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HRRS-Nummer: HRRS 2025 Nr. 2

Bearbeiter: Holger Mann

Zitiervorschlag: BVerfG, 1 BvR 752/24, Beschluss v. 03.12.2024, HRRS 2025 Nr. 2


BVerfG 1 BvR 752/24 (3. Kammer des Ersten Senats) - Beschluss vom 3. Dezember 2024 (OLG Karlsruhe)

Keine Befugnis einer Religionsgesellschaft zur Stellung eines Klageerzwingungsantrags (Glaubens- und Bekenntnisfreiheit; Freiheit der Religionsausübung; Schutzverpflichtung des Staates; weiter Spielraum des Gesetzgebers).

Art. 4 Abs. 1 GG; Art. 4 Abs. 2 GG; § 152 Abs. 2 StPO; § 172 Abs. 1 StPO; § 130 StGB

Leitsätze des Bearbeiters

1. Einer Religionsgesellschaft in der Rechtsform einer Körperschaft des öffentlichen Rechts ist von Verfassungs wegen kein Recht zur Stellung eines Klageerzwingungsantrags einzuräumen.

2. Bei der Umsetzung der aus Art. 4 Abs. 1 und 2 GG folgenden Schutzverpflichtung des Staates kommt dem Gesetzgeber weiter Einschätzungs-, Wertungs- und Gestaltungsspielraum zu. Das Bundesverfassungsgericht kann insoweit nur eingreifen, wenn Schutzvorkehrungen entweder überhaupt nicht getroffen sind, wenn die getroffenen Maßnahmen offensichtlich ungeeignet oder unzureichend sind oder wenn sie erheblich hinter dem Schutzziel zurückbleiben.

Entscheidungstenor

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.

Gründe

Die Beschwerdeführerin ist eine als Religionsgesellschaft anerkannte Körperschaft des öffentlichen Rechts. Sie stellte wegen einer in einer Tageszeitung veröffentlichten kritischen Meinungsäußerung eine mit einem Strafantrag verbundenen Strafanzeige, der die Staatsanwaltschaft nach § 152 Abs. 2 StPO nicht nachkam.

Die Beschwerdeführerin macht insbesondere geltend, aus der Pflicht des Staates nach Art. 4 Abs. 1 und 2 GG zum Schutz von Religionsgemeinschaften vor Angriffen oder Behinderungen Dritter (vgl. BVerfGE 93, 1 <16>; 125, 39 <78>) folge, dass eine Religionsgemeinschaft das Recht habe, einen Antrag nach § 172 Abs. 1 StPO auf Erhebung der öffentlichen Klage gegen eine von ihr wegen Volksverhetzung (§ 130 StGB) angezeigte Person stellen zu können; der Begriff des „Verletzten“ im Sinne dieser Vorschrift müsse entsprechend verfassungskonform ausgelegt werden.

Damit ist die Möglichkeit einer Grundrechtsverletzung nicht hinreichend dargelegt (§ 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 BVerfGG). Die Umsetzung der aus Art. 4 Abs. 1 und 2 GG folgenden Schutzverpflichtung des Staates ist grundsätzlich Sache des Gesetzgebers, dem dabei ein weiter Einschätzungs-, Wertungs- und Gestaltungsspielraum zukommt. Das Bundesverfassungsgericht kann die Verletzung einer solchen Schutzpflicht nur feststellen, wenn Schutzvorkehrungen entweder überhaupt nicht getroffen sind, wenn die getroffenen Regelungen und Maßnahmen offensichtlich ungeeignet oder völlig unzureichend sind, das gebotene Schutzziel zu erreichen, oder wenn sie erheblich hinter dem Schutzziel zurückbleiben (vgl. BVerfGE 125, 39 <78 f.>). Die Beschwerdeführerin hat weder das Fehlen jeglicher Schutzvorkehrungen substantiiert dargelegt, noch, dass die bestehenden völlig unzureichend sind. Weiter fehlt es an Darlegungen, dass selbst wenn die Voraussetzungen für ein Tätigwerden des Staates zwecks Vermeidung einer Schutzpflichtverletzung vorlägen, dies hier zu der Einräumung eines Klageerzwingungsrechts führen müsse.

Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

HRRS-Nummer: HRRS 2025 Nr. 2

Bearbeiter: Holger Mann