HRRS-Nummer: HRRS 2006 Nr. 699
Bearbeiter: Ulf Buermeyer
Zitiervorschlag: BGH, 3 StR 176/06, Beschluss v. 11.07.2006, HRRS 2006 Nr. 699
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Kiel vom 23. Januar 2006 mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Untreue und "uneidlicher Falschaussage" zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und zehn Monaten verurteilt, deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat. Mit seiner Revision rügt der Angeklagte die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Das Rechtsmittel hat mit der Sachrüge Erfolg, so dass es auf die Verfahrensrüge nicht ankommt.
Das Landgericht hat folgende Feststellungen getroffen:
1. Der Angeklagte beurkundete als Notar am 19. November 1999 einen Kaufvertrag über ein Grundstück. Der Käufer finanzierte den Kaufpreis in Höhe von 2,7 Mio. DM über ein Darlehen der Rheinischen Hypothekenbank, das durch eine erstrangige Grundschuld auf dem Grundstück gesichert werden sollte. Der Darlehensbetrag sollte über ein Notaranderkonto des Angeklagten an die Verkäufer ausgezahlt werden. Zu diesem Zweck schlossen der Angeklagte und die Rheinische Hypothekenbank eine Treuhandvereinbarung, derzufolge der Angeklagte über das Geld nur verfügen durfte, wenn die Kosten für die Eintragung der Grundschuld in das Grundbuch durch den Darlehensnehmer gezahlt waren, für sie Sicherheit geleistet war oder Gebührenbefreiung vorlag.
Der Darlehensbetrag wurde am 17. Dezember 1999 dem Notaranderkonto gutgeschrieben. Mit Schreiben vom gleichen Tag beantragte der Angeklagte beim Grundbuchamt die Eigentumsumschreibung und die Eintragung der Grundschuld. Am 21. Dezember 1999 zahlte er den Darlehensbetrag an die Verkäufer aus, obwohl die vereinbarte Voraussetzung nicht vorlag. Der Angeklagte, der wusste, dass er mangels Gebührenbefreiung die Auszahlung der Darlehensvaluta nur vornehmen durfte, wenn die Kosten für die Eintragung der Grundschuld gezahlt worden waren bzw. Sicherheit geleistet worden war, überprüfte dies vor der Verfügung über den Darlehensbetrag nicht. Der Rheinischen Hypothekenbank teilte er mit Schreiben vom 22. Dezember 1999 mit, er habe über den ihm zu treuen Händen überwiesenen Darlehensbetrag bestimmungsgemäß unter Berücksichtigung der Treuhandauflagen verfügt. Durch Auszahlung des ungesicherten Darlehens kam es zu einer konkreten Gefährdung des Vermögens der Rheinischen Hypothekenbank.
2. Am 15. Januar 2003 wurde der Angeklagte vor dem Amtsgericht Kiel im Wege der Rechtshilfe als Zeuge in einem vor dem Familiengericht Walsrode geführten Rechtsstreit vernommen. Die Parteien dieses Rechtsstreits stritten darüber, ob in einem Ehevertrag, den der Angeklagte im Jahre 1993 als Notar beurkundet hatte, eine Unterwerfung unter die sofortige Zwangsvollstreckung erfolgt war. Als Zeuge bekundete der Angeklagte bewusst wahrheitswidrig, er erinnere sich daran, dass der Ehevertrag, als er vorgelesen und von den Parteien unterzeichnet worden sei, eine Vollstreckungsunterwerfungsklausel enthalten habe. Diese sei auch vollständig gewesen und vorgelesen worden. Tatsächlich fehlte dem Angeklagten die bekundete Erinnerung.
Die Verurteilung des Angeklagten hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
1. Der Schuldspruch wegen Untreue im Fall 1 der Urteilsgründe kann nicht bestehen bleiben, da das Landgericht den Vorsatz des Angeklagten nicht rechtsfehlerfrei festgestellt hat. Für die Annahme vorsätzlichen Handelns i. S. v. § 266 Abs. 1 StGB genügt es nicht, dass der Angeklagte in Kenntnis der Treuhandvereinbarung über den Darlehensbetrag verfügt und zuvor die Einzahlung der Kosten bzw. die Stellung einer Sicherheit nicht überprüft hat.
Eine Strafbarkeit wegen Untreue gemäß § 266 Abs. 1 StGB setzt voraus, dass der Täter auch hinsichtlich Verletzung seiner Vermögensbetreuungspflicht vorsätzlich gehandelt hat. Die Strafkammer hat nicht festgestellt, dass der Angeklagte wusste oder es zumindest billigend in Kauf nahm, dass die Kosten für die Eintragung der Grundschuld noch nicht bezahlt waren. In diesem Zusammenhang fehlt es auch an einer Würdigung des Schreibens des Angeklagten an die Rheinische Hypothekenbank vom 22. Dezember 1999, das ein Indiz dafür sein könnte, dass der Angeklagte von der Nichtzahlung der Kosten tatsächlich keine Kenntnis hatte und ihm daher möglicherweise nur fahrlässiges Handeln vorzuwerfen ist.
2. Hinsichtlich der Verurteilung des Angeklagten wegen falscher uneidlicher Aussage im Fall 2 der Urteilsgründe bestehen gegen die Beweiswürdigung durchgreifende rechtliche Bedenken.
Die Beweiswürdigung ist unklar, weil aus ihr nicht hinreichend deutlich wird, worauf sich die vom Angeklagten bei seiner Vernehmung am 15. Januar 2003 bekundete "tatsächliche" bzw. "aktuelle" Erinnerung bezog.
Sie kann sich entweder - wovon offensichtlich die Strafkammer ausgegangen ist - darauf bezogen haben, dass der Ehevertrag die Klausel über die Unterwerfung unter die sofortige Zwangsvollstreckung enthielt, als er verlesen und von den Parteien unterzeichnet wurde. In diesem Fall liegt es nahe, dass der Angeklagte hinsichtlich seiner Erinnerung bewusst unwahr ausgesagt hat, da er nach den Feststellungen bei einer früheren Zeugenvernehmung vom 27. August 2002 erklärt hatte, er habe nach über acht Jahren logischerweise keine konkrete Erinnerung mehr an die Herstellung der Urkundenausfertigung.
Denkbar ist aber auch, dass sich die auf einen Vorhalt des Klägers gemachte Aussage des Angeklagten "Ich verwahre mich gegen Ihre Ausdrucksweise 'ich wolle mich erinnern' - ich will mich an gar nichts erinnern, sondern ich teile hier heute dem Gericht lediglich mit dasjenige, an das ich mich tatsächlich erinnere ..." auf seine unmittelbar vorangegangene Erklärung zu dem von dem Kläger behaupteten Wunsch bezog, keine Unterwerfungsklausel in den Ehevertrag aufzunehmen. Insoweit hat der Angeklagte - wie sich aus dem Gesamtzusammenhang der Beweiswürdigung ergibt - deutlich gemacht, dass er über keine sichere Erinnerung verfüge, sondern nur Rückschlüsse aus dem Inhalt der Urkunde und deren Unterzeichnung ziehe ("Ich gehe davon aus, ....."). In diesem Fall hätte der Angeklagte hinsichtlich seiner Erinnerung an die Vollstreckungsklausel nicht vorsätzlich falsch ausgesagt und sich daher nicht wegen falscher uneidlicher Aussage strafbar gemacht.
3. In einer neuen Hauptverhandlung wird gegebenenfalls Gelegenheit bestehen, auch den Richter als Zeugen zu vernehmen, der den Angeklagten am 15. Januar 2003 vernommen hat.
HRRS-Nummer: HRRS 2006 Nr. 699
Bearbeiter: Ulf Buermeyer