HRRS-Nummer: HRRS 2018 Nr. 591
Bearbeiter: Christian Becker
Zitiervorschlag: BGH, 3 StR 625/17, Beschluss v. 22.03.2018, HRRS 2018 Nr. 591
Auf die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Hannover vom 6. Juli 2017 wird
das Verfahren eingestellt, soweit der Angeklagte im Fall II. Tat 2 der Urteilsgründe wegen (versuchten) „besonders schweren“ Diebstahls verurteilt ist, und im Fall II. Tat 4 der Urteilsgründe, soweit tatmehrheitlich ein Delikt nach dem Waffengesetz in Betracht kommt; im Umfang der Einstellung fallen die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Angeklagten der Staatskasse zur Last;
das Verfahren im Fall II. Tat 4 der Urteilsgründe auf den Vorwurf der Verabredung zum besonders schweren Raub beschränkt;
das Urteil, soweit es ihn betrifft,
geändert
im Schuldspruch dahin, dass der Angeklagte wegen Diebstahls sowie Verabredung zum besonders schweren Raub verurteilt ist;
im Ausspruch über die Einziehung dahin, dass die Einziehung eines Betrages in Höhe von 8.116,60 € angeordnet ist;
mit den jeweils zugehörigen Feststellungen aufgehoben
im Ausspruch über die im Fall II. Tat 4 der Urteilsgründe verhängte Strafe;
im Gesamtstrafenausspruch.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die weiteren Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Die weitergehende Revision wird verworfen.
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen „besonders schweren Diebstahls“, wegen „versuchten besonders schweren Diebstahls“ sowie wegen Verabredung eines Verbrechens (besonders schwerer Raub in Tateinheit mit vorsätzlichem unerlaubten Führen von halbautomatischen Kurzwaffen zum Verschießen von Patronenmunition) zu der Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und acht Monaten verurteilt sowie die Einziehung von 8.116,60 € und weiterer 10.565,35 €, für die er mit einem Mitangeklagten als Gesamtschuldner haftet, angeordnet. Hiergegen wendet sich die Revision des Angeklagten mit der allgemeinen Sachrüge. Das Rechtsmittel führt teilweise zur Einstellung bzw. Beschränkung des Verfahrens und zu der aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilaufhebung. Im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
1. Nach den Feststellungen brach der Angeklagte mit zwei unbekannten Mittätern in eine Großbäckerei ein und entwendete 1.900 € Bargeld und Zigaretten im Wert von rund 6.200 € (Fall II. Tat 1). Wenige Tage später brach er mit weiteren Tätern, u.a. einem der Mitangeklagten, in ein Schreibwarengeschäft ein und entwendete Geld, Zigaretten und andere Gegenstände im Wert von rund 10.500 € (Fall II. Tat 2). Schließlich verabredete er mit den Mitangeklagten einen Überfall auf den Kassierer mehrerer Spielotheken, der durch Bedrohung mit zwei halbautomatischen Selbstladepistolen dazu gebracht werden sollte, das bei Leerung von Spielautomaten eingesammelte Geld zu übergeben (Fall II. Tat 4).
2. Der Senat hat das Verfahren auf Antrag des Generalbundesanwalts gemäß § 154 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 StPO eingestellt, soweit der Angeklagte im Fall II. Tat 2 wegen Diebstahls verurteilt worden ist. Ebenso hat er das Verfahren eingestellt, soweit im Fall II. Tat 4 im Zusammenhang mit dem geplanten Überfall tatmehrheitlich eine vollendete Straftat nach dem Waffengesetz in Betracht kommt. Mit Zustimmung des Generalbundesanwalts hat er zudem die Strafverfolgung im Fall II. Tat 4 auf den Vorwurf der Verabredung zum besonders schweren Raub beschränkt (§ 154a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 StPO).
3. Die Einstellung und die Verfahrensbeschränkung haben die Änderung des Schuldspruchs zur Folge. Dabei war der Schuldspruch wegen Diebstahls im verbleibenden Fall II. Tat 1 dahin klarzustellen, dass der Zusatz „besonders schwer“ zur Kennzeichnung des § 243 StGB entfällt, weil das Vorliegen eines gesetzlichen Regelbeispiels nicht in die Urteilsformel aufzunehmen ist.
Mit der Einstellung im Fall II. Tat 2 entfällt hinsichtlich der hierfür erhaltenen Tatbeute die vom Landgericht nach § 73 Abs. 1, § 73c StGB nF angeordnete Einziehung des Tatertrages bzw. des Wertes des Tatertrages.
4. Der Strafausspruch im Fall II. Tat 4 hält revisionsgerichtlicher Überprüfung nicht stand.
Das Landgericht hat das Vorliegen eines minder schweren Falles nach § 250 Abs. 3 StGB mit rechtsfehlerhafter Begründung verneint.
Sieht das Gesetz den Sonderstrafrahmen eines minder schweren Falles vor und ist auch ein gesetzlich vertypter Milderungsgrund gegeben, so muss bei der Strafrahmenwahl zunächst geprüft werden, ob der mildere Sonderstrafrahmen zur Anwendung kommt. Dabei ist im Rahmen einer Gesamtwürdigung vorab auf die allgemeinen Strafzumessungsgründe abzustellen. Vermögen bereits diese die Annahme eines minder schweren Falles allein zu tragen, stehen die den gesetzlich vertypten Milderungsgrund verwirklichenden Umstände noch für eine (weitere) Strafrahmenmilderung nach § 49 StGB zur Verfügung. Ist jedoch nach einer Abwägung aller allgemeinen Strafzumessungsumstände das Vorliegen eines minder schweren Falles abzulehnen, so ist zusätzlich der gesetzlich vertypte Strafmilderungsgrund in die gebotene Gesamtabwägung einzubeziehen. Erst wenn der Tatrichter danach weiterhin die Anwendung des milderen Sonderstrafrahmens nicht für gerechtfertigt hält, darf er seiner konkreten Strafzumessung den (allein) wegen des vorliegenden gesetzlich vertypten Strafmilderungsgrundes herabgesetzten Regelstrafrahmen zugrunde legen (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschlüsse vom 27. April 2010 - 3 StR 106/10, juris Rn. 2; vom 5. August 2014 - 3 StR 138/14, juris Rn. 6; vom 22. Januar 2015 - 3 StR 520/14, juris Rn. 3).
Dem wird das angegriffene Urteil nicht gerecht. Das Landgericht hat zwar bei der Prüfung, ob ein minder schwerer Fall des besonders schweren Raubes vorliegt, eine Gesamtwürdigung der allgemeinen Milderungsgründe vorgenommen. Es hat aber den vertypten Milderungsgrund nach § 30 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2, § 49 Abs. 1 StGB nicht in die Abwägung eingestellt. Der Senat kann nicht ausschließen, dass das Landgericht bei rechtsfehlerfreier Gesamtabwägung unter Berücksichtigung des vertypten Milderungsgrundes zur Annahme eines minder schweren Falles und in diesem Strafrahmen zu einer niedrigeren Freiheitsstrafe gelangt wäre.
5. Die Aufhebung der für Fall II. Tat 4 verhängten Freiheitsstrafe und der durch die Einstellung bedingte Wegfall der für Fall II. Tat 2 ausgesprochenen Freiheitsstrafe zieht den Wegfall der Gesamtfreiheitsstrafe nach sich.
HRRS-Nummer: HRRS 2018 Nr. 591
Bearbeiter: Christian Becker