HRRS-Nummer: HRRS 2018 Nr. 683
Bearbeiter: Christian Becker
Zitiervorschlag: BGH, StB 14/18, Beschluss v. 28.06.2018, HRRS 2018 Nr. 683
Die Beschwerden des Zeugen A. gegen die Beschlüsse des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs vom 17. April 2018 (3 BGs 136/18 und 3 BGs 137/18) werden verworfen.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten seiner Rechtsmittel zu tragen.
In dem Ermittlungsverfahren gegen die Beschuldigten H. und J. wegen des Verdachts der Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat gemäß § 89a Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2 StGB hat der Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs am 17. April 2018 die Durchsuchung der von dem Beschwerdeführer genutzten Wohn- und Nebenräume einschließlich der dazu gehörigen Kellerräume und Garagen, der Person und seiner Sachen nach näher umschriebenen potentiellen Beweismitteln (3 BGs 136/18) sowie die Durchsuchung des von dem Beschwerdeführer genutzten E-Mail-Postfachs (3 BGs 137/18) angeordnet. Der erstgenannte Beschluss ist am 23. April 2018 vollzogen worden, der die Durchsuchung des E-Mail-Postfachs betreffende Beschluss am 20. April 2018. Die Durchsicht und Auswertung der sechs sichergestellten und asservierten elektronischen Datenträger, von denen fünf an den Beschwerdeführer zurückgegeben worden sind, dauern noch an, ebenso die Durchsicht der mitgeteilten Inhalte des E-Mail-Postfachs und deren Auswertung.
Mit seinen Beschwerden begehrt der Beschwerdeführer die Aufhebung der angefochtenen Beschlüsse bzw. die Feststellung ihrer Rechtswidrigkeit. Er beanstandet, dass die Beschlüsse auf § 103 Abs. 1 Satz 1 StPO gestützt wurden, obwohl „in Wahrheit Durchsuchungsanordnungen nach § 102 StPO“ vorlägen, und bezweifelt eine eigenständige richterliche Prüfung der Durchsuchungsvoraussetzungen; überdies ist er der Ansicht, dass die Zwangsmaßnahmen nicht erforderlich sind und gegen das Übermaßverbot verstoßen. Der Ermittlungsrichter hat den Beschwerden nicht abgeholfen.
Die Rechtsmittel haben keinen Erfolg.
1. Die Beschwerden sind zulässig (§ 304 Abs. 5 StPO), jedoch unbegründet.
Die angegriffenen Beschlüsse des Ermittlungsrichters vom 17. April 2018 erfüllen mit Blick auf die Umgrenzungsfunktion die an sie zu stellenden Anforderungen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 20. April 2004 - 2 BvR 2043/03 u.a., NJW 2004, 3171), tragen einer angemessenen Beschränkung der Zwangsmaßnahme entsprechend der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG, Kammerbeschlüsse vom 21. Juni 1994 - 2 BvR 2559/93, NJW 1994, 3281; vom 22. März 1999 - 2 BvR 2158/98, NStZ 1999, 414) Rechnung und erweisen sich auch im Übrigen als rechtmäßig.
a) Das den Beschuldigten im Sinne eines Anfangsverdachts zur Last gelegte strafbare Verhalten ist in den Beschlüssen vom 17. April 2018 rechtlich als Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat gemäß § 89a Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2 StGB bezeichnet und in dem angefochtenen Beschluss entsprechend dem Erkenntnisstand zum Zeitpunkt der Durchsuchungsanordnung (hierzu BVerfG, Beschluss vom 10. September 2010 - 2 BvR 2561/08, NJW 2011, 291) dargelegt.
Danach war von folgendem Sachverhalt auszugehen: Die Beschuldigten H. und J. vertraten in einem Kreis von fünf Personen, zu denen neben ihnen S., Sch. und G. gehörten, radikale Ansichten, wie in einer Krisensituation an einem noch unbestimmten Tag „X“ Personen des politisch linken Spektrums und entsprechende Organisationen zu beseitigen seien. Sie verwahrten jeweils Waffen, um mit diesen bestimmte - in einem durch den Beschuldigten H. geführten Ordner mit Namen, Anschriften und Lichtbildern verzeichnete - Politiker und sonstige Personen des öffentlichen Lebens, die sich aus Sicht der Beschuldigten für ihr ausländer- und flüchtlingsfreundliches Engagement auszeichnen, zu töten. An den Zeugen S., einen Major der Reserve bei der Regionalen Sicherungs- und Unterstützungskompanie M., richteten sie die Frage, ob es einem Uniformträger in einem Krisenfall leichter möglich wäre, die in dem Ordner bezeichneten Personen durch die Polizeisperren zu schleusen, um sie dann an einen anderen Ort zu bringen, wo sie gesammelt und getötet werden sollten.
Die tatsächlichen Umstände, aus denen sich der Tatverdacht gegen die Beschuldigten ergibt, sind ausreichend dargestellt.
b) Die Durchsuchungsanordnungen in den angefochtenen Beschlüssen erfüllen die Voraussetzungen der §§ 103, 105 Abs. 1 StGB und enthalten alle erforderlichen Angaben (vgl. KK/Bruns, StPO, 7. Aufl., § 103 Rn. 6). Danach ist die Durchsuchung bei Tatunverdächtigen gestattet, wenn Tatsachen vorliegen, aus denen zu schließen ist, dass die gesuchte Person, Spur oder Sache sich in den zu durchsuchenden Räumen befindet. Nach dem Stand der Ermittlungen rechtfertigten konkrete Gründe aufgrund bewiesener Tatsachen (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 11. Januar 2016 - 2 BvR 1361/13, NJW 2016, 1645) die Erwartung, dass sich Spuren der Straftat in den Räumen des (seinerzeit nicht tat- oder teilnahmeverdächtigen) Beschwerdeführers in elektronischen Dateien, Kommunikationsmitteln oder schriftlichen Unterlagen beziehungsweise in seinem E-Mail-Postfach befinden. Dies ergibt sich aus Folgendem:
Der Beschwerdeführer pflegte regen Kontakt mit dem Beschuldigten H., tauschte sich mit ihm zu politischen Themen, insbesondere zur Flüchtlingssituation in der Bundesrepublik Deutschland, aus und brachte übereinstimmende radikale Ansichten zum Umgang mit politischen Gegnern zum Ausdruck.
aa) So ergab die Auswertung der dem Bundeskriminalamt auszugsweise vorliegenden Chatkommunikation eine mutmaßlich vom Beschwerdeführer stammende Mitteilung vom 2. Mai 2015, in der dieser sich über den Beschuldigten H. wie folgt äußert: „Der Typ würde perfekt in unsere Reihen passen. ER hasst die Linken, hat einen gut gefüllte Waffenschrank in der Garage und lebt unter dem Motto: Wenn die Linken irgendwann völlig verrückt spielen, bin ich vorbereitet…".
bb) Die Auswertung des in der Wohnung des Beschuldigten H. sichergestellten Mobiltelefons Samsung (Asservat Nr. 1.1.6.1) ergab, dass dieser dem Beschwerdeführer im März 2016 ein Bild eines in dem sichergestellten gelben Ordner der Firma „herlitz“ verzeichneten Mitglieds der Partei „Die Linke“ übersandte und über dieses am 5. August 2016 schrieb: „Wusstest Du, dass dieser drecks b. geschichte auf lehramt studiert. Solche Typen machen sich dran die Kinder zu agitieren!!!! Ich könnte nur kotzen…". Der Beschwerdeführer antwortete: „Das ist wirklich furchtbar!" und fügte dem einen „traurigen Smiley“ bei.
cc) Im Rahmen der Auswertung der WhatsApp-Kommunikation des Beschuldigten H. (Asservat Nr. 1.1.6.1) und eines Sony-Notebooks (Asservat Nr. 1.1.5.4) wurde festgestellt, dass der Beschuldigte den Beschwerdeführer über ein Wettschießen mit dem Luftgewehr informierte, bei dem er einen“ T. Gedenkpokal 2016" auslobte, von dem er ein Bild an den Beschwerdeführer übersandte. Über den von Mitgliedern der Vereinigung „Nationalsozialistischer Untergrund“ (NSU) in Rostock getöteten T. äußerte sich der Beschuldigte in einem anderen - nicht an den Beschwerdeführer gerichteten - Chat: „Der Arsch war illegal hier und hat Schwarz in dem Döner von seinem Bruder gearbeitet als die nsu ihn ausgeknipst hat. Die linken machen einen Riesen bohai um den, haben für ein schweinegeld ein Denkmal für den errichtet und der dämliche Bruder beschwert sich, dass Rostock noch keine Straße nach ihm benannt hat…". Am 21. April 2017 schrieb der Beschuldigte H. an den Beschwerdeführer: „Sollte der PT [gemeint sein dürfte der Parteitag der Partei „Alternative für Deutschland"] aus Phoenix kommen, werde ich schauen.“ Der Beschwerdeführer antwortete: „Erstmal gibt`s Kloppe mit der Antifa.“ Daraufhin übersandte der Beschuldigte ihm das Bild einer Langwaffe und kommentierte dies mit: „Ich empfehle…". Am 25. Juli 2017 teilte der Beschuldigte dem Beschwerdeführer mit: „Merkel, die Linken, die EU, die dummen Schweine verheren unser schönes land und ich hab eine Wut, das glaubst du nicht. Der Totalitarismus grinst uns schon frech an und wir müssen was dagegen tun.“
dd) Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Beschlüsse des Ermittlungsrichters vom 17. April 2018 (3 BGs 136/18 und 3 BGs 137/18) Bezug genommen.
c) Diese auf tatsächliche Beweismittel gestützten Erkenntnisse rechtfertigen die Schlussfolgerung, dass der Beschwerdeführer zum engeren Bekanntenkreis des Beschuldigten H. zählt und möglicherweise über Pläne zur Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat informiert ist. Da nach den Ermittlungsergebnissen der Beschuldigte H. dem Beschwerdeführer am 25. Juli 2017 das PDF-Dokument „Mitglieder_der ANTIFA_red.pdf“ mit einer Liste mit potentiellen Opfern eines Übergriffes übersandt hat, war auch die Annahme gerechtfertigt, dass weitere Hinweise auf das Vorhaben der Beschuldigten oder zu Waffen und Munition, die dabei Verwendung finden können, in elektronischen Telekommunikationsmitteln, Speichermedien oder in schriftlichen Unterlagen bei dem Beschwerdeführer aufzufinden sind.
d) Eine Ermittlungsdurchsuchung, die eine nichtverdächtige Person betrifft, setzt überdies - anders als im Falle des § 102 StPO für die Durchsuchung beim Tatverdächtigen, bei dem eine allgemeine Aussicht genügt, irgendwelche relevanten Beweismittel zu finden - voraus, dass hinreichend individualisierte (bestimmte) Beweismittel für die den Gegenstand des Verfahrens bildende Straftat gesucht werden. Diese Gegenstände müssen im Durchsuchungsbeschluss so weit konkretisiert werden, dass weder bei dem Betroffenen noch bei dem die Durchsuchung vollziehenden Beamten Zweifel über die zu suchenden und zu beschlagnahmenden Gegenstände entstehen können (BGH, Beschluss vom 21. November 2001 - StB 20/01, NStZ 2002, 215). Ausreichend ist dafür allerdings, dass die Beweismittel der Gattung nach näher bestimmt sind; nicht erforderlich ist, dass sie in allen Einzelheiten bezeichnet werden (BGH, Beschluss vom 15. Oktober 1999 - StB 9/99, NStZ 2000, 154, 155 mwN; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 61. Aufl., § 103 Rn. 6). Diesen Anforderungen werden die angefochtenen Beschlüsse entgegen dem Beschwerdevorbringen gerecht, da sie detailliert die zu suchenden elektronischen Kommunikationsmittel und Speichermedien sowie schriftliche Unterlagen benennen und die darin zu suchenden Inhalte konkretisieren. Damit war den durchsuchenden Beamten hinreichend deutlich aufgezeigt, worauf sie ihr Augenmerk zu richten hatten.
e) Die Durchsuchungsanordnungen standen zum Grad des Tatverdachts und zur Bedeutung und Schwere der aufzuklärenden Straftat ersichtlich in einem angemessenen Verhältnis.
f) Soweit der Beschwerdeführer eine eigenständige Prüfung der Durchsuchungsvoraussetzungen des Ermittlungsrichters in Zweifel zieht, fehlt dafür jeglicher nachvollziehbare Anhaltspunkt.
HRRS-Nummer: HRRS 2018 Nr. 683
Bearbeiter: Christian Becker