HRRS-Nummer: HRRS 2020 Nr. 945
Bearbeiter: Christoph Henckel/Karsten Gaede
Zitiervorschlag: BGH, 1 StR 586/19, Beschluss v. 01.04.2020, HRRS 2020 Nr. 945
1. Auf die Revision des Angeklagten Ö. wird das Urteil des Landgerichts Hechingen vom 12. Juli 2019 - auch mit Wirkung für den Mitangeklagten K. -
a) im Schuldspruch dahin geändert, dass die Angeklagten wegen Verabredung zum unerlaubten Erwerb der tatsächlichen Gewalt über Kriegswaffen verurteilt sind, der Angeklagte Ö. darüber hinaus - insoweit bereits rechtskräftig - wegen Bedrohung; die jeweils tateinheitliche Verurteilung wegen Verabredung zum Mord in drei tateinheitlichen Fällen entfällt,
b) aufgehoben
aa) soweit es den Angeklagten Ö. betrifft, im Ausspruch über die Einzelstrafe und die Gesamtstrafe,
bb) soweit es den Mitangeklagten K. betrifft, im Ausspruch über die Einheitsjugendstrafe.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Jugendkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Das Landgericht hatte den Angeklagten in einem ersten Rechtsgang wegen Verabredung zum Mord und wegen Bedrohung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und acht Monaten verurteilt. Den nicht revidierenden Mitangeklagten K. hatte es im ersten Rechtsgang wegen Sich-Bereiterklärens zum Erwerb von Kriegswaffen in Tateinheit mit Verabredung zum Mord unter Einbeziehung weiterer Urteile zu der Jugendstrafe von sechs Jahren und acht Monaten verurteilt. Dieses Urteil hat der Senat durch Beschluss vom 21. November 2018, soweit der Angeklagte wegen Verabredung zum Mord verurteilt wurde, unter Erstreckung auf den Mitangeklagten im Schuld- und Strafausspruch - hinsichtlich des Angeklagten Ö. die Einzelstrafe für die Tat im Fall II.2. der Urteilsgründe sowie die Gesamtfreiheitsstrafe und hinsichtlich des nicht revidierenden Mitangeklagten K. die (Einheits-)Jugendstrafe - aufgehoben. Im zweiten Rechtsgang hat das Landgericht die Angeklagten der Verabredung zum Mord in drei tateinheitlichen Fällen und zum unerlaubten Erwerb der tatsächlichen Gewalt über Kriegswaffen, den Angeklagten Ö. „zudem der Bedrohung“ schuldig gesprochen. Den Angeklagten Ö. hat es nunmehr unter Einbeziehung weiterer Strafen aus einem anderen Urteil unter Auflösung der dort gebildeten Gesamtstrafe zu der Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und sechs Monaten verurteilt; gegen den Mitangeklagten K. hat es unter Einbeziehung weiterer Vorverurteilungen eine Einheitsjugendstrafe von sieben Jahren und sechs Monaten verhängt.
Die gegen seine Verurteilung gerichtete, auf die Rüge einer Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat - gemäß § 357 StPO auch mit Wirkung für den nicht revidierenden Mitangeklagten K. - den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
Nach den Feststellungen des Landgerichts kamen die beiden Angeklagten in der Zeit zwischen dem 1. Juni und Mitte Juli 2017 überein, dass sie gemeinsam über einen Bekannten des Angeklagten Ö., D., Handgranaten und vollautomatische Sturmgewehre des Typs Kalaschnikow, hilfsweise auch andere Schusswaffen, erwerben und mittels dieser Schusswaffen drei in Untersuchungshaft befindliche Italiener, gegen die zur fraglichen Zeit eine Hauptverhandlung wegen Mordes an dem Bruder des Mitangeklagten K. durchgeführt wurde, als Racheakt noch vor dem in den folgenden Wochen erwarteten Abschluss der Hauptverhandlung durch die Fenster der Justizvollzugsanstalten erschießen wollten. Beide Angeklagten wussten, dass es sich bei den ins Auge gefassten Waffen um verbotene Kriegswaffen handelt.
Während der Mitangeklagte K. gemäß der getroffenen Abrede in der Folgezeit versuchte, das für den Erwerb der Waffen erforderliche Geld bei Bekannten und Familienangehörigen zu sammeln, nahm der Angeklagte Ö. Kontakt zu dem ihm als Waffenhändler bekannten D. auf und fragte bei diesem nach entsprechenden Waffen nach. Beide Angeklagten versicherten sich im Folgenden wiederholt, den Mord am Bruder des Mitangeklagten gemeinsam durch die Tötung der drei Italiener rächen zu wollen. Dem Mitangeklagten gelang es zunächst nur, 250 € für den Erwerb der Waffen einzusammeln. Diesen Betrag, den er dem Angeklagten als Anzahlung übergab, behielt der Angeklagte unabgesprochen als Provision für sich und verwendete ihn für eigene Zwecke. Weitere 300 € übergab der Mitangeklagte dem Angeklagten noch vor dem 30. Juli 2017. Der Angeklagte Ö. organisierte darauf ein Treffen mit D. für den 1. August 2017. Am 31. Juli 2017 bot D. dem Angeklagten in einer SMS zwei Waffen mit Munition „Winchester Kaliber 44 Magnum mit Muni und Kaliber 22 mit Zielrohr Schalldämpfer und Rimfire Muni“ zum Verkauf an. Die Angeklagten hielten diese Waffen für geeignet, die Italiener in ihren Hafträumen durch die Fenster zu erschießen, und wollten die Waffen zur Durchführung ihres Planes erwerben. Sie trafen sich am 1. August 2017, um den Stand der Bemühungen des Mitangeklagten zur Beschaffung des Geldes zu besprechen, weiteres Geld zu übergeben und anschließend gemeinsam D. zu treffen. Aufgrund der bereits zu dieser Zeit durchgeführten Observation erfolgte die Festnahme der beiden Angeklagten - der Mitangeklagte führte zu dieser Zeit weitere 210 € mit sich -, bevor es zu dem Treffen mit D. kam.
1. Die Verfahrensrügen bleiben aus den in der Zuschrift des Generalbundesanwalts vom 28. November 2019 genannten Gründen ohne Erfolg.
2. Der Schuldspruch hält - soweit nicht bereits aufgrund des Beschlusses vom 21. November 2018 rechtskräftig und damit nicht mehr Gegenstand revisionsgerichtlicher Überprüfung - sachlichrechtlicher Nachprüfung nur insoweit stand, als die Angeklagten wegen Verabredung zum unerlaubten Erwerb der tatsächlichen Gewalt über eine Kriegswaffe verurteilt wurden; dagegen hat die tateinheitliche Verurteilung wegen Verabredung zum Mord in drei tateinheitlichen Fällen keinen Bestand.
Hinsichtlich des Verbrechens des Mordes in drei tateinheitlichen Fällen fehlt es - anders als betreffend das Verbrechen des unerlaubten Erwerbs der tatsächlichen Gewalt über eine Kriegswaffe - an der Verabredung eines konkreten Verbrechens. Insoweit gilt, dass das Tatgeschehen zwar nicht bereits in allen Einzelheiten festgelegt sein muss, die Tat muss aber ? ebenso wie dies beim Tatplan für eine mittäterschaftliche Tatbestandsverwirklichung oder beim Anstiftervorsatz der Fall ist (BGH, Beschluss vom 21. November 2018 - 1 StR 506/18 Rn. 5; LK-Schünemann, StGB, 12. Aufl., § 30 Rn. 67 mwN; MK-Joecks, StGB, 3. Aufl., § 30 Rn. 57; Schönke/Schröder/Heine/Weißer, StGB, 30. Aufl., § 30 Rn. 24) - zumindest in ihren wesentlichen Grundzügen konkretisiert sein (BGH, Beschluss vom 21. November 2018 - 1 StR 506/18 Rn. 5; Urteil vom 28. Juni 2007 ? 3 StR 140/07 Rn. 7, zur Anstiftung vgl. BGH, Urteil vom 21. April 1986 - 2 StR 661/85, BGHSt 34, 63, 66 mwN; RGSt 26, 361, 362; 34, 327 f.; Fischer, StGB, 67. Aufl., § 30 Rn. 10; LK-Schünemann, aaO, Rn. 67 ff.; Waßmer in: Leipold/Tsambikakis/Zöller, Anwaltkommentar StGB, 3. Aufl., § 30 Rn. 17; Lackner/Kühl, StGB, 29. Aufl., § 30 Rn. 3 mwN; Heger/Petzsche in: Matt/Renzikowski, StGB, 2. Aufl., § 30 Rn. 20). Wie weit die verabredete Tat danach im Einzelfall nach Vereinbarung und Vorstellungsbild der Mittäter konkretisiert sein muss, richtet sich wesentlich nach der Art der Tat (Fischer, aaO, Rn. 10, mwN; Schönke/Schröder/Heine/Weißer, aaO, Rn. 5).
Eine hinreichende Konkretisierung der verabredeten Tat ist vorliegend nur hinsichtlich der Verabredung zum unerlaubten Erwerb der tatsächlichen Gewalt über Kriegswaffen gegeben, nicht aber hinsichtlich der Verabredung zum Mord in drei tateinheitlichen Fällen.
a) Der von den Angeklagten verabredete Erwerb der tatsächlichen Gewalt von Schusswaffen war hinsichtlich des gesamten Tatgeschehens überschaubar und vergleichsweise einfach in Organisation und Durchführung. Der gemeinsame Tatplan war bereits frühzeitig darauf festgelegt, dass es sich bei den zu erwerbenden Waffen um Handgranaten und Kalaschnikows oder - hilfsweise - andere Schusswaffen handeln sollte, die über den Bekannten des Angeklagten D. beschafft werden sollten und die beide Angeklagten in Besitz nehmen wollten. Mit der SMS des D. vom 31. Juni 2017 wurden die zu erwerbenden Schusswaffen weiter dahin konkretisiert, dass es sich hierbei um solche der Art Winchester Kaliber 44 Magnum mit Munition und Kaliber 22 mit Zielrohr sowie Schalldämpfer und Rimfire Munition handeln sollte. Nach den landgerichtlichen Feststellungen waren auch Tatzeit und Tatort von den Angeklagten ins Auge gefasst. Dass der Erwerb von der erfolgreichen Eintreibung weiteren Bargeldes zur Bezahlung der Waffen und damit dem Eintritt einer Bedingung abhängig war, steht der Konkretisierung nicht entgegen.
b) Anders liegt der Fall indes mit Blick auf die Verabredung zum Mord in drei tateinheitlichen Fällen. Die Vorstellungen der Angeklagten von dem Tatgeschehen - das Hineinschießen in die Fenster der jeweiligen Hafträume der Justizvollzugsanstalten mittels der noch zu erwerbenden Waffen - blieben nach den getroffenen Feststellungen trotz der hohen Anforderungen an Planung, Organisation und Durchführung der verabredeten Tat im Vagen und Ungewissen. Insbesondere fehlte es nach den Feststellungen an konkreten Überlegungen der Angeklagten, um welche Hafträume und damit auch Fenster es überhaupt ging, bei welcher Gelegenheit die Tat ausgeführt werden könnte und wie das Hineinschießen in die Hafträume durch die (gesicherten) Fenster überhaupt zu bewerkstelligen sein könnte. Die Tat, für deren Durchführung noch nicht einmal die erforderlichen Waffen beschafft waren, war damit lediglich als vage Idee von den Angeklagten entwickelt, aber noch nicht als konkretes Tatgeschehen zwischen diesen vereinbart, weil es an einer Festlegung auf die hier wesentlichen näheren Tatmodalitäten und damit auch auf beidseitige mittäterschaftliche Beiträge zur Tatausführung fehlte (vgl. auch BGH, Urteil vom 13. November 2008 - 3 StR 403/08 Rn. 9, 11).
3. Der Senat schließt aus, dass weitere Feststellungen getroffen werden können, die eine Verurteilung des Angeklagten wegen Verabredung zum Mord (in drei tateinheitlichen Fällen) tragen könnten. Er ändert daher den Schuldspruch selbst ab (§ 354 Abs. 1 StPO). Die Regelung in § 265 StPO steht dem nicht entgegen, weil sich der Angeklagte nicht wirksamer als geschehen hätte verteidigen können.
4. Die Schuldspruchänderung zieht den Wegfall des Strafausspruchs nach sich, soweit dieser nicht bereits aufgrund des Senatsbeschlusses vom 21. November 2018 rechtskräftig ist, führt also hinsichtlich des Angeklagten zur Aufhebung sowohl der Einzelstrafe für die Tat im Fall II.2. der Urteilsgründe als auch der Gesamtstrafe.
5. Die Änderung des Schuldspruchs und die Aufhebung des Strafausspruchs ist gemäß § 357 StPO auf den nicht revidierenden Mitangeklagten K. zu erstrecken, weil es auch insoweit an einer hinreichenden Konkretisierung des ins Auge gefassten Tötungsdeliktes fehlt.
HRRS-Nummer: HRRS 2020 Nr. 945
Bearbeiter: Christoph Henckel/Karsten Gaede