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HRRS-Nummer: HRRS 2004 Nr. 317

Bearbeiter: Karsten Gaede

Zitiervorschlag: BGH, 5 StR 23/04, Beschluss v. 18.02.2004, HRRS 2004 Nr. 317


BGH 5 StR 23/04 - Beschluss vom 18. Februar 2004 (LG Berlin)

Ablehnung des Beweisantrags auf eine Zeugenvernehmung (tatsächliche Bedeutungslosigkeit); Aufklärungserfolg (Beziehung zum Beweisantragsrecht).

§ 31 BtMG; § 244 Abs. 3 Satz 2 StPO

Leitsätze des Bearbeiters

1. Ein Angeklagter kann nicht mit neuen noch unbewiesenen Angaben erst in der Hauptverhandlung den noch nicht eingetretenen Aufklärungserfolg mit Hilfe des Beweisantragsrechts erreichen (vgl. BGHR BtMG § 31 Nr. 1 Aufdeckung 24).

2. Zur uneingeschränkten Geltung der Grundsätze des Beweisantragsrechts in derartigen Fällen.

Entscheidungstenor

1. Auf die Revision des Angeklagten B wird das Urteil des Landgerichts Berlin vom 26. März 2003 nach § 349 Abs. 4 StPO im Strafausspruch aufgehoben.

2. Die weitergehende Revision wird nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.

3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe

Das Landgericht hat den Beschwerdeführer wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt sowie seinen Pkw und sichergestelltes Heroin eingezogen. Den Mitangeklagten hat das Landgericht vom gleichen Anklagevorwurf aus tatsächlichen Gründen freigesprochen. Die Revision des Beschwerdeführers hat mit einer die Ablehnung eines Beweisantrags betreffenden Verfahrensrüge den aus dem Beschlußtenor ersichtlichen Teilerfolg.

Im übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO; dies gilt insbesondere für die weiteren Verfahrensrügen aus den in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts angegebenen Gründen.

1. Die Ablehnung des Beweisantrags auf Vernehmung des Zeugen K gemäß § 244 Abs. 3 Satz 2 StPO wegen tatsächlicher Bedeutungslosigkeit hält rechtlicher Überprüfung nicht stand. Zutreffend macht die Revision geltend, daß die Strafkammer in dem ablehnenden Beschluß das Beweisthema nicht erschöpft hat. Freilich trifft die Auffassung der Strafkammer zu, daß für die Schuld- und Straffrage der bloße Umstand offensichtlich unerheblich wäre, daß der Mitangeklagte fünf Tage, bevor er zusammen mit dem Beschwerdeführer in dessen Pkw mit Rauschgift gestellt wurde, nachts allein in der Wohnstraße des Beschwerdeführers in dessen Pkw gesessen habe. Die Strafkammer hat indes die darüber hinausgehende Beweisbehauptung unbeschieden gelassen: Hiernach sollte der Zeuge auch bekunden, daß er den Beschwerdeführer kurze Zeit zuvor von einem auswärtigen Besuch nach Hause gefahren habe, weil dieser dort kein Fahrzeug zur Verfügung gehabt und dem Zeugen gesagt habe, er habe seinen Wagen verliehen.

Es liegt nicht fern, daß eine Bestätigung dieser gesamten Beweisbehauptung als geeignet hätte angesehen werden können, die vom Mitangeklagten bestrittene Einlassung des Beschwerdeführers zu bestätigen, wonach er diesem für eine Fahrt zu einem - nach dem Zusammenhang offensichtlich Rauschgift liefernden - Araber in Ellwangen sein Fahrzeug geliehen habe (UA S. 6). Bei der explizit und eindeutig erklärten Zielsetzung des Beweisantrages, die Aussage des Beschwerdeführers zu bestätigen und die widersprechende Einlassung des Mitangeklagten zu widerlegen, war die Verteidigung auch nicht etwa gehalten, gegen die Bescheidung des unvertretbar verkürzt ausgelegten Beweisantrages nochmals ausdrücklich Gegenvorstellung zu erheben. Dies gilt zumal vor dem Hintergrund einer streitigen Beweislage, bei welcher der Beschwerdeführer bestrebt war, die Zuverlässigkeit seiner Aufdeckung der maßgeblichen Mitwirkung des Mitangeklagten an dem verfahrensgegenständlichen Betäubungsmittelhandel im Sinne von § 31 Nr. 1 BtMG weiter zu beweisen, welche die Staatsanwaltschaft ihrer Anklage zugrunde gelegt hatte und von der sie selbst bis zum Schluß der Hauptverhandlung noch ausging.

2. Daß die Strafkammer bei gebotenem weitergehendem Verständnis der Beweisbehauptung den Beweisantrag mit anderer Begründung hätte ablehnen können, ist nicht ohne weiteres ersichtlich. Auch läßt sich die Möglichkeit nicht ausschließen, daß das Gericht im Falle des Gelingens des angetretenen Beweises letztlich zu einer für die Anwendung des § 31 Nr. 1 BtMG ausreichenden Bestätigung der Einlassung des Beschwerdeführers zur Verstrickung des Mitangeklagten gelangt wäre.

Die uneingeschränkte Geltung der Grundsätze des Beweisantragsrechts in dem vorliegend besonders gelagerten Fall (vgl. auch BGHR BtMG § 31 Nr. 1 Aufdeckung 9) läßt die Anerkennung des Grundsatzes unberührt, daß ein Angeklagter nicht mit neuen noch unbewiesenen Angaben erst in der Hauptverhandlung den noch nicht eingetretenen Aufklärungserfolg mit Hilfe des Beweisantragsrechts erreichen kann (vgl. BGHR BtMG § 31 Nr. 1 Aufdeckung 24).

3. Der Schuldspruch wird von dem Rechtsfehler nicht berührt. Der Senat versteht das Urteil des Landgerichts dahin, daß es zugunsten des Beschwerdeführers aufgrund seiner Einlassung von der behaupteten maßgeblichen Verstrickung des Mitangeklagten ausgegangen ist, mithin eine Rauschgiftlieferfahrt sowie eine Rauschgifteinlagerung in der Wohnung des Beschwerdeführers auf Veranlassung des Mitangeklagten zu Gunsten des Beschwerdeführers unterstellt hat. Auf dieser Grundlage hat das Landgericht gleichwohl mit rechtsfehlerfreien Erwägungen ein erzwungenes Vorgehen des Beschwerdeführers und ein Handeln ohne Entlohnung für widerlegt erachtet. Es konnte den Beschwerdeführer danach als - jedenfalls (Mit-) - Täter des Handeltreibens verurteilen. Der Verfahrensfehler berührt lediglich die Frage der Anwendung des § 31 Nr. 1 BtMG und damit nur den Strafausspruch.

4. Zur Aufhebung von Feststellungen besteht kein Anlaß. Das neue Tatgericht wird lediglich noch zur Frage der Voraussetzung des § 31 Nr. 1 BtMG Feststellungen zu treffen haben. Sollte es die Einlassung des Beschwerdeführers zur Verstrickung des bisherigen Mitangeklagten nunmehr für glaubhaft erachten, wird es ungeachtet dessen rechtskräftiger Freisprechung zur entsprechenden Anwendung des § 31 BtMG zugunsten des Beschwerdeführers gehalten sein. In der gegebenen besonderen prozessualen Situation wäre das neue Tatgericht - insbesondere bei entsprechendem Einverständnis mit der Staatsanwaltschaft - ausnahmsweise auch, anders als sonst (vgl. BGHR BtMG § 31 Nr. 1 Aufdeckung 28), nicht gehindert, das Vorliegen der Voraussetzungen des § 31 Nr. 1 BtMG als wahr zu unterstellen.

HRRS-Nummer: HRRS 2004 Nr. 317

Externe Fundstellen: NStZ 2005, 231

Bearbeiter: Karsten Gaede