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HRRS-Nummer: HRRS 2018 Nr. 602

Bearbeiter: Holger Mann

Zitiervorschlag: BVerfG, 2 BvR 287/17, Beschluss v. 15.05.2018, HRRS 2018 Nr. 602


BVerfG 2 BvR 287/17 (2. Kammer des Zweiten Senats) - Beschluss vom 15. Mai 2018 (OLG Karlsruhe / LG Karlsruhe)

Lebenslange Freiheitsstrafe und vollzugsöffnende Maßnahmen (Resozialisierungsgebot; Vollzugslockerungen; Ausführungen; Außenbeschäftigung; Versagung nur bei konkreter Flucht- oder Missbrauchsgefahr; Begleitung durch Justizvollzugsbedienstete; keine Koppelung von Vollzugslockerungen an ein Behandlungskonzept); Recht auf effektiven Rechtsschutz (Absehen von einer Entscheidungsbegründung durch das Rechtsbeschwerdegericht; Leerlaufen der Rechtsbeschwerde; offenkundiges Abweichen von der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts).

Art. 1 Abs. 1 GG; Art. 2 Abs. 1 GG; Art. 19 Abs. 4 GG; § 9 Abs. 2 JVollzGB BW III; § 119 Abs. 3 StVollzG

Leitsätze des Bearbeiters

1. Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG verpflichtet den Staat, den Strafvollzug auf das Ziel der Resozialisierung auszurichten, schädlichen Auswirkungen insbesondere eines langjährigen Freiheitsentzuges entgegenzuwirken und die Tüchtigkeit des Inhaftierten für ein Leben in Freiheit zu erhalten und zu festigen. Dies gilt auch bei der Vollstreckung einer lebenslangen Freiheitsstrafe.

2. Der Wiedereingliederung dienen unter anderem die Vorschriften über Vollzugslockerungen beziehungsweise vollzugsöffnende Maßnahmen. Auch wenn bei einem Strafgefangenen noch keine konkrete Entlassungsperspektive besteht, können zumindest Lockerungen in Form von Ausführungen verfassungsrechtlich geboten sein.

3. Die Versagung von Lockungen darf daher nicht auf lediglich abstrakte Wertungen gestützt werden. Vielmehr sind im Rahmen einer Gesamtwürdigung konkrete Anhaltspunkte darzulegen, die geeignet sind, eine Flucht- oder Missbrauchsgefahr in der Person des Gefangenen zu begründen. Dabei ist die bei einer Ausführung oder Außenarbeit vorgesehene Begleitung durch Justizvollzugsbedienstete regelmäßig geeignet, einer Flucht- oder Missbrauchsgefahr wirksam zu begegnen.

4. Hat ein Strafgefangener bereits beanstandungsfrei Ausführungen und Außenarbeitseinsätze wahrgenommen und wird er hierfür von der Vollzugsanstalt auch weiterhin als geeignet angesehen, so verletzt die Versagung erneuter Lockerungen das Resozialisierungsgebot, wenn sie sich (lediglich) darauf stützt, dass der Gefangene die Verlegung in eine gesonderte Diagnose- und Prognosestation verweigert. Denn Vollzugslockerungen sind keine Behandlungsmaßnahmen, deren Gewährung von der vorherigen Erstellung eines Behandlungskonzepts abhängig gemacht werden kann.

5. Sieht das Rechtsbeschwerdegericht von einer Begründung seiner Entscheidung ab, so ist dies mit dem Grundrecht auf effektiven Rechtsschutz nur vereinbar, wenn dadurch die gesetzlich eröffnete Beschwerdemöglichkeit nicht leer läuft. Dies ist bereits dann anzunehmen, wenn erhebliche Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der mit der Beschwerde angegriffenen Entscheidung bestehen, etwa weil die Entscheidung offenkundig von der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts abweicht.

Entscheidungstenor

Der Beschluss des Landgerichts Karlsruhe vom 22. August 2016 - 15 StVK 297/15 - verletzt den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Artikel 2 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 1 Absatz 1 des Grundgesetzes.

Der Beschluss des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 18. Januar 2017 - 1 Ws 200/16 - verletzt den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Artikel 19 Absatz 4 des Grundgesetzes.

Die Beschlüsse werden aufgehoben. Die Sache wird an das Landgericht Karlsruhe zurückverwiesen.

Das Land Baden-Württemberg hat dem Beschwerdeführer seine notwendigen Auslagen zu erstatten.

Gründe

Die Verfassungsbeschwerde des strafgefangenen Beschwerdeführers betrifft die (Weiter-)Gewährung von vollzugsöffnenden Maßnahmen sowie weitere Maßnahmen im Strafvollzug.

I.

1. Der Beschwerdeführer verbüßt eine lebenslange Freiheitsstrafe in der Justizvollzugsanstalt Bruchsal. Die besondere Schwere der Schuld wurde festgestellt. Der Ablauf von 15 Jahren Haftzeit ist auf den 14. September 2018 datiert. Im Rahmen seiner Vollzugsplanung aus dem Jahr 2014 wurden dem Beschwerdeführer vollzugsöffnende Maßnahmen bewilligt. Danach sollten ihm im Oktober 2014 eine Ausführung und ab 2015 jährlich zwei Ausführungen gewährt werden. Nachdem die erste Ausführung im November 2014 beanstandungsfrei verlaufen war, wurde dem Beschwerdeführer noch im Jahr 2014 eine Außenbeschäftigung genehmigt. Im Jahr 2015 wurde er daraufhin zu fünf Außenarbeitseinsätzen herangezogen und wartete unter Aufsicht eines Mitarbeiters beanstandungsfrei Metalltüren und Halterungssysteme.

2. Im Rahmen der Vollzugsplankonferenz im August 2015 wurde die fortgesetzte Gewährung vollzugsöffnender Maßnahmen erstmals von der Zustimmung des Beschwerdeführers, sich in die Justizvollzugsanstalt Offenburg auf die dortige Diagnostik- und Prognosestation verlegen zu lassen, abhängig gemacht. Dort solle ein Diagnostikbericht erstellt und das weitere Behandlungskonzept festgelegt werden. Der Beschwerdeführer habe zwar angeboten, sich unverbindlich über sozialtherapeutische Angebote in Offenburg zu informieren, seine Zustimmung zu einer Verlegung habe er aber bisher verweigert. Eine dortige Untersuchung sei als Grundlage weiterer Behandlungsmaßnahmen jedoch dringend erforderlich. Zwar seien vollzugsöffnende Maßnahmen im Fall des Beschwerdeführers zu befürworten (im Vollzugsplanvordruck ist bei dem Punkt „Vollzugsöffnende Maßnahmen“ ein „Ja“ angekreuzt), die Bewilligung konkreter Maßnahmen werde aber an die Vorlage des in Offenburg zu erstellenden Diagnostikberichts und mithin an die Zustimmung des Beschwerdeführers, sich dorthin verlegen zu lassen, geknüpft. Die für 2015 bereits genehmigten Ausführungen könnten noch stattfinden. Darüber hinaus würden jedoch keine Vollzugsöffnungen mehr gewährt. Dies gelte auch für die Außenarbeit und die Ausführungen. Der Beschwerdeführer werde eindringlich darauf hingewiesen, dass für „die Festsetzung der Mindestverbüßungsdauer auch das vollzugliche Fortkommen bezüglich festgelegter Behandlungsmaßnahmen eine große Rolle spielen“ werde und es daher „dringend erforderlich“ sei, dass er seine Verlegung nach Offenburg anstrebe.

Die Konferenz stellte ferner fest, dass der Beschwerdeführer nicht bereit sei, ohne Anwesenheit eines Rechtsanwalts mit dem Sozialdienst und dem psychologischen Dienst zu sprechen, und sich Gesprächsangeboten verweigere. Die Vollzugsplanfortschreibung wurde dem Beschwerdeführer am 25. August 2015 ausgehändigt.

Die für 2015 genehmigten Ausführungen absolvierte der Beschwerdeführer ohne Beanstandungen im Oktober und November 2015. Nach der Vollzugsplankonferenz richtete der Beschwerdeführer - wie von ihm zugesagt - unverbindliche Anfrageschreiben an die Justizvollzugsanstalten in Hohenasperg und Offenburg, um sich über deren sozialtherapeutische Angebote und die Vollzugsmodalitäten zu informieren.

3. Mit Schriftsatz vom 2. September 2015 beantragte der Beschwerdeführer die gerichtliche Entscheidung des Landgerichts Karlsruhe gegen die Fortschreibung des Vollzugsplans sowie den Erlass einer einstweiligen Anordnung. Den Schriftsatz gab der Beschwerdeführer am 2. September 2015 zur Post, er ging beim Landgericht jedoch erst am 9. September 2015 ein.

Im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes begehrte der Beschwerdeführer die Aussetzung des „Widerrufs“ der vollzugsöffnenden Maßnahmen für das Jahr 2016. In der Hauptsache beantragte er unter anderem festzustellen, dass die Vollzugsplanfortschreibung rechtswidrig sei, soweit sie die bereits genehmigten vollzugsöffnenden Maßnahmen widerrufe und die Justizvollzugsanstalt sich weigere, selbst ein Behandlungskonzept für ihn zu erstellen. Auch sei die Rechtswidrigkeit der Weigerung festzustellen, ihm eine externe, dem Vollzug nicht auskunftspflichtige psychologische Fachkraft für therapeutische Gespräche zur Verfügung zu stellen. Die Justizvollzugsanstalt sei zudem zu verpflichten, ihm weiterhin jährlich zwei Ausführungen und die Außenbeschäftigung zu gewähren.

Er habe durch sein wiederholt beanstandungsfreies Verhalten bei vollzugslockernden Maßnahmen seine Zuverlässigkeit mehrfach unter Beweis gestellt. Auch sei er unstreitig für Ausführungen grundsätzlich geeignet. Da Lockerungen keine Belohnung für vollzugskonformes Verhalten darstellten, dürfe ihre Gewährung nicht von seiner Bereitschaft abhängen, einer Verlegung in die Justizvollzugsanstalt Offenburg auf die Diagnostik- und Prognosestation zuzustimmen. Außerdem genieße er Vertrauens- und Bestandsschutz, weil ihm bereits zuvor Ausführungen und Außenarbeitseinsätze bewilligt worden seien. Dies gelte gleichfalls für die Gewährung von Begleitausgängen und niederschwellige Freizeitmaßnahmen sowie die Teilnahme an einer Wochenendfreizeit. Seine ablehnende Haltung gegenüber einer Verlegung nach Offenburg sei der Tatsache geschuldet, dass Verlegungen in andere Justizvollzugsanstalten in der Vergangenheit zu Problemen geführt hätten. Um dies zu vermeiden, müsse er sich vor einer eventuellen Verlegung aus erster Hand über die Anstalten informieren.

4. Mit Beschluss vom 10. September 2015 wies das Landgericht Karlsruhe zunächst den Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz zurück. Zur Begründung führte das Gericht aus, der Antrag sei nicht eilbedürftig, denn eine Beschwer folge aus der Versagung von Lockerungen erst ab Januar 2016.

5. Zu den Anträgen in der Hauptsache nahm die Justizvollzugsanstalt unter dem 27. Oktober 2015 Stellung. Vollzugsöffnende Maßnahmen seien Behandlungsmaßnahmen, die sich am Vollzugsziel und Vollzugsverhalten des Strafgefangenen zu orientieren hätten. Verweigere der Beschwerdeführer die Mitarbeit, so könne dies nicht ohne Auswirkungen auf die vollzugsöffnenden Maßnahmen bleiben. Zwar würden die beschlossenen Maßnahmen für das Jahr 2015 nicht widerrufen, für die Bewilligung künftiger Ausführungen sei aber von entscheidender Bedeutung, ob der Beschwerdeführer sich auf die Diagnose- und Prognosestation in Offenburg überstellen lasse, in der für Gefangene in Baden-Württemberg die adäquaten Behandlungsmaßnahmen abschließend festgelegt würden. Es sei zutreffend, dass vollzugsöffnende Maßnahmen keine Vergünstigungen oder Belohnungen für vollzugskonformes Verhalten darstellten, hier gehe es jedoch nicht um Vollzugskonformität, sondern um die Weigerung des Beschwerdeführers, an der Erreichung des Vollzugsziels mitzuarbeiten. Die Frage, welche vollzugsöffnenden Maßnahmen im Einzelnen erforderlich seien, könne erst nach einer eingehenden Diagnose in der Justizvollzugsanstalt Offenburg beantwortet werden, denn diese seien Bestandteil eines dort zu erarbeitenden Gesamtkonzepts. Unbehandelt bestehe bei dem Beschwerdeführer Flucht- und Missbrauchsgefahr. Dies gelte auch für Begleitausgänge, niederschwellige Freizeitmaßnahmen und Wochenendfreizeiten. Eine weitere Weigerungshaltung des Beschwerdeführers könne ferner Einfluss auf die Festlegung der Mindestverbüßungsdauer haben.

6. Anfang Januar 2016 beantragte der Beschwerdeführer bei der Justizvollzugsanstalt die Durchführung einer Ausführung. Diese lehnte den Antrag mit Verfügung vom 11. Januar 2016 unter Verweis auf die Entscheidung in der verfahrensgegenständlichen Vollzugsplanfortschreibung ab.

7. Unter dem 7. März 2016 legte der Beschwerdeführer Verzögerungsrüge beim Landgericht Karlsruhe ein.

8. Mit angegriffenem Beschluss vom 22. August 2016 wies das Landgericht Karlsruhe die Anträge des Beschwerdeführers als unzulässig zurück. Die - umfänglichen - Schriftsätze des Beschwerdeführers fügte das Gericht dabei unverändert in den Tatbestand des Beschlusses ein, während es den Vortrag der Justizvollzugsanstalt mit eigenen Worten wiedergab. Zur Begründung seiner Entscheidung führte das Gericht aus, die Anträge auf Aufhebung des Widerrufs vollzugsöffnender Maßnahmen und Bereitstellung eines externen Therapeuten seien bereits verfristet. Der Beschwerdeführer habe sich nicht innerhalb der Frist von zwei Wochen gemäß § 93 des Dritten Buchs des Justizvollzugsgesetzbuchs Baden-Württemberg (JVollzGB BW III), § 112 Abs. 1 StVollzG gegen die Fortschreibung des Vollzugsplans gewehrt. Dieser sei ihm am 25. August 2015 ausgehändigt worden. Die Frist sei daher bis zum 8. September 2015 gelaufen. Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung sei jedoch erst am 9. September 2015 bei Gericht eingegangen.

Im Übrigen seien die Anträge auch unbegründet. Die Justizvollzugsanstalt habe aus nicht zu beanstandenden Gründen die fortdauernde Gewährung vollzugsöffnender Maßnahmen vom Ergebnis des Diagnoseberichts und der Mitarbeit des Beschwerdeführers am Vollzugsziel abhängig gemacht. Sie sei zu Recht davon ausgegangen, dass dessen Weigerung, sich nach Offenburg verlegen und dort begutachten zu lassen, ein Umstand sei, der bei der Gewährung vollzugsöffnender Maßnahmen zu berücksichtigen sei. Ermessensfehlerfrei habe die Justizvollzugsanstalt ausgeführt, dass sich die Weigerung des Beschwerdeführers, die notwendigen Behandlungsschritte durchzuführen, auf die Mindestverbüßungsdauer auswirke. Dies und die fehlende Behandlungsbereitschaft seien relevante Umstände bei der Annahme einer Fluchtgefahr. Auch habe die Justizvollzugsanstalt beachtet, dass nach der Rechtsprechung der Oberlandesgerichte vollzugsöffnende Maßnahmen keine Vergünstigungen für ein vollzugskonformes Verhalten darstellen dürften. Die Zweifel an der Eignung des Beschwerdeführers für vollzugsöffnende Maßnahmen infolge von Flucht- und Missbrauchsgefahr seien nicht zu beanstanden. Dies gelte auch für die Auffassung der Justizvollzugsanstalt, dass die Gewährung weiterer vollzugsöffnender Maßnahmen von der Diagnose der Sozialtherapeutischen Abteilung in Offenburg abhänge, weil sie Teil eines therapeutischen Gesamtkonzepts sei.

9. Unter dem 13. September 2016 legte der Beschwerdeführer Rechtsbeschwerde ein und ergänzte diese mit Schreiben vom 15. September und 27. Oktober 2016. Er beschränkte die Rechtsbeschwerde auf den „Widerruf“ der Ausführungen und der Außenarbeitsgenehmigung sowie auf den Antrag auf Bereitstellung eines externen Therapeuten. Dabei wiederholte und vertiefte er seinen Vortrag aus der vorherigen Instanz und führte zudem erstmalig und unter Benennung der Personalien von Mitgefangenen und des konkreten Sachverhalts aus, dass die Justizvollzugsanstalt in vergleichbaren Fällen vollzugsöffnende Maßnahmen gewähre, obwohl Gefangene sich einer Verlegung in die Justizvollzugsanstalt Offenburg verweigerten.

10. Mit angegriffenem Beschluss vom 18. Januar 2017 verwarf das Oberlandesgericht die Rechtsbeschwerde mangels Vorliegens der Zulassungsvoraussetzungen gemäß § 116 Abs. 1 StVollzG ohne weitere Begründung als unzulässig.

II.

1. Mit seiner am 7. Februar 2017 fristgemäß eingegangenen Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer Verletzungen seiner Rechte aus „Art. 1, 2, 3, 19, 20, 103 GG“ durch die angegriffenen Entscheidungen.

Im Wesentlichen führt er aus, die Verletzung seines Grundrechts auf Resozialisierung folge daraus, dass die Justizvollzugsanstalt ihm kein individuelles Behandlungskonzept und keine externe psychologische Fachkraft zur Verfügung stelle. Ferner sei das Resozialisierungsgebot auch dadurch verletzt, dass ihm die vollzugsöffnenden Maßnahmen ohne hinreichenden Grund verwehrt worden seien. Dies sorge dafür, dass er die mit den vollzugsöffnenden Maßnahmen einhergehenden Bewährungschancen nicht mehr habe, und verschlechtere seine Lage hinsichtlich der anstehenden Festsetzung der Mindestverbüßungszeit. Die Justizvollzugsanstalt arbeite nicht auf eine schnelle Entlassung, sondern auf eine unabsehbar lange Inhaftierung hin.

Eine Verletzung seiner „durch Art. 1 GG gewährten Menschenrechte“ sei gegeben, weil er als Therapieverweigerer angesehen und stigmatisiert werde. Schon die Behauptung des Landgerichts, sein Antrag sei verfristet, beinhalte eine Grundrechtsverletzung. Er habe das angeblich erst am 9. September 2015 eingegangene Schreiben bereits am 2. September 2015 zur Post gegeben, wofür er einen Nachweis beilege. Es entstehe der Eindruck, dass das Landgericht den Eingang des Schreibens vorsätzlich verspätet eingetragen habe. Auch die Praxis des Landgerichts, seine Schriftsätze lediglich einzuscannen, in die Beschlüsse einzufügen und sie nicht mit eigenen Worten zu würdigen, verstoße gegen Grundrechte.

Eine Verletzung des „Art. 2 GG“ liege ebenfalls vor; der Widerruf der vollzugsöffnenden Maßnahmen verstoße gegen sein Recht auf Vertrauens- und Bestandsschutz sowie das Rückwirkungsverbot, weil ihm bereits gewährte Rechtspositionen rückwirkend entzogen würden. Auch verkenne die Justizvollzugsanstalt, dass vollzugsöffnende Maßnahmen grundrechtlich garantiert seien. Jedenfalls ein Mindestmaß von zwei Ausführungen pro Jahr sei zu gewähren. Es sei unzulässig, dass er für die Verweigerung einer freiwilligen Verlegung Konsequenzen zu spüren bekomme.

Überdies sei gegen den Gleichheitssatz aus Art. 3 Abs. 1 GG verstoßen worden. Erstens würden anderen Gefangenen in vergleichbaren Situationen vollzugsöffnende Maßnahmen gewährt, und zweitens habe das Oberlandesgericht in einem anderen Verfahren vertreten, dass auch die Justizvollzugsanstalt Bruchsal Möglichkeiten der Diagnose vorhalten müsse und der Grundsatz der bestmöglichen Sachaufklärung die Einholung gutachterlicher Expertise gebiete.

Auch Art. 19 Abs. 4 GG sei verletzt. Eine gerichtliche Sachentscheidung sei durch das Oberlandesgericht ohne Grund versagt worden. Zudem sei die zeitnahe Entscheidung über den Eilantrag des Beschwerdeführers seitens des Landgerichts unterblieben. Dieses sei auf den Antrag, dem Beschwerdeführer eine externe psychologische Fachkraft zur Verfügung zu stellen, nicht eingegangen. Ähnlich stelle sich die Situation hinsichtlich des Antrags auf Erstellung eines Behandlungskonzepts dar. Schließlich hätten die Instanzen nicht über seine Verzögerungsrüge entschieden, sondern auf diese überhaupt nicht reagiert.

2. Das Ministerium der Justiz und für Europa des Landes Baden-Württemberg hat unter dem 30. November 2017 zu der Verfassungsbeschwerde Stellung genommen, die Auffassung der Justizvollzugsanstalt gestützt und den Vortrag des Beschwerdeführers hinsichtlich einzelner Gesichtspunkte bestritten. Der Beschwerdeführer ist der Stellungnahme mit Schriftsatz vom 20. Dezember 2017 entgegengetreten und hat zum Sachverhalt nachgetragen, in der neuen Vollzugsplankonferenz 2017 seien ihm wieder Ausführungen gewährt worden, ohne dass er zwischenzeitlich nach Offenburg überstellt worden sei. Die Außenarbeitsgenehmigung bleibe ihm aber weiterhin versagt. Unter dem 2. Mai 2018 hat er über eine anstehende Anhörung zur Festsetzung der Mindestverbüßungsdauer informiert und ein aktuelles psychiatrisches Sachverständigengutachten sowie eine Stellungnahme der Justizvollzugsanstalt zu der bevorstehenden Anhörung übersandt.

3. Die Akte des Ausgangsverfahrens hat dem Bundesverfassungsgericht vorgelegen.

III.

Die Kammer nimmt die Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung an und gibt ihr teilweise statt. Die Voraussetzungen des § 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG liegen insoweit vor. Die Annahme ist nach § 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG zur Durchsetzung der als verletzt gerügten Rechte des Beschwerdeführers aus Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG sowie Art. 19 Abs. 4 GG angezeigt.

1. Die Verfassungsbeschwerde ist zulässig, soweit der Beschwerdeführer geltend macht, die Versagung von vollzugsöffnenden Maßnahmen in Form von Ausführungen und einer Außenbeschäftigung in der Vollzugsplanfortschreibung und die gerichtlichen Entscheidungen hierzu verletzten ihn in seinem Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG. Gleiches gilt für die Rüge, sein Recht auf effektiven Rechtsschutz aus Art. 19 Abs. 4 GG sei im Rechtsbeschwerdeverfahren verletzt worden.

2. Die Verfassungsbeschwerde ist insoweit auch begründet.

a) Der Beschluss des Landgerichts verletzt den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht auf Resozialisierung aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG.

aa) Das Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG verpflichtet den Staat, den Strafvollzug auf das Ziel auszurichten, dem Inhaftierten ein zukünftiges straffreies Leben in Freiheit zu ermöglichen (vgl. BVerfGE 116, 69 <85 f.> m.w.N.; stRspr). Besonders bei langjährig im Vollzug befindlichen Personen erfordert dies, aktiv den schädlichen Auswirkungen des Freiheitsentzugs entgegenzuwirken und ihre Lebenstüchtigkeit zu erhalten und zu festigen (vgl. BVerfGE 45, 187 <238>; 64, 261 <277>; 98, 169 <200>; 109, 133 <150 f.>; BVerfGK 17, 459 <462>; 19, 306 <315>; 20, 307 <312>; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 13. Dezember 1997 - 2 BvR 1404/96 -, NJW 1998, S. 1133 <1133>).

Das gilt auch, wenn der Betroffene zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt ist, zumal dem Gefangenen auch in diesem Fall eine Chance verbleiben muss, eines Tages die Freiheit wiederzuerlangen (vgl. BVerfGE 45, 187 <238 ff.>; 109, 133 <150 f.>). Androhung und Vollstreckung der lebenslangen Freiheitsstrafe finden ihre verfassungsrechtlich notwendige Ergänzung in einem sinnvollen Behandlungsvollzug (vgl. BVerfGE 45, 187 <238>; 64, 261 <272 f.>; 109, 133 <150 f.>). Der Bundes- beziehungsweise Landesgesetzgeber hat dementsprechend im Strafvollzugsgesetz ebenso wie im Justizvollzugsgesetz des Landes Baden-Württemberg auch dem Vollzug der lebenslangen Freiheitsstrafe ein Behandlungs- und Resozialisierungskonzept zugrunde gelegt (vgl. BVerfGE 117, 71 <91>). Der Wiedereingliederung des Delinquenten dienen unter anderem die Vorschriften über Vollzugslockerungen beziehungsweise vollzugsöffnende Maßnahmen (vgl. BVerfGE 117, 71 <92>). Durch diese Maßnahmen werden dem Gefangenen zudem Chancen eingeräumt, sich zu beweisen und zu einer günstigeren Entlassungsprognose zu gelangen (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 5. August 2010 - 2 BvR 729/08 -, juris, Rn. 32). Erstrebt ein Gefangener diese Maßnahmen, so wird er durch deren Versagung in seinem durch Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG grundrechtlich geschützten Resozialisierungsinteresse berührt (vgl. BVerfG, Beschlüsse der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 5. August 2010 - 2 BvR 729/08 -, juris, Rn. 32, und vom 26. Oktober 2011 - 2 BvR 1539/09 -, juris, Rn. 17).

Gerade bei Gefangenen, die die Voraussetzungen für weitergehende Lockerungen noch nicht erfüllen, dienen Ausführungen dem Erhalt der Lebensfähigkeit (vgl. BVerfGK 17, 459 <462>; 19, 306 <315 f.>; 20, 307 <312>). Bei langjährig Inhaftierten kann es daher, selbst wenn noch keine konkrete Entlassungsperspektive besteht, jedenfalls geboten sein, zumindest Lockerungen in Gestalt von Ausführungen dadurch zu ermöglichen, dass die Justizvollzugsanstalt einer von ihr angenommenen Flucht- oder Missbrauchsgefahr durch geeignete Sicherheitsvorkehrungen entgegenwirkt (vgl. BVerfG, Beschlüsse der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 10. September 2008 - 2 BvR 719/08 -, juris, Rn. 3, und vom 5. August 2010 - 2 BvR 729/08 -, juris, Rn. 32).

Aufgrund dieser Bedeutung darf sich eine Justizvollzugsanstalt, wenn sie vollzugslockernde Maßnahmen versagt, nicht auf bloße pauschale Wertungen oder auf den Hinweis einer abstrakten Flucht- oder Missbrauchsgefahr (hier im Sinne des § 9 Abs. 1 JVollzGB BW III) beschränken. Sie hat vielmehr im Rahmen einer Gesamtwürdigung nähere Anhaltspunkte darzulegen, welche geeignet sind, die Prognose einer Flucht- oder Missbrauchsgefahr in der Person des Gefangenen zu konkretisieren. Ob dies geschehen ist, hat die Strafvollstreckungskammer zu überprüfen (vgl. BVerfGE 70, 297 <308>; dazu auch BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 5. August 2010 - 2 BvR 729/08 -, juris, Rn. 32 m.w.N.).

bb) Der Beschluss des Landgerichts genügt diesen verfassungsrechtlichen Vorgaben nicht. Das Landgericht verkennt bei seiner Würdigung Bedeutung und Tragweite des Grundrechts des Beschwerdeführers auf Resozialisierung.

Wenn das Gericht dem Beschwerdeführer entgegenhält, die von der Justizvollzugsanstalt zur Frage vollzugsöffnender Maßnahmen vorgenommenen Erwägungen seien nicht zu beanstanden, so misst es - wie zuvor schon die Justizvollzugsanstalt - den verfassungsrechtlich geschützten Interessen des Beschwerdeführers an seiner Resozialisierung, insbesondere der Erhaltung der Lebenstüchtigkeit und der Vermeidung von Haftschäden, kein hinreichendes Gewicht zu.

Die verfahrensgegenständliche Vollzugsplanfortschreibung enthält zur Frage der Vollzugslockerungen keine Gründe, die nach den verfassungsrechtlichen Vorgaben geeignet wären, die Versagung von Lockerungen, wie vorliegend der Außenbeschäftigung und der Ausführungen, zu tragen. Letztlich geht selbst die Vollzugsplankonferenz von einer fortgesetzten Befürwortung vollzugsöffnender Maßnahmen aus, versagt diese faktisch aber sogleich wieder, indem sie für die Entscheidung über derartige Maßnahmen zunächst den Diagnosebericht der Diagnose- und Prognosestation der Justizvollzugsanstalt Offenburg fordert. Auch im Rahmen der übrigen Darlegungen in der Vollzugsplanfortschreibung, die unter anderem die Zuverlässigkeit und Gewissenhaftigkeit des Beschwerdeführers bei der Arbeit und seine insgesamt geregelte Schuldensituation hervorheben, sind tragfähige Gründe, vollzugsöffnende Maßnahmen vollständig zu versagen, nicht erkennbar.

Im Verfahren vor dem Landgericht hat die Justizvollzugsanstalt in ergänzenden Ausführungen herausgestellt, dass vollzugsöffnende Maßnahmen Behandlungsmaßnahmen seien, die sich in das Gesamtbehandlungskonzept einfügen müssten, über das erst auf Grundlage des Diagnoseberichts der Justizvollzugsanstalt Offenburg entschieden werden könne. Zudem könne sich die Weigerungshaltung des Beschwerdeführers negativ auf die Mindestverbüßungsdauer auswirken, so dass in Frage stehe, ob - verweigere der Beschwerdeführer weiterhin die notwendigen Behandlungsschritte - Fluchtgefahr trotz beanstandungsfreier Ausführungen in der Vergangenheit noch mit der erforderlichen Sicherheit verneint werden könne. Missbrauchs- und Fluchtgefahr sei anzunehmen, wenn der Beschwerdeführer unbehandelt bleibe.

Mit der Billigung dieser Erwägungen verkennt das Landgericht die verfassungsrechtlichen Anforderungen an eine Versagung vollzugsöffnender Maßnahmen und das hohe Gewicht des Resozialisierungsinteresses des Beschwerdeführers nach - zur Zeit der angegriffenen Entscheidung - mehr als 14-jähriger Haftverbüßung. Ohne hinreichende Berücksichtigung blieb, dass der Beschwerdeführer in unmittelbarer Vergangenheit bis zum Jahr 2016 bereits mehrere Ausführungen und Außenarbeitseinsätze beanstandungsfrei absolviert hatte. Auch fand keine Berücksichtigung, dass selbst die Justizvollzugsanstalt letztlich nicht von einer konkretisierten Flucht- und Missbrauchsgefahr ausging. Dies zeigt sich schon daran, dass sie vollzugsöffnende Maßnahmen im Falle des Beschwerdeführers grundsätzlich befürwortete und er die bereits bewilligten Ausführungen noch durchführen durfte. Zunächst warf die Justizvollzugsanstalt im fachgerichtlichen Verfahren auch lediglich die Frage auf, ob für den Fall, dass sich der Beschwerdeführer weiterhin einer Behandlung verweigere und sich dadurch eventuell die Mindestverbüßungsdauer verlängere, eine Fluchtgefahr noch hinreichend sicher verneint werden könne. Erst am Ende ihrer Stellungnahme behauptete sie pauschal, es bestehe Flucht- und Missbrauchsgefahr, wenn der Beschwerdeführer unbehandelt bliebe. Damit liegt die Annahme nahe, dass die faktische Versagung weiterer Ausführungen und der Außenbeschäftigung nicht durch Flucht- oder Missbrauchsgefahr begründet war, sondern vorrangig dem - eine Versagung vollzugsöffnender Maßnahmen nicht tragenden - Zweck diente, den Beschwerdeführer dazu zu bewegen, seiner Verlegung nach Offenburg zuzustimmen.

Dabei wird nicht verkannt, dass die Justizvollzugsanstalt insoweit durchaus bezweckte, die Resozialisierung des Beschwerdeführers voranzutreiben und ihn zur weiteren Mitarbeit am Vollzugsziel zu motivieren. Vollzugslockerungen, insbesondere Ausführungen, sind jedoch keine Behandlungsmaßnahmen, deren Gewährung von der vorherigen Erstellung eines Behandlungskonzepts abhängig gemacht werden kann. Diese Maßnahmen dienen vielmehr dem Zweck, die Resozialisierung dadurch zu fördern, dass die Lebenstüchtigkeit des Gefangenen erhalten und den schädlichen Auswirkungen des Freiheitsentzugs entgegengewirkt wird. Vollzugsöffnende Maßnahmen machen es dem Gefangenen möglich, nach langem Freiheitsentzug wenigstens ansatzweise Orientierung für ein normales Leben zu finden. Daher hat das Interesse des Gefangenen, vor den schädlichen Folgen einer langjährigen Inhaftierung bewahrt zu werden und seine Lebenstüchtigkeit im Falle der Entlassung aus der Haft zu erhalten, ein umso höheres Gewicht, je länger die Vollstreckung einer Freiheitsstrafe bereits andauert (vgl. BVerfGE 64, 261 <272 f.>; 70, 297 <315>). Das von der Justizvollzugsanstalt pauschal behauptete Vorliegen von Flucht- und Missbrauchsgefahr für den Fall, dass der Beschwerdeführer unbehandelt bliebe, und die Billigung dieser Erwägung durch das Landgericht tragen der Funktion solcher Maßnahmen gerade bei langjährig Inhaftierten wie dem Beschwerdeführer nicht ausreichend Rechnung.

cc) Darüber hinaus setzt sich der angegriffene Beschluss nicht hinreichend mit den verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Versagung von Ausführungen auseinander. So kann bei langjährig Inhaftierten auch im Falle des Vorliegens einer Flucht- oder Missbrauchsgefahr zumindest die Gewährung von Ausführungen geboten sein. Selbst wenn im vorliegenden Fall konkrete Anhaltspunkte für eine Flucht- oder Missbrauchsgefahr bestanden hätten, hätte daher geprüft werden müssen, ob Ausführungen dennoch geboten wären. Denn die bei einer Ausführung nach § 9 Abs. 2 Nr. 2 Var. 1 JVollzGB BW III wie auch bei der Außenbeschäftigung nach § 9 Abs. 2 Nr. 1 Alt. 1 JVollzGB BW III vorgesehene Begleitung des Gefangenen durch Vollzugsbedienstete dient gerade dem Zweck, einer bestehenden Flucht- und Missbrauchsgefahr entgegenzuwirken. Die pauschale - nicht nach Lockerungsformen differenzierende - Feststellung einer abstrakten Flucht- oder Missbrauchsgefahr ist daher für sich genommen nicht geeignet zu begründen, dass die angenommene Gefahr auch im Fall der Ausführung besteht (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 20. Juni 2012 - 2 BvR 865/11 -, juris, Rn. 17).

b) Die Entscheidung des Oberlandesgerichts verletzt den Beschwerdeführer dagegen in seinem Grundrecht aus Art. 19 Abs. 4 GG.

aa) Art. 19 Abs. 4 GG gewährleistet effektiven und möglichst lückenlosen richterlichen Rechtsschutz gegen Akte der öffentlichen Gewalt (vgl. BVerfGE 67, 43 <58>; stRspr). Dabei fordert Art. 19 Abs. 4 GG keinen Instanzenzug. Eröffnet das Prozessrecht aber eine weitere Instanz, so gewährleistet Art. 19 Abs. 4 GG dem Bürger auch insoweit eine wirksame gerichtliche Kontrolle (vgl. BVerfGE 40, 272 <274 f.>; 54, 94 <96 f.>; 122, 248 <271>; stRspr). Die Rechtsmittelgerichte dürfen ein von der jeweiligen Rechtsordnung eröffnetes Rechtsmittel nicht durch die Art und Weise, in der sie die gesetzlichen Voraussetzungen für den Zugang zu einer Sachentscheidung auslegen und anwenden, ineffektiv machen und für den Beschwerdeführer leerlaufen lassen. Der Zugang zu den in der Verfahrensordnung eingeräumten Instanzen darf nicht von unerfüllbaren oder unzumutbaren Voraussetzungen abhängig gemacht oder in einer durch Sachgründe nicht mehr zu rechtfertigenden Weise erschwert werden (vgl. BVerfGE 96, 27 <39>; 117, 244 <268>; 122, 248 <271>; stRspr).

bb) Nach diesem Maßstab ist der Beschluss des Oberlandesgerichts mit Art. 19 Abs. 4 GG nicht vereinbar.

§ 119 Abs. 3 StVollzG erlaubt es dem Gericht, von einer Begründung der Rechtsbeschwerdeentscheidung abzusehen, wenn es die Beschwerde für unzulässig oder offensichtlich unbegründet erachtet. Da von dieser Möglichkeit, deren Einräumung verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden ist (vgl. BVerfGE 50, 287 <289 f.>; 71, 122 <135>; 81, 97 <106>), im vorliegenden Fall Gebrauch gemacht wurde, liegen über die Feststellung im Tenor des Beschlusses, dass die Nachprüfung nicht zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich sei, Entscheidungsgründe, die die Kammer einer verfassungsrechtlichen Prüfung unterziehen könnte, nicht vor.

Daraus folgt jedoch nicht, dass der Beschluss verfassungsrechtlicher Prüfung entzogen oder die Maßstäbe der Prüfung zu lockern wären. Vielmehr ist in einem solchen Fall die Entscheidung bereits dann aufzuheben, wenn an ihrer Vereinbarkeit mit Grundrechten des Beschwerdeführers erhebliche Zweifel bestehen (vgl. BVerfG, Beschlüsse der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 12. März 2008 - 2 BvR 378/05 -, juris, Rn. 33, und vom 4. Mai 2015 - 2 BvR 1753/14 -, juris, Rn. 32; Beschlüsse der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 26. Oktober 2011 - 2 BvR 1539/09 -, juris, Rn. 28, sowie vom 29. Februar 2012 - 2 BvR 309/10 -, juris, Rn. 26, und - 2 BvR 368/10 -, juris, Rn. 47). Dies ist angesichts der offenkundigen inhaltlichen Abweichung des landgerichtlichen Beschlusses von der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu vollzugsöffnenden Maßnahmen der Fall (zur Bedeutung einer solchen Abweichung für die Zulässigkeit der Rechtsbeschwerde vgl. OLG Celle, Beschluss vom 7. Juli 2006 - 1 Ws 288/06 (StrVollz) -, juris, Rn. 7).

IV.

Nach § 93c Abs. 2, § 95 Abs. 2 BVerfGG sind die angegriffenen Beschlüsse aufzuheben. Die Sache ist zur erneuten Entscheidung an das Landgericht Karlsruhe zurückzuverweisen.

V.

Die Entscheidung über die Auslagenerstattung folgt aus § 34a Abs. 2 BVerfGG.

HRRS-Nummer: HRRS 2018 Nr. 602

Bearbeiter: Holger Mann