hrr-strafrecht.de - Rechtsprechungsübersicht


HRRS-Nummer: HRRS 2019 Nr. 1208

Bearbeiter: Holger Mann

Zitiervorschlag: BVerfG, 2 BvR 2158/18, Beschluss v. 17.07.2019, HRRS 2019 Nr. 1208


BVerfG 2 BvR 2158/18 (2. Kammer des Zweiten Senats) - Beschluss vom 17. Juli 2019 (OLG Dresden)

Trennscheibenanordnung im Vollzug der Untersuchungshaft (staatliche Verpflichtung zum Schutz von Ehe und Familie; Einschränkung der Kommunikation mit Angehörigen; Belange der Allgemeinheit).

Art. 6 Abs. 1 GG; Art. 8 EMRK; § 119 Abs. 1 StPO

Leitsatz des Bearbeiters

Mit Blick auf eine Trennscheibenanordnung haben die Gerichte die staatliche Verpflichtung zum Schutz von Ehe und Familie zu berücksichtigen. Danach sind die nachteiligen Auswirkungen, die sich bei jeder Untersuchungshaft von längerer Dauer aus der Einschränkung der Kommunikation zwischen dem Inhaftierten und seinen Angehörigen ergeben, im Rahmen des Möglichen und Zumutbaren, aber auch unter angemessener Beachtung der Belange der Allgemeinheit zu begrenzen.

Entscheidungstenor

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.

Gründe

Die Verfassungsbeschwerde ist unzulässig, weil sie den Begründungsanforderungen gemäß § 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 BVerfGG nicht genügt. Die Beschwerdeführerin hat es versäumt, den Beschluss des Oberlandesgerichts Dresden zur Ausgestaltung der Untersuchungshaft, mit dem bei Besuchen die Verwendung einer Trennscheibe angeordnet worden war, vorzulegen oder inhaltlich wiederzugeben. Ohne Kenntnis der Gründe für die Trennscheibenanordnung, auf die das Oberlandesgericht in den angegriffenen Beschlüssen jeweils verwiesen hat, ist eine verantwortliche verfassungsrechtliche Überprüfung nicht möglich.

Die Kammer weist jedoch darauf hin, dass jedenfalls die vorgelegten Beschlüsse eine hinreichende Auseinandersetzung mit den Rechtspositionen der Beschwerdeführerin nicht erkennen lassen. Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutz der staatlichen Ordnung (Art. 6 Abs. 1 GG). Dieser wertentscheidenden Grundsatznorm kommt auch im Haftvollzug besondere Bedeutung zu. Jede Untersuchungshaft von längerer Dauer stellt für die Beziehungen der betroffenen Person zu ihrer Familie regelmäßig eine empfindliche Belastung dar. Ihr Vollzug beeinträchtigt die notwendige Kommunikation zwischen der inhaftierten Person und ihren in Freiheit lebenden Angehörigen und kann dazu beitragen, dass sie einander tiefgreifend entfremdet werden. Aufgabe des Staates ist es, in Erfüllung seiner verfassungsrechtlichen Pflicht aus Art. 6 Abs. 1 GG, für die Erhaltung von Ehe und Familie zu sorgen, solche nachteiligen Auswirkungen des Freiheitsentzuges im Rahmen des Möglichen und Zumutbaren, aber auch unter angemessener Beachtung der Belange der Allgemeinheit zu begrenzen (vgl. BVerfGE 42, 95 <101>).

Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

HRRS-Nummer: HRRS 2019 Nr. 1208

Bearbeiter: Holger Mann