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HRRS-Nummer: HRRS 2023 Nr. 158

Bearbeiter: Fabian Afshar

Zitiervorschlag: BGH, 3 StR 162/22, Beschluss v. 02.11.2022, HRRS 2023 Nr. 158


BGH 3 StR 162/22 - Beschluss vom 2. November 2022 (LG Düsseldorf)

Einziehung von Taterträgen (Arzthonorar bei Behandlungsfehler kein „für“ die Tat Erlangtes).

§ 73 Abs. 1 StGB

Leitsätze des Bearbeiters

1. Für die Tat i.S. des § 73 Abs. 1 StGB ist etwas erlangt, wenn sich der Vermögensvorteil als Entgelt oder Lohn und somit als Gegenleistung für eine vergangene, vom Anklagesatz erfasste und tatrichterlich festgestellte Straftat darstellt. Maßgeblich für die Annahme einer Gegenleistung ist ein synallagmatischer Charakter. Wesentlich ist, dass das Entgelt für etwas gegeben bzw. verlangt wird.

2. Im Fall von strafbaren ärztlichen Behandlungsfehlern zahlen Geschädigte das Arzthonorar in der Regel nicht für die Vornahme einer rechtswidrigen Tat, sondern gerade in der Erwartung einer rechtmäßigen Behandlung, weshalb das Honorar nicht für die Tat erlangt wurde.

Entscheidungstenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Düsseldorf vom 16. November 2021 im Ausspruch über die Einziehung aufgehoben; diese Entscheidung entfällt.

2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

3. Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Körperverletzung mit Todesfolge in zwei Fällen, jeweils in Tateinheit mit Missbrauch von Titeln, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und vier Monaten verurteilt, ihm für die Dauer von vier Jahren verboten, als Arzt chirurgische Eingriffe vorzunehmen oder bei solchen zu assistieren, sowie die Einziehung eines Geldbetrages in Höhe von 26.000 € angeordnet. Hiergegen richtet sich die auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten.

Das Rechtsmittel hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.

I. Das Landgericht hat folgende Feststellungen getroffen:

1. Der Angeklagte, Facharzt für Innere Medizin, bot in seiner Praxis kosmetische Operationen an. Seit 2016 nahm er überwiegend Eingriffe vor, bei denen vorwiegend Patientinnen Körperfett im Wege des Absaugens entnommen wurde (Liposuktion) und ein Teil der entnommenen Fettzellen anschließend wieder in andere Körperregionen - Brüste, Gesäß oder Teile des Gesichts - appliziert wurde (Lipotransfer). Für die Eingriffe, die der Angeklagte ambulant in seiner Praxis durchführte, bestand keine medizinische Indikation.

a) Der Angeklagte nahm am 6. August 2018 bei einer im Jahr 1998 geborenen Frau einen Eigenfetttransfer vor. Er saugte 12,3 Liter Gewebeflüssigkeit ab, in der sich 9,5 Liter Fettgewebe befanden. Von diesem Fettgewebe applizierte der Angeklagte 0,5 Liter in die rechte und 0,7 Liter in die linke Brust sowie jeweils 1,0 Liter in beide Gesäßhälften der Geschädigten. Sie verstarb am 6. August 2018 infolge des Eingriffs an einem Kreislaufversagen, insbesondere aufgrund der erheblichen Kreislaufbelastung durch die Entnahme der großen Menge Gewebeflüssigkeit, dem bei der Operation erlittenen Blutverlust sowie einer mäßigen Reduzierung der Lungenfunktion aufgrund einer Verstopfung der Kapillargefäße durch in den Blutkreislauf und von dort in die Blutgefäße der Lunge gelangte Fettanteile.

b) Bei einer im Jahr 1977 geborenen Frau nahm der Angeklagte am 2. Juli 2019 einen Eigenfetttransfer vor. Er saugte vom Bauch, der Taille, dem Rücken, den Oberarmen und den Innenseiten der Oberschenkel 6,3 Liter Gewebeflüssigkeit ab, in der sich 5,1 Liter Fettgewebe befanden, und applizierte davon jeweils 0,9 Liter in beide Gesäßhälften der Geschädigten. Sie verstarb am frühen Morgen des 3. Juli 2019 infolge des Eingriffs ebenfalls an einem Kreislaufversagen, hervorgerufen durch einen massiven Blutverlust in Verbindung mit einer mäßigen Reduzierung der Lungenfunktion nach einer Gefäßverstopfung durch in den Blutkreislauf gelangte Fettanteile. Zu dem Blutverlust war es gekommen, weil infolge der Behandlung durch den Angeklagten - sowohl bei Entnahme des Gewebes als auch bei der Zuführung in das Gesäß - an zahlreichen Stellen des Körpers Gefäße verletzt worden waren.

c) Der Angeklagte hatte beide Geschädigte vor der Vornahme der Eingriffe über die Risiken der Behandlung nicht ausreichend aufgeklärt. Insbesondere wies er sie nicht darauf hin, dass die Gefahr lebensgefährlicher Komplikationen bei der Entnahme und Zuführung großer Gewebemengen erheblich steigt und die risikomindernde Alternative besteht, die Liposuktion bzw. den Lipotransfer auf mehrere Eingriffe zu verteilen. Beide Geschädigte hätten, wenn sie das tatsächliche Ausmaß der Gefährlichkeit des Eingriffs bei der entnommenen und zugeführten Gewebemenge und die genannte Alternative gekannt hätten, nicht in die Operation eingewilligt und von dem Eingriff Abstand genommen.

d) Die 20-jährige Geschädigte zahlte für die Vornahme der Operation ein ärztliches Honorar in Höhe von 9.500 €, die 42-jährige Geschädigte ein Honorar in Höhe von 16.500 €.

2. Der Angeklagte, der an einer Universität in T. Medizin studiert und ein „Berufsdoktorat“ ohne eigenständiges Promotionsverfahren erlangt hatte, trat zwischen dem 6. August 2018 und 31. Januar 2020 in einer auf seiner Internetseite veröffentlichten Preisliste sowie im Impressum der Seite als „Dr. med.“ ohne klarstellenden Hinweis auf.

II. Der Schuldspruch, der Strafausspruch und die Anordnung des Berufsverbots weisen keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten auf.

III. Hingegen hat der Ausspruch über die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 26.000 € keinen Bestand. Der Angeklagte hat das Arzthonorar nicht im Sinne von § 73 Abs. 1 StGB erlangt.

Der Generalbundesanwalt hat in seiner Antragsschrift ausgeführt:

„Zunächst erscheint fraglich, ob das Arzthonorar 'durch' oder 'für die Tat' i.S. des § 73 StGB erlangt ist.

a) Durch die Tat sind Vermögenswerte erlangt, die dem Täter unmittelbar aufgrund der Verwirklichung des Tatbestands in irgendeiner Phase des Tatablaufs zufließen (BGH, Urteil vom 7. März 2019 - 5 StR 569/18, NStZ 2019, 272; Fischer 68. Aufl. § 73 Rn. 23). Das Arzthonorar ist dem Angeklagten aber aufgrund des Behandlungsvertrags mit den Geschädigten und nicht aufgrund der Tatbestandsverwirklichung zugeflossen.

b) Für die Tat ist etwas erlangt, wenn sich der Vermögensvorteil als Entgelt oder Lohn (§ 11 Abs. 1 Nr. 9 [StGB]) für eine vergangene, vom Anklagesatz erfasste und tatrichterlich festgestellte Straftat darstellt. Die neuere Rspr. bestimmt entsprechend, dass 'für die Tat' diejenigen Vermögenswerte erlangt sind, die dem Täter als Gegenleistung für sein rechtswidriges Tun gewährt werden, also nicht auf der Tatbestandsverwirklichung selbst beruhen (BGH, Beschl. v. 14.1.2016 - 1 StR 615/15, NStZ-RR 2016, 108; Fischer 68. Aufl. § 73 Rn. 24). Gleichgültig ist, ob das Entgelt vor oder erst nach der Tat geleistet wird (Matt/Renzikowski/Altenhain/Fleckenstein, 2. Aufl. 2020, § 73 Rn. 5). Erforderlich ist nur, dass es nicht bloß gelegentlich einer Straftat, sondern als Gegenleistung für die Tatbegehung erlangt wird (BGH, Beschluss vom 29. August 2002 - 3 StR 287/02, NStZ-RR 2002, 366; Schönke/Schröder/Eser/Schuster, 30. Aufl. 2019, StGB § 73 Rn. 10).

Hier ist das Arzthonorar aber nicht als Gegenleistung für ein rechtswidriges Tun des Angeklagten gewährt worden; vielmehr gingen die Geschädigten und der Angeklagte von einer nicht rechtswidrigen Behandlung aus. Es handelt sich deshalb nicht um 'Lohn' für rechtlich missbilligtes Verhalten oder um einen wirtschaftlich messbaren Vorteil, der sich als strafrechtlich missbilligte Bereicherung im Vermögen des Täters manifestiert, weshalb Sinn und Zweck der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung, wonach sich Straftaten 'nicht lohnen dürfen', gegen eine Einziehung des Arzthonorars sprechen.“

Dem schließt sich der Senat an und bemerkt ergänzend: Maßgeblich für die Annahme einer Gegenleistung im Sinne der zuvor genannten Rechtsprechung ist ein synallagmatischer Charakter. Wesentlich ist, dass das Entgelt für etwas gegeben bzw. verlangt wird (vgl. zu § 11 Abs. 1 Nr. 9 StGB LK/Hilgendorf, StGB, 13. Aufl., § 11 Rn. 101; Schönke/Schröder/Hecker, StGB, 30. Aufl., § 11 Rn. 63). Vorliegend zahlten die Geschädigten das Arzthonorar jedoch - wie der Generalbundesanwalt zutreffend ausgeführt hat - nicht für die Vornahme einer rechtswidrigen Tat, sondern gerade in der Erwartung einer rechtmäßigen Behandlung. Auch der Angeklagte ging nicht davon aus, das Honorar für eine rechtswidrige Behandlung zu erhalten.

IV. Angesichts des geringen Teilerfolgs der Revision ist es nicht unbillig, den Angeklagten mit den gesamten Kosten seines Rechtsmittels zu belasten (§ 473 Abs. 4 StPO). Eine Erstattung der notwendigen Auslagen der Nebenkläger im Revisionsverfahren findet wegen deren gleichfalls erfolglosen Revisionen nicht statt (s. Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 65. Aufl., § 473 Rn. 10a).

HRRS-Nummer: HRRS 2023 Nr. 158

Bearbeiter: Fabian Afshar