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HRRS-Nummer: HRRS 2021 Nr. 1139

Bearbeiter: Karsten Gaede/Julia Heß

Zitiervorschlag: BGH, 2 StR 3/20, Beschluss v. 06.07.2021, HRRS 2021 Nr. 1139


BGH 2 StR 3/20 - Beschluss vom 6. Juli 2021 (LG Aachen)

Einziehung von Taterträgen (tatsächliche Verfügungsmacht: mittäterschaftliche Tatbeteiligung, Mitverfügungsgewalt, ungehinderter Zugriff); Einziehung des Wertes von Taterträgen.

§ 73 StGB; § 73c Satz 1 StGB

Leitsatz des Bearbeiters

Allein die mittäterschaftliche Tatbeteiligung des Angeklagten für sich betrachtet belegt oder begründet keine tatsächliche Verfügungsgewalt im Sinne von § 73 StGB. Einem Tatbeteiligten kann die Gesamtheit des aus der Tat Erlangten mit der Folge einer gesamtschuldnerischen Haftung nur dann zugerechnet werden, wenn sich die Beteiligten einig sind, dass jedem die Mitverfügungsgewalt hierüber zukommen soll, und er diese auch tatsächlich hatte. Dabei genügt es, dass der Tatbeteiligte zumindest faktische bzw. wirtschaftliche Mitverfügungsgewalt über den Vermögensgegenstand erlangte. Dies ist jedenfalls dann der Fall, wenn er im Sinne eines rein tatsächlichen Herrschaftsverhältnisses ungehinderten Zugriff auf den betreffenden Vermögensgegenstand nehmen konnte.

Entscheidungstenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Aachen - Jugendkammer - vom 27. Februar 2019, soweit es ihn betrifft, aufgehoben, soweit die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 8.800 Euro angeordnet worden ist.

2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Jugendkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

3. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen besonders schweren Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Jugendstrafe von zwei Jahren und drei Monaten verurteilt. Darüber hinaus hat es die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 8.800 Euro, gesamtschuldnerisch haftend mit den weiteren Mitangeklagten E., C. und D., sowie die Einziehung eines sichergestellten Apple iPhone beim Angeklagten Y. angeordnet. Die auf die Beanstandung der Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat mit der Sachrüge lediglich in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang Erfolg. Im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

1. Soweit das Landgericht die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 8.800 Euro, gesamtschuldnerisch haftend mit den weiteren Mitangeklagten E., C. und D., angeordnet hat, hält der Einziehungsausspruch in Bezug auf den Angeklagten Y. einer rechtlichen Prüfung nicht stand, weil das angefochtene Urteil tragfähige Feststellungen zu dem vom Angeklagten aus der abgeurteilten Tat nach § 73 Abs. 1 StGB Erlangten vermissen lässt.

Die Einziehung des Wertes von Taterträgen gemäß § 73c Satz 1 StGB knüpft an § 73 Abs. 1 StGB an und setzt voraus, dass der Täter durch eine rechtswidrige Tat oder für sie etwas erlangt hat. Jedoch belegt oder begründet alleine die mittäterschaftliche Tatbeteiligung des Angeklagten für sich betrachtet keine tatsächliche Verfügungsgewalt im Sinne von § 73 StGB (vgl. Senat, Beschluss vom 21. August 2018 - 2 StR 311/18, NStZ 2019, 20 mwN). Einem Tatbeteiligten kann die Gesamtheit des aus der Tat Erlangten mit der Folge einer gesamtschuldnerischen Haftung nur dann zugerechnet werden, wenn sich die Beteiligten einig sind, dass jedem die Mitverfügungsgewalt hierüber zukommen soll, und er diese auch tatsächlich hatte (Senat, Beschluss vom 8. Dezember 2010 - 2 StR 372/10, wistra 2011, 113). Dabei genügt es, dass der Tatbeteiligte zumindest faktische bzw. wirtschaftliche Mitverfügungsgewalt über den Vermögensgegenstand erlangte. Dies ist jedenfalls dann der Fall, wenn er im Sinne eines rein tatsächlichen Herrschaftsverhältnisses ungehinderten Zugriff auf den betreffenden Vermögensgegenstand nehmen konnte (BGH, Beschluss vom 11. Juni 2020 - 5 StR 154/20, juris Rn. 3 mwN).

Daran fehlt es hier. Denn faktische und wirtschaftliche Verfügungsgewalt über die nach dem gemeinsamen Tatplan der Angeklagten entwendeten 8.800 Euro hatten nach den Feststellungen allein der Mitangeklagte E. sowie der unbekannt gebliebene Mittäter (UA S. 19). Über eine spätere Aufteilung der Beute konnte das Landgericht indes keine Feststellungen treffen (UA S. 77).

Der Rechtsfehler nötigt zur Aufhebung der Einziehungsentscheidung. Die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen werden hiervon nicht berührt; sie bleiben aufrechterhalten (§ 353 Abs. 2 StPO). Das neue Tatgericht kann ergänzende Feststellungen zu den Einziehungsvoraussetzungen treffen, die den bisherigen Feststellungen nicht widersprechen.

2. Im Hinblick auf die Länge des Revisionsverfahrens wird der neue Tatrichter eine Kompensationsentscheidung zu treffen haben, wobei hinsichtlich der Dauer der als vollstreckt zu geltenden Jugendstrafe auf die hierzu ergangene Entscheidung betreffend den Mitangeklagten E. verwiesen wird.

HRRS-Nummer: HRRS 2021 Nr. 1139

Externe Fundstellen: NStZ-RR 2022, 12; StV 2022, 12

Bearbeiter: Karsten Gaede/Julia Heß