HRRS-Nummer: HRRS 2022 Nr. 924
Bearbeiter: Christian Becker
Zitiervorschlag: BGH, 5 StR 109/22, Beschluss v. 20.07.2022, HRRS 2022 Nr. 924
Auf die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Dresden vom 20. Dezember 2021 wird
das Verfahren eingestellt, soweit der Angeklagte im Fall II.14 der Urteilsgründe wegen Sachbeschädigung verurteilt worden ist; die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Angeklagten hat insoweit die Staatskasse zu tragen;
der Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte der Sachbeschädigung in zwei Fällen statt in drei Fällen schuldig ist;
im Ausspruch über die Gesamtstrafe dahin geändert, dass der Angeklagte zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Monaten verurteilt ist.
Die weitergehende Revision des Angeklagten wird verworfen.
Der Beschwerdeführer hat die verbleibenden Kosten des Rechtsmittels zu tragen.
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchter gefährlicher Körperverletzung in zwei Fällen, in einem davon in Tateinheit mit Beleidigung, wegen Sachbeschädigung in drei Fällen, Beeinträchtigung von Unfallverhütungs- und Nothilfemitteln, Beleidigung in Tateinheit mit Bedrohung sowie wegen Diebstahls in drei Fällen schuldig gesprochen und zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zehn Monaten verurteilt. Zudem hat es seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Hiergegen richtet sich seine mit der Verletzung materiellen Rechts geführte Revision. Das Verfahren ist hinsichtlich einer Tat einzustellen, da es an einer Verfahrensvoraussetzung fehlt. Im Übrigen ist das Rechtsmittel des Angeklagten unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO). 1. Das Verfahren war nach § 206a StPO einzustellen, soweit der Angeklagte in dem unter Ziffer II.14 der Urteilsgründe festgestellten Fall wegen Sachbeschädigung zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten verurteilt worden ist. Es liegt entgegen § 303c StGB weder ein Strafantrag des Verletzten vor, noch hat die Staatsanwaltschaft das besondere öffentliche Interesse an der Strafverfolgung bejaht. Zwar kann ein solches durch die Anklageerhebung konkludent bejaht werden. Dies gilt indes nur, wenn sich aus den Umständen nicht etwas anderes ergibt (BGH, Beschluss vom 30. Juli 2013 - 4 StR 247/13, NStZ-RR 2013, 349). Das ist hier der Fall, weil die Staatsanwaltschaft die Handlung in der Anklageschrift als gemeinschädliche Sachbeschädigung (§ 304 StGB) gewertet hat. Auf die abweichende rechtliche Würdigung als Sachbeschädigung im Sinne des § 303 StGB durch die Strafkammer im Eröffnungsbeschluss erfolgte keine ersichtliche Reaktion der Staatsanwaltschaft mehr. Mit der Einstellung des Verfahrens nach § 206a StPO entfallen insoweit hinsichtlich dieser Tat der Schuld- und Strafausspruch. Angesichts der von der Teileinstellung unberührten Einsatzstrafe von sechs Monaten für die Tat nach Ziffer II.16 der Urteilsgründe setzt der Senat die verhängte Gesamtfreiheitsstrafe entsprechend § 354 Abs. 1 StPO auf sieben Monate herab. 2. Die Anordnung der Maßregel der Besserung und Sicherung hat dagegen Bestand. Zwar wird auch für eine Unterbringung nach § 63 StGB vorausgesetzt, dass ein für die Anlasstat erforderlicher Strafantrag gestellt ist (BGH, Urteil vom 28. Oktober 1982 - 4 StR 472/82, BGHSt 31, 132). Ihre Anordnung hat die Strafkammer jedoch auf sechs weitere, von keinem Verfahrenshindernis betroffene Taten des Angeklagten gestützt, deren Erheblichkeit im Sinne des § 63 Satz 1 StGB sie jeweils rechtsfehlerfrei bejaht hat. Dass das Landgericht die nicht verfolgbare Sachbeschädigung aufgrund der Höhe des angerichteten Schadens in die Gefahrenprognose einbezogen hat, ist nicht nur unschädlich, sondern war sogar geboten. Denn in die hierzu erforderliche Gesamtschau sind neben der konkreten Krankheits- und Kriminalitätsentwicklung auch die auf die Person des Täters und seine konkrete Lebenssituation bezogenen Risikofaktoren einzustellen, die eine individuelle krankheitsbedingte Disposition zur Begehung von Straftaten jenseits der Anlasstaten belegen können (BGH, Urteil vom 11. Oktober 2018 - 4 StR 195/18, NStZ-RR 2019, 41 mwN). Hierzu können tatbestandsmäßige und rechtswidrige Verstöße gegen Strafgesetze unabhängig davon gehören, ob sie strafrechtlich zu ahnden sind (vgl. BGH, Urteil vom 21. Mai 2014 - 1 StR 116/14; LK/Cirener, StGB, 13. Aufl., § 63 Rn. 131). 3. Im Übrigen hat die auf die Revision des Angeklagten veranlasste sachlich-rechtliche Prüfung des Urteils keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. 4. Die Kostenentscheidung folgt hinsichtlich der teilweisen Einstellung des Verfahrens aus § 467 Abs. 1 StPO, im Übrigen aus § 465 Abs. 1 StPO.
HRRS-Nummer: HRRS 2022 Nr. 924
Bearbeiter: Christian Becker