HRRS

Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht

November 2006
7. Jahrgang
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Aufsätze und Entscheidungsanmerkungen



Zur Frage einer Revisionserstreckung trotz Revisionsausschlusses im Jugendstrafverfahren

Anmerkung zu BGH 1 StR 57/06 - Beschluss v. 9.5.2006 (BGH HRRS 2006 Nr. 533)

Von Dr. Sabine Swoboda, Passau.

Seit langem hofft die Literatur auf eine höchstrichterliche Klärung der Frage, wie sich der jugendstrafrechtliche Revisionsausschlusses in § 55 II JGG zur Revisionserstreckung auf Mitverurteilte nach § 357 StPO verhält. Der BGH hat seine Entscheidung nunmehr getroffen. Er lehnt die Revisionserstreckung auf einen wegen § 55 II JGG nicht mehr revisionsberechtigten Angeklagten ab und beruft sich in seiner Begründung auf eine bereits 1957 vom OLG Oldenburg[1] vorgeschlagene strenge Wortlautinterpretation des § 357 StPO, ergänzt um einen Verweis auf das im Erziehungsgedanken verankerte Beschleunigungsgebot des § 55 II JGG, das in Jugendstrafsachen den schnellen Verfahrensabschluss und damit zügig Rechtssicherheit für alle Beteiligte verlangt. Beide Begründungsstränge sind allerdings angreifbar. Auch überzeugt die Strategie des BGH, eine materiell-rechtliche Ungleichbehandlung von erwachsenem Revidenten und nicht mehr revisionsberechtigtem jugendlichem Mitangeklagten nur auf eine grammatikalisch-historische Gesetzesinterpretation zu stützen, wenig. Vielmehr lässt die Entscheidung an mehreren Stellen durchblicken, dass der BGH die Revisionserstreckung nach § 357 StPO auf den nichtrevidierenden Mitangeklagten vor allem deswegen ablehnt, weil er in ihr keinen Nutzen für den betroffenen Mitangeklagten erkennen kann.[2]

Mit dieser Bewertung liegt der BGH in dem vom OLG Karlsruhe vorgelegten Einzelfall vermutlich sogar richtig. Die betroffene Heranwachsende, deren Verurteilung bei Anwendung des § 357 StPO rückwirkend entfallen wäre, konnte in einer erneuten Hauptverhandlung kaum auf ein günstigeres Ergebnis hoffen. Immerhin hatte schon die Revision des erwachsenen Mitangeklagten nur deswegen Erfolg, weil das Berufungsgericht bei der Darstellung des Raubvorwurfs im Urteilstatbestand nachlässig vorgegangen war. Das in der Berufung bestätigte Urteil in erster Instanz wies diese Tatbestandsmängel hingegen nicht oder zumindest nicht in dieser Deutlichkeit auf. Beide Angeklagten hatten damit kaum Aussicht, von einer Neuverhandlung der Sache zu profitieren. Vielmehr war absehbar, dass es in einer neuen Hauptverhandlung zu einer erneuten Verurteilung wegen Raubes mit nochmaliger Verhängung derselben Strafen kommen würde. Eine Revisionserstreckung auf die heranwachsende Mitangeklagte hätte diese also nur in eine erneute Hauptverhandlung ohne große Aussicht auf ein günstigeres Ergebnis gezwungen. Obendrein wären ihr möglicherweise aus der Revisionserstreckung sogar noch Nachteile erwachsen. Immerhin lief ihre Bewährung bereits. Eine Aufhebung des rechtskräftigen Berufungsurteils hätte die Bewährungszeit nur unnötig unterbrochen und auf unabsehbare Zeit hinausgezögert.

Für den 1. Senat gab es aber noch einen weiteren Grund, die Revisionsentscheidung des OLG Karlsruhe nicht auf die heranwachsende Mitangeklagte zu erstrecken. Der Beschluss vom 9.5.2006 lässt mehrfach durchblicken, dass der 1. Senat die Revision des erwachsenen Mitangeklagten wohl hätte scheitern lassen, wäre er nur selbst für die Revision zuständig gewesen. Jetzt muss der Senat zwar die Aufhebungsentscheidung des OLG Karlsruhe akzeptieren, aber er verschweigt nicht, dass er das Berufungsurteil im Großen und Ganzen für richtig hält und allein wegen der geschilderten tatbestandlichen Mängel nicht aufgehoben hätte. Damit entpuppt sich seine Ablehnung der Revisionserstreckung nach § 357 StPO auf einen nach § 55 II JGG von der Revision ausgeschlossenen jugendlichen Mitangeklagten vor allem als Schiedsspruch im konkreten Einzelfall. Ist aber mit diesem Schiedsspruch auch die vom OLG Karlsruhe vorgelegte abstrakte Rechtsfrage abschließend geklärt? Ist eine Revisionserstreckung nach § 357 StPO in den Fällen des Revisionsausschlusses nach § 55 II JGG tatsächlich verfehlt? Beides ist zu bezweifeln.

Wie bereits angedeutet, dreht sich die Argumentation des BGH im Kern um den Gesetzestext des § 357 StPO. Dieser lautet in den entscheidenden Passagen, das Revisionsgericht habe zugunsten früherer Mitangeklagter, "die nicht Revision eingelegt haben, so ... zu erkennen, als ob sie gleichfalls Revision eingelegt hätten". Die Wendung, das aufgehobene Urteil müsse sich noch auf andere Angeklagte erstrecken, "die nicht Revision eingelegt haben", interpretiert der BGH nun dahingehend, § 357 StPO ermögliche eine Rechtskraftdurchbrechung nur für solche früheren Mitangeklagten, "welche von dem Rechtsmittel der Revision nicht wie der Revident erfolgreich Gebrauch gemacht haben."[3] Das schließe diejenigen Mitangeklagten aus, für die von vornherein gar keine Möglichkeit bestand, erfolgreich Revision einzulegen, weil die Revision kraft Gesetzes ausgeschlossen, also von vornherein unstatthaft war. Des Weiteren verlange eine Revisionserstreckung auf Mitangeklagte nach § 357 StPO vom Revisionsgericht nur, "so ... zu erkennen, als ob sie (die Mitangeklagten) gleichfalls Revision eingelegt hätten." Hätte aber der nach § 55 II JGG nicht mehr revisionsbefugte Jugendliche oder Heranwachsende eine Revision eingelegt, wäre diese als unzulässig abgewiesen worden. Die Revisionserstreckung nach § 357 StPO dürfe diese Unzulässigkeitsfolge nicht umgehen. Insbesondere dürfe sie keine vom Gesetzgeber nicht beabsichtigte zusätzliche Möglichkeit der Rechtskraftdurchbrechung eröffnen, denn das liefe auf eine unzulässige Analogiebildung zu § 357 StPO gegen den Willen des Gesetzes hinaus. Die Rechtsnatur des § 357 StPO als rechtskraftdurchbrechende Ausnahmeregelung verlange nach einer engen Gesetzesinterpretation. Außerdem widerspräche eine erweiterte Möglichkeit der Rechtskraftdurchbrechung dem Sinn und Zweck des aus § 55 II JGG für das Jugendstrafverfahren gewonnenen Beschleunigungsgedankens. Der Gesetzgeber habe sich in Jugendstrafsachen für einen vorgezogenen Eintritt von Rechtskraft entschieden, um die erzieherische Wirkung der jugendstrafrechtlichen Sanktion zu unterstützen, und dabei das erhöhte Risiko fehlerhafter Verurteilungen bewusst in Kauf genommen.

Die strenge Wortlautorientierung mit dem pauschalen Ausschluss jeglicher erweiternder Auslegung des § 357 StPO überzeugt wenig. Zwar gilt bei Ausnahmeregelungen grundsätzlich, dass sie nur einer einschränkenden Interpretation zugänglich sein sollen, doch hat sich gerade bei § 357 StPO schnell gezeigt, dass der richtige Grundgedanke der Norm, der "materiellen Gerechtigkeit" und der Gleichheit vor dem Recht zu dienen bzw. "unerträgliche Ungerechtigkeit als Ergebnis eines Revisionsverfahrens zu verhindern[4] oder zumindest die "peinliche" Evidenz einer grundlosen Ungleichbehandlung im materiellen Recht zu vermeiden, bei einer engen Gesetzesauslegung nur unzureichend zum Tragen kommt.[5] Außerdem führte bisher jeglicher Versuch der Einschränkung des § 357 StPO zu inkonsequenten und mitunter gar abstrusen Ergebnissen.[6] § 357 StPO ist seinem Sinn und

Zweck nach durchaus der erweiternden Auslegung oder Analogie zugänglich und in der Rechtsprechung auch bereits mehrfach über den vom Gesetzeswortlaut umschriebenen engen Wirkungsbereich hinaus zur Anwendung gekommen.[7] Zudem ist der Gesetzestext des § 357 StPO alles andere als präzise, was die vom BGH vertretene einschränkende Auslegung erheblich erschwert. Im Grunde gelingt sie dem BGH nur, indem er die gesetzlichen Wendungen durch Eigendefinitionen ersetzt. So wird aus der Formulierung, das Urteil erstrecke sich "noch auf andere Angeklagte, die nicht Revision eingelegt haben," die Wendung, die Rechtskraftdurchbrechung gelte nur "für solche früheren Mitangeklagten..., welche von dem Rechtsmittel der Revision nicht wie der Revident erfolgreich Gebrauch gemacht haben." Die Betonung liegt auf der Idee des "erfolgreichen Gebrauchmachens" von der Revision. Das Rechtsmittel der Revision dürfe, so der BGH, nicht bereits von Gesetzes wegen ausgeschlossen sein, was sich auch der weiteren Gesetzeswendung entnehmen ließe, das Revisionsgericht habe bezüglich der Mitangeklagten "so zu erkennen, als ob sie gleichfalls Revision eingelegt hätten." Diese Begriffsfestlegungen sind in sich gewiss schlüssig, aber nicht unbedingt zwingend. Insbesondere aber geben sie keine Antwort auf die Frage, warum ein gesetzlicher Rechtsmittelausschluss in § 357 StPO eigentlich anders zu behandeln ist als beispielsweise der Verzicht auf ein weiteres Rechtsmittel i.S.v. § 302 StPO, der die Anwendung des § 357 StPO bekanntermaßen nicht ausschließt.[8] Für die Differenzierung zwischen gesetzlichem Ausschluss und Rechtsmittelverzicht oder Rechtsmittelrücknahme gibt es bei § 357 StPO - von der streng grammatikalischen Gesetzesinterpretation des BGH einmal abgesehen - überhaupt keinen sachlichen Grund. Die materielle Gerechtigkeit jedenfalls ist in beiden Fällen gleich betroffen.

Der BGH wendet sich nun aber sogleich dem Sinn und Zweck des Beschleunigungsgebotes in § 55 II JGG zu und betont den erzieherischen Wert zeitnah verhängter und vollstreckter Sanktionen in Jugendstrafsachen. § 55 II JGG gebiete es geradezu, das Verfahren gegen Jugendliche und Heranwachsende "anders", d.h. zügiger abzuwickeln und deswegen auch eine Revisionserstreckung nach § 357 StPO zu versagen. Doch dabei unterschlägt der BGH, dass auch die Rechtsmittelbeschränkung des § 55 II JGG nur Ausnahmecharakter besitzt.[9] Ihr erzieherischer Nutzwert ist zudem nicht ganz unstreitig, selbst wenn die große Mehrheit die Berechtigung des Beschleunigungssatzes anerkennt.[10] Als Ausnahmevorschrift kann § 55 II JGG aber jedenfalls nicht die Durchschlagskraft eines generellen Rechtssatzes erlangen. Jede erweiternde Auslegung, jede Ausstrahlungswirkung der Rechtsmittelbeschränkung muss vielmehr für sich sorgfältig auf ihre Rechtfertigung durch den Erziehungsgedanken hin überprüft werden.[11] Der BGH beruft sich nun auf die Überlegung, dass eine Revisionserstreckung für den nichtrevidierenden Mitangeklagten in der Regel mehr Plage denn Wohltat bedeutet. Sie zwingt ihn in eine erneute Hauptverhandlung, obwohl er aus dieser zumeist keinen echten Vorteil schöpfen kann,[12] oder hat gar zur Folge, dass ein Jugendlicher aus dem bereits eingeleiteten, besonders behandlungs- und erziehungsorientierten Jugendstrafvollzug gerissen werden muss.[13] Jetzt hat aber bereits Meyer-Goßner zu Recht angemerkt, dass die Auswirkungen bei der Strafvollstreckung für die Anwendung des § 357 StPO keine Rolle spielen können. Zwischen dem in Freiheit befindlichen und dem inhaftierten Verurteilten darf kein Unterschied gemacht werden.[14] Außerdem versteift sich der BGH viel zu einseitig auf die verfahrensrechtliche Komponente des Erziehungsgedankens. Das Beschleunigungsgebot wird verabsolutiert. Dagegen bleibt der erzieherisch nun nicht weniger missliche Aspekt der materiellen Ungleichbehandlung zweier Mitangeklagter weitgehend außer Betracht.

Dieses Ausblenden der Aspekte materiell-rechtlicher Gleichbehandlung von Jugendlichen und Erwachsenen gelingt dem BGH mit einer taktisch geschickten Vergleichsgruppenbildung, die sich allein auf die prozessuale Perspektive versteift. Vergleichsmaßstab ist aus dieser Perspektive allein die prozessuale Behandlung aller nach Jugendstrafrecht verurteilten Jugendlichen und Heranwachsenden; - und diesen steht nun unstreitig wegen § 55 II JGG immer nur ein Rechtsmittel zur Verfügung. Der BGH argumentiert deswegen, der mitangeklagte Jugendliche werde bei Ablehnung einer rechtskraftdurchbrechenden Revisionserstreckung nach § 357 StPO gerade nicht "schlechter" behandelt als die anderen Mitglieder der maßgeblichen Vergleichsgruppe (d.h. die übrigen Jugendlichen und Heranwachsenden). Die prozessuale Ungleichbehandlung zwischen jugendlichem und erwachsenem Mitangeklagten wiederum sei aus Erziehungsgesichtspunkten begründet. Ein "Verbot der Schlechterbehandlung Jugendlicher" gäbe es im Jugendstrafrecht bekanntlich gerade nicht.[15] Dem Jugendlichen

erwüchsen aus der Sonderbehandlung nach dem JGG Vorteile, aber eben auch Nachteile, die er aus erzieherischen Gründen zu akzeptieren hätte. Letztlich kann der BGH auf diesem Weg jedoch nur erklären, warum es überhaupt ein besonderes Jugendstrafverfahren mit erzieherisch begründeten Sonderregelungen gibt. Über dieses Pauschalargument hinaus liefert er für seine Entscheidung keine Begründung und das gewählte Beispiel zur Erläuterung wichtiger Verfahrensunterschiede im Erwachsenen- und Jugendstrafrecht im Hinblick auf § 357 StPO macht gleich gar keinen Sinn, denn § 357 StPO interessiert sich überhaupt nicht für Ungleichbehandlungen in Verfahrensfragen. Die Norm will nur die evident gleiche Anwendung materiellen Strafrechts auf Mitangeklagte sicherstellen.[16]

Was der Entscheidung aber vor allem fehlt, ist eine materiell-rechtliche Perspektive des Erziehungsgedankens. Der BGH scheint stillschweigend vorauszusetzen, dass der Erziehungsgedanke auch die evidente Ungleichbehandlung von Mitangeklagten bei der Auslegung und Anwendung des materiell-rechtlichen Straftatbestandes trägt. Doch diese Konsequenz kann mit dem Grundgedanken des Jugendstrafrechts nun wirklich nicht in Einklang gebracht werden, denn das Jugendstrafrecht gestattet gerade keine Abweichung vom materiellen Straftatbestand. Vielmehr lässt es die Tatbestände des allgemeinen Strafrechts bestehen und begründet nur Abweichungen bei den Sanktionenfolgen und in Verfahrensfragen. Besser wäre es daher gewesen, der BGH hätte sich zunächst bezogen auf den konkreten Vorlagefall gefragt, ob es denn erzieherisch zu rechtfertigen ist, die mitangeklagte Heranwachsenden an ihrer Verurteilung wegen des Verbrechens des Raub (§ 249 StGB) festzuhalten, während der erwachsene Mitangeklagte nun für dieselbe Tat möglicherweise nur wegen Nötigung (§ 240 StGB), Bedrohung (§ 241 StGB) und vielleicht auch Diebstahl (§ 242 StGB) schuldig gesprochen wird. Der BGH windet sich hier mit der Bemerkung heraus, § 357 StPO diene nur der materiellen Gerechtigkeit und gerade nicht den Individualinteressen des Nichtrevidenten. Deswegen dürfe sich die Auslegung auch nicht am Rechtsempfinden des Betroffenen orientieren.[17] Aber wie kann ein Jugendstrafverfahren erzieherisch wirken, wenn es grundlegende Aspekte der materiellen Gerechtigkeit außer Betracht lässt und zudem das Gerechtigkeitsempfinden der angeklagten Jugendlichen missachtet?

Die Antwort lautet: Gar nicht! Insgesamt konzentriert sich der BGH viel zu sehr auf die (Ausnahme-)Vorschrift des § 55 II JGG, d.h. auf die verfahrensbeschleunigenden Aspekte,[18] und übersieht dabei, dass hier doch genau der Fall eingetreten ist, den der Gesetzgeber mit Schaffung des § 357 StPO vermeiden wollte: § 357 StPO soll evidentes Unrecht in Form materiell-rechtlicher Ungleichbehandlung verhindern - und auf genau diese Evidenz von Gerechtigkeit, diese erkennbare Gleichbehandlung gleicher Fälle kann auch eine gelungene Erziehung nicht verzichten. Ganz im Gegenteil, enttäuscht man das Gerechtigkeitsgefühl der Jugendlichen in diesem Punkt, beeinträchtigt das die erzieherische Wirkung der jugendstrafrechtlichen Sanktion ungleich schwerer als jede Verzögerung ihrer Vollstreckung.[19] Der BGH aber geht auf die erzieherische Dimension des Gleichbehandlungsgebotes überhaupt nicht ein und ignoriert damit, dass hier eigentlich zwei zentrale Erziehungsinteressen kollidieren: Verfahrensbeschleunigung und Gerechtigkeit durch Gleichbehandlung. Diese Interessen wären gegeneinan-

der abzuwägen gewesen.[20] Mit der rigiden Wortlautinterpretation zu § 357 StPO und der einseitigen Betonung auf Erziehung als Beschleunigung argumentiert der BGH an der zentralen Frage vorbei.


[1] OLG Oldenburg NJW 1957, 1450.

[2] Dies wird insbesondere in den statistischen Erwägungen zum Nutzwert des § 357 StPO deutlich, die der 1. Senat als Zusatzargument gegen eine erweiternde Auslegung des § 357 StPO heranzieht; allgemein zu den Nachteilen der Revisionserstreckung "über den Kopf des Mittäters" hinweg (BGHSt. 20, 77, 80) s. die Ausführungen bei Basdorf, Meyer-Goßner-FS, 2001, 665; Zopfs, GA 1999, 482; Meyer-Goßner, Roxin-FS, 2001, 1345; Wohlers/Gaede, NStZ 2004, 9 (11); Kuckein in Karlsruher Kommentar zur StPO (KK-Kuckein, StPO), 5. Auflage 2003, § 357 Rn. 1 m. w. N.

[3] Diese Formulierung entstammt KK-Kuckein, StPO, § 357 Rn. 1.

[4] Basdorf, Meyer-Goßner-FS, 665; Hanack in Löwe/Rosenberg, StPO, 25. Auflage, § 357 Rn. 1 f.

[5] Wohlers/Gaede, NStZ 2004, 9.

[6] Vgl. die Anmerkungen bei Meyer-Goßner, Roxin-Fs, S. 1346 ff., zu den Einschränkungsversuchen bei Zopfs, GA 1999, 482 (492 ff.); Tappe, Die Voraussetzungen des § 357 StPO, Diss. Berlin 1971 (Revisionserstreckung nur im Fall einer eigenen Entscheidung des Revisionsgerichts nach § 354 I StPO); weitere Einschränkungsvorschläge bei Basdorf, Meyer-Goßner-FS, 665 (671 ff.) (Anhörung des Mitangeklagten); Hamm, Hanack-FS, 1999, 369 (383 ff.) (Beschränkung der Anwendung auf Subsumtionsfehler, keine allgemeine Anwendung auf die Sachrüge); Wohlers/Gaede, NStZ 2004, 16 f. (Zustimmungsvorbehalt für den Mitangeklagten, sofern nicht nach § 354 I StPO entschieden wird).

[7] Nachweise bei Wohlers/Gaede, NStZ 2004,10 f.; Zopfs, GA 1999, 482 (487); Meyer-Goßner, StPO, 49. Auflage, 2006, § 357 Rn. 7, 10.

[8] OLG Hamburg JW 1937, 3152; Dallinger, MDR 1963, 540.

[9] Dallinger, MDR 1963, 541; Nothacker, GA 1982, 451 (452 ff.).

[10] Schoreit in Diemer/Schoreit/Sonnen, JGG, 4. Auflage, 2002, § 55 Rn. 3; Schaffstein/Beulke, Jugendstrafrecht, § 38 (S. 262); Brunner/Dölling, JGG, 11. Auflage, 2002, § 55 Rn. 1.

[11] Eisenberg, JGG, 11. Auflage, 2006, § 55 Rn. 55; Nothacker, GA 1982, 451 (467).

[12] Der BGH verweist dazu auf die Untersuchungsergebnisse bei Meyer-Goßner, Roxin-FS, 1345 (1352 ff.).

[13] Zu den Folgen der Revisionserstreckung im Strafvollzug allgemein Zopfs, GA 1999, 482 (491 f.).

[14] Meyer-Goßner, Roxin-FS, 1345 (1347).

[15] Die Erziehungskonzeption des Jugendstrafrechts gilt dort nach ganz h.M. als sachlicher Differenzierungsgrund, der die strafrechtliche Ungleichbehandlung Jugendlicher und Erwachsener vor Art. 3  GG als gänzlich unterschiedliche Sachverhalte rechtfertigt; zum Streitstand Schaffstein/Beulke, Jugendstrafrecht, 14. Auflage, 2002, § 28 II (S. 194 f.); speziell zu § 55  II JGG Böhme/Feuerhelm, Einführung in das Jugendstrafrecht, 4. Auflage, 2004, § 11.3b (S. 95 ff.); für ein Verbot der Schlechterstellung Jugendlicher BayObLG NStZ 1991, 584; Albrecht, Jugendstrafrecht, 3. Auflage, 2000, § 48 A II 3b (S. 385); Walter, ZStW 113 (2001), 742 (769).

[16] Zopfs, GA 1999, 482 (493); der BGH erläutert an dieser Stelle im Zusammenhang mit § 357 StPO ein Beispiel zur Verletzung des Öffentlichkeitsgrundsatzes nach §§ 169 GVG, 48 III JGG. Über diese Verletzung des Öffentlichkeitsgrundsatzes könne sich zwar der mitangeklagte Erwachsene, aber nicht der Jugendliche beschweren, gegen den wegen § 48 I JGG ja ohnehin nichtöffentlich verhandelt wird. Deswegen, so der BGH, mache eine Revisionserstreckung nach § 357 StPO hier keinen Sinn. Richtig aber ist, § 357 StPO findet auf reine Verfahrensrügen keine Anwendung. Die Norm will nur die einheitliche "Anwendung des Strafgesetzes" auf die Mitangeklagten erreichen. Verfahrensverstöße kümmern die Norm nicht, auch nicht im Fall absoluter Revisionsgründe wie etwa beim fehlerhaften Ausschlusses der Öffentlichkeit nach § 338 Nr. 6 StPO; dazu Meyer-Goßner, StPO, § 357 Rn. 11; Hanack in Löwe/Rosenberg, StPO, § 357 Rn. 15.

Unschlüssig ist im übrigen das weitere Argument des BGH, der Jugendliche stünde bei einer einschränkenden Auslegung des § 357 StPO im Fall der Mitanklage nicht schlechter als bei einer Alleinanklage, denn in beiden Fällen hätte wegen § 55 II JGG nur ein Rechtsmittel. Ganz im Gegenteil, es gäbe bei der Mitanklage sogar noch eine Chance, zwei Rechtsmittel zu erlangen, nämlich indem der Jugendliche sofort Sprungrevision einlegt und der mitangeklagte Erwachsene Berufung, sodass wegen § 335 III StPO zunächst die Berufungsinstanz über den gesamten Fall verhandelt, aber dem Jugendlichen der Weg in die Revisionsinstanz dennoch erhalten bleibt (BayObLG NStZ-RR 2001, 49).

Dazu ist zu sagen, dass § 357 StPO ausdrücklich nur den Fall der Mitanklage erfasst, weil er nur eine evidente materielle Ungleichbehandlung verhindern will, nicht materiell-rechtliche Ungleichbehandlung an sich. Die Fälle von Mitanklage und Einzelanklage sind also aus der Perspektive des § 357 StPO überhaupt nicht zu vergleichen. Was die weiteren Ausführungen des BGH zur Möglichkeit eines zweiten Rechtsmittels bei einer geschickten Rechtsmittelstrategie des Jugendlichen angeht, so bleibt vollständig unklar, was dieser Gedankengang zur Klärung der vorgelegten Rechtsfrage beiträgt. Ist es ein versteckter Hinweis, wie man es geschickter hätte machen können, um sich im Fall der Mitanklage an dem Verbot des § 55 II JGG "vorbeizumogeln"? Da wäre es nun wirklich einfacher gewesen, eine Revisionserstreckung nach § 357 StPO auch trotz § 55 II JGG zu ermöglichen.

[17] Hanack in Löwe/Rosenberg, StPO, § 357 Rn. 1.

[18] Zur Gefahr, den Ausnahmegedanken des § 55 II JGG zu verfahrensökonomischen Zwecken zu entfremden, obwohl der Sinn und Zweck des allgemeinen Beschleunigungsgebots im Strafverfahren nicht mit dem besonderen, erzieherisch begründeten Beschleunigungsgedanken des § 55 JGG übereinstimmt Nothacker, GA 1982, 451 (454 f.).

[19] Dallinger, MDR 1963, 540 f.; Brunner/Dölling, JGG, §55 Rn. 16.

[20] Für eine Abwägung im konkreten Einzelfall auch Schoreit in Diemer/Schoreit/Sonnen, JGG, § 55 Rn. 49; nicht eindeutig dagegen KK-Kuckein, StPO, § 357 Rn. 17, der zunächst feststellt, § 357 StPO billige dem Gericht keine Ermessensentscheidung zu, weswegen von einer Revisionserstreckung auch nur in absoluten Ausnahmefällen abgesehen werden dürfe, z.B. dann, wenn die Zurückverweisung zu neuer Verhandlung zu einem untragbaren Missverhältnis zwischen dem aus der Neuverhandlung zu erwartenden Vorteil und der mit der Fortführung des Strafprozesses verbundenen Belastungen führt. Allerdings soll das Revisionsgericht § 357 ohnedies niemals anwenden, "wenn nach seiner Überzeugung auszuschließen ist, dass die neue Verhandlung ein günstigeres Ergebnis für den Nichtrevidenten erbringen wird."