HRRS-Nummer: HRRS 2020 Nr. 14
Bearbeiter: Christian Becker
Zitiervorschlag: BGH, 5 StR 76/19, Beschluss v. 14.11.2019, HRRS 2020 Nr. 14
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Bremen vom 15. März 2018 wird mit der Maßgabe als unbegründet verworfen, dass der Angeklagte wegen Kreditbetrugs in 18 Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit unrichtiger Darstellung der Verhältnisse im Jahresabschluss und im Konzernabschluss einer Kapitalgesellschaft, sowie wegen Untreue in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt ist.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gemeinschaftlichen Kreditbetrugs in 18 Fällen, gemeinschaftlicher unrichtiger Darstellung gemäß § 331 Nr. 1 und 2 HGB sowie Untreue in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Die Revision des Angeklagten erzielt mit der Sachrüge den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg und ist im Übrigen im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO unbegründet.
1. Nach den Feststellungen zu den Taten E.I. und F.I.3 unterzeichnete der Angeklagte am 30. Juni 2010 als Geschäftsführer der Unternehmen den Jahresabschluss der B. C. GmbH und den Konzernjahresabschluss der B. S. GmbH für das Geschäftsjahr 2009. Ihm war dabei bewusst, dass in den Abschlüssen jeweils ca. 35,8 Mio. € Umsatzerlöse und darauf basierend Forderungen aus Lieferungen und Leistungen in Höhe von ca. 10,2 Mio. € enthalten waren, denen mit Scheinrechnungen fingierte Frachtleistungen zugrunde lagen. Während der Jahresabschluss der B. C. GmbH damit einen Gesamtumsatz dieser Tochtergesellschaft von 379.129.000 € und ein Jahresergebnis vor Steuern in Höhe von 22.505.000 € auswies, war der Gesamtumsatz der Muttergesellschaft im Konzern-Jahresabschluss der B. S. GmbH mit 402.835.000 € angegeben und ein Jahresergebnis von 20.053.000 € berechnet. Ohne die fingierten Umsatzerlöse wäre das Jahresergebnis bei beiden Gesellschaften in Höhe von ca. 15 Mio. € negativ gewesen (Tat E.I.).
Wegen Liquiditätsschwierigkeiten der B. -Unternehmen war es ab Frühjahr 2010 zu Verhandlungen mit dem Finanzinvestor O. über die Gewährung von Kreditmitteln in Höhe von zunächst ca. 100 Mio. € gekommen. Während der sich bis Oktober 2010 hinziehenden Verhandlungen wurde eine Reihe von Geschäftsunterlagen mit unzutreffenden Angaben übersandt und zur Überprüfung durch die vom Finanzinvestor beauftragten Beratungsunternehmen gestellt. Diese Unterlagen waren gefertigt worden, um die wirtschaftliche Situation der B. -Unternehmensgruppe positiver darzustellen. Hierzu zählten neben den drei Quartalsberichten lV/2009 bis lI/2010 der Unternehmensgruppe mit überhöhten Umsatzerlösen jeweils in Millionenhöhe und Auftragsübersichten, in denen lediglich potentielle Aufträge als verbindlich erteilt dargestellt wurden, unter anderem auch der Jahresabschluss 2009 der B. C. GmbH und der Konzern-Jahresabschluss 2009 der B. S. GmbH. Beide Jahresabschlüsse wurden dem Finanzinvestor O. Ende Juli 2010 vorgelegt.
Bei der Entscheidung von O. über Kreditanträge von Unternehmen der B. -Unternehmensgruppe war von besonderer Bedeutung, dass diese ausweislich der vorgelegten Unterlagen auch während der Finanzkrise im Jahr 2009 noch Gewinne erwirtschaftet hatte und für 2010 und 2011 in großem Umfang über Aufträge verfügte. Aufgrund der aus den Geschäftsunterlagen erhaltenen Informationen und in Unkenntnis von den darin enthaltenen unrichtigen Angaben schlossen Vertreter von O. -Unternehmen eine Reihe von Verträgen mit dem Angeklagten als Vertreter der B. -Unternehmensgruppe.
Nachdem wegen einer „akuten Finanzierungslücke“ bereits Mitte Juli 2010 der B. S. GmbH mit einem gesonderten Überbrückungskreditvertrag ein erster Darlehensrahmen von 22,5 Mio. € gewährt worden war (Tat F.I.3.a), schlossen - nach zwischenzeitlicher Vorlage der testierten Abschlüsse für das Geschäftsjahr 2009 - der Angeklagte für die B. -Unternehmensgruppe und Vertreter der O. -Gesellschaften am 29. Oktober 2010 neben weiteren Verträgen den endgültigen Rahmenkreditvertrag. Darin verpflichtete sich O., den mit der B. -Konzernmuttergesellschaft verbundenen Unternehmen Darlehen bis zu einer Gesamthöhe von 165,5 Mio. € zu gewähren; die ersten Zahlungen erfolgten am selben Tag (Tat F.I.3.b).
2. Die rechtliche Beurteilung des Konkurrenzverhältnisses zwischen der unrichtigen Darstellung nach § 331 Nr. 1 und 2 HGB (Tat E.I.) und dem zweiten Kreditbetrug zum Nachteil des Finanzinvestors O. gemäß § 265b Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a StGB (Tat F.I.3.b) als Tatmehrheit begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
a) Zwar hat das Landgericht zutreffend die unrichtige Darstellung der Verhältnisse im Jahresabschluss der B. C. GmbH und im Konzernabschluss der B. S. GmbH als eine Tat im Sinne des § 52 StGB gewertet. Denn der die Verhältnisse unrichtig darstellende Jahresabschluss einer Tochtergesellschaft fließt in den Konzernabschluss ihrer Muttergesellschaft ein, der daher die Verhältnisse ebenfalls unrichtig wiedergibt (vgl. StaubHGB/ Dannecker, 5. Aufl., § 331 Rn. 200; MüKoBilanzrecht/Waßmer, § 331 HGB Rn. 136). Die rechtliche und tatsächliche Verknüpfung zwischen Jahresabschluss und Konzernabschluss (§§ 300 ff. HGB; vgl. zur derivativen Methode der Aufstellung von Konzernbilanzen Küting/Weber, Der Konzernabschluss, 14. Aufl., S. 103 f.) zieht daher bei einem Konzernunternehmen im Falle der Tatbestandsverwirklichung des § 331 Nr. 1 HGB typischerweise diejenige des § 331 Nr. 2 HGB nach sich.
b) Das Landgericht hat bei der Bewertung des Konkurrenzverhältnisses zwischen der unrichtigen Darstellung und dem zweiten Kreditbetrug jedoch nicht erkennbar den mit der unrichtigen Darstellung verfolgten Zweck und die tatsächliche Verwendung der Abschlüsse gegenüber dem Finanzinvestor O. bedacht.
Werden die Verhältnisse in einem Abschluss unrichtig dargestellt, um diesen als Tatmittel für die Begehung eines Kreditbetrugs zu verwenden, können nach herrschender Meinung im Schrifttum die Vergehen nach § 331 HGB und nach § 265b StGB zueinander im Verhältnis der Tateinheit stehen (vgl. Dannecker, aaO, Rn. 205; Waßmer, aaO, Rn. 143; MüKoStGB/Leplow, 3. Aufl., § 331 HGB Rn. 152; Graf/Jäger/Wittig/Olbermann, 2. Aufl., § 331 HGB Rn. 115). Dieser auch vom Generalbundesanwalt vertretenen Ansicht folgt der Senat. Zwar scheidet hier zur Begründung von Tateinheit im Sinne von § 52 StGB die Annahme einer tatbestandlichen Handlungseinheit aus, da die Verwendung des Jahresabschlusses mit unrichtigen Angaben in § 331 HGB nicht unter Strafe gestellt ist; daher gibt es keine Teilidentität tatbestandlicher Ausführungshandlungen. Jedoch verbindet der einheitliche Wille des Täters zur Begehung der beiden final miteinander verknüpften Delikte diese zu einer natürlichen Handlungseinheit jedenfalls dann, wenn - wie hier - ein räumlich-zeitlicher Zusammenhang zwischen unrichtiger Darstellung nach § 331 HGB und der Täuschungshandlung des § 265b StGB besteht. Die unrichtige Darstellung erfolgte mit Unterzeichnung der Abschlüsse durch den Angeklagten am 30. Juni 2010, die - testiert - im Rahmen der Verhandlung über den Kreditantrag dem Finanzinvestor O. schon Ende Juli 2010 vorgelegt wurden, nachdem die Berichte der Abschlussprüfer als Entwürfe an den zwischen den Kreditvertragsparteien vermittelnden Finanzmakler bereits am 30. Juni 2010 weitergegeben worden waren. Eine zeitliche Nähe zwischen der unrichtigen Darstellung und der dem Kreditbetrug zugrundeliegenden Täuschungshandlung ist damit gewahrt.
3. Der danach erforderlichen Änderung des Schuldspruchs steht § 265 StPO nicht entgegen, weil sich der zum objektiven Tatgeschehen geständige Angeklagte bei zutreffender konkurrenzrechtlicher Bewertung nicht wirksamer als geschehen hätte verteidigen können.
4. Die Schuldspruchänderung zieht die Aufhebung der verhängten Einzelstrafe für Tat E.I.2 von einem Jahr und drei Monaten nach sich. Der Senat schließt angesichts der Vielzahl der verbleibenden Freiheitsstrafen und der Einsatzstrafe von zwei Jahren und drei Monaten aus, dass das Landgericht allein aufgrund einer abweichenden Beurteilung des Konkurrenzverhältnisses eine niedrigere Gesamtfreiheitsstrafe verhängt hätte, zumal der Unrechts- und Schuldgehalt einer Tat durch eine bloße Änderung der Konkurrenzen nicht berührt wird.
5. Bei der Bezeichnung der vom Angeklagten durch Tat E.I.2 begangenen unrichtigen Darstellung hat der Senat aus Klarstellungsgründen in der Beschlussformel abweichend von dem Grundsatz des § 260 Abs. 4 Satz 2 StPO die gesetzliche Überschrift des § 331 HGB mit einem Zusatz versehen, der das in zwei tateinheitlichen Fällen verwirklichte Delikt konkretisiert, um auf diese Weise eine Unterscheidung von identisch bezeichneten Straftaten (vgl. etwa § 400 AktG, § 147 Abs. 2 GenG, § 313 UmwG, § 17 PublG) zu ermöglichen.
HRRS-Nummer: HRRS 2020 Nr. 14
Externe Fundstellen: NStZ-RR 2020, 45; StV 2020, 738
Bearbeiter: Christian Becker