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HRRS-Nummer: HRRS 2019 Nr. 1234

Bearbeiter: Christian Becker

Zitiervorschlag: BGH, 3 StR 235/19, Beschluss v. 05.09.2019, HRRS 2019 Nr. 1234


BGH 3 StR 235/19 - Beschluss vom 5. September 2019 (LG Krefeld)

Nachträgliche Anordnung der Sicherungsverwahrung nach altem Recht (Jugendstrafrecht; Altfälle; Übergangsregelung; Gefährlichkeit; psychische Störung; Schuldunfähigkeit; Darlegungserfordernisse; Anknüpfungstatsachen; Erledigung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus wegen Unverhältnismäßigkeit).

§ 63 StGB; § 7 Abs. 2 JGG a. F.; § 20 StGB; § 66 StGB; § 76d Abs. 6 StGB; Art. 316f Abs. 2 EGStGB

Leitsatz des Bearbeiters

Eine „nachträgliche“ Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus ist dem Gesetz fremd. Diese grundlegende gesetzgeberische Entscheidung darf nicht dadurch umgangen werden, dass gegen einen vormals in einem psychiatrischen Krankenhaus Untergebrachten, bei dem weiterhin derselbe überdauernde Zustand im Sinne des § 63 StGB vorliegt, nach Erledigung dieser Maßregel wegen Unverhältnismäßigkeit (§ 67d Abs. 6 S. 1 Var. 2 StGB) auf nahezu unveränderter tatsächlicher Grundlage nachträglich Sicherungsverwahrung angeordnet wird, um ihn gemäß § 67a Abs. 2 StGB wieder in den psychiatrischen Maßregelvollzug zu überweisen.

Entscheidungstenor

Auf die Revision des Verurteilten wird das Urteil des Landgerichts Krefeld vom 22. Januar 2019 mit den Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe

Das Landgericht hat nachträglich die Unterbringung des Verurteilten in der Sicherungsverwahrung angeordnet. Seine auf die Rügen der Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision hat mit der Sachbeschwerde Erfolg. Auf die Zulässigkeit und Begründetheit der beiden Verfahrensbeanstandungen kommt es daher nicht an.

I.

1. Der nachträglichen Anordnung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung ging folgendes Verfahrensgeschehen voraus:

Das Landgericht hatte den Verurteilten mit Urteil vom 24. Juni 1982 wegen Mordes zu einer Jugendstrafe von acht Jahren verurteilt und seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Nach den Feststellungen war der zur Tatzeit 20-jährige Verurteilte in einem Wohnheim für Körperbehinderte untergebracht. Er suchte im Zustand verminderter Schuldfähigkeit das Zimmer einer gerade schlafenden 29-jährigen Heiminsassin auf und erwürgte sie in Tötungsabsicht, um sein sexuelles Lustgefühl zu steigern.

Ab Rechtskraft des Urteils am 2. Juli 1982 wurde zunächst die Maßregel vollzogen. Auf die sofortige Beschwerde des Verurteilten gegen die letztmalige Anordnung der Fortdauer seiner Unterbringung erklärte das Oberlandesgericht Düsseldorf diese mit Beschluss vom 17. August 2015 für erledigt, weil sie nach einer Dauer von mehr als 33 Jahren nicht mehr verhältnismäßig sei. Anschließend wurde bis zum 18. April 2018 der - nicht anrechenbare - Rest der Jugendstrafe „unter den Bedingungen des Maßregelvollzugs“ vollstreckt. Seither ist der Verurteilte aufgrund Unterbringungsbefehls des Landgerichts in derselben Maßregeleinrichtung einstweilig untergebracht.

2. Das Landgericht hat die nachträgliche Anordnung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung wie folgt begründet:

Die Voraussetzungen des § 7 Abs. 2 JGG in der Fassung vom 22. Dezember 2010 und des Art. 316f Abs. 2 Satz 2 EGStGB seien erfüllt. Der Verurteilte leide an einer psychischen Störung im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 1 ThUG, nämlich einer schweren kombinierten bzw. dissozialen Persönlichkeitsstörung. Aufgrund seines Persönlichkeitsprofils sei mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit alsbald mit schweren Sexual- und Gewaltstraftaten vergleichbar dem Ausgangsdelikt zu rechnen. Der Verurteilte sei „derartig gefährlich für die Allgemeinheit“, dass zu ihrem Schutz „die weitere Unterbringung, diesmal in der Sicherungsverwahrung, unerlässlich“ sei.

II.

Das angefochtene Urteil hält sachlich-rechtlicher Nachprüfung nicht stand.

1. Allerdings ist das Landgericht zutreffend davon ausgegangen, dass der Anwendungsbereich des § 7 Abs. 2 JGG in der vormaligen Fassung vom 22. Dezember 2010 i.V.m. § 105 Abs. 1 JGG nach Maßgabe des Art. 316f Abs. 2 Satz 1, 2 EGStGB prinzipiell eröffnet ist und die formellen Voraussetzungen des § 7 Abs. 2 JGG aF vorliegen.

a) Die - am 1. Juni 2013 in Kraft getretene - Übergangsregelung des Art. 316f Abs. 2 EGStGB bestimmt die modifizierte Fortgeltung der bis zum 31. Mai 2013 gültigen Vorschriften über die Sicherungsverwahrung für Altfälle. Sie gilt sowohl für dem Strafgesetzbuch als auch dem Jugendgerichtsgesetz unterfallende Sachverhalte (s. BGH, Urteil vom 12. Juni 2013 - 1 StR 48/13, BGHSt 58, 292 Rn. 22).

Art. 316f Abs. 2 Satz 2 EGStGB regelt in der hier einschlägigen zweiten Variante die Zulässigkeit der nachträglichen Anordnung der Sicherungsverwahrung, wenn die Entscheidung nicht die Erledigung einer Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus voraussetzt. Die Übergangsregelung erfasst somit auch die Fälle einer qualifizierten Ausgangsverurteilung zu Jugendstrafe im Sinne des § 7 Abs. 2 JGG aF. Sie stellt dabei auf verfassungs- und konventionsgemäße Weise sicher, dass § 7 Abs. 2 JGG aF nur unter strengen materiellen Voraussetzungen anwendbar ist (s. BGH, Urteil vom 12. Juni 2013 - 1 StR 48/13, BGHSt 58, 292 Rn. 20 ff.).

b) Da der Verurteilte mit dem Ausgangsurteil wegen Mordes zu einer Jugendstrafe von acht Jahren verurteilt worden war, sind die formellen Voraussetzungen des § 7 Abs. 2 Nr. 1 JGG aF erfüllt. Dass daneben seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet worden war, steht der Anwendbarkeit dieser Vorschrift auf Altfälle jedenfalls dann nicht entgegen, wenn - wie hier - der Betroffene nach Erledigung der Maßregel noch Jugendstrafe verbüßt hat. Im Gegenteil spricht Vieles dafür, dass in diesen Fällen - analog zu den Absätzen 1 und 2 des § 66b StGB in der Fassung vom 29. Juli 2004 in Abgrenzung zu dessen Absatz 3 (s. BT-Drucks. 15/2887, S. 14; BGH, Beschluss vom 7. Oktober 2008 - GSSt 1/08, BGHSt 52, 379 Rn. 20 ff., 30 ff.) - nicht § 7 Abs. 3 JGG aF, sondern allein § 7 Abs. 2 JGG aF anwendbar ist (vgl. auch BT-Drucks. 16/6562, S. 10, wo wegen Einzelheiten der Ausgestaltung des § 7 Abs. 3 JGG aF pauschal auf die Gesetzesmaterialien zu § 66b Abs. 3 StGB aF verwiesen wird).

2. Jedoch begegnet das Urteil durchgreifenden rechtlichen Bedenken, soweit das Landgericht die einschränkenden materiellen Voraussetzungen des Art. 316f Abs. 2 Satz 2 EGStGB bejaht hat. Das gilt sowohl für eine psychische Störung des Verurteilten als auch für eine hochgradige Gefahr, er werde infolge dieser Störung schwerste Gewaltoder Sexualstraftaten begehen.

a) Hinsichtlich der psychischen Störung, die im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 1 ThUG auszulegen ist (vgl. BGH, Beschluss vom 5. April 2017 - 5 StR 86/17, NStZ 2017, 526 f. mwN; BeckOK JGG/Freuding, § 7 Rn. 71 ff.), beschränkt sich das Urteil im Wesentlichen darauf, die von den beiden Sachverständigen für den Verurteilten gestellte Diagnose einer schweren kombinierten Persönlichkeitsstörung in Form einer dissozialen Persönlichkeitsstörung mit histrionischen und narzisstischen Zügen (s. UA S. 30 f., ferner UA S. 24) wiederzugeben. Welche Anknüpfungs- und Befundtatsachen die Sachverständigen ihrer Beurteilung zugrunde gelegt haben, wird hingegen nicht mitgeteilt. Unter den gegebenen Umständen genügt dies nicht den Darstellungsanforderungen (allgemein zu der - freilich einzelfallabhängigen - tatrichterlichen Darlegungspflicht vgl. BGH, Beschlüsse vom 28. Januar 2016 - 3 StR 521/15, NStZ-RR 2016, 135; vom 6. Februar 2019 - 3 StR 479/18, juris Rn. 10 [jeweils zur Beurteilung der Schuldfähigkeit]).

Die nicht näher begründeten Urteilsausführungen, die „langjährig erfahrenen“ Sachverständigen hätten „Vorgutachten ausgewertet“ und „nachvollziehbar dargelegt, dass eine Änderung der Persönlichkeit des Verurteilten während des Maßregelvollzugs nach ihren Erkenntnissen nicht stattgefunden habe“ (UA S. 31), können die Wiedergabe der für die gutachterlichen Erkenntnisse wesentlichen tatsächlichen Grundlagen und sachkundigen Schlussfolgerungen nicht ersetzen. Das gilt umso mehr, als das Urteil nicht mitteilt, wie sich das Ausgangsurteil vom 24. Juni 1982 zu den Voraussetzungen der §§ 20, 21 StGB verhält. So bleibt bereits im Unklaren, von welchem Eingangsmerkmal des § 20 StGB die damalige Jugendkammer ausgegangen war und ob ihrer Ansicht nach die Einsichtsfähigkeit oder die Steuerungsfähigkeit betroffen war.

b) Die hochgradige Gefahr, der Verurteilte werde infolge der psychischen Störung schwerste Gewalt- oder Sexualstraftaten begehen, ist ebenso wenig rechtsfehlerfrei dargetan.

aa) Im Anschluss an die Sachverständigen hat das Landgericht die Prognoseentscheidung, mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit sei alsbald mit schweren Sexual- und Gewaltstraftaten vergleichbar dem Ausgangsdelikt zu rechnen, wesentlich auf „immer wiederkehrende Regelübertretungen“ des Verurteilten sowie - daneben ersichtlich auch - auf sein „beinah durchgängig ... auffälliges Sozialverhalten“ während des Maßregelvollzugs gestützt (UA S. 31, 33, 35). Diese Wertungen werden allerdings von den - insoweit weitgehend unbestimmten - Feststellungen nicht getragen.

Zwar sind in den Urteilsgründen die „im Behandlungsverlauf“ und bei „früheren Begutachtungen“ dokumentierten „Auffälligkeiten“ wiedergegeben (UA S. 19 ff.). Diese belegen jedoch keine „immer wiederkehrenden Regelübertretungen“. So wurden in der 27 Jahre währenden Zeitspanne von 1989 bis 2015 lediglich zweimal derartige - nicht konkretisierte - Vorkommnisse erfasst: Für das Jahr 1995 ist vermerkt, beim Verurteilten seien „Tricksereien und Unregelmäßigkeiten wie z.B. Überziehen des Ausgangs“ sowie das „Entzünden einer Matratze“ zu beobachten gewesen (UA S. 20). Für das Jahr 2007 ist angegeben, er sei „mit Verstößen gegen die Stationsordnung, nicht genehmigten Geschäften ... und trickreichen Fehlverhaltensweisen“ in Erscheinung getreten (UA S. 20 f.). Anderes „auffälliges Sozialverhalten“ des Verurteilten wurde in dem benannten Zeitraum nur dreimal erwähnt, darunter in den Jahren 1995 und 2001 sein auf rasche Kontakte angelegtes „unkritisches“ Auftreten gegenüber Frauen (s. UA S. 20). Für das Jahr 2014 ist dokumentiert, mit dem Verurteilten habe es „Konflikte ... gegeben, wenn er aufgrund ... impulsiven Verfolgens seiner Bedürfnisse Grenzen überschritten oder manipulatives Verhalten gezeigt habe"; er habe „verbal aggressiv reagiert“, wenn er „begrenzt“ worden sei (UA S. 21).

Lediglich im Zeitraum von April 2016 bis Juli 2018 ist eine Mehrzahl von nicht regelkonformen und inadäquaten Handlungen des Verurteilten vermerkt. Auch die weitere Dokumentation bleibt indes in mancher Hinsicht vage. So ist etwa - wiederholt - angegeben, der Verurteilte mache „unverändert ... seine Geschäfte“ und betreibe, obwohl er „offene Spielschulden“ habe, „trotz Verbot ...diese Spiele“ (UA S. 21, 23), ohne dass erläutert wird, um welche - gegebenenfalls ihm nicht erlaubten - „Geschäfte“ sowie um welche verbotswidrigen „Spiele“ es sich handelte und welche Art von „Spielschulden“ in welcher Größenordnung bestanden.

bb) Daneben hat das Landgericht die - im Anschluss an die Sachverständigen bejahte - sehr hohe Gefährlichkeit des Verurteilten damit begründet, dass er, kurz nachdem ihm Lockerungen gewährt worden seien, eine „Gelegenheit zur sexuell motivierten Kontaktaufnahme“ zu einer Frau „genutzt“ habe (UA S. 35). Es hat festgestellt, dass er am 3. Juli 2016 auf dem Klinikgelände eine Mitpatientin „jedenfalls“ an der Jacke festhielt und aufforderte, ihm „ins Ohr zu stöhnen“, woraufhin sie sich losriss und einen Hügel hinauflief, wohin er sie mit seinem Elektrorollstuhl nicht verfolgen konnte (UA S. 21, 28 f.). Den Erwägungen in den Urteilsgründen ist allerdings nicht zu entnehmen, inwieweit dieser Vorfall - unabhängig von dem weiteren Verhalten im Maßregelvollzug - die Prognoseentscheidung tragen könnte.

III.

Infolgedessen ist das Urteil mit den Feststellungen (s. § 353 Abs. 2 StPO) aufzuheben. Die Sache ist zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückzuverweisen. Diesbezüglich besteht Anlass zu den beiden folgenden Hinweisen:

1. Eine „nachträgliche“ Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus ist dem Gesetz fremd (vgl. BGH, Beschluss vom 9. Januar 2007 - 1 StR 605/06, BGHSt 51, 191 Rn. 24; ferner BGH, Beschluss vom 15. Februar 2006 - 2 StR 4/06, BGHR StGB § 67a Abs. 2 Überweisung 1; Urteil vom 23. März 2006 - 1 StR 476/05, juris Rn. 30 ff.). Diese grundlegende gesetzgeberische Entscheidung darf nicht dadurch umgangen werden, dass gegen einen vormals in einem psychiatrischen Krankenhaus Untergebrachten, bei dem weiterhin derselbe überdauernde Zustand im Sinne des § 63 StGB vorliegt, nach Erledigung dieser Maßregel wegen Unverhältnismäßigkeit (§ 67d Abs. 6 Satz 1 Alternative 2 StGB) auf nahezu unveränderter tatsächlicher Grundlage nachträglich Sicherungsverwahrung angeordnet wird, um ihn gemäß § 67a Abs. 2 StGB wieder in den psychiatrischen Maßregelvollzug zu überweisen.

a) Aufgrund nachfolgender Anhaltspunkte könnte im vorliegenden Fall ein solches Vorgehen zu besorgen sein:

- Zum einen liegt es unter den gegebenen Umständen nahe, dass die diagnostizierte schwere kombinierte bzw. dissoziale Persönlichkeitsstörung beim Verurteilten schon zur Zeit der mit dem Ausgangsurteil vom 24. Juni 1982 abgeurteilten Tat vorlag, das Eingangsmerkmal der schweren anderen seelischen Abartigkeit im Sinne des § 20 StGB erfüllt und sich sowohl damals als auch bei künftig zu erwartenden Straftaten auf seine Steuerungsfähigkeit erheblich auswirkte bzw. auswirken wird.

- Zum anderen hatte die Staatsanwaltschaft Mönchengladbach wegen des - in den Urteilsgründen nur als Mindestfeststellungen wiedergegebenen (s. oben II. 2. b) bb)) - Vorfalls vom 3. Juli 2016 Anklage gegen den Verurteilten zum Landgericht Mönchengladbach erhoben und dessen sachliche Zuständigkeit darin begründet gesehen, dass die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus zu erwarten sei. Das Landgericht verneinte nach Aktenlage seine Zuständigkeit allein deshalb, weil es den Verurteilten als nicht hinreichend gefährlich und die Maßregel gemäß § 63 StGB als unverhältnismäßig beurteilte (s. UA S. 21 f.), mithin nicht mangels Vorliegens eines Zustands im Sinne der §§ 20, 21 StGB.

- Schließlich befand sich der Verurteilte seit Rechtskraft des Ausgangsurteils am 2. Juli 1982 - soweit ersichtlich - durchgehend in einer psychiatrischen Maßregeleinrichtung, jedenfalls von 2014 an in der LVR-Klinik .

b) In der vorliegenden Fallkonstellation - Erledigung der Maßregel des § 63 StGB wegen Unverhältnismäßigkeit und anschließende Vollstreckung der Restjugendstrafe - ist zwar die nachträgliche Anordnung von Sicherungsverwahrung gemäß § 7 Abs. 2 JGG aF i.V.m. Art. 316f Abs. 2 Satz 1, 2 Variante 2 EGStGB nicht generell ausgeschlossen. Auch kann eine Persönlichkeitsstörung, die das Eingangsmerkmal der schweren anderen seelischen Abartigkeit im Sinne des § 20 StGB erfüllt, dem Begriff der psychischen Störung gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 ThUG unterfallen (vgl. auch BVerfG, Beschluss vom 15. September 2011 - 2 BvR 1516/11, StV 2012, 25 Rn. 35 ff.; Krehl, StV 2012, 27, 30; ferner BVerfG, Urteil vom 4. Mai 2011 - 2 BvR 2365/09 u.a., NJW 2011, 1931 Rn. 152). Ebenso wenig ist es für die nachträgliche Anordnung von Sicherungsverwahrung nach § 7 Abs. 2 JGG aF zwingend erforderlich, neue Tatsachen (sogenannte Nova) festzustellen (s. BT-Drucks. 16/6562, S. 9; BGH, Urteile vom 9. März 2010 - 1 StR 554/09, BGHR JGG § 7 Abs. 2 Sicherungsverwahrung 1 Rn. 17 ff.; vom 12. Juni 2013 - 1 StR 48/13, BGHSt 58, 292 Rn. 26).

In der vorliegenden Fallkonstellation scheint jedoch auf der Grundlage der Ausführungen im aufgehobenen Urteil jedenfalls die Prüfung geboten, welche weiteren Erkenntnisse nunmehr die Unterbringung des Verurteilten gerade in der Sicherungsverwahrung erfordern. Hierfür könnte vor allem der Vorfall vom 3. Juli 2016 und dessen - näher aufzuklärendes - Gewicht Bedeutung erlangen.

2. Sollte sich nach alledem die nunmehr zur Entscheidung berufene Jugendkammer wiederum von den materiellen Voraussetzungen des § 7 Abs. 2 JGG aF i.V.m. § 316f Abs. 2 Satz 2 EGStGB überzeugen, wird sie Gelegenheit haben, sowohl die Verhältnismäßigkeit der nachträglichen Anordnung von Sicherungsverwahrung (§ 62 StGB) zu beurteilen als auch das ihr nach § 7 Abs. 2 JGG aF zustehende Ermessen auszuüben und beides - anders als das Erstgericht - in den Urteilsgründen darzustellen. Das bedarf unter den gegebenen Umständen besonderer Sorgfalt. Insbesondere ist bei diesen wertenden Entscheidungen auch Bedacht darauf zu nehmen, dass das Oberlandesgericht Düsseldorf noch im Juli 2015 nach seinen damaligen Erkenntnissen den weiteren psychiatrischen Maßregelvollzug als unverhältnismäßig erachtet hatte.

HRRS-Nummer: HRRS 2019 Nr. 1234

Externe Fundstellen: NStZ-RR 2019, 386; StV 2020, 20

Bearbeiter: Christian Becker