, 98. EL, Art. 38 Rn. 219; s. auch BVerfG, Beschluss vom 15. Dezember 2020 - 2 BvC 46/19, BVerfGE 156, 224 Rn. 66). Entgegen der Auffassung des Oberlandesgerichts wird das Tatbestandsmerkmal bei einem solchen Verständnis weder konturlos, noch ist es bei Fallgestaltungen wie der vorliegenden ausgeschlossen. Der Ausnutzung einer besonderen Überlegenheit bedarf es nicht.

Stimmten die Angeklagten N. und K. in der Gemeindevertretung gerade im Interesse der Angeklagten D. und T. für den vorgegebenen Änderungsvertrag, handelten sie in deren Auftrag.

ee) Der subjektive Tatbestand wird sich wahrscheinlich in einer Hauptverhandlung aufgrund der Beweismittel erweisen lassen.

Danach ist derzeit davon auszugehen, dass den Angeklagten die äußeren Umstände ebenso bekannt waren wie das verwaltungsrechtliche Koppelungsverbot. Insoweit ergibt sich etwa aus einer vom Angeklagten D. eingeholten anwaltlichen Auskunft in Bezug auf den ursprünglichen Vertrag die Auffassung, die dort geregelte Zahlungspflicht an den Schulverband verstoße gegen das Koppelungsverbot. Aus einer E-Mail-Nachricht des Angeklagten D. lässt sich folgern, dass die anderen Angeklagten diese Ansicht kannten. Überdies hat der Angeklagte W. in einer schriftlichen Stellungnahme zu der Anklageschrift erklärt, ihm sei die Rechtswidrigkeit vertraglich vereinbarter Zahlungen im Zusammenhang mit dem Betrieb von Windenergieanlagen in verwaltungsrechtlicher, nicht aber in strafrechtlicher Hinsicht bewusst gewesen. Eine Kenntnis der Strafbarkeit ist indes nicht erforderlich (vgl. BGH, Beschluss vom 18. März 1952 - GSSt 2/51, BGHSt 2, 194, 202; Urteil vom 30. Mai 2008 - 1 StR 166/07, BGHSt 52, 227 Rn. 58 mwN).

Schließlich erscheint die Schlussfolgerung des Oberlandesgerichts zweifelhaft, die Aufhebung der Beschlüsse zum Änderungsvertrag deuteten gerade darauf hin, dass sich die Angeklagten nicht strafbar machen wollten. Da die Beschlüsse erst aufgehoben wurden, nachdem die staatsanwaltlichen Vorermittlungen bekannt waren, könnte Grund hierfür gewesen sein, eine Strafverfolgung zu vermeiden. Weil die Angeklagten wahrscheinlich im Wissen um die laufenden Ermittlungen und rechtlichen Bedenken mündlich vereinbarten, an der ursprünglich vorgesehenen Vereinbarung festzuhalten (vgl. Fall 2), liegt die Annahme fern, sie hätten sich stets rechtmäßig verhalten wollen.

b) Daneben besteht ein hinreichender Verdacht auf eine Strafbarkeit wegen Bestechlichkeit (§ 332 Abs. 1 Satz 1 StGB) beziehungsweise Bestechung (§ 334 Abs. 1 Satz 1 StGB).

Die Angeklagten N. und K. waren als ehrenamtliche Bürgermeister Amtsträger. Soweit es nicht um ihre Tätigkeiten bei Wahrnehmung ihres Mandates als Gemeindevertreter, sondern ihre Aufgaben als Bürgermeister geht, erbringen sie als Amtsträger Diensthandlungen (vgl. zur Abgrenzung BGH, Urteile vom 9. Mai 2006 - 5 StR 453/05, BGHSt 51, 44 Rn. 22 ff., 37 ff.; vom 17. März 2015 - 2 StR 281/14, BGHR StGB § 331 Amtsträger 2 Rn. 22). Eine solche kommt bei der Vorbereitung von Beschlüssen der Gemeindevertretung gemäß § 50 Abs. 1 GO Schl.-H. und der anschließenden Umsetzung in Betracht. Eine Pflichtwidrigkeit der Diensthandlung kann sich daraus ergeben, dass sie sich auf den Abschluss des rechtswidrigen Änderungsvertrages bezieht. Entsprechendes gilt für den Angeklagten W., der als Bereichsleiter im Amt Mi. als Amtsträger (§ 11 Abs. 1 Nr. 2 StGB) in die Vertragsgestaltung und (geplante) -abwicklung eingebunden war.

Nach dem durch Beweise unterlegten Anklagevorwurf forderten die Angeklagten N., K. und W. die monatlichen Zahlungen an den Schulverband dafür, von der Durchsetzung der vertraglichen Rückbaupflicht abzusehen und diese durch eine den Weiterbetrieb der Anlagen ermöglichende Vertragsgestaltung zu ersetzen. Demgemäß machten die Angeklagten D. und T. Zahlungsangebote und -versprechen.

Auch insoweit wird sich der subjektive Tatbestand voraussichtlich aufgrund einer Beweisaufnahme in der Hauptverhandlung nachweisen lassen.

c) Danach besteht der Verdacht, dass sich in Fall 1 die Angeklagten N. und K. wegen Bestechlichkeit von Mandatsträgern in Tateinheit mit Bestechlichkeit (§ 108e Abs. 1, 3 Nr. 1 aF, § 332 Abs. 1 Satz 1 StGB), die Angeklagten D. und T. wegen Bestechung von Mandatsträgern in Tateinheit mit Bestechung (§ 108e Abs. 2, 3 Nr. 1 aF, § 334 Abs. 1 Satz 1 StGB) und der Angeklagte W. wegen Beihilfe zur Bestechlichkeit und zur Bestechung von Mandatsträgern in Tateinheit mit Bestechlichkeit (§ 108e Abs. 1, 2 und 3 Nr. 1 aF, § 332 Abs. 1 Satz 1, § 27 Abs. 1 StGB) strafbar gemacht haben. Da dem in Aussicht genommenen Verhalten als Mandats- und als Amtsträger dieselbe Unrechtsvereinbarung zugrunde liegt, ist von Tateinheit (§ 52 StGB) auszugehen (vgl. LK/Weiß, StGB, 13. Aufl., § 108e Rn. 30).

2. Überdies haben sich wahrscheinlich in einem weiteren Fall (Fall 2) die Angeklagten N., K. und W. wegen Bestechlichkeit (§ 332 Abs. 1 Satz 1 StGB) sowie die Angeklagten D. und T. wegen Bestechung (§ 334 Abs. 1 Satz 1 StGB) strafbar gemacht.

Darin, dass laut Anklagevorwurf die Angeklagten W., N. und K. bei einem Treffen am 14. April 2016 ein Festhalten an der ursprünglichen Vereinbarung von den anderen Angeklagten forderten und diese dem nachkamen, kann eine neue Unrechtsvereinbarung liegen. Diese zielte darauf ab, nicht mehr wie zuvor eine Änderung des städtebaulichen Vertrages zu erreichen, sondern trotz dessen Fortbestandes von der Umsetzung der dort geregelten Rückbaupflicht abzusehen. Ob es sich dabei nach den Gesamtumständen um eine Diensthandlung oder das Unterlassen von Diensthandlungen, nämlich Tätigkeiten zur Durchsetzung der Rückbaupflicht, handelt, bedarf hier keiner Klärung, da die Vornahme und das Unterlassen einer Diensthandlung gleichgestellt sind (§ 336 StGB; vgl. etwa BGH, Urteil vom 12. September 1984 - 3 StR 333/84, juris Rn. 14 f.).

Ausweislich eines Schreibens vom 30. Juni 2016 forderte der Angeklagte W. den Angeklagten T. entsprechend der getroffenen Vereinbarung auf, an den Schulverband 9.500 € für Mai und Juni 2016 sowie im Folgenden quartalsweise 14.250 € zu zahlen. Der Angeklagte N. bestätigte später als Schulverbandsvorsteher eine Geldzuwendung der KG vom 13. Juli 2016 über 9.500 €.

C.

Die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Durchführung des Hauptverfahrens folgt aus § 120b Satz 1 GVG, § 2 Abs. 1 Satz 1 StPO, da der Verdacht von Straftaten nach § 108e Abs. 1 bis 3 StGB besteht (vgl. BGH, Beschluss vom 5. Juli 2022 - StB 7-9/22, NJW 2022, 2856 Rn. 76 ff.).

Dem zuständigen Strafsenat des Oberlandesgerichts obliegt die nach § 122 Abs. 2 Satz 2 GVG zu treffende Entscheidung über seine Besetzung in der Hauptverhandlung. Um die Unvoreingenommenheit des Tatgerichts zu wahren, ist es unter den gegebenen Umständen sachdienlich, von der Möglichkeit des § 210 Abs. 3 Satz 2 StPO Gebrauch zu machen und zu bestimmen, dass die Hauptverhandlung vor einem anderen Senat des Oberlandesgerichts stattzufinden hat.

D.

Mit der Eröffnung des Hauptverfahrens entfallen die vom Oberlandesgericht in dem angefochtenen Beschluss getroffene Kosten- und Auslagenentscheidung (vgl. § 464 Abs. 1 StPO) sowie der Ausspruch über die Entschädigung für die durchgeführten Durchsuchungen (vgl. § 2 Abs. 1 und 2 Nr. 4 StrEG).

HRRS-Nummer: HRRS 2023 Nr. 181

Bearbeiter: Fabian Afshar