HRRS-Nummer: HRRS 2019 Nr. 922
Bearbeiter: Christian Becker
Zitiervorschlag: BGH, 5 StR 3/19, Beschluss v. 17.07.2019, HRRS 2019 Nr. 922
Der Angeklagten Y. wird auf ihren Antrag und ihre Kosten Wiedereinsetzung in den Stand vor Ablauf der Frist zur Begründung der Revision gegen das Urteil des Landgerichts Berlin vom 14. August 2018 gewährt.
Auf die Revision des Angeklagten R. wird das Urteil des Landgerichts Berlin vom 14. August 2018 im Strafausspruch aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer zurückverwiesen.
Die weitergehende Revision des Angeklagten R. wird verworfen.
Die Revisionen der Angeklagten E. und Y. werden verworfen.
Es wird davon abgesehen, den Beschwerdeführerinnen die Kosten ihres Rechtsmittels aufzuerlegen. Die den Nebenklägern im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen haben sie zu tragen.
Das Landgericht hat den Angeklagten R. wegen versuchter besonders schwerer räuberischer Erpressung in Tateinheit mit fahrlässiger Tötung zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt. Die Angeklagten E. und Y. hat es wegen Beihilfe zur versuchten besonders schweren räuberischen Erpressung in Tateinheit mit fahrlässiger Tötung zu Jugendstrafen von einem Jahr und neun Monaten bzw. einem Jahr und zwei Monaten verurteilt, deren Vollstreckung es jeweils zur Bewährung ausgesetzt hat. Das auf die Sachrüge gestützte Rechtsmittel des Angeklagten R. führt zur Aufhebung des Strafausspruchs. Die weitergehende Revision des Angeklagten R. und die ebenfalls auf die Verletzung materiellen Rechts gestützten Revisionen der Angeklagten E. und Y. sind unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
1. Der Strafausspruch hat betreffend den Angeklagten R. keinen Bestand, weil die Ablehnung einer Strafmilderung nach § 46b Abs. 1 Nr. 1 StGB durchgreifenden rechtlichen Bedenken begegnet.
a) Das Landgericht hat insoweit folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
Bereits wenige Tage nach der Tat wies eine Vertrauensperson die Polizei darauf hin, dass es sich bei dem Haupttäter um den gesondert Verfolgten A. handle. Knapp eine Woche später ging ein weiterer, inhaltsgleicher Hinweis bei der Polizei ein. Am darauffolgenden Tag stellte sich der Angeklagte R. den Strafverfolgungsbehörden und bezichtigte A. des - nicht vom Tatplan umfassten - tödlichen Einsatzes des Tatmessers. Im weiteren Verlauf der Ermittlungen machte der Angeklagte R. zudem Angaben zum Verbleib des Messers, die zu dessen Auffinden führten. Darüber hinaus wurden noch vor Abschluss der Ermittlungen in einem Schriftsatz seines Verteidigers die Mitangeklagten E. und Y. als Mitfahrerinnen des Tatfahrzeugs benannt, was diese allerdings bereits zuvor gegenüber der Polizei eingeräumt hatten.
Das Landgericht hat diese Information nicht als wesentlich für die Tataufklärung bewertet und deshalb das Vorliegen des vertypten Milderungsgrundes des § 46b Abs. 1 Nr. 1 StGB verneint. Hinsichtlich der Aussage zum gesondert Verfolgten A. folge dies daraus, dass dessen Tatbeteiligung den Ermittlungsbehörden schon aufgrund der genannten Hinweise bekannt gewesen sei. Betreffend die Mitangeklagten E. und Y. habe R. lediglich deren „Dabeisein“, nicht aber deren Zustimmung zur Tat und ihr Verhalten am Tatort selbst geschildert.
b) Die Verneinung einer wesentlichen Aufklärungshilfe im Sinne des § 46b Abs. 1 Nr. 1 StGB hält der rechtlichen Überprüfung nicht stand.
Bei der Wesentlichkeit der Aufklärungshilfe handelt es sich um einen Rechtsbegriff, der revisionsgerichtlicher Prüfung unterliegt (vgl. Schäfer/Sander/van Gemmeren, Praxis der Strafzumessung, 6. Aufl., Rn. 1044). Sie ist zu bejahen, wenn die Tat ohne den Aufklärungsbeitrag nicht oder nicht im gegebenen Umfang aufgeklärt worden wäre, die Aussage des Angeklagten jedenfalls aber eine sicherere Grundlage für die Aburteilung des Tatbeteiligten schafft, indem sie den Strafverfolgungsbehörden die erforderliche Überzeugung vermittelt, dass ihre bisherigen Erkenntnisse zutreffen (vgl. BGH, Beschluss vom 15. März 2016 - 5 StR 26/16, BGHR StGB § 46b Voraussetzungen 5 mwN). Dass Letzteres bereits für die Anwendung von § 46b StGB ausreichen kann, hat die Strafkammer nicht erkennbar bedacht.
2. Der Strafausspruch beruht auf dem Rechtsfehler, da der Senat trotz der durchaus maßvollen Strafe nicht ausschließen kann, dass das Landgericht bei zutreffender Rechtsanwendung eine mildere Strafe verhängt hätte.
3. Die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen können bestehen bleiben (§ 353 Abs. 2 StPO). Ergänzende Feststellungen können getroffen werden, soweit sie den bisherigen nicht widersprechen.
HRRS-Nummer: HRRS 2019 Nr. 922
Bearbeiter: Christian Becker