HRRS-Nummer: HRRS 2019 Nr. 643
Bearbeiter: Karsten Gaede/Marc-Philipp Bittner
Zitiervorschlag: BGH, 4 StR 381/18, Beschluss v. 26.03.2019, HRRS 2019 Nr. 643
1. Auf die Revisionen der Angeklagten D. und Ar. gegen das Urteil des Landgerichts Essen vom 9. März 2018 wird das vorbezeichnete Urteil, soweit es diese Angeklagten betrifft,
a) im Schuldspruch dahin geändert, dass die Angeklagten jeweils der Beihilfe zur versuchten gefährlichen Körperverletzung schuldig sind;
b) in den jeweiligen Strafaussprüchen mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
2. Auf die Revisionen der Angeklagten A., U., C., Ec., P. und Ce. wird das vorbezeichnete Urteil, auch soweit es die nicht revidierenden Mitangeklagten K. S., B. und Y. betrifft, in den jeweiligen Strafaussprüchen mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Jugendkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
4. Die weiter gehenden Revisionen werden verworfen.
Das Landgericht hat die Angeklagten A., U., C., Ec., P. und Ce. sowie die nicht revidierenden Angeklagten B. und K. S. wegen versuchter gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Landfriedensbruch zu Freiheitsstrafen von drei Jahren (A.), vier Jahren und sechs Monaten (U.) und drei Jahren und acht Monaten (C.) sowie Jugendstrafen in Höhe von einem Jahr und sechs Monaten mit Strafaussetzung zur Bewährung (Ec.), zwei Jahren mit Strafaussetzung zur Bewährung (P.), zwei Jahren und sechs Monaten (Ce.), einem Jahr und sechs Monaten mit Strafaussetzung zur Bewährung (B.) sowie zwei Jahren mit Strafaussetzung zur Bewährung (K. S.) verurteilt. Gegen die Angeklagten D. und Ar. sowie den nicht revidierenden Mitangeklagten Y. hat es wegen versuchter gefährlicher Körperverletzung Jugendstrafen in Höhe von drei Jahren (D.), einem Jahr und drei Monaten mit Strafaussetzung zur Bewährung (Ar.) sowie neun Monaten mit Strafaussetzung zur Bewährung (Y.) verhängt. Der Angeklagte Dy. S. wurde freigesprochen. Die Revisionen der Angeklagten D. und Ar. führen zu einer Änderung des Schuldspruchs und einer Aufhebung des Strafausspruchs. Die Revisionen der Angeklagten A., U., C., Ec., P. und Ce. führen jeweils zu einer Aufhebung des Strafausspruchs und zu einer entsprechenden Erstreckung auf die nicht revidierenden Angeklagten B., K. S. und Y. Im Übrigen sind die Revisionen unbegründet.
Das Landgericht hat im Wesentlichen die folgenden Feststellungen getroffen:
Einige Wochen vor dem 3. November 2016 traten die Angeklagten K. S. und U. in Überlegungen ein, das türkische Café in der H. straße in E. anzugehen, um durch diese Aktion auf die Situation der kurdischen Bevölkerung in der Türkei aufmerksam zu machen. Zu diesem Zweck begannen sie, Teilnehmer zu mobilisieren. Die Angeklagten Ce., B., C. und Y. sagten ihre Beteiligung zu.
Kurz vor dem 3. November 2016 fassten die Angeklagten K. S. und U. den konkreten Plan, das Café anzugreifen, die Scheiben einzuschlagen, sodann in das Café hineinzugehen, dort aufgehängte türkische Fahnen abzureißen und sich mit den türkischen Gästen zu prügeln. Der Angeklagte P. wollte sich ebenfalls beteiligen. Die Angeklagten K. S. und U. beschafften daraufhin eine Vielzahl von jeweils 200 bis 250 Gramm schweren Metallzylindern; U. besorgte im Einvernehmen mit K. S. und P. darüber hinaus noch zwei Hämmer, Leucht-/Silvesterraketen und Eisenstangen. Bei einem Treffen am Abend des 3. November 2016 bereiteten die Angeklagten K. S., U. und P. die für den nächsten Tag geplante Aktion vor, wobei U. die als Tatwerkzeuge vorgesehenen Gegenstände mitbrachte. Gemeinsam machten sie sich ein Bild von den Örtlichkeiten. Dabei schlug der Angeklagte K. S. vor, auch „Molotowcocktails“ einzusetzen, diese aber nur zur Erregung von Aufmerksamkeit auf die Straße zu werfen.
U. und P. waren damit einverstanden. K. S. schrieb die bisherige Tatplanung nieder.
Im Verlauf des 4. November 2016 besorgten die Angeklagten K. S. und U. die für den Bau von Brandsätzen erforderlichen Utensilien. Inzwischen hatten auch die übrigen Angeklagten Kenntnis von dem Vorhaben. Am Abend sammelten sich alle Angeklagten und weitere Personen an einem Spielplatz in der Nähe des Tatobjektes. Dort wurden die Brandsätze gemischt und die übrigen Utensilien bereitgelegt. Der Angeklagte K. S. und teilweise auch der Angeklagte U. erläuterten das Vorhaben. Allen Angeklagten war bekannt, dass durch das geplante Werfen der Metallzylinder durch die Scheiben des Cafés dort anwesende Gäste erheblich verletzt werden konnten. Dies nahmen sie billigend in Kauf. Die Angeklagten U. und C. stellten die Brandflaschen her; der Angeklagte P. holte die Schlagwerkzeuge und die Metallzylinder, die anschließend verteilt wurden.
Anschließend liefen die elf Angeklagten und weitere Personen unter der Führung des Angeklagten K. S. zu dem Café, in dem sich zahlreiche Personen aufhielten (UA 75). Dort wurden von den zum Teil vermummten Gruppenmitgliedern zahlreiche Metallzylinder gegen die Scheiben geworfen, die dadurch teilweise zerstört wurden. Der Angeklagte U. warf einen Metallzylinder gegen eine Fensterscheibe und in das Café hinein. Außerdem zündete er eine Leuchtrakete. Der Angeklagte Ec. warf eine Leuchtrakete in das Café. Der (nicht revidierende) Angeklagte Y. wollte Gegenstände werfen, wurde hieran aber durch vor ihm stehende Mittäter gehindert. Verschiedene Personen schlugen Scheiben ein. Der Angeklagte A. zerschlug eine Scheibe mit der Faust, während der Angeklagte P. eine andere Scheibe mit seinem Ellbogen einschlug. Beide verletzten sich dabei leicht. Der Angeklagte Ce. und der (nicht revidierende) Angeklagte B. schlugen mit einem zu diesem Zweck mitgeführten Hammer (Ce.) und einer Metallstange (B.) auf jeweils eine einzelne Scheibe ein. Von einem Eindringen nahmen die dafür vorgesehenen Beteiligten wegen der Anwesenheit eines großen Hundes Abstand. Die Angeklagten D. und Ar. liefen lediglich in der Gruppe mit und gaben dieser so Rückhalt. Schließlich wurde von einer unbekannten Person absprachewidrig ein Brandsatz in das Café geworfen und entfachte dort ein Feuer an einem unbesetzten Tisch. Der entstandene Brand konnte von einem Gast alsbald gelöscht werden. In der Folge rannten alle Beteiligten in verschiedene Richtungen davon.
Durch die Tat wurden mehrere Fensterscheiben und die Scheiben der Eingangstür des Cafés zerstört. Der Glasschaden betrug insgesamt etwa 1.800 Euro. Der den Angeklagten nicht zurechenbare Brandschaden betrug 1.000 Euro. Die im Café anwesenden Personen wurden nicht verletzt. Lediglich der Zeuge Cu. erlitt beim Löschen des Feuers leichte Verbrennungen an den Händen.
Die erhobenen Verfahrensrügen greifen aus den vom Generalbundesanwalt angeführten Gründen nicht durch. Dabei kann es dahinstehen, ob einzelne geltend gemachte Beanstandungen bereits deshalb nach § 344 Abs. 2 StPO unzulässig sind, weil der Sachvortrag aus einem zusammenhanglosen Konvolut von Aktenteilen besteht.
Die Revisionen der Angeklagten haben mit der Sachrüge den aus der Beschlussformel ersichtlichen Erfolg.
1. Die Feststellungen belegen nicht, dass sich der Angeklagte D. und die Angeklagte Ar. an der versuchten gefährlichen Körperverletzung gemäß § 224 Abs. 1 Nr. 2 und Nr. 4 StGB zum Nachteil der Gäste des Cafés als Mittäter (§ 25 Abs. 2 StGB) beteiligten. Stattdessen ist jeweils lediglich von einer Beihilfe (§ 27 StGB) zur versuchten gefährlichen Körperverletzung auszugehen.
a) Die Strafkammer hat ihre Annahme, die Angeklagten D. und Ar. seien an der versuchten gefährlichen Körperverletzung gemäß § 224 Abs. 1 Nr. 2 und Nr. 4 StGB als Mittäter beteiligt gewesen, obgleich sie mit der Gruppe nur mitgelaufen seien, auf deren Geständnisse gestützt. So habe die Angeklagte Ar. ausdrücklich eingeräumt, den ihr bekannten Tatplan gebilligt und sich dazu entschlossen zu haben, an dem „Gesamtauftritt der Gruppe“ und dem Angriff auf das Café teilzunehmen. Dabei habe sie nach ihrem eigenen Bekunden keine fremde Tat fördern wollen, sondern die Tat als eigene gewollt. Ihren Tatbeitrag habe sie als psychische Förderung der Tat im Bewusstsein von dessen Wirkung (offensichtlich gegebener Rückhalt, Vergrößerung der Gruppe) verstanden wissen wollen. Der Angeklagte D. habe ebenfalls eingeräumt, den ihm bekannten Tatplan gebilligt zu haben und erklärt, dass seine Einlassung als ein auf den Vorwurf der mittäterschaftlichen Begehung bezogenes Geständnis verstanden werden solle.
b) Dies vermag die Annahme einer mittäterschaftlichen Begehung gemäß § 25 Abs. 2 StGB nicht zu begründen.
aa) Mittäterschaft im Sinne des § 25 Abs. 2 StGB setzt einen gemeinsamen Tatentschluss voraus, auf dessen Grundlage jeder Beteiligte einen objektiven Tatbeitrag leisten muss. Bei der Beteiligung mehrerer Personen, von denen nicht jede sämtliche Tatbestandsmerkmale verwirklicht, ist Mittäter, wer seinen eigenen Tatbeitrag so in die Tat einfügt, dass dieser als Teil der Handlung eines anderen Beteiligten und umgekehrt dessen Handeln als Ergänzung des eigenen Tatanteils erscheint. Mittäterschaft erfordert dabei zwar nicht zwingend eine Mitwirkung am Kerngeschehen selbst; ausreichen kann auch ein die Tatbestandsverwirklichung fördernder Beitrag, der sich auf eine Vorbereitungs- oder Unterstützungshandlung beschränkt. Stets muss sich diese Mitwirkung aber nach der Willensrichtung des sich Beteiligenden als Teil der Tätigkeit aller darstellen. Diese Willensrichtung ist keine einfache innere Tatsache und auch nicht davon abhängig, welchen Sinn der Beteiligte seinem Handeln beilegt; ihre Annahme oder Ablehnung ist vielmehr das Ergebnis einer wertenden Gesamtbetrachtung, in die alle festgestellten Umstände einzubeziehen sind. Wesentliche Anhaltspunkte können dabei der Grad des eigenen Interesses am Taterfolg, der Umfang der Tatbeteiligung und die Tatherrschaft oder wenigstens der Wille zur Tatherrschaft sein, so dass die Durchführung und der Ausgang der Tat maßgeblich auch vom Willen des Beteiligten abhängt (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschluss vom 13. September 2017 - 2 StR 161/17, NStZ-RR 2018, 40; Beschluss vom 23. Mai 2017 - 4 StR 617/16, juris Rn. 13 [insoweit in NStZ-RR 2017, 246 nicht abgedruckt]; Urteil vom 10. Januar 1956 - 5 StR 529/55, BGHSt 8, 393, 396; siehe auch Urteil vom 12. Februar 1952 - 1 StR 59/50, BGHSt 2, 150, 156; weitere Nachweise bei Murmann in SSW-StGB, 4. Aufl., vor §§ 25 ff. Rn. 10 und Roxin in LK-StGB, 11. Aufl., § 25 Rn. 16 ff.).
bb) Daran gemessen haben die Angeklagten Ar. und D. nicht als Mittäter gehandelt. Ihre Tatbeiträge beschränkten sich darauf, an dem „Gesamtauftritt der Gruppe“ teilzunehmen, diese durch ihre Anwesenheit zu vergrößern und den aktiv handelnden Beteiligten Rückhalt zu geben. Zwar kann eine psychische Bestärkung ein relevanter Tatbeitrag im Sinne des § 25 Abs. 2 StGB sein; um allein - in Abgrenzung zur psychischen Beihilfe - die Annahme von Mittäterschaft zu tragen, muss ihr dann aber ein erhebliches Gewicht zukommen. Dies ist hier aber nicht der Fall. Die Feststellungen lassen nicht erkennen, dass die Anwesenheit der Angeklagten für die Durchführung und den Ausgang der Tat maßgeblich war und damit auch von ihrem Willen abhing. Selbst ein hierauf gerichtetes Wollen ist nicht erkennbar. Auch ist es nicht von maßgeblicher Bedeutung, dass die Angeklagte Ar. angegeben hat, „die Tat als eigene“ gewollt zu haben. Allein der Umstand, dass ein Beteiligter eine Tat als gemeinsame ansehen will und seinem Tatbeitrag eine entsprechende Bedeutung beimisst, vermag eine Mittäterschaft nicht begründen (vgl. BGH, Beschluss vom 11. Juli 2017 - 2 StR 220/17, NStZ 2018, 144, 145 mwN).
c) Da die getroffenen Feststellungen eine Beihilfe der Angeklagten zu einer versuchten gefährlichen Körperverletzung in den festgestellten Tatmodalität(en) (§ 223 Abs. 1, § 224 Abs. 1 Nr. 2 und Nr. 4, Abs. 2, §§ 27, 22, 23 StGB) tragen und unter den hier gegebenen Umständen auszuschließen ist, dass bei erneuter Verhandlung der Sache weitere Feststellungen getroffen werden können, die möglicherweise die Annahme von Mittäterschaft rechtfertigen, waren die Schuldsprüche entsprechend zu ändern. § 265 StPO steht dem nicht entgegen. Die Schuldspruchänderung hat die Aufhebung der jeweiligen Strafaussprüche zur Folge.
2. Bei den Angeklagten A., U., C., Ec., P. und Ce. halten die Strafaussprüche rechtlicher Überprüfung nicht stand.
a) Hinsichtlich der Angeklagten A., U., P. und Ce. hat die Strafkammer rechtsfehlerhaft jeweils auch das Regelbeispiel des § 125a Satz 2 Nr. 4 2. Alternative StGB aF für gegeben erachtet. Dies lässt besorgen, dass sie aus diesem Grund von einem zu großen Schuldumfang ausgegangen ist.
aa) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs können die Regelbeispiele des § 125a Satz 2 StGB aF nur eigenhändig verwirklicht werden (vgl. BGH, Beschluss vom 2. Dezember 2015 - 2 StR 310/15, NStZ 2016, 403; Beschluss vom 9. September 1997 - 1 StR 730/96, BGHSt 43, 237, 240; Beschluss vom 11. November 1976 - 3 StR 333/76, BGHSt 27, 56, 58 f. [zu § 125a Satz 2 Nr. 2]; Schäfer in MünchKomm.z.StGB, 3. Aufl., § 125a Rn. 40 mwN; aA Sternberg-Lieben/Schittenhelm in Schönke/Schröder, StGB, 30. Aufl., § 125a Rn. 17). Das Regelbeispiel des § 125a Satz 2 Nr. 4 StGB aF verwirklicht daher nur, wer selbst einen bedeutenden Schaden an fremden Sachen anrichtet.
bb) Das Landgericht hat nicht festgestellt, welchen Schaden die Angeklagten eigenhändig verursachten. Angesichts des relativ niedrigen Gesamtschadens (1.800 Euro Glasschaden), der unterschiedlichen Schadensorte und der Tatsache, dass mehrere Scheiben auch von anderen Personen mit Metallzylindern eingeworfen wurden, liegt es auch nicht auf der Hand, dass die einzelnen Angeklagten jeder für sich einen bedeutenden Schaden anrichteten. Hinsichtlich des Angeklagten Ce. ist nur festgestellt, dass er auf eine Scheibe „einschlug“; der Angeklagte P. schlug lediglich eine Scheibe mit seinem Ellbogen ein.
b) In Bezug auf den Angeklagten Ce. begegnet auch die Annahme des Regelbeispiels des § 125a Satz 2 Nr. 2 StGB aF (UA 127) rechtlichen Bedenken, weil die erforderliche Verwendungsabsicht des mitgeführten gefährlichen Werkzeugs nicht festgestellt ist.
aa) Nach dem hier anzuwendenden § 125a Satz 2 Nr. 2 2. Alternative StGB aF ist es - worauf es nach der Neufassung der Vorschrift ebenso wie bei § 113 Abs. 2 StGB nun nicht mehr ankommt (vgl. BTDrucks. 18/11161, S. 9 und 10) - erforderlich, dass der Täter die Absicht hatte, das mitgeführte gefährliche Werkzeug bei der Tat zu verwenden, wobei ein zumindest mittelbarer Einsatz gegen eine Person ins Auge gefasst worden sein muss (vgl. BayObLG, Urteil vom 3. Oktober 1986 - 1 St 95/86, BayObLGSt 1986, 103, 104 f. [zur „anderen Waffe“]; Sternberg-Lieben in Schönke/Schröder, StGB, 29. Aufl., § 125a Rn. 9; Krauss in LK-StGB, 11. Aufl., § 125a Rn. 17; Ostendorf in Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, StGB, 5. Aufl., § 125a Rn. 9; Dölling, JR 1987, 467, 468; Schäfer in MünchKomm.z.StGB, 3. Aufl., § 125a Rn. 38 mwN).
bb) Dies ist hier nicht belegt. Zwar führte der Angeklagte Ce. nach den Feststellungen einen Hammer mit; er verwendete diesen seiner vorgefassten Absicht gemäß aber nur dazu, um damit auf eine Fensterscheibe einzuschlagen. Dass er auch die Absicht hatte, diesen Hammer im Fall einer körperlichen Konfrontation zumindest mittelbar gegen Personen einzusetzen, ergibt sich daraus nicht.
c) Schließlich hat die Jugendkammer rechtsfehlerhaft allen Angeklagten angelastet, dass sie gegen Personen vorgegangen seien, von denen sie nur vermuteten, dass sie eine andere politische Einstellung vertraten als sie selbst. Sie seien davon ausgegangen, dass sich in dem Café Personen aufhielten, die die türkische Regierung unterstützten und die Beschneidung der Rechte der Kurden in der Türkei guthießen, obgleich sie hierfür keine Anhaltspunkte gehabt hätten. Stattdessen hätten ihnen insoweit (nur) die Angaben Dritter genügt.
Diese Formulierung deutet darauf hin, dass die Jugendkammer die Angeklagten in der Pflicht sah, sich intensiver als geschehen darüber zu vergewissern, dass es sich bei den Geschädigten tatsächlich um Mitglieder der aus politischen Gründen angegriffenen Zielgruppe handelte. Zwar kann auch bei Vorsatzdelikten der Verstoß gegen eine bestehende gesonderte Pflicht beachtlich sein (vgl. Kinzig in Schönke/Schröder, StGB, 30. Aufl., § 46 Rn. 17). Die hier vom Landgericht möglicherweise angenommene Pflicht besteht aber nicht. Soweit mit dieser Wendung zum Ausdruck gebracht werden sollte, dass die Angeklagten bereit waren, für die Erreichung ihrer politischen Ziele auch an der politischen Auseinandersetzung unbeteiligte Dritte zu gefährden (zur willkürlichen Auswahl von Unbeteiligten vgl. BGH, Urteil vom 24. Juni 2004 - 5 StR 306/03, NJW 2004, 3051, 3054), ist dies nicht belegt. Denn die Angeklagten gingen, wenn auch ohne weitere Absicherung, davon aus, nur politische Gegner zu treffen. Sollte diese Erwägung dahin zu verstehen sein, dass sich die Angeklagten leichtfertig zur Tatbegehung entschlossen haben, läge darin eine unzulässige straferschwerende Berücksichtigung der Tatbegehung überhaupt (vgl. BGH, Beschluss vom 10. November 2008 - 3 StR 425/08, NStZ-RR 2009, 73 mwN).
3. Die aufgezeigten Rechtsfehler lassen die Schuldsprüche bei den Angeklagten A., U., P. und Ce. wegen Landfriedensbruchs gemäß § 125, § 125a StGB aF unberührt. Zwar hat die Jugendkammer in Bezug auf diese Angeklagten rechtsfehlerhaft das Regelbeispiel des § 125a Satz 2 Nr. 4 2. Alternative StGB aF bejaht und bei dem Angeklagten Ce. auch das Regelbeispiel des § 125a Satz 2 Nr. 2 2. Alternative StGB aF ohne ausreichenden Beleg angenommen; die Urteilsgründe ergeben aber - jedenfalls in ihrem Gesamtzusammenhang -, dass das Landgericht bei diesen Angeklagten aufgrund ihres Zusammenwirkens mit „Waffenträgern“, des hohen angerichteten Gesamtschadens und ihrer bedeutenden Tatbeiträge (UA 126, 136/137) auch bereits die Voraussetzungen eines unbenannten besonders schweren Falls des § 125a Satz 1 StGB aF für gegeben erachtet hat (vgl. BGH, Beschluss vom 9. September 1997 - 1 StR 730/96, BGHSt 43, 237, 240). Dass die Jugendkammer von der Annahme eines unbenannten besonders schweren Falls gemäß § 125a Satz 1 StGB aF ohne den rechtsfehlerhaft angenommenen Strafschärfungsgrund der mangelhaften Vergewisserung über die politische Einstellung der Café-Gäste abgesehen hätte und deshalb eine Verurteilung (nur) wegen Landfriedensbruchs gemäß § 125 StGB aF neben der Verurteilung wegen versuchter gefährlicher Körperverletzung gemäß § 224 Abs. 1 Nr. 2 und 4, Abs. 2, §§ 22, 23 StGB infolge der Subsidiaritätsklausel des hier anzuwendenden § 125 Abs. 1 letzter Halbsatz StGB aF ausgeschieden wäre (vgl. dazu BGH, Beschluss vom 2. Dezember 2015 - 2 StR 310/15, NStZ 2016, 403, 404; Urteil vom 24. März 2011 - 4 StR 670/10, NStZ 2011, 576, 577 mwN), schließt der Senat aus.
4. Die Aufhebung war nach § 357 Satz 1 StPO - auch um dem neuen Tatrichter eine einheitliche Strafzumessung zu ermöglichen - auf die Strafaussprüche gegen die nicht revidierenden Angeklagten Y., B. und K. S. zu erstrecken, weil der unter 2c) aufgezeigte Rechtsfehler auch bei ihnen vorliegt. Bei dem Angeklagten B. ist die Jugendkammer zudem fehlerhaft vom Vorliegen der Regelbeispiele des § 125a Satz 2 Nr. 2 und 4 StGB ausgegangen.
HRRS-Nummer: HRRS 2019 Nr. 643
Externe Fundstellen: NStZ-RR 2019, 203; StV 2020, 170
Bearbeiter: Karsten Gaede/Marc-Philipp Bittner