HRRS-Nummer: HRRS 2017 Nr. 1000
Bearbeiter: Christian Becker
Zitiervorschlag: BGH, 3 StR 116/17, Beschluss v. 22.08.2017, HRRS 2017 Nr. 1000
Auf die Revisionen der Angeklagten S. B. und Ro. B. wird das Urteil des Landgerichts Krefeld vom 15. November 2016 - soweit es sie und zu Buchst.c) auch, soweit es die Angeklagten R. B. und G. betrifft - geändert und wie folgt neu gefasst:
Der Angeklagte S. B. ist unter Freisprechung im Übrigen des gewerbsmäßigen Bandenbetrugs in neun Fällen, versuchten gewerbsmäßigen Bandenbetrugs in drei Fällen sowie Diebstahls schuldig gesprochen worden. Er wird wegen dieser Taten zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt, von der drei Monate als Entschädigung für die rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung als vollstreckt gelten.
Der Angeklagte Ro. B. ist unter Freisprechung im Übrigen des gewerbsmäßigen Bandenbetrugs in acht Fällen, versuchten gewerbsmäßigen Bandenbetrugs in vier Fällen, des versuchten Betrugs sowie des Diebstahls schuldig gesprochen worden. Er wird wegen dieser Taten zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und zwei Monaten verurteilt, von der drei Monate als Entschädigung für die rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung als vollstreckt gelten.
Es wird festgestellt, dass gegen den Angeklagten S. B. wegen eines Geldbetrags in Höhe von 13.257,40 €, gegen den Angeklagten Ro. B. wegen eines Geldbetrags in Höhe von 6.489,17 €, gegen den Angeklagten R. B. wegen eines Geldbetrags in Höhe von 21.305 € und gegen den Angeklagten G. wegen eines Geldbetrags in Höhe von 8.480 € nur deshalb nicht auf den Verfall von Wertersatz erkannt wird, weil dem Ansprüche der Verletzten gemäß den nachfolgend aufgeführten Fällen der Urteilsgründe entgegenstehen:
Fall 1: 3.900 €; insoweit haften die Angeklagten S . B. und R. B. als Gesamtschuldner, in Höhe von 975 € zusätzlich zusammen mit dem Angeklagten Ro. B. ;
Fall 2: 350 €; insoweit haften die Angeklagten S. B. und R. B. als Gesamtschuldner, in Höhe von 87,50 € zusätzlich zusammen mit dem Angeklagten Ro. B. ;
Fall 3: 2.400 €; insoweit haften die Angeklagten S. B. und R. B. als Gesamtschuldner, in Höhe von 800 € zusätzlich zusammen mit dem Angeklagten Ro. B. ;
Fall 4: 3.000 €; insoweit haftet der Angeklagte S. B. in voller Höhe, in Höhe von 750 € zusammen mit den Angeklagten Ro. B. und R. B. als Gesamtschuldner;
Fall 6: 400 €; insoweit haften die Angeklagten S. B. und R. B. als Gesamtschuldner;
Fall 8: 2.150 €; insoweit haftet der Angeklagte R. B. in voller Höhe, in Höhe von 1.075 € zusammen mit dem Angeklagten Ro. B. als Gesamtschuldner;
Fall 9: 880 €; insoweit haften die Angeklagten S. B., R. B. und G. als Gesamtschuldner, in Höhe von 220 € zusätzlich zusammen mit dem Angeklagten Ro. B. ;
Fall 10: 7.000 €; insoweit haften die Angeklagten S. B., R. B. und G. als Gesamtschuldner, in Höhe von 1.750 € zusätzlich zusammen mit dem Angeklagten Ro. B. ;
Fall 11: 200 €; insoweit haften die Angeklagten S. B. und R. B. als Gesamtschuldner, in Höhe von 40 € zusätzlich zusammen mit dem Angeklagten Ro. B. ;
Fall 12: 950 €; insoweit haften die Angeklagten S. B. und R. B. als Gesamtschuldner, in Höhe von 237,50 € zusätzlich zusammen mit dem Angeklagten Ro. B. ;
Fall 13: 875 €; insoweit haften die Angeklagten S. B. und R. B. als Gesamtschuldner, in Höhe von 291,67 € zusätzlich zusammen mit dem Angeklagten Ro. B. ;
Fall 14: 200 €; insoweit haften die Angeklagten S. B., R. B. und G. als Gesamtschuldner, in Höhe von 50 € zusätzlich zusammen mit dem Angeklagten Ro. B. ;
Fall 15: 400 €; insoweit haften die Angeklagten S. B., R. B. und G. als Gesamtschuldner, in Höhe von 100 € zusätzlich zusammen mit dem Angeklagten Ro. B. ;
Fall 16: 450 €; insoweit haften die Angeklagten S. B. und R. B. als Gesamtschuldner, in Höhe von 112,50 € zusätzlich zusammen mit dem Angeklagten Ro. B. ;
Fall 17: 600 €; insoweit haftet der Angeklagte R. B. allein.
Die weitergehenden Revisionen der Angeklagten werden verworfen.
Die Angeklagten haben die Kosten ihrer Rechtsmittel zu tragen.
Das Landgericht hatte die Angeklagten im ersten Rechtsgang im Zusammenhang mit betrügerischen Teppichgeschäften abhängig von ihrer jeweiligen Beteiligung wegen mehrerer Taten des - teils versuchten, teils vollendeten - gewerbsmäßigen Bandenbetrugs und weiterer Delikte zu Gesamtfreiheitsstrafen verurteilt, die Angeklagten S. B. und Ro. B. zusätzlich jeweils wegen Betrugs zum Nachteil des Sozialamtes. Zudem hatte es angeordnet, dass als „Entschädigung für die rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung“ von den verhängten Freiheitsstrafen jeweils drei Monate als vollstreckt gelten und festgestellt, dass gegen die Angeklagten von der Anordnung des Verfalls - in jeweils unterschiedlicher Höhe - nur deshalb abgesehen werde, weil Ansprüche Verletzter entgegenstünden.
Auf die Revisionen aller Angeklagten hatte der Senat - unter Verwerfung der Revisionen im Übrigen - das Urteil mit Beschluss vom 22. März 2016 (3 StR 517/15, NStZ 2016, 412) im Ausspruch über das Absehen von der Verfallsanordnung nach § 111i Abs. 1 StPO aufgehoben, auf die Revisionen der Angeklagten S. B. und Ro. B. darüber hinaus auch, soweit diese wegen Sozialleistungsbetrugs verurteilt worden waren.
Das Landgericht hat nunmehr das Verfahren betreffend die Angeklagten S. B. und Ro. B., soweit sie noch nicht rechtskräftig verurteilt worden waren, auf Antrag der Staatsanwaltschaft gemäß § 154 Abs. 2 StPO eingestellt und gegen diese beiden Angeklagten auf der Grundlage der rechtskräftigen Schuldsprüche neue Gesamtfreiheitsstrafen von drei Jahren (S. B.) bzw. drei Jahren und zwei Monaten (Ro. B.) festgesetzt. Weiter hat es festgestellt, dass „gegen den Angeklagten S. B. wegen eines Geldbetrages in Höhe von 13.257,40 €, gegen den Angeklagten Ro. B. wegen eines Geldbetrags in Höhe von 6.489,17 €, gegen den Angeklagten R. B. wegen eines Geldbetrags in Höhe von 21.305 € und gegen den Angeklagten G. wegen eines Geldbetrags in Höhe von 8.480 € lediglich deshalb nicht auf Verfall erkannt wird, weil Ansprüche Verletzter entgegenstehen, wobei die Angeklagten in unterschiedlicher Höhe, die sich im Einzelnen aus den Urteilsgründen ergibt, jeweils als Gesamtschuldner haften.“ Dagegen wenden sich die Angeklagten S. B. und Ro. B. mit ihren Revisionen, mit denen sie die Verletzung materiellen Rechts rügen. Die Rechtsmittel haben den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen - geringfügigen - Teilerfolg; im Übrigen sind sie unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
1. Die auf die Sachrüge veranlasste umfassende Überprüfung des Urteils hat auch unter Berücksichtigung der Revisionsrechtfertigungen zum Strafausspruch - die Schuldsprüche sind ohnehin rechtskräftig - keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten ergeben. Der Senat hat lediglich aus Gründen der Klarstellung in die jeweilige Entscheidungsformel aufgenommen, dass nach der - rechtskräftigen - Kompensationsentscheidung des Landgerichts drei Monate der neu festgesetzten Gesamtfreiheitsstrafen als vollstreckt gelten.
2. Der Ausspruch über das Absehen von der Verfallsanordnung erweist sich indes - wie der Generalbundesanwalt zutreffend ausgeführt hat - nicht durchgehend als rechtsfehlerfrei und bedarf deshalb der Korrektur; da der Rechtsfehler auch die nicht revidierenden Mitangeklagten R. B. und G. betrifft, war die Entscheidung auf sie zu erstrecken (§ 357 Satz 1 StPO). Im Einzelnen:
a) Es begegnet zunächst keinen Bedenken, dass die Strafkammer auf der Grundlage der - im zweiten Rechtsgang - in den Fällen seiner Beteiligung rechtsfehlerfrei festgestellten Mitverfügungsbefugnis des Angeklagten S. B. über die gesamte Beute zu der Annahme gelangt ist, der Angeklagte habe nicht nur 13.257,40 €, sondern tatsächlich 21.005 € erlangt. Denn nach der Aufhebung der insoweit im ersten Rechtsgang getroffenen Feststellungen konnte und musste das Landgericht neue Feststellungen treffen. Aus den gleichen Gründen ist es unschädlich, dass der Betrag, den der Mitangeklagte R. B. nach den nunmehr getroffenen Feststellungen erlangte, geringfügig (um 200 €) über demjenigen liegt, den das Landgericht in dem ersten Urteil festgestellt hatte.
Da gegen jenes Urteil aber nur die Angeklagten Revision eingelegt hatten, steht der - im Sinne von § 111i Abs. 2 Satz 2 StPO - Bezeichnung eines höheren Betrages als im Ersturteil - wovon auch das Landgericht ausgegangen ist - die Vorschrift des § 358 Abs. 2 StPO entgegen. Hinsichtlich des Mitangeklagten G. hat die Strafkammer den gleichen Betrag wie im ersten Urteil festgestellt, hinsichtlich des Angeklagten Ro. B. mit 6.489,17 € gar einen deutlich niedrigeren (im Ersturteil 10.310,70 €), so dass die Beträge aus dem nunmehr angefochtenen Urteil der Entscheidung zugrunde zu legen sind. Die im Urteilstenor bezeichneten erlangten Beträge sind demnach insgesamt nicht zu beanstanden.
b) Keinen Bestand hat hingegen die Entscheidung betreffend die Feststellung der gesamtschuldnerischen Haftung der Angeklagten.
Im Ausgangspunkt zutreffend ist das Landgericht davon ausgegangen, dass hier hinsichtlich des jeweils aus einer Tat erzielten Erlöses mehrere Angeklagte haften und die Summe der gegen sie festgesetzten Beträge höher ist als der dem jeweiligen Verletzten zustehende Anspruch. Um einerseits die Abschöpfung des aus der Tat Erlangten zu ermöglichen, zugleich aber zu verhindern, dass dies mehrfach geschieht, ist deshalb in solchen Fällen von einer Gesamtschuld der Mittäter auszugehen, deren Bestehen und Umfang sich aus den Urteilsgründen ergeben muss (BGH, Beschluss vom 22. März 2016 - 3 StR 517/15, NStZ 2016, 412, 413).
Die Berechnungen der Strafkammer sind indes nur teilweise nachvollziehbar und berücksichtigen zudem nicht, dass die Angeklagten und die Mitangeklagten im Verhältnis zu den einzelnen Geschädigten jeweils in unterschiedlicher Höhe gesamtschuldnerisch haften. Aufgrund der rechtsfehlerfrei und zweifelsfrei getroffenen Feststellungen dazu, was jeder der Angeklagten und Mitangeklagten in jedem Einzelfall der Urteilsgründe erlangt hat, kann der Senat die gebotene Zuordnung selbst vornehmen und hat dies in entsprechender Anwendung von § 354 Abs. 1 StPO zur Klarstellung bereits in der Entscheidungsformel getan. Hinsichtlich des Angeklagten S. B. und des Mitangeklagten R. B. ergibt die Summe der Beträge, in deren Höhe sie gesamtschuldnerisch haften, zwar einen höheren Betrag als denjenigen, den sie ausweislich der Feststellung in der Entscheidungsformel im Sinne von § 111i Abs. 2 Satz 2 StPO erlangt haben; dies ist indes die notwendige Folge davon, dass der Tenorierung eines höheren Betrages das Verschlechterungsverbot des § 358 Abs. 2 StPO entgegenstand. Ohnehin betrifft dies nur die Entscheidung über das Absehen von der Verfallsanordnung nach der Strafprozessordnung; die zivilrechtliche Haftung der Angeklagten und der Mitangeklagten gegenüber den Geschädigten wird davon nicht berührt.
3. Der geringfügige Erfolg der Revision lässt es nicht unbillig erscheinen, die Angeklagten insgesamt mit den Kosten ihrer Rechtsmittel zu belasten (§ 473 Abs. 4 StPO).
HRRS-Nummer: HRRS 2017 Nr. 1000
Bearbeiter: Christian Becker