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HRRS-Nummer: HRRS 2018 Nr. 304

Bearbeiter: Christian Becker

Zitiervorschlag: BGH, 3 StR 586/17, Beschluss v. 23.01.2018, HRRS 2018 Nr. 304


BGH 3 StR 586/17 - Beschluss vom 23. Januar 2018 (LG Wuppertal)

Rechtsfehler bei der Strafzumessung im Betäubungsmittelstrafrecht (Doppelverwertungsverbot; in-den-Verkehr-Gelangen der Betäubungsmittel; Art und Gefährlichkeit des Rauschgifts; mittlere Gefährlichkeit von Amphetamin; „weiche“ Drogen).

§ 29 BtMG; § 46 StGB

Leitsätze des Bearbeiters

1. Es begründet regelmäßig einen Verstoß gegen das in § 46 Abs. 3 StGB geregelte Doppelverwertungsverbot, wenn bei der Strafzumessung zum Nachteil des Angeklagten gewertet wird, dass die gehandelten Betäubungsmittel in den Verkehr gelangt sind. Denn das Handeltreiben mit Betäubungsmitteln umfasst typischerweise deren Verkauf an andere Personen und damit auch, dass die Betäubungsmittel in den Verkehr geraten.

2. Der Art des Rauschgifts und seiner Gefährlichkeit kommt im Rahmen der Strafzumessung grundsätzlich eine eigenständige Bedeutung zu. Dabei besteht ein für die Strafzumessung maßgebliches Stufenverhältnis von so genannten harten Drogen wie Heroin oder Kokain über Amphetamin, das auf der Gefährlichkeitsskala einen mittleren Platz einnimmt, bis hin zu so genannten weichen Drogen wie Cannabis. Daran gemessen ist es verfehlt, dem Umstand, dass es sich bei Amphetamin nicht um eine weiche Droge handelt, strafschärfendes Gewicht beizumessen.

Entscheidungstenor

Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Wuppertal vom 22. Juni 2017 im Strafausspruch aufgehoben; jedoch bleiben die zugehörigen Feststellungen aufrechterhalten.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in acht Fällen jeweils in Tateinheit mit unerlaubtem Erwerb von Betäubungsmitteln zu der Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und acht Monaten verurteilt und seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet. Dagegen wendet sich der Beschwerdeführer mit seiner auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

1. Der Strafausspruch hält rechtlicher Überprüfung nicht stand.

Das Landgericht hat die verhängten Einzelstrafen jeweils dem - gemäß § 31 BtMG i.V.m. § 49 Abs. 1 StGB gemilderten - Strafrahmen des § 29a Abs. 1 BtMG entnommen und die Annahme minder schwerer Fälle im Sinne des § 29a Abs. 2 BtMG sowohl nach Würdigung allein der allgemeinen Strafzumessungskriterien als auch unter zusätzlicher Berücksichtigung des vertypten Strafmilderungsgrundes der Aufklärungshilfe gemäß § 31 BtMG abgelehnt. In diesem Rahmen hat die Strafkammer ebenso wie bei der anschließenden konkreten Strafzumessung zum Nachteil des Angeklagten in die Abwägung eingestellt, „dass es sich bei Amphetamin nicht um eine weiche Droge handelt, und dass das Amphetamin zum überwiegenden Teil in den Verkehr gelangte“.

Diese Erwägungen erweisen sich mit Blick auf das Doppelverwertungsverbot gemäß § 46 Abs. 3 StGB als durchgreifend rechtsfehlerhaft. Denn zum einen erfasst das Handeltreiben mit Betäubungsmitteln typischerweise deren Verkauf an andere Personen (BGH, Beschluss vom 28. November 2003 - 2 StR 403/03, BGHR StGB § 46 Abs. 3 Handeltreiben 5) und damit auch, dass die Betäubungsmittel in den Verkehr geraten (BGH, Beschluss vom 14. Juni 2017 - 3 StR 97/17, juris Rn. 11).

Darüber hinaus sind die Erwägungen des Landgerichts auch nicht frei von Bedenken, soweit es strafschärfend berücksichtigt, dass es sich bei Amphetamin nicht um eine weiche Droge handelt. Zwar kommt der Art des Rauschgifts und seiner Gefährlichkeit im Rahmen der Strafzumessung grundsätzlich eine eigenständige Bedeutung zu (vgl. BGH, Beschluss vom 15. Juni 2016 - 1 StR 72/16, NStZ-RR 2016, 313, 314). Jedoch besteht nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ein für die Strafzumessung maßgebliches Stufenverhältnis von so genannten harten Drogen wie Heroin oder Kokain über Amphetamin, das auf der Gefährlichkeitsskala einen mittleren Platz einnimmt, bis hin zu so genannten weichen Drogen wie Cannabis (vgl. BGH, Beschluss vom 15. Juni 2016 - 1 StR 72/16, NStZ-RR 2016, 313, 314). Daran gemessen ist es verfehlt, dem Umstand, dass es sich bei Amphetamin nicht um eine weiche Droge handelt, strafschärfendes Gewicht beizumessen (vgl. BGH, Beschluss vom 14. Juni 2017 - 3 StR 97/17, juris Rn. 13).

Das Urteil beruht auf diesen Rechtsfehlern, denn der Senat kann nicht ausschließen, dass sich die genannten Erwägungen des Landgerichts bei der Strafrahmenwahl sowie der Bemessung der Einzelstrafen und der Gesamtstrafe zum Nachteil des Angeklagten ausgewirkt haben.

2. Die zugrundeliegenden Feststellungen sind von dem aufgezeigten Wertungsfehler nicht betroffen und werden daher von der Aufhebung nicht umfasst (§ 353 Abs. 2 StPO). Das neue Tatgericht kann ergänzende Feststellungen treffen, soweit sie zu den bisherigen nicht in Widerspruch stehen.

3. Die Abfassung der Urteilsgründe gibt dem Senat darüber hinaus Anlass, darauf hinzuweisen, dass die Sachverhaltsschilderung kurz, klar und bestimmt sein und alles Unwesentliche fortlassen soll (Meyer-Goßner/Appl, Die Urteile in Strafsachen, 28. Aufl., Rn. 271). Gleiches gilt entsprechend für die - in einem eigenen Abschnitt darzustellende - Beweiswürdigung, in der das Beweisergebnis nur so weit erörtert werden soll, wie es für die Entscheidung von Bedeutung ist (Meyer-Goßner/Appl, Die Urteile in Strafsachen, 28. Aufl., Rn. 348 ff.). Dem entspricht es nicht, wenn etwa im Rahmen der „Feststellungen“ unter Ziff. II der Urteilsgründe mitgeteilt wird, aufgrund welcher polizeilicher Ermittlungsmaßnahmen Erkenntnisse zu den Taten und den Beteiligten gewonnen und deren Identitäten aufgedeckt werden konnten (UA S. 9), oder wenn detailliert geschildert wird, welcher Polizeibeamte in welcher Weise das Protokoll zur verantwortlichen Vernehmung des Angeklagten nach dessen Festnahme erstellt hat, und aus welchem Grund der Angeklagte auf seine Vernehmung warten musste und hierüber verärgert war (UA S. 13).

HRRS-Nummer: HRRS 2018 Nr. 304

Externe Fundstellen: NStZ-RR 2018, 185 ; StV 2018, 488

Bearbeiter: Christian Becker