hrr-strafrecht.de - Rechtsprechungsübersicht


HRRS-Nummer: HRRS 2019 Nr. 380

Bearbeiter: Karsten Gaede/Marc-Philipp Bittner

Zitiervorschlag: BGH, 2 StR 247/18, Beschluss v. 19.12.2018, HRRS 2019 Nr. 380


BGH 2 StR 247/18 - Beschluss vom 19. Dezember 2018 (LG Erfurt)

Revisionsbegründung (Darlegungsanforderungen; Prüfung des Vorliegen eines Beweisverwertungsverbotes).

§ 105 Abs. 1 StPO; § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO

Leitsätze des Bearbeiters

1. Gemäß § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO muss jeder Beschwerdeführer im Rahmen einer Verfahrensrüge die den geltend gemachten Verstoß enthaltenden Tatsachen grundsätzlich so vollständig und genau darlegen, dass das Revisionsgericht allein anhand der Revisionsbegründung in die Lage versetzt wird, über den geltend gemachten Mangel endgültig zu entscheiden. Für den Revisionsvortrag wesentliche Schriftstücke oder Aktenstellen sind im Einzelnen zu bezeichnen und zum Bestandteil der Revisionsbegründung zu machen.

2. Diese Anforderungen gelten auch dann, wenn ein Beschwerdeführer rügt, das Gericht habe zu Unrecht das Vorliegen eines Verwertungsverbotes für ein Beweismittel verneint, das auf Grund einer Durchsuchung erlangt wurde. Zwar kann das Revisionsgericht die für das Vorliegen eines Verwertungsverbotes in tatsächlicher Hinsicht entscheidungserheblichen Fragen gegebenenfalls im Wege des Freibeweises überprüfen; dies kann jedoch wie auch sonst bei behaupteten Verletzungen von Verfahrensvorschriften nur auf der Grundlage eines entsprechenden zulässigen Revisionsvortrags erfolgen.

3. Wird das Beweisverwertungsverbot darauf gestützt, dass das Beweismittel in rechtswidriger Weise ohne ermittlungsrichterliche Anordnung erlangt worden sei, wird also die Rechtmäßigkeit der Beweisgewinnung konkret in Zweifel gezogen, sind nicht nur die in der Hauptverhandlung hierzu gestellten Anträge und Beschlüsse vollständig und zutreffend mitzuteilen, sondern es ist regelmäßig auch die Verdachts- und Beweislage, die im Zeitpunkt der beanstandeten Beweisgewinnung gegeben war, anhand der Aktenlage zu rekonstruieren und mitzuteilen. Denn erst auf dieser Grundlage kann das Revisionsgericht das Vorliegen eines Beweisverwertungsverbots umfassend beurteilen. Dies erfordert zunächst, die Rechtmäßigkeit der Beweismittelgewinnung zu prüfen, ob also eine richterliche Anordnung der Ermittlungsmaßnahme entbehrlich gewesen sein könnte, weil eine richterliche Anordnung nicht eingeholt werden konnte, ohne dass der Zweck der Maßnahme gefährdet wurde, etwa weil der Verlust der Beweismittel drohte (§ 105 Abs. 1 StPO). War die Beweisgewinnung rechtswidrig, ist sodann zu prüfen, ob hieraus im konkreten Fall ein Beweisverwertungsverbot folgt.

Entscheidungstenor

Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung der Beschwerdeführer am 19. Dezember 2018 gemäß § 349 Abs. 2 StPO beschlossen:

Die Revisionen der Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Erfurt vom 1. Juni 2017 werden als unbegründet verworfen, da die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigungen keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten ergeben hat.

Jeder Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels und die dem Nebenkläger im Revisionsverfahren hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Gründe

Die Verfahrensrügen, mit denen die Angeklagten die Verwertung der durch die Polizei sichergestellten Videoaufzeichnungen beanstanden, sind nicht in zulässiger Weise erhoben (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO), weil es dem Senat auf der Grundlage des insoweit unvollständigen Revisionsvortrags nicht möglich ist, die erforderliche eigene umfassende Überprüfung des Verfahrens im Hinblick auf die behaupteten Rechtsfehler vorzunehmen.

1. Gemäß § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO muss jeder Beschwerdeführer im Rahmen einer Verfahrensrüge die den geltend gemachten Verstoß enthaltenden Tatsachen grundsätzlich so vollständig und genau darlegen, dass das Revisionsgericht allein anhand der Revisionsbegründung in die Lage versetzt wird, über den geltend gemachten Mangel endgültig zu entscheiden. Für den Revisionsvortrag wesentliche Schriftstücke oder Aktenstellen sind im Einzelnen zu bezeichnen und zum Bestandteil der Revisionsbegründung zu machen (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteile vom 8. August 2018 - 2 StR 131/18, Rn. 8; vom 10. Juli 2014 - 3 StR 140/14, NStZ-RR 2014, 318, 319; Beschluss vom 5. Juni 2007 - 5 StR 383/06, NJW 2007, 3010, 3011, jeweils mwN; vgl. auch LR-StPO/Becker, 26. Aufl., § 244 Rn. 372; SSW-StPO/Sättele, 4. Aufl., § 244 Rn. 249; KK-StPO/Krehl, 7. Aufl., § 244 Rn. 224). Diese Anforderungen gelten auch dann, wenn, wie hier, ein Beschwerdeführer rügt, das Gericht habe zu Unrecht das Vorliegen eines Verwertungsverbotes für ein Beweismittel verneint, das auf Grund einer Durchsuchung erlangt wurde (vgl. BGH, Urteil vom 27. September 2018 - 4 StR 135/18, Rn. 16; vom 8. August 2018 - 2 StR 131/18, Rn. 9). Zwar kann das Revisionsgericht die für das Vorliegen eines Verwertungsverbotes in tatsächlicher Hinsicht entscheidungserheblichen Fragen gegebenenfalls im Wege des Freibeweises überprüfen; dies kann jedoch wie auch sonst bei behaupteten Verletzungen von Verfahrensvorschriften nur auf der Grundlage eines entsprechenden zulässigen Revisionsvortrags erfolgen (BGH, Urteil vom 27. September 2018 - 4 StR 135/18, Rn. 16 mwN). Wird das Beweisverwertungsverbot darauf gestützt, dass das Beweismittel in rechtswidriger Weise ohne ermittlungsrichterliche Anordnung erlangt worden sei, wird also die Rechtmäßigkeit der Beweisgewinnung konkret in Zweifel gezogen, sind nicht nur die in der Hauptverhandlung hierzu gestellten Anträge und Beschlüsse vollständig und zutreffend mitzuteilen, sondern es ist regelmäßig auch die Verdachts- und Beweislage, die im Zeitpunkt der beanstandeten Beweisgewinnung gegeben war, anhand der Aktenlage zu rekonstruieren und mitzuteilen (vgl. BGH, Beschluss vom 8. Februar 2018 - 3 StR 400/17, Rn. 17; Urteil vom 10. Juli 2014 - 3 StR 140/14, aaO). Denn erst auf dieser Grundlage kann das Revisionsgericht das Vorliegen eines Beweisverwertungsverbots umfassend beurteilen. Dies erfordert zunächst, die Rechtmäßigkeit der Beweismittelgewinnung zu prüfen, ob also eine richterliche Anordnung der Ermittlungsmaßnahme entbehrlich gewesen sein könnte, weil eine richterliche Anordnung nicht eingeholt werden konnte, ohne dass der Zweck der Maßnahme gefährdet wurde, etwa weil der Verlust der Beweismittel drohte (§ 105 Abs. 1 StPO; vgl. BGH, Beschluss vom 11. August 2005 5 StR 200/05, BGHR StPO § 105 Abs. 1 Durchsuchung 6). War die Beweisgewinnung rechtswidrig, ist sodann zu prüfen, ob hieraus im konkreten Fall ein Beweisverwertungsverbot folgt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 9. November 2010 - 2 BvR 2101/09, NStZ 2011, 103, 104; BGH, Urteil vom 10. Juli 2014 - 3 StR 140/14).

2. Diesen Anforderungen genügen die Revisionen nicht. Sie teilen, wie der Generalbundesanwalt in seiner Zuschrift zutreffend ausführt, schon den für die Verfahrensbeanstandung bedeutsamen Gang der Hauptverhandlung unvollständig mit; die Revision des Angeklagten M. beschränkt sich überdies auf die Mitteilung von Verfahrenstatsachen aus der Hauptverhandlung. Weitergehende Ausführungen zur beanstandeten Beweisgewinnung waren hier auch nicht deswegen entbehrlich, weil sich die mitgeteilten Anträge und Beschlüsse zu Umständen der Beweisgewinnung verhalten. Grundlage für die umfassende Überprüfung durch das Revisionsgericht können nicht allein die in Anträgen behaupteten oder vom Tatrichter für bedeutend erachtenden Verfahrenstatsachen sein, maßgeblich ist vielmehr das gesamte tatsächliche Geschehen im Zusammenhang mit der Beweisgewinnung und -verwertung. Dies gilt zumal, wenn, wie hier, die Revision auch geltend macht, die Strafkammer hätte den in Verwertungswidersprüchen behaupteten Tatsachen einer rechtswidrigen Beweisgewinnung jedenfalls freibeweislich näher nachgehen müssen und deshalb unklar bleibt, welches tatsächliche Geschehen der Prüfung des Beweisverwertungsverbots vom Revisionsgericht zugrunde zu legen ist.

HRRS-Nummer: HRRS 2019 Nr. 380

Externe Fundstellen: NStZ-RR 2019, 157 ; StV 2020, 846

Bearbeiter: Karsten Gaede/Marc-Philipp Bittner