HRRS-Nummer: HRRS 2018 Nr. 286
Bearbeiter: Christoph Henckel/Karsten Gaede
Zitiervorschlag: BGH, 4 StR 66/17, Beschluss v. 20.12.2017, HRRS 2018 Nr. 286
1. Auf die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Arnsberg vom 1. Juli 2016 wird
a) das Verfahren eingestellt, soweit der Angeklagte in den Fällen III. 17, 19, 21, 23, 27, 29, 31 bis 37 und 44 der Urteilsgründe verurteilt worden ist; insoweit fallen die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Angeklagten der Staatskasse zur Last;
b) das vorgenannte Urteil im Schuldspruch klarstellend wie folgt neu gefasst:
Der Angeklagte ist der Urkundenfälschung in 16 Fällen, des Betrugs in 29 Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit Urkundenfälschung, des versuchten Betrugs in drei Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit Urkundenfälschung, der Beihilfe zum Betrug, der Beihilfe zum versuchten Betrug in zwei Fällen und des Subventionsbetrugs in sechs Fällen schuldig.
2. Die weiter gehende Revision wird verworfen.
3. Der Angeklagte hat die verbleibenden Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen „Urkundenfälschung in sechzehn Fällen, Betruges in dreiundvierzig Fällen, wobei es in zwei Fällen beim Versuch blieb, wegen Beihilfe zum Betrug in vier Fällen, wobei es in zwei Fällen beim Versuch des Betruges blieb, wegen Subventionsbetruges in sechs Fällen sowie wegen Betruges in Tateinheit mit Urkundenfälschung in zwei Fällen, wobei es in einem Fall beim Versuch des Betruges blieb,“ zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und elf Monaten verurteilt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt. Gegen seine Verurteilung wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die Rüge der Verletzung formellen und sachlichen Rechts gestützten Revision. Das Rechtsmittel führt in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang zur Einstellung des Verfahrens; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
1. Auf Antrag des Generalbundesanwalts hat der Senat das Verfahren aus verfahrensökonomischen Gründen gemäß § 154 Abs. 2 StPO eingestellt, soweit der Angeklagte in den Fällen III. 17, 19, 21, 23, 27, 31 bis 37 und 44 der Urteilsgründe wegen Betrugs und im Fall III. 29 wegen Beihilfe zum Betrug verurteilt worden ist.
a) In den Fällen III. 17, 19, 21, 23, 27, 31 bis 37 der Urteilsgründe sind durch die vom Landgericht hierzu getroffenen - äußerst knappen - Feststellungen die Voraussetzungen eines Betrugs zum Nachteil der jeweiligen gesetzlichen Krankenkasse zumal mit Blick auf die Besonderheiten des kassenärztlichen Versorgungs- und Abrechnungssystems (vgl. dazu BGH, Beschlüsse vom 29. März 2012 - GSSt 2/11, BGHSt 57, 202; vom 16. August 2016 - 4 StR 1 2 3 163/16, NJW 2016, 3253; OLG Stuttgart, NStZ-RR 2013, 174; zur sozialgerichtlichen Rechtsprechung BSGE 105, 157) nicht ausreichend dargetan.
b) Im Fall III. 29 der Urteilsgründe tragen die Feststellungen die Verurteilung des Angeklagten wegen Beihilfe zu einem vollendeten Betrug schon deshalb nicht, weil den Urteilsgründen nicht zu entnehmen ist, dass dem hierzu nicht anspruchsberechtigten Zeugen S. das mit Unterstützung des Angeklagten beantragte Insolvenzgeld tatsächlich ausgezahlt wurde.
c) Im Fall III. 44 der Urteilsgründe begegnet der Strafausspruch rechtlichen Bedenken. Das Landgericht hat die Strafe dem Strafrahmen des § 263 Abs. 3 StGB entnommen. Die Feststellungen rechtfertigen jedoch weder die Annahme gewerbsmäßigen Handelns des Angeklagten gemäß § 263 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 StGB noch diejenige des Herbeiführens eines Vermögensverlusts großen Ausmaßes im Sinne des § 263 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 StGB.
aa) Ein gewerbsmäßiges Handeln des Angeklagten ist mit Blick darauf, dass die Nutzung des von ihm in seiner Eigenschaft als faktischer Geschäftsführer der V. GmbH von der M. GmbH geleasten Fahrzeugs allein durch den Scheingeschäftsführer der V. GmbH erfolgen und damit diesem der erstrebte Vermögensvorteil zufallen sollte (vgl. BGH, Beschluss vom 26. Februar 2014 - 4 StR 584/13, StraFo 2014, 215 mwN), nach den bisherigen Feststellungen nicht dargetan.
bb) Die Annahme des Landgerichts, der Angeklagte habe einen Vermögensverlust großen Ausmaßes herbeigeführt, wird von den Feststellungen ebenfalls nicht getragen. Es bleibt bereits unklar, auf welcher Grundlage die Strafkammer die Schadensbemessung vorgenommen hat. Weder der mit 78.935 Euro festgestellte Wert des Leasingfahrzeugs noch die einen Betrag von 55.250,40 Euro ergebende Summe aller Leasingraten im Vertragszeitraum bildet den Vermögensabfluss bei der getäuschten M. GmbH zum Verfügungszeitpunkt ab.
Die Summe sämtlicher innerhalb der Leasinglaufzeit fällig werdenden Raten von 55.250,40 Euro kann für den Wert des Vermögensabflusses schon deshalb nicht herangezogen werden, weil in ihr der mit dem Vertrag typischerweise zu erzielende Gewinn der Leasinggeberin enthalten ist. Ein ausbleibender Gewinn fließt zum Zeitpunkt der Vermögensverfügung nicht unmittelbar aus dem Vermögen des Geschädigten ab, sondern lediglich seinem Vermögen nicht zu.
Wegen des der Leasinggeberin verbleibenden Eigentums am Fahrzeug umfasst der Vermögensabfluss bei ihr zum Zeitpunkt der Vermögensverfügung auch nicht den gesamten, mit 78.935 Euro festgestellten Wert des an die V. GmbH überlassenen Leasingfahrzeugs. Das verbleibende Eigentum am Leasingfahrzeug darf bei der Berechnung des Vermögensschadens (vgl. BGH, Urteile vom 2. Februar 2016 - 1 StR 437/15, BGHR StGB § 263 Abs. 1 Vermögensschaden 86; vom 24. März 2016 - 2 StR 344/14, BGHR StGB § 263 Abs. 1 Vermögensschaden 92; vom 21. April 2016 - 1 StR 456/15, BGHR StGB § 263 Abs. 1 Vermögensschaden 89) nur dann unberücksichtigt bleiben, wenn der Leasingnehmer von Anfang an beabsichtigt, der Leasinggeberin das Fahrzeug gänzlich zu entziehen und das Eigentum dadurch aus ihrem Vermögen herauszunehmen (vgl. BGH, Urteil vom 6. September 2006 - 5 StR 156/06, wistra 2007, 18, 21; Beschluss vom 18. Oktober 2011 - 4 StR 346/11, NStZ 2012, 276). Dies ist den Urteilsgründen nicht zu entnehmen.
Der Senat kann nicht ausschließen, dass bei zutreffender Schadensbemessung die für die Anwendbarkeit des § 263 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 StGB maßgebliche Wertgrenze von 50.000 Euro (vgl. BGH, Urteile vom 7. Oktober 2003 - 1 StR 274/03, BGHSt 48, 360, 361 ff.; vom 20. Dezember 2012 - 4 StR 55/12 Rn. 52; LK-StGB/Tiedemann, 12. Aufl., § 263 Rn. 298a) nicht erreicht worden wäre.
2. Im verbleibenden Umfang erweist sich das Rechtsmittel des Angeklagten als unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO. Ergänzend zu den Ausführungen des Generalbundesanwalts in seiner Antragsschrift bemerkt der Senat:
a) Die Feststellungen tragen in den Fällen III. 38 bis 43 der Urteilsgründe jeweils die Verurteilung wegen Subventionsbetrugs.
In sämtlichen Fällen verschleierte der Angeklagte gegenüber den für die Bewilligung der Subventionen zuständigen Behörden, dass es sich bei den förderfähigen Maßnahmen (Arbeitsverhältnisse und Existenzgründungsseminare) lediglich um Scheingeschäfte im Sinne von § 4 Abs. 1 SubvG, § 117 Abs. 1 BGB handelte. Hierdurch machte er unrichtige Angaben über subventionserhebliche Tatsachen im Sinne des § 264 Abs. 8 Nr. 2 StGB.
Da die ohne marktmäßige Gegenleistung gewährten wirtschaftsfördernden Leistungen im Fall III. 38 der Urteilsgründe ausschließlich, in den übrigen Fällen anteilig aus öffentlichen Mitteln des Bundes stammten (§ 264 Abs. 7 Nr. 1 StGB), ergibt sich die Subventionserheblichkeit der die Scheingeschäfte verschleiernden Angaben im Sinne des § 264 Abs. 8 Nr. 2 StGB aus § 4 Abs. 1 SubvG. Diese Vorschrift verbietet die Subventionierung von Scheingeschäften zwingend mit der Folge, dass die Bewilligung und Gewährung der Subvention vom Nichtvorliegen eines bloßen Scheingeschäfts gesetzlich abhängig ist (vgl. BGH, Beschlüsse vom 28. Mai 2014 - 3 StR 206/13, BGHSt 59, 244, 249 f.; vom 11. Oktober 2017 - 4 StR 572/16, Rn. 6). Der Senat kann daher - auch für den Schuldumfang - weiterhin offen lassen, ob sich die Subventionserheblichkeit des Nichtbestehens eines Scheingeschäfts für die in den Fällen III. 39 bis 43 der Urteilsgründe anteilig aus Mitteln des Europäischen Sozialfonds gewährten Zuwendungen auch aus Europäischem Recht begründen ließe (vgl. BGH, Beschluss vom 11. Oktober 2017 - 4 StR 572/16, Rn. 8 f.).
b) Im Fall III. 70 der Urteilsgründe, in dem der Angeklagte wegen versuchten Betrugs in Tateinheit mit Urkundenfälschung verurteilt worden ist, hält der Strafausspruch im Ergebnis revisionsrechtlicher Prüfung stand.
Zwar hat das Landgericht rechtsfehlerhaft die Strafe dem - gemäß § 23 Abs. 2, § 49 Abs. 1 StGB gemilderten - Strafrahmen des § 263 Abs. 3 StGB entnommen, weil der Versuch „auf die Herbeiführung eines Vermögensverlusts großen Ausmaßes und damit auf die Verwirklichung eines Regelbeispiels im Sinne des § 263 Abs. 3 Nr. 2 StGB gerichtet“ gewesen sei. Die Regelwirkung nach dieser Vorschrift wird indes nach ständiger Rechtsprechung nur dann begründet, wenn der Täter den Vermögensverlust herbeiführt, dieser also tatsächlich eingetreten ist (BGH, Urteil vom 7. Oktober 2003 - 1 StR 212/03, BGHSt 48, 354, 359; Beschlüsse vom 17. November 2006 - 2 StR 388/06, BGHR StGB § 263 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 Vermögensverlust 6; vom 9. Januar 2007 - 4 StR 428/06, wistra 2007, 183, 184; vom 24. März 2009 - 3 StR 598/08, NStZ-RR 2009, 206, 207; LK-StGB/Tiedemann, aaO, § 263 Rn. 298; Fischer, StGB, 65. Aufl., § 263 Rn. 215).
Auf diesem Rechtsfehler beruht die Bemessung der Strafe in diesem Fall aber nicht, weil die Feststellungen hinreichend ergeben, dass der Angeklagte gewerbsmäßig im Sinne des § 263 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 StGB handelte. Gewerbsmäßig handelt, wer sich aus wiederholter Tatbegehung eine nicht nur vorübergehende, nicht ganz unerhebliche Einnahmequelle verschaffen will (BGH, Beschluss vom 23. Juli 2015 - 3 StR 518/14, NStZ-RR 2015, 341, 343; LK-StGB/Rissing-van Saan, aaO, vor § 52 Rn. 80). Nach den Feststellungen beruhte das Vorgehen des Angeklagten im Fall III. 70 der Urteilsgründe auf seiner zusammen mit mindestens zwei Bekannten gefassten Idee, sich „durch den Verkauf billig erworbener Immobilien zu überhöhten, bankenfinanzierten Preisen an fiktive Personen eine Geldquelle zu erschließen und den Gewinn unter sich aufzuteilen“ (UA 42 f.).
Der Senat schließt aus, dass das Landgericht der Strafzumessung einen anderen Strafrahmen zugrunde gelegt oder auf eine mildere Einzelstrafe erkannt hätte, wenn es anstatt auf den Versuch des Angeklagten, einen Vermögensverlust großen Ausmaßes herbeizuführen, auf sein gewerbsmäßiges Handeln abgestellt hätte, zumal in diesem Fall die beträchtliche Höhe des erstrebten Schadens bei der konkreten Strafzumessung zu berücksichtigen war. Mit Blick auf das umfassende Geständnis des Angeklagten hätte er sich gegen den Vorwurf gewerbsmäßigen Handelns auch nicht wirksamer als geschehen verteidigen können (§ 265 StPO).
c) Der Wegfall der Einzelstrafen in den Fällen III. 17, 19, 21, 23, 27, 29, 31 bis 37 und 44 der Urteilsgründe lässt den Gesamtstrafenausspruch unberührt. Ausgehend von der verbleibenden Einsatzstrafe von einem Jahr im Fall III. 70 der Urteilsgründe und den weiteren Einzelstrafen von zehn Mal zehn Monaten, 31 Mal acht Monaten, vier Mal sechs Monaten, drei Mal vier Monaten, zwei Mal zwei Monaten und den sechs Einzelgeldstrafen zwischen 30 und 90 Tagessätzen schließt der Senat aus, dass das Landgericht auf eine noch geringere als die - ohnehin mit Blick auf einen angemessenen Schuldausgleich kaum vertretbar milde - Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und elf Monaten erkannt hätte.
3. Das Urteil gibt Anlass zu bemerken, dass auch im Fall einer Verfahrensabsprache keine verringerten Sorgfaltsanforderungen an die Abfassung der Urteilsgründe zu stellen sind.
HRRS-Nummer: HRRS 2018 Nr. 286
Externe Fundstellen: NStZ-RR 2018, 109
Bearbeiter: Christoph Henckel/Karsten Gaede