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HRRS-Nummer: HRRS 2017 Nr. 484

Bearbeiter: Holger Mann

Zitiervorschlag: BVerfG, 2 BvR 2190/16, Beschluss v. 15.02.2017, HRRS 2017 Nr. 484


BVerfG 2 BvR 2190/16 (2. Kammer des Zweiten Senats) - Beschluss vom 15. Februar 2017 (LG Stuttgart / AG Stuttgart)

Auferlegung einer Missbrauchsgebühr (Vorenthalten verfahrensrelevanter Informationen im Vortrag zur Verfassungsbeschwerde; Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Finanzierung islamistischer Terroristen; Verwendung eines von einem salafistisch geprägten Verein gespendeten Krankenwagens als Anschlagsmittel in Syrien; grob unsachlicher Vorwurf „rassistischer Diskriminierung“ gegen die Ermittlungsbehörden).

§ 23 Abs. 1 Satz 2 BVerfGG; § 34 Abs. 2 BVerfGG; § 92 BVerfGG; § 89a StGB

Leitsatz des Bearbeiters

Die Verfassungsbeschwerde des Vorstands eines nach eigenen Angaben salafistisch geprägten Vereins gegen Ermittlungsmaßnahmen wegen des Verdachts der Finanzierung islamistischer Terroristen rechtfertigt die Verhängung einer Missbrauchsgebühr, wenn die Beschwerdeschrift verschweigt, dass Verfahrensgegenstand nicht nur die Verbringung eines von dem Verein mit Spendenmitteln erworbenen Krankenwagens nach Syrien war, sondern dass der umgebaute Krankenwagen dort als Anschlagsmittel verwendet wurde. Grob unsachlich und diffamierend ist es in diesem Zusammenhang, wenn der Beschwerdeführer gegen die Ermittlungsbehörden den Vorwurf „rassistischer Diskriminierung“ erhebt.

Entscheidungstenor

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.

Dem Verfahrensbevollmächtigten des Beschwerdeführers wird eine Missbrauchsgebühr in Höhe von 500 Euro (in Worten: fünfhundert Euro) auferlegt.

Gründe

Die Verfassungsbeschwerde wendet sich gegen durchgeführte erkennungsdienstliche Maßnahmen im Rahmen eines Ermittlungsverfahrens nach § 89a StGB.

I.

Die Verfassungsbeschwerde war nicht zur Entscheidung anzunehmen, weil die Annahmevoraussetzungen nach § 93a Abs. 2 BVerfGG nicht erfüllt sind. Die Verfassungsbeschwerde ist offensichtlich unzulässig. Der Beschwerdeführer hat bereits nicht in einer den Begründungsanforderungen der §§ 92, 23 Abs. 1 Satz 2 BVerfGG genügenden Weise vorgetragen, in verfassungsrechtlich geschützten Rechtspositionen verletzt worden zu sein. Eine derartige Rechtsverletzung ist auch sonst nicht erkennbar.

Der Beschwerdeführer war bis zum April 2014 Erster Vorstand des - nach seinen Angaben - „salafistisch geprägten“ S… e.V. Mit eingeworbenen Spendenmitteln hatte er für diesen Verein mindestens zwei Krankenwagen erworben, die später nach Syrien verbracht wurden.

Der Beschwerdeführer hat in seiner Beschwerdeschrift unerwähnt gelassen, dass das Ermittlungsverfahren gemäß § 89a StGB (auch) deshalb gegen ihn geführt wurde, weil nach den Feststellungen des Landgerichts einer dieser Krankenwagen in Syrien - mit ausgebauter Krankenliege und eingebautem Maschinengewehr - als Anschlagsmittel verwendet wurde. Dies ergibt sich erst aus den als Anlagen vorgelegten Entscheidungen des Landgerichts Stuttgart vom 31. März 2015 und der Verfügung der Staatsanwaltschaft Stuttgart vom 6. April 2016.

Vor diesem Hintergrund sind die Durchführung eines Ermittlungsverfahrens und die von dem Beschwerdeführer nur rudimentär beschriebenen Ermittlungsmaßnahmen nachvollziehbar und stellen insbesondere keine „rassistische Diskriminierung“ (S. 9 der Verfassungsbeschwerde) des Beschwerdeführers dar. Dass das Ermittlungsverfahren später mangels Beweises für eine (subjektive) Kenntnis des Beschwerdeführers von einer entsprechenden Verwendung des Krankenwagens eingestellt wurde, steht dem nicht entgegen.

Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.

II.

Die Verfassungsbeschwerde wurde missbräuchlich im Sinne von § 34 Abs. 2 BVerfGG erhoben. Dem Verfahrensbevollmächtigten des Beschwerdeführers ist daher eine Missbrauchsgebühr in Höhe von 500 Euro aufzuerlegen.

Eine Missbrauchsgebühr kann verhängt werden, wenn die Verfassungsbeschwerde in ihrer äußeren Form die gebotene Sachlichkeit vermissen lässt (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 23. Juni 1998 - 2 BvR 1916/97 -, juris, Rn. 3), und auch dann, wenn der Beschwerdeführer versucht, dem Gericht die Kenntnis von für die Entscheidung offensichtlich bedeutsamen Tatsachen vorzuenthalten (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 16. August 1994 - 2 BvR 983/94 -, juris, Rn. 16). Das Instrument der Verfassungsbeschwerde wird missbraucht, wenn das Bundesverfassungsgericht bei der Erfüllung seiner Aufgaben in dieser Weise durch eine sinnentleerte Inanspruchnahme seiner Arbeitskapazität behindert zu wird (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 23. Juni 1998 - 2 BvR 1916/97 -, juris, Rn. 3).

Die Verwendung wenigstens eines der gespendeten Krankenwagen als Anschlagsmittel in Syrien war von offensichtlicher Relevanz für das Strafverfahren aufgrund des Verdachts einer Finanzierung islamistischer Terroristen. Diese Tatsache war in der Beschwerdeschrift erkennbar mitzuteilen, da es nicht Aufgabe des Bundesverfassungsgerichts ist, sich den verfahrensrelevanten Sachverhalt selbst aus den Anlagen zusammenzusuchen. Angesichts der gegebenen Sachlage erscheint zudem der Vorwurf „rassistischer Diskriminierung“ gegenüber den Ermittlungsbehörden als diffamierend und grob unsachlich.

III.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar. Dies gilt auch hinsichtlich des Ausspruchs über die Missbrauchsgebühr (vgl. BVerfGE 133, 163 <167>).

HRRS-Nummer: HRRS 2017 Nr. 484

Bearbeiter: Holger Mann