HRRS-Nummer: HRRS 2018 Nr. 307
Bearbeiter: Christian Becker
Zitiervorschlag: BGH, 3 StR 654/17, Beschluss v. 23.01.2018, HRRS 2018 Nr. 307
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Lüneburg vom 26. September 2017 aufgehoben, soweit die Vollstreckung der gegen den Angeklagten verhängten Freiheitsstrafe nicht zur Bewährung ausgesetzt worden ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Die weitergehende Revision wird verworfen.
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Raubes zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und zehn Monaten verurteilt. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen erweist es sich als unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
1. Das Landgericht hat die Vollstreckung der gegen den Angeklagten verhängten Freiheitstrafe nicht zur Bewährung ausgesetzt. Die Erwägungen, mit denen das Landgericht das Vorliegen der Voraussetzungen des § 56 StGB verneint hat, halten jedoch rechtlicher Überprüfung nicht stand.
a) Die Strafkammer hat eine positive Sozialprognose im Sinne des § 56 Abs. 1 StGB verneint und dabei zu Ungunsten des Angeklagten ausgeführt, dass er „weder durch das Verfahren noch durch den Schuldspruch in nennenswerter Weise beeindruckt“, worden ist. Damit hat sie das Fehlen von Reue und Schuldeinsicht des die Tat bestreitenden Angeklagten zu seinen Lasten berücksichtigt. Dies ist rechtsfehlerhaft, weil sich der Angeklagte mit dem von der Strafkammer vermissten Verhalten in Widerspruch zu seiner eigenen Verteidigungsstrategie hätte setzen müssen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 15. April 2003 - 3 StR 91/03, NStZ-RR 2003, 264; vom 20. April 1999 - 4 StR 111/99, StV 1999, 602; S/S/Stree/Kinzig, StGB, 29. Aufl., § 56 Rn. 30).
Vor diesem Hintergrund kommt es - abgesehen davon, dass eine Verfahrensrüge insoweit nicht angebracht worden ist - nicht mehr darauf an, dass das Landgericht mit der Wirkung des Schuldspruchs auf den Angeklagten auf Umstände abgestellt hat, die nicht Inbegriff der Hauptverhandlung waren, sondern erst nach dem Erlass des Urteils zutage getreten sind (vgl. BGH, Urteil vom 5. August 2010 - 3 StR 195/10, BGHR StPO § 261 Inbegriff der Verhandlung 47).
Keiner Entscheidung mehr bedarf schließlich auch die Frage, ob das Landgericht den Umstand, dass der Angeklagte "[a]ufgrund seines Status als Asylbewerber und seiner mangelnden Deutschkenntnisse […] auch praktisch keine Möglichkeit [hat], legal Geld zu verdienen“, zu seinen Lasten in die Prognoseentscheidung einstellen durfte; dies erscheint jedenfalls nicht unbedenklich.
b) Soweit das Landgericht das Vorliegen besonderer Umstände im Sinne des § 56 Abs. 2 StGB verneint und die Vollstreckung der verhängten Freiheitsstrafe zur Verteidigung der Rechtsordnung für geboten im Sinne des § 56 Abs. 3 StGB erachtet hat, setzt sich der aufgezeigte Rechtsfehler fort, denn auch für diese Wertungen ist die dem Angeklagten zu stellende Sozialprognose von Bedeutung (vgl. BGH, Beschlüsse vom 15. April 2003 - 3 StR 91/03, NStZ-RR 2003, 264; vom 30. April 2009 - 2 StR 112/09, NStZ 2009, 441; LK/Hubrach, StGB, 12. Aufl., § 56 Rn. 59).
2. Über die Strafaussetzung zur Bewährung muss daher neu entschieden werden. Die zu Grunde liegenden Feststellungen sind von dem aufgezeigten Wertungsfehler nicht betroffen und werden von der Aufhebung nicht erfasst (§ 353 Abs. 2 StPO). Das neue Tatgericht kann ergänzende Feststellungen treffen, soweit sie zu den bisherigen nicht in Widerspruch stehen, insbesondere solche zur Entwicklung der Lebensumstände des Angeklagten seit der letzten Hauptverhandlung.
HRRS-Nummer: HRRS 2018 Nr. 307
Externe Fundstellen: NStZ-RR 2018, 105; StV 2019, 455
Bearbeiter: Christian Becker