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HRRS-Nummer: HRRS 2019 Nr. 231

Bearbeiter: Holger Mann

Zitiervorschlag: BVerfG, 2 BvR 2136/17, Beschluss v. 13.02.2019, HRRS 2019 Nr. 231


BVerfG 2 BvR 2136/17 (3. Kammer des Zweiten Senats) - Beschluss vom 13. Februar 2019 (LG Aachen / AG Düren)

Keine Wiederaufnahme eines Strafverfahrens nach einer gütlichen Einigung vor dem EGMR (Zielkonflikt zwischen Rechtssicherheit und materialer Gerechtigkeit; Wiederaufnahme nur in eng begrenzten Ausnahmefällen; Recht auf effektiven Rechtsschutz; keine verfassungsrechtliche Verpflichtung zur Wiederaufnahme nach Feststellung einer Verletzung der EMRK durch den EGMR; Beschränkung des § 359 Nr. 6 StPO auf Entscheidungen inter partes; Verweis auf Neziraj v. Deutschland; keine Gleichbehandlung eines festgestellten Konventionsverstoßes mit einem einvernehmlich beendeten Individualbeschwerdeverfahren).

Art. 2 Abs. 1 GG; Art. 20 Abs. 3 GG; Art. 6 Abs. 1 EMRK; Art. 6 Abs. 3 Buchst. c EMRK; Art. 39 EMRK; § 329 Abs. 1 StPO a.F.; § 359 Nr. 6 StPO

Leitsätze des Bearbeiters

1. Die Wiederaufnahme eines rechtskräftig abgeschlossenen Verfahrens durchbricht das Prinzip der Rechtssicherheit um der materialen Gerechtigkeit willen und ist daher an eng begrenzte Ausnahmetatbestände gebunden. Bei deren Anwendung ist allerdings das Recht auf effektiven Rechtsschutz verletzt, wenn das Wiederaufnahmegericht die Chancen eines Verurteilten auf Erlangung eines gerechten Richterspruchs derart verschlechtert, dass das Wiederaufnahmeverfahren ineffektiv wird.

2. Das Grundgesetz verpflichtet bereits nicht dazu, einem Verurteilten eine Wiederaufnahme zu ermöglichen, nachdem der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte festgestellt hat, dass die Verurteilung unter Verletzung der EMRK zustande gekommen ist. Abweichendes gilt auch nicht nach Einführung des § 359 Nr. 6 StPO, der lediglich dem Prinzip konventionsfreundlicher Ausgestaltung des innerstaatlichen Rechts Rechnung tragen soll.

3. Der Wiederaufnahmegrund des § 359 Nr. 6 StPO beruht auf der grundsätzlichen Erwartung, dass das innerstaatliche Gericht seine ursprüngliche Entscheidung ändert, soweit diese auf einer Konventionsverletzung beruht. Voraussetzung ist jedoch, dass der Verurteilte in eigener Person die Feststellung einer Konventionsverletzung durch den EGMR erstritten hat.

4. An einer derartigen Feststellung fehlt es, wenn der EGMR auf die Individualbeschwerde eines Verurteilten eine Verletzung der EMRK nicht ausdrücklich festgestellt, sondern unter Bezugnahme auf eine im Wesentlichen gleich gelagerte Rechtssache (Neziraj v. Deutschland, EGMR Nr. 30804/2007, Urteil vom 8. November 2012 [= HRRS 2013 Nr. 69]) eine gütliche Einigung nach Art. 39 EMRK vorgeschlagen und das Verfahren nach deren Zustandekommen formlos beendet hat.

5. Eine verfassungsrechtliche Verpflichtung, eine derartige Einigung mit der Feststellung einer Konventionsverletzung im Sinne des § 359 Nr. 6 StPO gleich zu behandeln, besteht nicht. Auch eine konventionsfreundliche Rechtsauslegung gebietet eine derartige Gleichstellung nicht, weil es den Vertragsstaaten überlassen bleibt, auf welchem Wege sie eine Konventionsverletzung beseitigen.

Entscheidungstenor

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.

Gründe

I.

Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Frage, ob die Verwerfung eines auf § 359 Nr. 6 StPO gestützten Wiederaufnahmeantrags mit dem Recht auf effektiven Rechtsschutz vereinbar ist, wenn der Beschwerdeführer und die Bundesrepublik Deutschland vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte eine gütliche Einigung nach Art. 39 EMRK geschlossen haben und der Gerichtshof daraufhin das Verfahren aus dem Register gestrichen hat.

1. Der Beschwerdeführer wurde nach seinem eigenen Vortrag durch Urteil des Amtsgerichts Aachen vom 6. Mai 2014 wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Beihilfe zum Handeltreiben in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und zwei Monaten verurteilt.

2. Wie der Beschwerdeführer weiter vorträgt, verwarf das Landgericht Aachen seine Berufung mit Urteil vom 15. September 2014 gemäß § 329 Abs. 1 Satz 1 StPO in der vom 1. April 1987 bis 24. Juli 2015 gültigen Fassung (im Folgenden: § 329 StPO a.F.), nachdem im Hauptverhandlungstermin am 15. September 2014 der Pflichtverteidiger des Beschwerdeführers, nicht aber der Beschwerdeführer selbst erschienen war.

3. Den Wiedereinsetzungsantrag gemäß § 329 Abs. 3 StPO a.F. verwarf das Landgericht Aachen nach dem weiteren Vortrag des Beschwerdeführers mit Beschluss vom 14. November 2014 als unzulässig. Die hiergegen erhobene sofortige Beschwerde sowie die Revision des Beschwerdeführers, mit der er eine konventionswidrige, gegen Art. 6 Abs. 1 und 3 Buchstabe c EMRK verstoßende Auslegung des § 329 Abs. 1 Satz 1 StPO a.F. gerügt hatte, die im Widerspruch zu der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte in der Rechtssache Neziraj v. Deutschland, Urteil vom 8. November 2012, Nr. 30804/07 stehe, blieben vor dem Oberlandesgericht Köln nach dem Vortrag des Beschwerdeführers ebenfalls erfolglos.

4. Die gegen die vorgenannten Entscheidungen eingelegte Verfassungsbeschwerde wurde mit Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 1. Juli 2015 - 2 BvR 1049/15 - hinsichtlich der Revision sowie mit Beschluss vom 5. Juni 2016 - 2 BvR 1010/15 - hinsichtlich der nicht gewährten Wiedereinsetzung nicht zur Entscheidung angenommen.

5. Am 11. Dezember 2015 erhob der Beschwerdeführer gegen das Urteil des Landgerichts Aachen, die Revisionsentscheidung des Oberlandesgerichts Köln sowie den Nichtannahmebeschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 1. Juli 2015 Individualbeschwerde zum Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (Az. 62765/15). Der Gerichtshof habe in der Rechtssache Neziraj v. Deutschland bereits entschieden, dass die Verwerfung der Berufung nach § 329 Abs. 1 StPO a.F. eine Verletzung von Art. 6 Abs. 1 EMRK in Verbindung mit Art. 6 Abs. 3 Buchstabe c EMRK darstelle, wenn für den nicht anwesenden Angeklagten sein Verteidiger als Vertreter erschienen sei. Daher sei auch die Verwerfung der Berufung des Beschwerdeführers trotz Anwesenheit seines verteidigungsbereiten Pflichtverteidigers konventionswidrig.

6. Mit Entscheidung vom 24. Januar 2017 beschloss der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte, das Verfahren gemäß Art. 39 Abs. 3 EMRK aus seinem Register zu streichen, nachdem die Bundesregierung und der Beschwerdeführer eine gütliche Einigung gemäß Art. 39 EMRK geschlossen hatten, mit der sich die Bundesregierung zur Zahlung von 7.000 Euro nebst Kosten und Auslagen an den Beschwerdeführer verpflichtet hat.

Dem vorausgegangen war ein Schreiben des Gerichtshofs, mit dem dieser den Beschwerdeführer informiert hatte, dass das Verfahren gemäß § 54 Abs. 2 Buchstabe b der Verfahrensordnung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (VerfO) nach einer ersten Prüfung der Zulässigkeit nunmehr der Bundesregierung zur Kenntnis und Möglichkeit der Stellungnahme zugestellt worden und davon auszugehen sei, dass im Lichte der Rechtsprechung und Praxis des Gerichtshofs („in the light of the jurisprudence und practice of the Court“) der Rechtsstreit beigelegt werden könne, wenn die Bundesregierung die Bedingungen der beiliegenden Erklärung akzeptiere und insbesondere eine Entschädigung für erlittene materielle und immaterielle Schäden zahle sowie die Kosten und Ausgaben des Beschwerdeführers begleiche („if they [die Bundesregierung] made a payment to the applicant to cover any pecuniary and non-pecuniary damage, together with any costs and expenses incurred“). Beigefügt waren dem Schreiben Erklärungen für den Abschluss einer gütlichen Einigung nach Art. 39 EMRK sowie die Verfahrensmitteilung des Gerichtshofs vom 19. September 2016, in der dieser bezugnehmend auf das Urteil Neziraj v. Deutschland den Parteien die Frage stellte, ob der Beschwerdeführer in der Lage gewesen sei, sich durch einen Verteidiger seiner Wahl verteidigen zu lassen, wie es Art. 6 Abs. 1, Abs. 3 Buchstabe c EMRK verlange.

7. Mit Schriftsatz vom 22. Februar 2017 stellte der Beschwerdeführer beim Amtsgericht Düren einen auf einen Freispruch zielenden Wiederaufnahmeantrag, den er auf § 359 Nr. 6 StPO stützte und mit der zwischen ihm und der Bundesregierung zustande gekommenen gütlichen Einigung vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte nach Art. 39 EMRK begründete.

Zwar habe der Gerichtshof eine Verletzung der Europäischen Menschenrechtskonvention zu Lasten des Beschwerdeführers nicht ausdrücklich in seiner Entscheidung festgestellt; allerdings habe er der Bundesregierung unter Verweis auf seine ständige Rechtsprechung und Praxis die Einigung nach Art. 39 EMRK vorgeschlagen und in der Verfahrensmitteilung vom 19. September 2016 explizit auf die Entscheidung Neziraj v. Deutschland Bezug genommen, verbunden mit der Frage, ob der Beschwerdeführer in der Lage gewesen sei, sich durch einen Verteidiger seiner Wahl vertreten zu lassen, wie es Art. 6 Abs. 1 und Abs. 3 Buchstabe c EMRK verlange. Schließlich habe der Gerichtshof in der Entscheidung vom 24. Januar 2017, mit der er die Individualbeschwerde des Beschwerdeführers aus dem Register gestrichen habe, ausgeführt, dass die gütliche Einigung auf der Achtung der Menschenrechte beruhe, wie sie in der Europäischen Menschenrechtskonvention und ihren Protokollen normiert seien, und der Gerichtshof keine Gründe sehe, die es rechtfertigten, die Beschwerde weiter zu untersuchen. Dies lasse sich nur so verstehen, dass der Gerichtshof die Bundesrepublik Deutschland ohne Zustandekommen der gütlichen Einigung wegen Verletzung der Europäischen Menschenrechtskonvention verurteilt hätte, zumal die Bundesregierung weder geltend gemacht noch begründet habe, dass der Fall des Beschwerdeführers von der bisherigen Rechtsprechung des Gerichtshofs abweiche. Die geschlossene Einigung bedeute daher eine Feststellung der Verletzung der Europäischen Menschenrechtskonvention durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte im Sinne von § 359 Nr. 6 StPO, ohne dass eine analoge Anwendung erforderlich sei. Die Verurteilung des Beschwerdeführers beruhe auf dieser Verletzung. Denn durch die Verwerfung der Berufung habe der Beschwerdeführer nicht die Möglichkeit gehabt, sich im Rahmen einer zweiten Tatsacheninstanz zu verteidigen, so dass seine Verteidigungsmöglichkeiten beeinträchtigt worden seien.

8. Mit Beschluss vom 25. Juli 2017 verwarf das Amtsgericht Düren den Wiederaufnahmeantrag als unbegründet. Zur Begründung führte es aus, dass eine Wiederaufnahme nach § 359 Nr. 6 StPO voraussetze, dass der Verurteilte in eigener Person vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte ein obsiegendes Urteil erstritten habe, in welchem die Unvereinbarkeit von Rechtsnormen, auf denen das deutsche Strafurteil beruhe, mit der Europäischen Menschenrechtskonvention festgestellt worden sei. Eine analoge Anwendung der Vorschrift auf Fälle der Konventionswidrigkeit, in denen keine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vorliege, sei nicht möglich. Die vorliegend erzielte gütliche Einigung stehe einer Feststellung der Verletzung durch den Gerichtshof nicht gleich.

9. Die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde des Beschwerdeführers, die er im Wesentlichen damit begründete, dass § 359 Nr. 6 StPO keine streitige Entscheidung durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte voraussetze, verwarf das Landgericht Aachen mit Beschluss vom 15. August 2017 als unbegründet. In der gütlichen Beilegung des Rechtsstreits ohne weitergehende Feststellungen zu der mit der Individualbeschwerde geltend gemachten Rechtsverletzung liege gerade keine eindeutige Bejahung einer Konventionsverletzung, wie sie § 359 Nr. 6 StPO verlange. Eine analoge Anwendung scheide ebenfalls aus.

II.

Mit seiner Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer die Verletzung seines Grundrechts auf effektiven Rechtsschutz aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG und Art. 19 Abs. 4 GG sowie seines grundrechtsgleichen Rechts auf rechtliches Gehör aus Art. 103 Abs. 1 GG.

Das Amtsgericht und das Landgericht verkürzten durch das Aufstellen einer zusätzlichen Anforderung im Rahmen des § 359 Nr. 6 StPO - Vorliegen einer streitigen Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte - sowie die Nichtbeachtung der Gewährleistungen der Europäischen Menschenrechtskonvention und der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte das Recht des Beschwerdeführers auf effektiven Rechtsschutz aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG sowie aus Art. 19 Abs. 4 GG.

In der Verfahrensmitteilung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom 19. September 2016, seinem Vorschlag einer gütlichen Einigung unter Verweis auf seine Rechtsprechung und Praxis und den Feststellungen in der Entscheidung vom 24. Januar 2017 liege jedenfalls eine (konkludente) Feststellung einer Konventionsverletzung durch den Gerichtshof. Unter Berücksichtigung der fallrechtsbasierten Rechtsprechung des Gerichtshofs lasse dies nur den Schluss zu, dass er die Bundesrepublik Deutschland ohne die zustande gekommene Einigung (erneut) verurteilt hätte. Indem die Wiederaufnahmegerichte eine streitige Entscheidung des Gerichtshofs verlangten und damit die Erfüllung eines vom Wortlaut des § 359 Nr. 6 StPO nicht gedeckten zusätzlichen Erfordernisses, überspannten sie die Anforderungen an die Zulässigkeit eines Wiederaufnahmeverfahrens. Auch spreche eine konventionsfreundliche Auslegung des Wortlauts des § 359 Nr. 6 StPO dafür, dass es für die Wiederaufnahme eines Strafverfahrens keiner streitigen Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte bedürfe.

Das Recht des Beschwerdeführers auf rechtliches Gehör aus Art. 103 Abs. 1 GG werde durch die angegriffenen Entscheidungen verletzt, indem diese durch die Ablehnung der Wiederaufnahme des Strafverfahrens die Verweigerung rechtlichen Gehörs durch das Landgericht Aachen im Ausgangsverfahren perpetuierten. Denn erneut würde ihm die Überprüfung seiner Verurteilung verwehrt, so wie ihm damals durch das Landgericht eine Tatsacheninstanz zur Überprüfung der gegen ihn erhobenen strafrechtlichen Vorwürfe genommen worden sei.

III.

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen, da die Annahmevoraussetzungen des § 93a Abs. 2 BVerfGG nicht vorliegen. Der Verfassungsbeschwerde kommt keine grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung zu (§ 93a Abs. 2 Buchstabe a BVerfGG), da die aufgeworfenen verfassungsrechtlichen Fragen bereits geklärt sind (vgl. BVerfG, Beschluss des Dreierausschusses des Zweiten Senats vom 11. Oktober 1985 - 2 BvR 336/85 -, juris, Rn. 2 ff.; BVerfGE 111, 307 <315 ff.; 325 ff.>). Ihre Annahme ist auch nicht zur Durchsetzung der Grundrechte des Beschwerdeführers angezeigt (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG), weil die Verfassungsbeschwerde jedenfalls unbegründet ist (vgl. BVerfGE 90, 22 <25 f.>; 96, 245 <248 ff.>; 108, 129 <136>; stRspr).

1. Die angegriffenen Entscheidungen des Landgerichts und des Amtsgerichts verletzen den Beschwerdeführer weder in seinem Grundrecht auf effektiven Rechtsschutz (a), welches hier aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG folgt, da Art. 19 Abs. 4 GG auf die vollziehende öffentliche Gewalt beschränkt ist (vgl. BVerfGE 112, 185 <207>), noch in seinem grundrechtsgleichen Recht auf rechtliches Gehör aus Art. 103 Abs. 1 GG (b).

a) Die Ablehnung der Wiederaufnahme seines Strafverfahrens verletzt den Beschwerdeführer nicht in seinem Recht auf effektiven Rechtsschutz aus Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip.

aa) Zur Rechtsstaatlichkeit gehört nicht nur die materiale Gerechtigkeit, sondern auch die Rechtssicherheit (BVerfGE 2, 380 <403>; 3, 225 <237>). Das Prinzip der Rechtssicherheit liegt mit der Forderung nach materialer Gerechtigkeit häufig im Widerstreit. Es ist in erster Linie Aufgabe des Gesetzgebers, diesen Widerstreit zu entscheiden (BVerfGE 3, 225 <237>; 15, 313 <319>). Das Rechtsinstitut der Wiederaufnahme eines rechtskräftig abgeschlossenen Verfahrens ist eine typische Ausprägung dieser Konfliktsituation. In diesem Rechtsinstitut wird um des Grundsatzes der materialen Gerechtigkeit willen das Prinzip der Rechtssicherheit durchbrochen. Dabei wirkt sich jedoch dieses Prinzip dahin aus, dass die Durchbrechung an eine eng begrenzte Anzahl besonderer Ausnahmetatbestände gebunden ist (BVerfGE 22, 322 <329>).

Weicht das Wiederaufnahmegericht jedoch von den Grundsätzen des Wiederaufnahmeverfahrens im Sinne einer wesentlichen Verschlechterung der Chancen des Verurteilten auf Erlangung eines gerechten Richterspruchs ab, so verfehlt es dessen Ziel, den Konflikt zwischen materialer Gerechtigkeit und Rechtssicherheit angemessen zu lösen. Wird das Wiederaufnahmeverfahren - an diesem Ziel gemessen - derart ineffektiv, so steht dies in Widerspruch zum Rechtsstaatsprinzip des Grundgesetzes und verletzt den Verurteilten in dessen Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG, das ein Recht auf effektiven Rechtsschutz in sich schließt (vgl. BVerfGK 11, 215 <224>; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 19. Juli 2002 - 2 BvR 18/02 -, juris, Rn. 13; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 31. Juli 2014 - 2 BvR 571/14 -, juris, Rn. 16).

Was die Wiederaufnahme eines Verfahrens vor deutschen Gerichten nach Feststellung eines Konventionsverstoßes durch die vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte angegriffenen Gerichtsentscheidungen anbelangt, hat das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass das Grundgesetz nicht dazu verpflichte, einem Urteil des Gerichtshofs, in dem festgestellt werde, dass die Entscheidung eines deutschen Gerichts unter Verletzung der Europäischen Menschenrechtskonvention zustande gekommen sei, eine die Rechtskraft dieser Entscheidung beseitigende Wirkung beizumessen. Das Rechtsstaatsprinzip gebiete es nicht, selbst nach Feststellung einer Konventionsverletzung durch den Gerichtshof die Wiederaufnahme des Verfahrens zu ermöglichen (BVerfG, Beschluss des Dreierausschusses des Zweiten Senats vom 11. Oktober 1985, a.a.O., Rn. 3 ff.). Auch nach Einführung des § 359 Nr. 6 StPO im Jahr 1998, die ausweislich der Gesetzesbegründung ausdrücklich ohne verfassungsrechtliche Verpflichtung, sondern, um dem Prinzip konventionsfreundlicher Ausgestaltung des innerstaatlichen Rechts Rechnung zu tragen, erfolgte (vgl. BTDrucks 13/10333, S. 4), hat das Bundesverfassungsgericht an dieser Rechtsprechung festgehalten (vgl. BVerfGE 111, 307 <325 ff.>).

bb) Gemessen daran ist gegen die Ablehnung der Wiederaufnahme im vorliegenden Fall aus verfassungsrechtlicher Sicht nichts zu erinnern. Indem das Amtsgericht und das Landgericht davon ausgingen, dass die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 359 Nr. 6 StPO nicht erfüllt sind, haben sie die verfassungsrechtlich verankerte Bedeutung des Wiederaufnahmeverfahrens nicht verkannt (1). Dies gilt auch bei konventionsfreundlicher Bestimmung der verfassungsrechtlichen Anforderungen (2).

(1) Im Hinblick auf den Grundsatz der Rechtssicherheit ist festzuhalten, dass der Bundesgesetzgeber im Jahr 1998 mit § 359 Nr. 6 StPO einen neuen Wiederaufnahmegrund für strafrechtliche Verfahren in das Strafprozessrecht eingefügt hat (Gesetz zur Reform des strafrechtlichen Wiederaufnahmerechts vom 9. Juli 1998, BGBl I S. 1802). Danach ist die Wiederaufnahme eines durch rechtskräftiges Urteil abgeschlossenen Verfahrens zugunsten des Verurteilten zulässig, wenn der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte eine Verletzung der Europäischen Menschenrechtskonvention oder ihrer Protokolle festgestellt hat und das deutsche Urteil auf dieser Verletzung beruht. Diese Gesetzesänderung beruht auf dem Gedanken, dass eine im konkreten Einzelfall in ihrer Wirkung andauernde Konventionsverletzung jedenfalls in dem besonders grundrechtssensiblen Bereich des Strafrechts ungeachtet bereits eingetretener Rechtskraft beendet werden soll (vgl. § 79 Abs. 1 BVerfGG), wenn das Urteil des Gerichtshofs für das nationale Verfahren entscheidungserheblich ist. Das zuständige Gericht erhält somit die Gelegenheit, sich auf Antrag erneut mit dem an sich abgeschlossenen Fall zu befassen und die neuen Rechtstatsachen in seine Willensbildung einzustellen. Dabei äußert das Gesetz die grundsätzliche Erwartung, dass das Gericht seine ursprüngliche - konventionswidrige - Entscheidung ändert, soweit diese auf der Verletzung beruht (BVerfGE 111, 307 <326>).

(a) Voraussetzung ist indes, dass der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte eine Verletzung der Europäischen Menschenrechtskonvention oder ihrer Protokolle festgestellt hat. Aus dem Wortlaut der Norm geht zwar nicht eindeutig hervor, dass diese Feststellung im konkreten Verfahren des Verurteilten, der die Wiederaufnahme seines Strafverfahrens anstrebt, getroffen worden sein muss. Indes verdeutlicht die Entstehungsgeschichte der Norm, dass nach dem Willen des Gesetzgebers Voraussetzung für ein Wiederaufnahmeverfahren ist, dass der Verurteilte in eigener Person die Feststellung einer Konventionsverletzung durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte erstritten hat. Denn der Gesetzgeber hat sich in Kenntnis der von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gewünschten Erstreckung auf alle Entscheidungen des Gerichtshofs bewusst für eine Beschränkung auf Entscheidungen inter partes entschieden (vgl. BTDrucks 13/10333; OLG Bamberg, Beschluss vom 5. März 2013 - 1 Ws 98/13 -, juris, Rn. 4; Schmitt, in: Meyer-Goßner, StPO, 61. Aufl. 2018, § 359 Rn. 52; Schmidt, in: Karlsruher Kommentar zur StPO, 7. Aufl. 2013, § 359 Rn. 40; Gössel, in: Löwe-Rosenberg, StPO, 26. Aufl. 2012, § 359 Rn. 191 ff.; a.A. etwa: Marxen/Tiemann, Die Wiederaufnahme in Strafsachen, 3. Aufl. 2014, Rn. 285, die sich jedoch über die Entstehungsgeschichte der Norm hinwegsetzen). Der Gesetzgeber hat mithin mit der Schaffung des § 359 Nr. 6 StPO eine Durchbrechung des Prinzips der Rechtssicherheit zu Gunsten der materialen Gerechtigkeit nur für den besonderen Ausnahmetatbestand vorgesehen, in dem der Verurteilte in eigener Person ein obsiegendes Urteil vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte und damit die Feststellung einer Konventionsverletzung in seinem Fall erstritten hat. Danach sind die Fachgerichte hier in verfassungsrechtlich nicht zu beanstandender Weise davon ausgegangen, dass die Feststellung der Konventionswidrigkeit im Individualbeschwerdeverfahren des Beschwerdeführers getroffen worden sein muss.

(b) Gegen die von den Fachgerichten vorgenommene Würdigung, dass es an einer solchen Feststellung im Fall des Beschwerdeführers fehle, ist nichts zu erinnern. Denn wie sich aus den vom Beschwerdeführer vorgelegten Unterlagen ergibt, war sein Verfahren vor dem Gerichtshof im Zeitpunkt des Abschlusses der gütlichen Einigung erst in einem Stadium, in welchem noch nicht einmal die Zulässigkeit seiner Individualbeschwerde abschließend feststand. Vielmehr hatte ausweislich des Schreibens des Gerichtshofs vom 28. September 2016 bislang lediglich eine „preliminary examination of the admissibility“ seiner Individualbeschwerde - mithin eine prima facie Prüfung der Zulässigkeit - stattgefunden, der nunmehr die Aufforderung an die beschwerdegegnerische Vertragspartei, die Bundesrepublik Deutschland, nachfolgte, schriftlich Stellung zu der Individualbeschwerde des Beschwerdeführers zu nehmen (vgl. Art. 54 Abs. 2 Buchstabe b VerfO). Fest stand damit allenfalls, dass die Beschwerde weder durch den Einzelrichter (Art. 27 EMRK, Art. 52A VerfO) noch durch den Ausschuss (Art. 28 EMRK, Art. 53 VerfO) ohne weitere Prüfung für unzulässig erklärt worden war. Die Zustellung der Beschwerde zur Stellungnahme an die Bundesrepublik Deutschland schließt jedoch nicht aus, dass die zuständige Kammer des Gerichtshofs die Beschwerde zu einem späteren Zeitpunkt, etwa aufgrund der Erkenntnisse infolge der Stellungnahme, für unzulässig oder unbegründet erklärt (vgl. Art. 54A VerfO sowie bei- spielhaft für eine Unzulässigkeitsentscheidung nach Zustellung: EGMR, Karabulut v. Deutschland, Entscheidung vom 21. November 2017, Nr. 59546/12, § 3, §§ 28 ff.).

Schließlich traf der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte weder mit der Anregung an die Parteien, eine gütliche Einigung zu schließen unter pauschalem Verweis auf seine Rechtsprechung und Praxis, noch mit der konkreten Bezugnahme auf die Rechtssache Neziraj v. Deutschland in der Aufforderung zur Stellungnahme, noch mit der Feststellung in seiner Entscheidung vom 24. Januar 2017, dass die Einigung auf dem Respekt für die Menschenrechte basiere, eine (konkludente) Feststellung einer Konventionsverletzung im Fall des Beschwerdeführers. Eine gütliche Einigung nach Art. 39 EMRK eröffnet dem beklagten Staat vielmehr die Möglichkeit, die Feststellung einer Konventionsverletzung gerade zu vermeiden. Eine Anerkennung einer Konventionsverletzung durch den beklagten Staat ist dabei nicht erforderlich und erfolgt im Regelfall auch nicht. Ebenso wenig nimmt der Gerichtshof in der Entscheidung nach Art. 39 Abs. 3 EMRK zu der behaupteten Konventionsverletzung Stellung (vgl. Meyer-Ladewig/Ebert, in: Meyer-Ladewig/Nettesheim/von Raumer, EMRK, 4. Aufl. 2017, Art. 39 Rn. 3 f.; Grabenwarter/Pabel, EMRK, 6. Aufl. 2016, § 13 Rn. 71; Wenzel, in: Karpenstein/Mayer, EMRK, 2. Aufl. 2015, Art. 39 Rn. 8). Auch die durch den Gerichtshof vorgeschlagene Zahlung von 7.000 Euro an den Beschwerdeführer durch die Bundesrepublik Deutschland beinhaltete weder die Anerkennung einer Konventionsverletzung noch die Feststellung einer solchen durch den Gerichtshof (vgl. zu dieser Verfahrensweise im allgemeinen Meyer-Ladewig/Ebert, in: Meyer-Ladewig/Nettesheim/ von Raumer, EMRK, a.a.O., Art. 39 Rn. 3 f.; Grabenwarter/Pabel, EMRK, a.a.O., § 13 Rn. 71; Harris/O’Boyle/Warbrick, Law of the European Convention on Human Rights, 4. Aufl. 2018, S. 133 ff.). An der Feststellung einer Konventionsverletzung im Sinne des § 359 Nr. 6 StPO fehlte es nach alledem im Fall des Beschwerdeführers.

(c) Auch besteht keine verfassungsrechtliche Verpflichtung, die von dem Beschwerdeführer mit der Bundesrepublik Deutschland getroffene und vom Gerichtshof akzeptierte gütliche Einigung mit der Feststellung einer Konventionsverletzung im Sinne des § 359 Nr. 6 StPO über den Wortlaut und die Entstehungsgeschichte der Norm hinweg gleich zu behandeln. Ist es verfassungsrechtlich selbst im Fall der Feststellung einer Konventionsverletzung durch den Gerichtshof nicht geboten, dem Urteil des Gerichtshofs eine die Rechtskraft der Entscheidung des deutschen Gerichts beseitigende Wirkung beizumessen (vgl. BVerfG, Beschluss des Dreierausschusses des Zweiten Senats vom 11. Oktober 1985, a.a.O., Rn. 3 ff.; BVerfGE 111, 307 <325>), gilt dies erst recht, wenn es bereits an einer solchen Feststellung fehlt. Dies gilt auch dann, wenn der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte die gütliche Einigung, wie hier, vor dem Hintergrund und unter Bezugnahme auf eine bereits erfolgte Feststellung einer Konventionsverletzung durch die Bundesrepublik Deutschland in einem im Wesentlichen gleich gelagerten vorangegangenen Verfahren eines anderen Beschwerdeführers vorgeschlagen hat.

Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass sich ein Beschwerdeführer auf eine gütliche Einigung im Sinne von Art. 39 EMRK freiwillig einlässt. Wenn er die vorgeschlagene gütliche Einigung ablehnt, kann die Bundesrepublik Deutschland zwar eine einseitige Erklärung gemäß Art. 62A VerfO abgeben, in deren Folge ebenfalls keine Wiederaufnahme nach § 359 Nr. 6 StPO möglich wäre (vgl. unter Verweis auf den Wortlaut Wenzel, in: Karpenstein/Mayer, EMRK, a.a.O., Art. 37 Rn. 18). Allerdings hat die Abgabe einer einseitigen Erklärung durch den Konventionsstaat nicht ohne Weiteres die Streichung der Individualbeschwerde gemäß Art. 37 Abs. 1 Satz 1 Buchstabe c EMRK zur Folge. Vielmehr muss eine einseitige Erklärung bestimmte inhaltliche Anforderungen erfüllen (vgl. EGMR (GK), Tahsin Acar v. Türkei, Urteil vom 6. Mai 2003, Nr. 26307/95, §§ 75 ff.; Jeronovics v. Lettland, Urteil vom 5. Juli 2016, Nr. 44898/10, § 64; Aviakompaniya A.T.I., ZAT v. Ukraine, Urteil vom 5. Oktober 2017, Nr. 1006/07, §§ 27 f.) und die Achtung der Menschenrechte darf keine Fortsetzung der Prüfung der Beschwerde gebieten (Art. 37 Abs. 1 Satz 2 EMRK). Anderenfalls setzt der Gerichtshof seine Prüfung fort, an deren Ende im Fall einer Konventionsverletzung ein entsprechendes Feststellungsurteil steht, das einem Beschwerdeführer sodann den Wiederaufnahmegrund des § 359 Nr. 6 StPO eröffnet (vgl. dazu jüngst EGMR, Dridi v. Deutschland, Urteil vom 26. Juli 2018, Nr. 35778/11, §§ 21 ff.). Hierzu kam es jedoch im Fall des Beschwerdeführers nicht, da sich dieser freiwillig auf eine gütliche Einigung eingelassen hat.

(2) Eine Gleichbehandlung dieser Fallkonstellation mit derjenigen eines eine Konventionsverletzung feststellenden Urteils des Gerichtshofs ist auch bei konventionsfreundlicher Auslegung (vgl. BVerfGE 128, 326 <366 ff.>) des mit § 359 Nr. 6 StPO erfolgten Ausgleichs der widerstreitenden Anforderungen des Rechtsstaatsprinzips nicht geboten. Zwar betont der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in seiner neueren Rechtsprechung, dass er in einer im nationalen Recht vorgesehenen Wiederaufnahmemöglichkeit eines rechtskräftig abgeschlossenen Strafverfahrens einen geeigneten Weg zur Beseitigung einer - festgestellten - Konventionsverletzung sieht (vgl. EGMR, Aviakompaniya A.T.I., ZAT v. Ukraine, a.a.O., §§ 29 ff.; Dridi v. Deutschland, a.a.O., §§ 21 ff.). Dies ändert aber nichts daran, dass die Beseitigung einer solchen Konventionsverletzung grundsätzlich den Vertragsparteien überlassen bleibt, die dieser Pflicht im Rahmen des nach der innerstaatlichen Rechtsordnung Möglichen nachzukommen haben. Art. 41 EMRK, der zugunsten der verletzten Partei eine gerechte Entschädigung für die Fälle vorsieht, in denen nur eine unvollständige Wiedergutmachung für die Folgen einer Konventionsverletzung geleistet werden kann, trägt dem Rechnung (vgl. BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 11. Oktober 1985, a.a.O., Rn. 5; BVerfGE 111, 307 <321 f.>; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 18. August 2013, a.a.O., Rn. 41).

b) Die angegriffenen Entscheidungen verletzen den Beschwerdeführer auch nicht in seinem grundrechtsgleichen Recht aus Art. 103 Abs. 1 GG.

aa) Zwar verpflichtet Art. 103 Abs. 1 GG das Gericht, den Vortrag des Anzuhörenden nicht nur zur Kenntnis zu nehmen, sondern auch bei seiner Entscheidung in Erwägung zu ziehen (BVerfGE 83, 24 <35>). Dieser Anforderung ist jedoch Genüge getan, wenn das Gericht das Vorbringen des Betreffenden in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht auf seine Erheblichkeit und Richtigkeit überprüft hat. Art. 103 Abs. 1 GG schützt hingegen nicht davor, dass das Vorbringen aus formell- oder materiellrechtlichen Gründen unberücksichtigt bleibt (BVerfGE 96, 205 <216> m.w.N.), das Gericht einem tatsächlichen Umstand nicht die richtige Bedeutung beimisst (BVerfGE 76, 93 <98>) oder die Rechtsansicht eines Beteiligten nicht teilt (BVerfGE 64, 1 <12>).

bb) Vorliegend hat das Landgericht den Vortrag des Beschwerdeführers erkennbar gewürdigt, seine Rechtsansicht jedoch nicht geteilt. Darin liegt nach den verfassungsrechtlichen Maßstäben keine Verletzung des Rechts auf rechtliches Gehör. Insbesondere waren Amtsgericht und Landgericht im Wiederaufnahmeverfahren nicht gehalten, einen möglichen vorangegangenen Gehörsverstoß des Landgerichts Aachen im Ausgangsverfahren zu heilen. Denn die Gerichte waren im Wiederaufnahmeverfahren allein dazu berufen, anhand der Voraussetzungen des § 359 Nr. 6 StPO zu entscheiden, ob eine Wiederaufnahme geboten war, und konnten daher einen etwaigen Gehörsverstoß im rechtskräftig abgeschlossenen Strafverfahren schon im Ansatz nicht perpetuieren oder heilen.

2. Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

HRRS-Nummer: HRRS 2019 Nr. 231

Bearbeiter: Holger Mann