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HRRS-Nummer: HRRS 2020 Nr. 473

Bearbeiter: Holger Mann

Zitiervorschlag: BVerfG, 2 BvR 1455/19, Beschluss v. 01.04.2020, HRRS 2020 Nr. 473


BVerfG 2 BvR 1455/19 (2. Kammer des Zweiten Senats) - Beschluss vom 1. April 2020 (OLG Rostock / LG Rostock)

Strafvollzugsrecht (unzulässige Beschränkung des Rechtsschutzes bei Forderung einer Fahrtkostenpauschale zur Einlegung der Rechtsbeschwerde; Rechtsstaatsprinzip; Recht auf effektiven Rechtsschutz; Bindungswirkung von Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts für alle Behörden und Gerichte).

Art. 19 Abs. 4 GG; Art. 20 Abs. 3 GG; § 31 Abs. 1 BVerfGG; § 118 Abs. 3 StVollzG; § 41 Abs. 1 Satz 3 StVollzG MV

Leitsätze des Bearbeiters

1. Der aus dem Rechtsstaatsprinzip abzuleitenden Rechtsschutzgarantie ist nicht genügt, wenn die einzige Möglichkeit für Strafgefangene, in Vollzugssachen eine den formellen Anforderungen entsprechende Rechtsbeschwerde einzulegen, ohne einen Rechtsanwalt einzuschalten, von der Zahlung einer Fahrtkostenpauschale abhängig gemacht wird, die geeignet ist, von der Inanspruchnahme des Rechtsschutzes abzuschrecken.

2. Die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts sind für alle Gerichte und Behörden bindend; alle Rechtsvorschriften sind im Einklang mit der Verfassung auszulegen und anzuwenden.

Entscheidungstenor

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.

Gründe

Die Verfassungsbeschwerde ist unzulässig, weil der Beschwerdeführer den Rechtsweg gegen die Verhängung der auf § 41 Abs. 1 Satz 3 Strafvollzugsgesetz Mecklenburg-Vorpommern gestützten Fahrtkostenpauschale nicht erschöpft hat (§ 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG), obwohl ihm dies zumutbar wäre (§ 90 Abs. 2 Satz 2 BVerfGG).

Weiterhin genügt die Verfassungsbeschwerde nicht den Begründungsanforderungen nach § 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 BVerfGG, da sich ihr die Möglichkeit einer Verletzung von Grundrechten oder grundrechtsgleichen Rechten durch die angegriffenen Beschlüsse nicht entnehmen lässt.

Die Kammer weist erneut darauf hin, dass es der aus dem Rechtsstaatsprinzip abzuleitenden Rechtsschutzgarantie nicht genügt, wenn - wie der Beschwerdeführer vorträgt - die einzige für Strafgefangene bestehende Möglichkeit, eine den Anforderungen des § 118 Abs. 3 Strafvollzugsgesetz genügende Rechtsbeschwerde ohne Einschaltung eines Rechtsanwaltes einzulegen, von der Zahlung einer auf § 41 Abs. 1 Satz 3 Strafvollzugsgesetz Mecklenburg-Vorpommern gestützten Fahrtkostenpauschale abhängig gemacht wird und diese geeignet ist, von der Inanspruchnahme des Rechtsschutzes abzuschrecken.

Zudem weist die Kammer darauf hin, dass die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts für alle Gerichte und Behörden bindend (§ 31 Abs. 1 BVerfGG) und alle Rechtsvorschriften im Einklang mit der Verfassung - hier dem Recht auf effektiven Rechtsschutz aus Art. 19 Abs. 4 GG - auszulegen und anzuwenden sind.

Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

HRRS-Nummer: HRRS 2020 Nr. 473

Bearbeiter: Holger Mann