HRRS-Nummer: HRRS 2017 Nr. 353
Bearbeiter: Christoph Henckel/Karsten Gaede
Zitiervorschlag: BGH, 4 StR 470/16, Beschluss v. 09.11.2016, HRRS 2017 Nr. 353
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Essen vom 23. Juni 2016 mit den Feststellungen aufgehoben,
a) in den Fällen II. 2 bis II. 6 der Urteilsgründe sowie
b) im Fall II. 1 der Urteilsgründe im gesamten Strafausspruch (Einzelstrafe und erste Gesamtstrafe).
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weiter gehende Revision wird verworfen.
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Betruges unter Einbeziehung der Einzelstrafen aus einem Urteil vom 26. November 2013 unter Auflösung der dort verhängten Gesamtstrafe zu einer (ersten) Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und zwei Monaten verurteilt. Weiter hat es ihn wegen Betruges und wegen Computerbetruges in vier Fällen zu einer (zweiten) Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und vier Monaten verurteilt. Die Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt, hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen, überwiegenden Erfolg; im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
Die Rüge der Verletzung formellen Rechts ist nicht näher ausgeführt und daher unzulässig (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO).
Indes hält das angefochtene Urteil der auf die Sachrüge gebotenen rechtlichen Nachprüfung in mehrfacher Hinsicht nicht stand.
1. Im Fall II. 1 (Tat zum Nachteil der Eheleute T.) ist zwar der Schuldspruch wegen Betruges (§ 263 Abs. 1 StGB) aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden; jedoch können der Ausspruch über die Einzelstrafe und damit auch derjenige über die unter Einbeziehung der Strafen aus dem Urteil des Amtsgerichts Gelsenkirchen vom 26. November 2013 gebildete (erste) Gesamtstrafe nicht bestehen bleiben.
a) Die im Rahmen der Strafzumessung zu Lasten des Angeklagten angestellte Erwägung, dieser habe bei Begehung dieser Tat (Tatzeit zwischen August und Oktober 2013) unter laufender Bewährung gestanden, wird im angefochtenen Urteil nicht hinreichend belegt.
Zwar wurde der Angeklagte nach den Feststellungen durch Urteil des Amtsgerichts Bochum vom 14. Dezember 2010 wegen Vorenthaltens von Arbeitsentgelt in 40 Fällen zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Zum Vollstreckungsstand wird aber lediglich mitgeteilt, dass diese Strafe im Mai 2014 erlassen wurde. Mangels Mitteilung des Datums der Rechtskraft sowie der Dauer der Bewährungszeit ist dem Senat die Überprüfung verwehrt, ob die Erwägung zum Bewährungsversagen des Angeklagten, die für die Strafkammer bestimmendes Gewicht hatte (§ 267 Abs. 3 Satz 1 StPO), auf einer zutreffenden Tatsachengrundlage beruht.
2. Die Verurteilung wegen Betruges im Fall II. 2 der Urteilsgründe (Tat zum Nachteil der Geschädigten C. und A.) hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand, weil die Beweiswürdigung unklar ist.
a) Das Landgericht hat dazu festgestellt, dass der Geschädigte C. dem Angeklagten einen Betrag von 5.800 € in bar zur Bezahlung einer Reise in die Türkei aushändigte, die dieser über die Firma D. für die Familie des Geschädigten und die eines Freundes buchen sollte. Entgegen der getroffenen Absprache zahlte der Angeklagte, der keinen Überblick über seine Finanzen hatte und insbesondere nicht über eine geordnete Buchführung verfügte, wie von Anfang an beabsichtigt, nur 3.000 € an die Firma D., den Rest des Geldes verwendete er für eigene Zwecke.
b) Dass der Angeklagte, wovon die Strafkammer ersichtlich ausgegangen ist, die objektiven und subjektiven Voraussetzungen eines vollendeten Eingehungsbetrugs erfüllt hat, wird im angefochtenen Urteil nicht hinreichend belegt. Denn die Strafkammer ist nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme zu Gunsten des Angeklagten davon ausgegangen, dass dieser auch „den weiteren Betrag“ noch an die Firma D. weitergeleitet habe, wenngleich nicht am selben oder einem Folgetag und möglicherweise ohne Zuordnung zu einem konkreten Kunden im Rahmen einer Sammelüberweisung.
3. In den Fällen II. 3 bis II. 6 der Urteilsgründe kann die Verurteilung wegen Computerbetruges ebenfalls keinen Bestand haben.
a) Wer - wie der Angeklagte - von dem berechtigten Inhaber einer Kreditkarte, im vorliegenden Fall dem Geschädigten B., die Daten der Karte erhält und unter ihrer Verwendung absprachewidrige Verfügungen tätigt, indem er den Mitarbeitern eines Reisebüros bei der Bezahlung seiner Rechnung bewusst wahrheitswidrig erklärt, der Karteninhaber habe ihm die Ermächtigung zum Einsatz der Kreditkarte erteilt, begeht keinen Computerbetrug (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschluss vom 9. April 1992 - 1 StR 158/92, BGHR StGB § 263 Abs. 1 Konkurrenzen 6; Beschluss vom 17. Dezember 2002 - 1 StR 412/02, BGHR StGB § 263a Anwendungsbereich 1; Beschluss vom 15. Januar 2013 - 2 StR 553/12; für absprachewidrige Abhebungen am Geldautomaten mit ec-Karte und PIN jüngst zweifelnd Senatsbeschluss vom 23. November 2016 - 4 StR 464/16). Die Voraussetzungen eines Kreditkartenmissbrauchs im Sinne von § 266b StGB sind in dieser Fallkonstellation ebenfalls nicht erfüllt (Senatsbeschluss vom 3. Dezember 1991 - 4 StR 538/91, NStZ 1992, 278).
b) Dem vom Generalbundesanwalt gestellten Antrag, den Schuldspruch mit der Maßgabe zu ändern, dass der Angeklagte insoweit der Untreue schuldig ist, vermag der Senat indes nicht zu folgen. Die für diesen Tatbestand in beiden Varianten erforderliche Vermögensbetreuungspflicht, die unter anderem ein signifikantes Maß an Entscheidungsfreiheit des Treunehmers erfordert (st. Rspr.; vgl. zuletzt BGH, Urteil vom 9. November 2016 - 5 StR 313/15, Tz. 33, zur Veröffentlichung in BGHSt bestimmt; SSW-StGB/Saliger, 3. Aufl., § 266, Rn. 10), ergeben die bislang getroffenen Feststellungen nicht. Danach sollten die Kreditkartendaten vielmehr ausschließlich zur Abbuchung der Kosten für die Flugtickets genutzt werden.
c) Auch eine Änderung des Schuldspruchs dahin, dass sich der Angeklagte in den betreffenden Fällen wegen Betruges strafbar gemacht hat, ist dem Senat verwehrt, da dem angefochtenen Urteil nicht hinreichend sicher zu entnehmen ist, ob der Angeklagte von Anfang an plante, die ihm vom Geschädigten mitgeteilten Kreditkartendaten zur Durchführung der abredewidrigen Verfügungen zu verwenden. Die Sache bedarf insoweit vielmehr weiterer tatrichterlicher Klärung.
HRRS-Nummer: HRRS 2017 Nr. 353
Bearbeiter: Christoph Henckel/Karsten Gaede