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HRRS-Nummer: HRRS 2018 Nr. 764

Bearbeiter: Christian Becker

Zitiervorschlag: BGH, 3 StR 93/18, Beschluss v. 02.05.2018, HRRS 2018 Nr. 764


BGH 3 StR 93/18 - Beschluss vom 2. Mai 2018 (LG Bad Kreuznach)

Zuwiderhandlung gegen unbefristete Anordnung nach dem Gewaltschutzgesetz (Zeitablauf; Verhältnismäßigkeit; Befristung als Sollvorschrift).

§ 1 Abs. 1 GewSchG; § 4 S. 1 Nr. 1 GewSchG

Leitsätze des Bearbeiters

1. Eine entgegen § 1 Abs. 1 Satz 2 GewSchG unterbliebene Befristung der Anordnung stellt die Strafbarkeit einer Zuwiderhandlung gemäß § 4 Satz 1 Nr. 1 GewSchG nicht in Frage.

2. Unterbleibt bei einer Anordnung nach § 1 Abs. 1 S. 1 GewSchG die Befristung (vgl. § 1 Abs. 1 S. 2 GewSchG), kann die Frage der Strafbarkeit wegen einer Zuwiderhandlung (§ 4 S. 1 Nr. 1 GewSchG) aber nicht davon abhängig gemacht werden, ob die Anordnung zum Tatzeitpunkt aus Verhältnismäßigkeitsgründen noch als Grundlage einer Bestrafung nach § 4 GewSchG dienen konnte. Denn der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ist insoweit keine für die Strafbegründung bedeutsame Kategorie, sondern allenfalls im Hinblick auf die Sanktionierung von Bedeutung.

Entscheidungstenor

Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Bad Kreuznach vom 8. Dezember 2017 wird als unbegründet verworfen, da die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben hat (§ 349 Abs. 2 StPO).

Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Gründe

Hinsichtlich der Verurteilung des Angeklagten wegen Zuwiderhandlung gegen eine Anordnung nach § 1 Abs. 1 Satz 1 des Gewaltschutzgesetzes (GewSchG; § 4 Satz 1 Nr. 1 GewSchG) ist das Landgericht im Ergebnis zu Recht davon ausgegangen, dass die entgegen § 1 Abs. 1 Satz 2 GewSchG unterbliebene Befristung der Anordnung die Strafbarkeit nicht in Frage stellt. Die Strafkammer hat dies im Wesentlichen damit begründet, dass das Tatgericht im Falle einer fehlenden Befristung selbst zu entscheiden habe, ob die Anordnung zum Tatzeitpunkt "aus Verhältnismäßigkeitsgründen" noch als Grundlage einer Bestrafung nach § 4 GewSchG dienen konnte (so auch OLG Celle, Urteil vom 13. Februar 2007 - 32 Ss 2/07, NStZ 2007, 485 f.; vgl. ferner OLG Hamm, Beschluss vom 2. März 2006 - 3 Ss 35/06, NStZ 2007, 486). Diese Begründung stößt auf rechtliche Bedenken, weil der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit keine für die Strafbarkeit eines Verhaltens bedeutsame Kategorie darstellt. Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkte sind nicht für die Strafbegründung relevant, sondern allenfalls im Hinblick auf die Sanktionierung; so kann ein langer Zeitablauf im Falle einer unbefristeten Anordnung möglicherweise Anlass für eine Einstellung des Verfahrens gemäß den §§ 153, 153a StPO bieten. Für die Strafbarkeit einer Zuwiderhandlung gegen eine Anordnung gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 GewSchG ist eine fehlende Befristung indes schon deshalb unerheblich, weil es sich bei § 1 Abs. 1 Satz 2 GewSchG - worauf das Landgericht zutreffend hingewiesen hat - um eine Sollvorschrift handelt, die eine Befristung nur für den Regelfall vorsieht, also auch unbefristete Maßnahmen zulässt.

HRRS-Nummer: HRRS 2018 Nr. 764

Externe Fundstellen: NStZ-RR 2018, 328

Bearbeiter: Christian Becker