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HRR-Strafrecht
Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht
Juni 2000
1. Jahrgang
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1. Die Unterbrechungswirkung von Untersuchungshandlungen erstreckt sich grundsätzlich auf alle verfahrensgegenständlichen Taten, wenn in einem Verfahren wegen mehrerer Taten im prozessualen Sinn ermittelt wird. Dies gilt jedoch dann nicht, wenn der Verfolgungswille des tätig werdenden Strafverfolgungsorgans erkennbar auf eine oder mehrere Taten beschränkt ist (BGHR StGB § 78c Abs. 1 Handlung 4 und § 78c Abs. 1 Nr. 1 - Bekanntgabe 2).
2. Für die Bestimmung des Verfolgungswillens der Strafverfolgungsorgane ist maßgeblich, was mit der jeweiligen richterlichen Handlung bezweckt wird. Dabei sind neben dem Wortlaut der Verfügung auch der Sach- und Verfahrenszusammenhang entscheidend. Sofern sich die Reichweite nicht aus der Handlung selbst ergibt, ist der sonstige Akteninhalt zur Auslegung heranzuziehen (vgl. BGHSt 16, 164). Bleiben dann immer noch Zweifel, ist davon auszugehen, daß die betreffende richterliche Handlung die Verjährung nicht unterbrochen hat (BGHSt 18, 274).
3. Die Verjährungsfrist für Steuerhinterziehung beginnt gemäß § 78a StGB mit Eintritt des tatbestandlichen Erfolges. Die Tatbeendigung tritt bei Fälligkeitssteuern bei Erstattungsanmeldungen mit der Zustimmung der Finanzbehörden zur geltend gemachten Steuererstattung ein. Die Tatbeendigung tritt bei der Körperschaftsteuer als Veranlagungssteuer bei Steuernachzahlungen dann ein, wenn der unrichtige Steuerbescheid bekannt gemacht wird.
4. Zur Unterbrechung der Verfolgungsverjährung durch Durchsuchungs- und Beschlagnahmeanordnungen müssen die Taten in diesen so individualisiert sein, daß sie von denkbaren ähnlichen oder gleichartigen Vorkommnissen zu unterscheiden sind (vgl. BGHSt 22, 375, 385).
5. Auch wenn die Strafprozeßordnung zur Beweiserhebung über den Inhalt von Urkunden und anderen als Beweismittel dienenden Schriftstücken grundsätzlich die Verlesung gemäß § 249 Abs. 1 StPO vorsieht, ist es nicht ausgeschlossen, Urkunden im Wege des Vorhalts in die Hauptverhandlung einzuführen. Ein Vorhalt kann nicht Grundlage einer Verurteilung sein. Beweisgrundlage ist nicht der Vorhalt, sondern die bestätigende Erklärung desjenigen, dem der Vorhalt gemacht wird (st. Rspr.; vgl. nur BGHSt 11, 159, 160 und 11, 338, 340/341).
6. Der Einführung des Inhalts eines Schriftstücks in die Hauptverhandlung im Wege des Vorhalts sind jedoch, insbesondere wenn das Urteil auf den Wortlaut des Schriftstücks gestützt, werden soll (vgl. hierzu BGHSt 5, 278), dann Grenzen gesetzt, wenn es sich bei dem vorgehaltenen Schriftstück um ein längeres oder ein solches handelt, das sprachlich oder inhaltlich schwer zu verstehen ist.
7. Es widerspräche der Ordnung des Revisionsverfahrens, über Vorgänge in der Hauptverhandlung, die keine wesentlichen Förmlichkeiten darstellen und deshalb in die Sitzungsniederschrift nicht aufzunehmen sind, Beweis zu erheben (BGHSt 17, 351, 352 f.; 31, 139, 140). Dies käme einer Wiederholung eines Teils der tatrichterlichen Verhandlung gleich.
8. Obwohl der Wortlaut des § 371 Abs. 2 Nr. 1 lit. a AO, der lediglich von der Ermittlung "einer Steuerstraftat" spricht, weder eine zeitliche noch eine sachliche Begrenzung der Sperrwirkung vorsieht, ist diese Norm einschränkend auszulegen und die von ihr ausgehende Sperrwirkung formal zu begrenzen.
9. Für die Annahme einer Tatentdeckung reicht ein bloßer Anfangsverdacht nicht aus. Das Merkmal der Tatentdeckung erfordert mehr als die Kenntnis von Anhaltspunkten, auch wenn die Wahrscheinlichkeit späterer Aufklärung gegeben ist (BGH wistra 1983, 197). Der Tatverdacht muß sich soweit konkretisiert haben, daß bei vorläufiger Tatbewertung die Wahrscheinlichkeit eines verurteilenden Erkenntnisses gegeben ist (vgl. BGHR AO § 371 - Selbstanzeige 5 BGH wistra 1983, 197; 1985, 74, 75; 1988, 308; 1993, 227).
10. Nach Aufgabe der Rechtsprechung zur fortgesetzten Handlung ist auf die einzelne Handlung, d. h. auf die Nichtabgabe bzw. die Abgabe einer unrichtigen Steuererklärung, abzustellen. Die einzelne Tat im Sinne des § 371 Abs. 2 Nr. 2 AO bestimmt sich folglich nach Steuerart, Besteuerungszeitraum und Steuerpflichtigem.
1. Zur strafrechtlichen Verantwortlichkeit bei Abgabe von Heroin und Tod des Rauschgiftkonsumenten. (BGH)
2. Zum Grundsatz der eigenverantwortlichen Selbstgefährdung. (Bearbeiter)
3. Der Regelungsinhalt des § 30 Abs. 1 Nr. 3 BtMG ist dadurch geprägt, daß der Gesichtspunkt der Selbstgefährdung nach der positivrechtlichen Entscheidung des Gesetzgebers die objektive Zurechnung der Todesfolge nicht hindern soll (so schon BGHSt 37, 179, 182/183). (Bearbeiter)
1. Im Jugendstrafverfahren ist bei der Aburteilung mehrerer selbständiger Straftaten zwar eine beschränkte Anfechtung des Schuldspruchs möglich (vgl. BGH GA 1953, 83, 84 f.; NStZ 1992, 589; s. auch § 56 Abs. 1 Satz 1 JGG); jedoch wird von der teilweisen Anfechtung des Schuldspruchs oder des Strafausspruchs regelmäßig der gesamte Strafausspruch erfaßt. Dies gilt jedenfalls bei der Verurteilung zu einer Einheitsjugendstrafe und dann, wenn die Frage, ob für die Straftaten eines Angeklagten, die er teils als Heranwachsender und teils als Erwachsener begangen hat, Jugendstrafrecht oder allgemeines Strafrecht anzuwenden ist, nur einheitlich entschieden werden darf (§ 32 JGG).
2. Bei gleichzeitiger Aburteilung von Taten, auf die teils Jugendstrafrecht, teils allgemeines Strafrecht anzuwenden wäre, ist entsprechend dem Schwergewicht der Taten entweder nur nach Jugendstrafrecht oder nur nach Erwachsenenstrafrecht zu verurteilen (vgl. BGHSt 37, 34, 36).