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HRRS-Nummer: HRRS 2020 Nr. 472

Bearbeiter: Holger Mann

Zitiervorschlag: BVerfG, 2 BvR 1444/19, Beschluss v. 01.04.2020, HRRS 2020 Nr. 472


BVerfG 2 BvR 1444/19 (2. Kammer des Zweiten Senats) - Beschluss vom 1. April 2020 (OLG Hamm / LG Arnsberg)

Verfahren nach dem Strafvollzugsgesetz (Verletzung der Rechtsschutzgleichheit bei Versagung von Prozesskostenhilfe nach erfolgreicher Rechtsverfolgung).

Art. 3 Abs. 1 GG; Art. 19 Abs. 4 GG; Art. 20 Abs. 3 GG; § 114 Satz 1 ZPO; § 109 StVollzG

Leitsatz des Bearbeiters

Die Versagung von Prozesskostenhilfe in einem strafvollzugsrechtlichen Verfahren verletzt die verfassungsrechtlich verbürgte Rechtsschutzgleichheit, wenn sie sich darauf stützt, dass der Antrag des Gefangenen auf gerichtliche Entscheidung gegen eine Regelung in einem Vollzugsplan bereits ohne die Beiordnung eines Prozessbevollmächtigten erfolgreich gewesen sei und ihm insoweit keine Kosten entstanden seien.

Entscheidungstenor

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.

Gründe

Die Verfassungsbeschwerde ist unzulässig, weil sie nicht den aus § 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 BVerfGG folgenden Anforderungen an ihre Begründung genügt (vgl. BVerfGE 112, 304 <314 f.>; 129, 269 <278>). Der Beschwerdeführer hat es versäumt, den neuen Vollzugsplan, seine Antragsschrift sowie seine Rechtsbeschwerdeschrift vorzulegen oder inhaltlich wiederzugeben. Ohne Kenntnis des Inhalts des Antrags- und Rechtsmittelschriftsatzes ist eine verantwortliche verfassungsrechtliche Überprüfung nicht möglich. Darüber hinaus ist nicht ersichtlich und nicht vom Beschwerdeführer dargetan, dass er hinsichtlich der ablehnenden Prozesskostenhilfeentscheidung des Landgerichts Arnsberg den Rechtsweg erschöpft hat (§ 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG).

Vor diesem Hintergrund muss dahinstehen, dass die ablehnende Prozesskostenhilfeentscheidung des Landgerichts Arnsberg vom 20. März 2019 verfassungsrechtlichen Bedenken begegnet. Das Grundgesetz gebietet eine weitgehende Angleichung der Situation von Bemittelten und Unbemittelten bei der Verwirklichung des Rechtsschutzes. Dies ergibt sich aus Art. 3 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip, das in Art. 20 Abs. 3 GG allgemein niedergelegt ist und für den Rechtsschutz gegen Akte der öffentlichen Gewalt in Art. 19 Abs. 4 GG seinen besonderen Ausdruck findet (vgl. BVerfGE 81, 347 <356 f.>; stRspr). Verfassungsrechtlich unbedenklich ist es danach, die Gewährung von Prozesskostenhilfe davon abhängig zu machen, dass die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg hat und nicht mutwillig erscheint. Die Prüfung der Erfolgsaussichten darf jedoch nicht dazu dienen, die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung selbst in das summarische Verfahren der Prozesskostenhilfe zu verlagern und dieses an die Stelle des Hauptsacheverfahrens treten zu lassen (vgl. BVerfGE 81, 347 <357>). Das Prozesskostenhilfeverfahren will den Rechtsschutz, den der Rechtsstaatsgrundsatz erfordert, nicht selbst bieten, sondern zugänglich machen. Die Auslegung und Anwendung des § 114 Satz 1 ZPO obliegt in erster Linie den zuständigen Fachgerichten. Die Fachgerichte überschreiten aber ihren Ermessensspielraum, wenn sie einen Auslegungsmaßstab anwenden, der einer unbemittelten Partei die Rechtsverfolgung unverhältnismäßig erschwert; dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Anforderungen an die Erfolgsaussicht derart überspannt werden, dass dadurch der Zweck der Prozesskostenhilfe deutlich verfehlt wird (BVerfGE 81, 347 <358>; BVerfGK 2, 279 <281>).

Die Ausführungen des Landgerichts Arnsberg, dass dem Beschwerdeführer auch hinsichtlich des mit Erfolg angefochtenen Verfahrensgegenstandes keine Prozesskostenhilfe zu gewähren sei, da sein Antrag auf gerichtliche Entscheidung bereits ohne die Beiordnung eines Prozessbevollmächtigten erfolgreich gewesen sei und ihm insoweit keine Kosten entstanden seien, genügen diesen Anforderungen nicht und beruhen auf einer grundsätzlich unrichtigen Anschauung der verfassungsrechtlich verbürgten Rechtsschutzgleichheit.

Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

HRRS-Nummer: HRRS 2020 Nr. 472

Bearbeiter: Holger Mann