HRRS-Nummer: HRRS 2018 Nr. 568
Bearbeiter: Karsten Gaede/Marc-Philipp Bittner
Zitiervorschlag: BGH, 2 StR 559/17, Beschluss v. 07.03.2018, HRRS 2018 Nr. 568
1. Auf die Revision des Angeklagten P. wird das Urteil des Landgerichts Erfurt vom 26. Juni 2017, soweit es ihn betrifft,
a) im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte der Beihilfe zum Mord und der Brandstiftung schuldig ist,
b) mit den zugehörigen Feststellungen im Strafausspruch aufgehoben.
2. Das Verfahren gegen den Angeklagten K. wird eingestellt, soweit er wegen Brandstiftung verurteilt wurde; insoweit fallen die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Angeklagten der Staatskasse zur Last.
3. Auf die Revision des Angeklagten K. wird das vorgenannte Urteil, soweit es ihn betrifft, a) im Schuldspruch dahin geändert, dass er des Mordes schuldig ist, b) insoweit aufgehoben, als der Maßstab für die Anrechnung der im Ausland erlittenen Freiheitsentziehung nicht bestimmt wurde.
4. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an eine andere als Schwurgericht zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
5. Die weitergehenden Revisionen werden verworfen.
Das Landgericht hat die Angeklagten des Mordes und der Brandstiftung schuldig gesprochen. Den Angeklagten K. hat es zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe, den Angeklagten P. zu einer Einheitsjugendstrafe von acht Jahren und sechs Monaten verurteilt. Hiergegen richten sich die Revisionen der Angeklagten. Die Rechtsmittel haben in dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen sind sie unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts hatten die Angeklagten bis zum Sommer 2015 eine enge Beziehung miteinander. Der Angeklagte P. hatte danach vermehrt Kontakt zu dem später getöteten H. Er bat diesen darum, für ihn zwei Fahrzeuge, seinen Fernseher, einen Laptop, sein Rennrad und Kleidungsstücke zu verkaufen, weil er Geld benötigte. H. vertröstete ihn immer wieder mit der Auszahlung des Verkaufserlöses, obwohl der Angeklagte P. dringend darauf hinwies, dass er darauf angewiesen sei. Der Angeklagte P. fühlte sich zudem bedroht, weil ein Brandanschlag auf das Haus verübt wurde, in dem er wohnte, ferner weil er nachts anonyme Anrufe erhielt und befürchtete, dass Personen um das Haus schlichen. Der Angeklagte K., der verstärkt Kontakt zu dem Angeklagten P. suchte, gab ihm zu verstehen, dass er H. umbringen wolle. Dies sei die einzige Möglichkeit, um ohne Angst leben zu können. Er sei „bei der Stasi gewesen“ und wisse was er tue. Der Angeklagte P. glaubte ihm schließlich, dass sich seine Probleme durch die Tötung von H. lösen ließen. Der Angeklagte K. erläuterte ihm seinen Plan, H. in das Ke. zu locken und ihn dort zu erschlagen. P. solle zu einem in der Nähe des Tatorts gelegenen Parkplatz fahren und auf einem Hochsitz warten. Er werde ihn nach der Tötung des Opfers mit einem Pfiff herbeirufen, um ihm dabei zu helfen, die Leiche in das Auto des Opfers zu legen, nach F. zu fahren und das Fahrzeug mit der Leiche dort in Brand zu setzen. Nachdem der Angeklagte K. immer wieder erklärt hatte, es gebe keine andere Möglichkeit, war der Angeklagte P. schließlich einverstanden.
Der Angeklagte K. verabredete sich unter einem Vorwand mit H. zu einem Treffen im Ke. in der Nacht vom 23. zum 24. Oktober 2015. Er führte einen Teleskopschlagstock mit. Damit griff er H. am Tatort überraschend an und versetzte dem Arg- und Wehrlosen mindestens zwölf Schläge gegen den Kopf. H. wurde dadurch handlungsunfähig. Dann stieß der Angeklagte K. einen Pfiff aus und rief den Angeklagten P. herbei, der dem Tatplan entsprechend in der Nähe gewartet hatte. Als der Angeklagte P. ankam, lag H. auf dem Bauch mit dem Kopf im Wasser eines Baches. Der Angeklagte K. nahm einen großen Stein und schlug diesen heftig auf den Kopf des noch lebenden H., der danach starb.
Die Angeklagten konnten seine Leiche nicht wie geplant zum Auto tragen, weshalb sie diese unter einer Brücke ablegten. Dann fuhren sie zu einem Waldstück in der Gemarkung G., wo sie das Fahrzeug des Opfers in Brand setzten.
Die Angeklagten flohen kurz darauf nach C. Von dort kehrte der Angeklagte P. am 24. November 2015 zurück und stellte sich der Polizei. Der Angeklagte K. wurde im Februar 2016 in C. festgenommen und am 8. August 2016 von dort nach Deutschland ausgeliefert.
2. Das Landgericht hat die Angeklagten als Mittäter wegen heimtückisch begangenen Mordes und Brandstiftung verurteilt. Der Angeklagte P. sei auch Mittäter des Mordes gewesen, weil er ein eigenes Interesse an der Tötung von H. verfolgt habe. Er habe mit seinen Tatbeiträgen nicht nur eine Beihilfehandlung begangen. Dafür spreche auch der Umstand, dass er bei dem Schlag des Angeklagten K. mit dem Stein auf den Kopf des Opfers anwesend gewesen sei und hätte eingreifen können.
Die Revision des Angeklagten P. ist zum Teil begründet. Seine Verfahrensrügen haben aus den in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts vom 20. Dezember 2017 genannten Gründen keinen Erfolg. Auch die Sachrüge ist unbegründet, soweit sie sich gegen die Verurteilung wegen Brandstiftung richtet. Jedoch begegnet die Verurteilung wegen Mordes durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
1. Das Landgericht ist zu Unrecht von Mittäterschaft ausgegangen.
a) Bei der Beteiligung mehrerer Personen ist Mittäter, wer seinen eigenen Tatbeitrag so in die Tat einfügt, dass dieser als Teil der Handlung eines anderen Beteiligten und umgekehrt dessen Handeln als Ergänzung des eigenen Tatanteils erscheint. Mittäterschaft erfordert zwar nicht zwingend eine eigene Mitwirkung am Kerngeschehen; ausreichen kann auch eine die Tatbestandsverwirklichung fördernde Vorbereitungs- oder Unterstützungshandlung. Stets muss sich diese Mitwirkung aber nach der Willensrichtung des sich Beteiligenden als Teil der Tätigkeit aller darstellen. Ob ein Beteiligter ein so enges Verhältnis zur Tat hat, ist auf Grund einer wertenden Gesamtbetrachtung aller festgestellten Umstände zu prüfen. Wesentliche Anhaltspunkte können dabei der Grad des eigenen Interesses am Taterfolg, der Umfang der Tatbeteiligung und die Tatherrschaft oder wenigstens der Wille zu ihr sein (vgl. BGH, Urteil vom 15. Januar 1991 - 5 StR 492/90, BGHSt 37, 289, 291; Senat, Beschluss vom 13. September 2017 - 2 StR 161/17, NStZ-RR 2018, 40 mwN).
b) Nach diesem Maßstab hat der Angeklagte P. nur Beihilfe gemäß § 27 StGB zum Mord geleistet.
Der Angeklagte P. war nur bei der letzten Ausführungshandlung unmittelbar vor Ort und hat auch dann nicht aktiv mitgewirkt. Zur Beteiligung an der Tat war er überredet worden. Den Plan, das Opfer in das Ke. zu locken und dort überraschend mit dem Teleskopschlagstock anzugreifen, hatte der Angeklagte K. entwickelt. Er hat die Tatwaffe mitgebracht und die Tötungshandlungen alleine ausgeführt. Er wollte den Angeklagten P. dadurch an sich binden und hat damit ein Eigeninteresse verfolgt.
Bei dieser Sachlage stellt sich das Verhalten des Angeklagten P., auch unter Berücksichtigung des tatrichterlichen Beurteilungsspielraumes, als Beihilfe dar. Die Tatsache, dass er ein eigenes Interesse am Tod des Opfers hatte, um nicht mehr von diesem bedroht zu werden, reicht ebenso wenig wie seine bloße Anwesenheit bei der letzten Ausführungshandlung und seine Mitwirkung bei der Beseitigung von Leiche und Fahrzeug des Opfers aus, um seine Tatbeiträge als mit der Planung und Ausführung des Mordes durch den Angeklagten K. annähernd gleichwertig erscheinen zulassen.
2. Der Senat ändert den Schuldspruch in Beihilfe zum Mord ab. Es ist auszuschließen, dass ein neuer Tatrichter weitere Feststellungen treffen könnte, aus denen sich eine Mittäterschaft des Angeklagten P. ergeben würde. Die Angeklagten haben sich in der Hauptverhandlung nicht zur Sache geäußert. Das Landgericht hat sich auf die Äußerungen des Angeklagten P. im Vorverfahren gestützt, die es ohne Rechtsfehler als glaubhaft angesehen hat.
§ 265 Abs. 1 StPO steht der Änderung des Schuldspruchs nicht entgegen, weil der Angeklagte P. sich gegen die Verurteilung wegen Beihilfe zum Mord nicht anders als geschehen hätte verteidigen können.
3. Die Änderung des Schuldspruchs zwingt zur Aufhebung der Einheitsjugendstrafe.
1. Der Senat hat das Verfahren auf Antrag des Generalbundesanwalts gemäß § 154 Abs. 2 StPO vorläufig eingestellt, soweit der Angeklagte K. wegen Brandstiftung verurteilt wurde; insoweit könnte ein - behebbares - Verfahrenshindernis wegen des im Auslieferungsverfahren nicht beachteten Grundsatzes der Spezialität vorliegen.
2. Die Verfahrensbeschränkung führt zur Änderung des Schuldspruchs. Der Strafausspruch bleibt unberührt. Das Landgericht hat die lebenslange Freiheitsstrafe gemäß § 211 Abs. 1 StGB in der Urteilsformel nicht als Gesamtstrafe bezeichnet.
3. Rechtlich zu beanstanden ist das Urteil schließlich, soweit das Landgericht den Maßstab für die Anrechnung der Auslieferungshaft in C. nicht festgelegt hat. Gemäß § 51 Abs. 4 Satz 2 StGB hat das Gericht den Anrechnungsmaßstab für eine in dieser Sache erlittene Freiheitsentziehung zu bestimmen. Dies muss auch in der Urteilsformel zum Ausdruck gebracht werden (vgl. BGH, Beschluss vom 10. Juli 2014 - 1 StR 247/14, BGHR StGB § 51 Abs. 4 Anrechnung 7; Beschluss vom 3. November 2017 - 3 StR 293/17). Der Senat kann die Bestimmung des Anrechnungsmaßstabs nicht selbst vornehmen, weil das Landgericht keine Feststellungen zu den Umständen der Auslieferungshaft in Chile getroffen hat. Es liegt auch kein Fall vor, in dem ersichtlich nur eine Anrechnung nach dem Maßstab eins zu eins in Betracht käme.
HRRS-Nummer: HRRS 2018 Nr. 568
Bearbeiter: Karsten Gaede/Marc-Philipp Bittner