HRRS-Nummer: HRRS 2017 Nr. 522
Bearbeiter: Karsten Gaede/Marc-Philipp Bittner
Zitiervorschlag: BGH, 2 StR 435/16, Beschluss v. 07.03.2017, HRRS 2017 Nr. 522
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Rostock vom 8. Juni 2016
a) im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte der Beihilfe zur gefährlichen Körperverletzung und zur Freiheitsberaubung schuldig ist,
b) im Strafausspruch aufgehoben; jedoch bleiben die zugehörigen Feststellungen aufrechterhalten.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.
Das Landgericht hatte den Angeklagten in einem ersten Urteil freigesprochen. Nach Aufhebung dieses Urteils aufgrund einer Revision der Staatsanwaltschaft durch Urteil des Senats vom 12. August 2015 - 2 StR 115/15 - hat das Landgericht den Angeklagten nunmehr wegen tateinheitlich begangener Beihilfe zur versuchten räuberischen Erpressung, zur gefährlichen Körperverletzung und zur Freiheitsberaubung unter Einbeziehung der Strafe aus einem zwischenzeitlich ergangenen Strafbefehl zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten verurteilt. Hiergegen richtet sich seine auf die Sachrüge gestützte Revision. Das Rechtsmittel hat in dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
Nach den Feststellungen des Landgerichts wohnten der Angeklagte, der frühere Mitangeklagte S. und der Geschädigte N. in einer Obdachlosenunterkunft in R. Der frühere Mitangeklagte Sc. hatte eine eigene Wohnung. Nachdem sich die Männer in der Nähe eines Einkaufsmarktes getroffen hatten, schlug Sc. vor, den Abend in seiner Wohnung zu verbringen, wo der bevorstehende Geburtstag des Angeklagten gefeiert werden sollte. Sc. kaufte einen Kasten Bier und alle begaben sich in seine Wohnung, die aus einem Wohnzimmer mit Küchenzeile, einem Bad, Flur und Balkon bestand. Die Anwesenden tranken - mit Ausnahme des Angeklagten - das mitgebrachte Bier. Zwischenzeitlich erschien der Zeuge F., der angetrunken war und alsbald einschlief.
In der Nacht kam es zu einer Auseinandersetzung zwischen Sc. und N. Sc. versetzte N. kräftige Faustschläge und Fußtritte. Dadurch entstand eine Blutblase, die der Geschädigte im Bad öffnete. Er wollte danach die Wohnung verlassen, wurde aber von Sc. daran gehindert, der ihn anwies, sich in eine Ecke des Wohnzimmers zu setzen und nicht weg zu bewegen. In der Folgezeit versetzte Sc., der auch die Wohnungstür abgeschlossen hatte, dem Geschädigten weitere Schläge und trat ihn mit den Füßen, an denen er Turnschuhe trug. Als das mitgebrachte Bier ausgetrunken war, verließ der Angeklagte, der sich an den von ihm wahrgenommenen Misshandlungen nicht beteiligt hatte, für kurze Zeit die Wohnung, um auf Geheiß von Sc. weiteres Bier zu kaufen. Dazu wurde die Wohnungstür aufgeschlossen und anschließend wieder abgeschlossen.
Sc. misshandelte den Geschädigten im Lauf der Nacht durch Schläge und Tritte weiter. Dazu wechselte er auch das Schuhwerk und zog Arbeitsschuhe an, mit denen er den Geschädigten gegen Kopf und Oberkörper trat. Später wickelte Sc. dem Geschädigten einen Bademantelgürtel um den Hals und zog derart zu, dass es zweimal „knackte“ und dieser keine Luft mehr bekam. Weil der Geschädigte blutete, forderte Sc. ihn auf, ins Bad zu gehen. S. begleitete den Geschädigten dorthin und äußerte, man könne ihn in die Badewanne legen und dort ausbluten lassen. Darauf verließ der Geschädigte völlig verängstigt das Bad. S. versetzte ihm einen weiteren Faustschlag. In seiner Verzweiflung nahm der Geschädigte ein Küchenmesser, hielt es sich an den Hals und erklärte: „Die Sache könnt ihr dann ja den Bullen erklären“. Sc. nahm dem Geschädigten das Messer weg.
Sc. verlangte schließlich von dem Geschädigten ohne rechtlichen Grund die Zahlung von 200 Euro und unterstrich sein Verlangen durch weitere Schläge. Als N. erklärte, nicht über so viel Geld zu verfügen, verlangte Sc. eine Ratenzahlung. Nachdem der Geschädigte erklärte, auch dazu nicht in der Lage zu sein, holte Sc. einen Notizblock, schrieb darauf: „200 € am 31.03.14“ und forderte den Geschädigten auf, dies zu unterschreiben. Dem folgte N. aus Angst vor weiteren Misshandlungen. Sc. legte den Notizblock auf den Wohnzimmertisch und beruhigte sich. „Auch diese Handlung registrierte der Angeklagte und duldete sie stillschweigend“.
Am Morgen des 20. März 2014 erwachte der Zeuge F. und erklärte, er müsse zur Arbeit gehen. Sc. schloss die Wohnungstür auf, um F. hinauszulassen. Diese Ablenkung nutzte der Geschädigte, um über den Balkon zu fliehen.
Die Strafkammer hat den Angeklagten wegen Beihilfe zu allen Haupttaten verurteilt, die Sc. und S. begangen haben.
Die Revision des Angeklagten ist begründet.
Den Urteilsgründen ist nicht zu entnehmen, warum dem Angeklagten als Gehilfen - über die vor allem mit dem Herbeiholen von Bier für die Haupttäter gekennzeichneten Förderung der Misshandlung des Geschädigten und der Freiheitsberaubung hinaus - auch der Versuch einer räuberischen Erpressung durch Sc. zuzurechnen sein soll. Alleine die Beihilfe zu den lange andauernden Misshandlungen und der Freiheitsberaubung führt nicht ohne weiteres dazu, dass dem Angeklagten auch eine Förderung des überraschend in einem engeren Teil des Tatzeitraums begangenen Erpressungsversuchs zugerechnet werden kann. Dabei hat es sich um einen „Exzess des Täters“ gehandelt (vgl. LK/Schünemann, StGB, 12. Aufl., § 27 Rn. 62).
Das Landgericht hat nicht festgestellt, dass der Angeklagte die Nötigung des Geschädigten zum Anerkennen einer von Sc. erfundenen Forderung objektiv gefördert und sich sein - zumindest bedingter - Vorsatz auf jene Haupttat und seine eigene Beihilfehandlung erstreckt hat. Dazu genügt die Feststellung nicht: „Auch diese Handlung registrierte der Angeklagte und duldete sie stillschweigend“.
Der Senat schließt aus, dass weitergehende Feststellungen getroffen werden können. Er ändert daher den Schuldspruch ab. § 265 Abs. 1 StPO steht nicht entgegen, weil der Angeklagte sich gegen den verbleibenden Schuldspruch nicht anders als geschehen hätte verteidigen können.
Die Änderung des Schuldspruchs zwingt zur Aufhebung des Strafausspruchs. Da nur ein Wertungsfehler vorliegt, können die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen zur Straffrage aufrecht erhalten bleiben.
HRRS-Nummer: HRRS 2017 Nr. 522
Bearbeiter: Karsten Gaede/Marc-Philipp Bittner