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HRRS-Nummer: HRRS 2024 Nr. 720

Bearbeiter: Fabian Afshar/Karsten Gaede

Zitiervorschlag: BGH, AK 39/24, Beschluss v. 17.04.2024, HRRS 2024 Nr. 720


BGH AK 39/24 - Beschluss vom 17. April 2024 (OLG Frankfurt am Main)

Fortdauer der Untersuchungshaft über sechs Monate (dringender Tatverdacht; Fluchtgefahr; Haftgrund der Schwerkriminalität; besonderer Umfang und besondere Schwierigkeit der Ermittlungen); mitgliedschaftliche Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung; Vorbereitung eines bestimmten hochverräterischen Unternehmens gegen den Bund.

§ 112 StPO; § 121 StPO; § 83 Abs. 1 StGB; § 129a StGB

Entscheidungstenor

Die Untersuchungshaft hat fortzudauern.

Eine etwa erforderliche weitere Haftprüfung durch den Bundesgerichtshof findet in drei Monaten statt.

Bis zu diesem Zeitpunkt wird die Haftprüfung dem Oberlandesgericht Frankfurt am Main übertragen.

Gründe

I.

Der Angeschuldigte ist aufgrund eines Haftbefehls des Ermittlungsrichters des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 5. Oktober 2023 (10 BJs 85/23) am 10. Oktober 2023 festgenommen worden und befindet sich seitdem ununterbrochen in Untersuchungshaft.

Gegenstand des Haftbefehls ist der Vorwurf, der Angeschuldigte habe im Zeitraum vom 22. Dezember 2021 bis zum 13. April 2022 an seinem damaligen Wohnsitz in G. und anderenorts in Deutschland in zwei tatmehrheitlichen Fällen jeweils tateinheitlich sich mitgliedschaftlich an einer Vereinigung gemäß § 129 Abs. 2 StGB beteiligt, deren Zwecke oder deren Tätigkeit darauf gerichtet gewesen seien, Mord (§ 211 StGB), Totschlag (§ 212 StGB), Straftaten gegen die persönliche Freiheit in den Fällen des § 239a oder des § 239b StGB und gemeingefährliche Straftaten gemäß § 316b Abs. 1 oder 3 StGB zu begehen, die bestimmt gewesen seien, die Bevölkerung auf erhebliche Weise einzuschüchtern oder die politischen, verfassungsrechtlichen, wirtschaftlichen oder sozialen Grundstrukturen eines Staates zu beseitigen oder erheblich zu beeinträchtigen, und die durch die Art ihrer Begehung oder ihre Auswirkungen einen Staat erheblich hätten schädigen können, sowie gemeinschaftlich handelnd ein bestimmtes hochverräterisches Unternehmen gegen den Bund vorbereitet. In einem der beiden Fälle habe er zudem durch dieselbe Handlung gemeinschaftlich handelnd eine schwere staatsgefährdende Gewalttat vorbereitet, die nach den Umständen bestimmt und geeignet gewesen sei, den Bestand oder die Sicherheit eines Staates zu beeinträchtigen oder Verfassungsgrundsätze der Bundesrepublik Deutschland zu beseitigen, außer Geltung zu setzen oder zu untergraben, indem er sich und einem anderen Waffen verschafft habe. Der Haftbefehl geht insofern von einer mutmaßlichen Strafbarkeit des Angeschuldigten gemäß § 83 Abs. 1, § 89a Abs. 1 und 2 Nr. 2, § 129a Abs. 1 Nr. 1 und 2, Abs. 2 Nr. 2, § 25 Abs. 2, §§ 52, 53 StGB aus.

Die Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt am Main hat am 22. März 2024 Anklage gegen den Angeschuldigten wegen mitgliedschaftlicher Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung in Tateinheit mit Vorbereitung eines bestimmten hochverräterischen Unternehmens gegen den Bund gemäß § 83 Abs. 1, § 129a Abs. 1 Nr. 1 und 2, Abs. 2 Nr. 2, § 25 Abs. 2, § 52 StGB zum Oberlandesgericht Frankfurt am Main erhoben. Der weitere haftbefehlsgegenständliche Strafvorwurf ist nicht Gegenstand der Anklage, weil die Generalstaatsanwaltschaft den Angeschuldigten nicht mehr auch der Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat als verdächtig erachtet; insofern ist das Verfahren - angesichts eines verbliebenen Verdachts einer Beihilfe zur Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat - nach § 154 Abs. 1 StPO eingestellt worden. Eine Entscheidung über die Zulassung der Anklage zur Hauptverhandlung und die Eröffnung des Hauptverfahrens ist noch nicht ergangen.

Die Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt am Main hat beantragt, gemäß §§ 121, 122 StPO die Fortdauer der Untersuchungshaft über sechs Monate hinaus anzuordnen.

II.

Die Voraussetzungen für die Fortdauer der Untersuchungshaft über sechs Monate hinaus liegen vor.

1. Der Angeschuldigte ist der ihm mit der Anklage der Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt am Main vom 22. März 2024 zur Last gelegten Tat, auf die sich der Haftbefehl vom 5. Oktober 2023 erstreckt, dringend verdächtig.

Allein diese Tat ist Gegenstand des Haftprüfungsverfahrens. Unberücksichtigt bleibt, dass der - noch nicht an die Anklageschrift angepasste - Haftbefehl auch einen (dringenden) Verdacht einer Strafbarkeit des Angeschuldigten wegen Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat (in Tateinheit mit einer zweiten Tat der mitgliedschaftlichen Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung) annimmt. Denn hinsichtlich dieser Tat hat die Generalstaatsanwaltschaft mit Entscheidung vom 22. März 2024 gemäß § 154 Abs. 1 StPO von einer Verfolgung abgesehen, so dass sich hierauf ihr Strafverfolgungswille nicht mehr bezieht und dieser frühere Tatvorwurf daher Haftfortdauer nicht zu begründen oder zu stützen vermag (vgl. BGH, Beschlüsse vom 29. November 2023 - AK 83/23, juris Rn. 7; vom 5. Juni 2019 - AK 28/19, juris Rn. 7; vom 15. Mai 2019 - AK 22/19, NJW 2019, 2552 Rn. 6; vom 6. Dezember 2017 - AK 63/17, NStZ-RR 2018, 53, 54 f.).

a) Nach dem gegenwärtigen Verfahrensstand ist im Sinne eines dringenden Tatverdachts von folgendem Sachverhalt auszugehen:

aa) Der Angeschuldigte sowie die gesondert Verfolgten B., H., K., O. und R., gegen die derzeit die Hauptverhandlung vor dem Oberlandesgericht Koblenz stattfindet, gehören der „Reichsbürger“-Szene an. Sie lehnen die staatliche Verfasstheit der Bundesrepublik Deutschland sowie deren freiheitlich-demokratische Grundordnung ab und erstreben eine Überwindung der gegenwärtigen, als illegitim erachteten Verfassungsordnung Deutschlands sowie die Errichtung eines neu organisierten deutschen Staates auf der Basis der deutschen Reichsverfassung von 1871 und ausgehend von einem angeblichen „Willen des Volkes“.

Mit dieser politisch-ideologischen Grundhaltung kamen die gesondert Verfolgten im Herbst 2021 in Kontakt zueinander sowie mit weiteren gleichgesinnten Personen aus den Szenen der sogenannten „Reichsbürger“ und „Querdenker“. Sie tauschten sich über die ihnen gemeinsame Ablehnung des auf der Ordnung des Grundgesetzes beruhenden deutschen Staates aus und stellten Überlegungen zur Schaffung eines neuen deutschen Staatswesens an. Ende 2021 schlossen sich die gesondert Verfolgten zu einer organisierten Gruppierung zusammen, deren übergeordnetes Ziel es war, fortan nicht nur über die angenommene Notwendigkeit eines staatlichen Umsturzes zu sinnieren, sondern gemeinsam und konzertiert die freiheitlich-demokratische Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland im Rahmen eines gewaltsamen revolutionären Geschehens zu beseitigen und die Staatsstrukturen Deutschlands durch eine andere Regierung auf der Basis einer neuen Verfassung abzulösen. Die gesondert Verfolgten B., H., O. und R. übernahmen gemeinschaftlich die Führung des Personenzusammenschlusses.

Die Vereinigung, die wegen ihres Plans, an die Verfassungsordnung des Kaiserreichs anzuknüpfen, teilweise als „Kaiserreichsgruppe“ bezeichnet wird, verstand sich als aus zwei ebenbürtigen Teilen bestehend: Es gab einerseits einen „militärischen Zweig“, der den operativen Part des staatlichen Umsturzes übernehmen sollte und von den gesondert Verfolgten B., K. und O. angeführt wurde, sowie andererseits einen von den gesondert Verfolgten H. und R. maßgeblich gesteuerten „administrativen Arm“, dem die staatstheoretische Fundierung des zu gründenden neuen staatlichen Gemeinwesens, die Vorbereitung und Schaffung einer neuen Verfassung sowie die Errichtung einer anderen Regierung zu Aufgaben gemacht wurde.

Der staatliche Umsturz sollte wie folgt bewerkstelligt werden:

Parallel zu dem in Deutschland auszulösenden revolutionären Geschehen wollten sich die Angehörigen der Gruppierung einer frühen Anerkennung des neu zu schaffenden staatlichen deutschen Gemeinwesens durch einen gewichtigen ausländischen Staat versichern. Dem lag die Überlegung zu Grunde, ein neuer Staat bedürfe, um langfristig existieren zu können, einer Anerkennung durch das Ausland. Die Vereinigungsmitglieder nahmen an, Frankreich, Großbritannien und die USA hätten als „westliche Alliierte“ und „Besatzungsmächte Deutschlands“ daran kein Interesse. Die Wahl fiel daher auf Russland, zumal - so die Vorstellung - die Russische Föderation nach der deutschen Vereinigung durch das nicht gehaltene Versprechen des Unterlassens einer NATO-Osterweiterung enttäuscht worden sei und daher Interesse an einer neuen deutschen Staatlichkeit habe. Geplant war, mit etwa fünf Emissären per Schiff über die Ostsee in die russische Exklave Kaliningrad zu fahren, sich in den dortigen Küstengewässern von der russischen Marine aufbringen zu lassen und sodann den Wunsch nach einem Gespräch mit Präsident Putin zu artikulieren. Es bestand die Hoffnung, daraufhin in den Kreml gebracht zu werden und bei Putin vorsprechen zu können.

Dieser werde, so die Annahme, eine Anerkennung der neuen deutschen Regierung zusagen, so dass von Anbeginn an eine internationale Akzeptanz und Handlungsfähigkeit des neuen deutschen Staates gewährleistet gewesen wäre.

Der innerstaatliche Umsturz sollte einhergehend mit der Russlandreise von Emissären, letztlich aber unabhängig von deren Gelingen, durch drei in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang ablaufende und miteinander verzahnte Aktionen bewirkt werden, wobei es sich bei diesen drei Bausteinen der geplanten Revolution um zunächst isoliert entstandene und von unterschiedlichen Mitstreitern eigenständig propagierte „Aktionsideen“ handelte, die im Zuge gemeinsamer Diskussionen zu einem „Gesamtplan“ zusammengeführt wurden.

Im Rahmen einer ersten Aktion („Phase 1“), die als „silent night“ oder „Blackout“ bezeichnet wurde und hinter der vor allem der gesondert Verfolgte O. stand, sollte ein mindestens zweiwöchiger bundesweiter Stromausfall durch Sabotage an Stromumspannwerken und Stromtrassen in Deutschland mittels Sprengstoff herbeigeführt werden. Hierdurch sollte die bundesdeutsche Infrastruktur für längere Zeit lahmgelegt werden. Damit verfolgten die Mitglieder der Gruppierung gleich mehrere Ziele: Erstens sollte der bisherigen Bundesregierung die Möglichkeit zur Fortsetzung ihrer Tätigkeit genommen werden. Zweitens sollten „die Medien“ daran gehindert werden, weiter Einfluss auf die Bevölkerung auszuüben. Drittens schließlich sollte die Bevölkerung - wie nach der verheerenden Flutkatastrophe im Ahrtal im Sommer 2021, bei der sich der gesondert Verfolgte B. und Gleichgesinnte aus dem Umfeld der Vereinigung als „Nothelfer“ engagiert hatten - auf sich selbst zurückgeworfen und so zu einer neuen (politischen) Selbstorganisation von unten herauf veranlasst werden.

Den Vereinigungsmitgliedern war, als sie diesen Plan diskutierten und beschlossen, bewusst, dass ein mehrwöchiger bundesweiter Stromausfall erhebliche Schäden, darunter unweigerlich den Tod etlicher Menschen, verursachen werde. Sie erachteten solche Folgen als legitime und notwendige „Kollateralschäden“. Dabei spielte auch eine Rolle, dass sie davon ausgingen, es werde in näherer Zukunft ohnehin - also auch ohne Sabotageaktionen - wegen der von der Bundesregierung veranlassten Abkehr von der Atomkraft und fossilen Energieträgern zu einem Zusammenbruch der Stromversorgung in Deutschland kommen; die Aktion „silent night“ beziehungsweise „Blackout“ werde mithin einen Zusammenbruch der Infrastruktur nur zeitlich vorverlagern.

Der gesondert Verfolgte O. hatte zum Zeitpunkt der Zerschlagung der Vereinigung durch die Verhaftung der meisten Führungspersonen im April 2022 bereits aus seiner Sicht anschlagsgeeignete Objekte ausgekundschaftet und sich Kartenmaterial zur Strominfrastruktur Deutschlands beschafft.

Als zweite Aktion zur Herbeiführung des beabsichtigten Umsturzes („Phase 2“) plante die Gruppierung unter der Bezeichnung „Klabautermann“ eine Entführung des Bundesministers für Gesundheit Prof. Dr. Karl Lauterbach. Die Vorstellung der Vereinigungsmitglieder ging dahin, durch die gewaltsame Entführung eines „weithin verhassten“ besonders hochrangigen Vertreters der Bundesregierung und damit des deutschen Staates eine große Zustimmung in der Bevölkerung für die in Angriff genommene Installation einer neuen Regierung Deutschlands auszulösen und zugleich nach außen hin die Wirkmacht der am Umsturz beteiligten Personen deutlich zu machen, wodurch sie sich einen weiteren Zulauf von Unterstützern, insbesondere aus dem Kreis der deutschen Sicherheitsbehörden, erhofften. Die Vereinigung führte zur Auswahl des Entführungsopfers eine Umfrage in einschlägigen geschlossenen Telegram-Chatgruppen durch; dabei entschied sich die Mehrheit der Teilnehmer für den Bundesgesundheitsminister, weil dieser als die wegen ihrer Corona-Politik „meistgehasste“ Führungspersönlichkeit Deutschlands erachtet wurde.

Innerhalb der Gruppierung wurden verschiedene Möglichkeiten diskutiert, wie der Plan einer Entführung des Bundesgesundheitsministers realisiert werden könne. Letztlich wurde die Idee favorisiert, während eines Auftritts von Prof. Dr. Lauterbach in einer live im Fernsehen übertragenen Talkshow mit etwa fünf mit Maschinenpistolen militärisch bewaffneten und soldatisch ausgebildeten Kämpfern in das Fernsehstudio einzudringen, die Personenschützer des Ministers „auszuschalten“ und den Minister öffentlichkeitswirksam vor laufenden Kameras in die eigene Gewalt zu bringen. Sodann sollte - während der fortdauernden Fernsehübertragung - ein „Haftbefehl“ gegen den Minister - den Text hatte die gesondert Verfolgte R. bereits verfasst - verlesen werden. Den Mitgliedern der Vereinigung war bewusst, dass mit bewaffneter Gegenwehr der Personenschützer zu rechnen war. Sie gingen daher von einem Schusswaffeneinsatz und einer Tötung der Personenschützer durch die mit der Aktion betrauten eigenen Kämpfer aus. Den erwarteten Tod der Personenschützer waren sie bereit hinzunehmen.

Als dritter Baustein zur Beseitigung der staatlichen Strukturen und der grundgesetzlichen Ordnung der Bundesrepublik Deutschland („Phase 3“) war die Durchführung einer „konstituierenden Sitzung“ vorgesehen, um eine andere Verfassung in Kraft zu setzen und eine neue deutsche Regierung zu installieren. Dieser Plan wurde maßgeblich von den gesondert Verfolgten H. und R. entwickelt; die organisatorische Vorbereitung oblag federführend dem gesondert Verfolgten B. Grundlage der neuen deutschen Staatlichkeit sollte die Deutsche Reichsverfassung von 1871 sein. Denn diese - so die Annahme - sei dem deutschen Volk, anders als das Grundgesetz, nicht aufoktroyiert worden. Zudem basiere die Verfassung von 1871, im Gegensatz zum Grundgesetz, nicht auf dem Leitbild einer von den Mitgliedern der Vereinigung abgelehnten Parteiendemokratie. Die neue Staatsorganisation sollte ohne politische Parteien auskommen; die staatliche Willensbildung sollte, so die Vorstellung, nicht von Parteien gesteuert werden, sondern „unmittelbar vom Volk ausgehen“. Allerdings sollte die Reichsverfassung von 1871 modifiziert werden. Einen Kaiser oder König als monarchisches Staatsoberhaupt sollte es nicht geben. Zudem war als Konzession an die gesellschaftliche Entwicklung ein aktives und passives Frauenwahlrecht geplant.

Dem Zusammentreten der „konstituierenden Versammlung“ sowie dem beabsichtigten Zusammenbruch der Stromversorgung Deutschlands unmittelbar vorausgehen sollte ein unter der Bezeichnung „False Flag“ geplanter Auftritt eines entweder den Bundespräsidenten oder den Bundeskanzler imitierenden Schauspielers in einer Live-Sendung im Fernsehen, der bekanntgeben sollte, dass die bestehende Bundesregierung abgesetzt sei und die Verfassung des Deutschen Reiches von 1871 wieder gelte. Hierdurch erhoffte sich die Gruppierung, dass die Bevölkerung die neue Staatsform und die von der Vereinigung eingesetzte Regierung aufgrund des Anscheins einer geordneten Übergabe der Regierungsgeschäfte anerkennen werde.

Die vorgesehene „konstituierende Versammlung“ sollte in Be. zusammenkommen, live im Internet übertragen und durch noch zu gewinnende Kräfte geschützt werden, deren Bewaffnung vorgesehen war. Großen Raum bei den Erörterungen nahm die Frage ein, aus welchen Personen sich die Versammlung zusammensetzen sollte, deren Teilnehmerzahl auf 277 festgesetzt wurde. Es wurde vereinbart, dass nur „Deutsche nach dem Reichsund Staatsangehörigengesetz von 1913“, die eine entsprechende „Bescheinigung der deutschen Volkszugehörigkeit“ vorlegen können, als Teilnehmer in Betracht kämen. Bis zur Zerschlagung der Gruppierung im April 2022 ging es im Zusammenhang mit dieser dritten Aktion im Wesentlichen darum, potentielle Teilnehmer für die Volksversammlung zu finden, welche die aufgestellten Anforderungen erfüllten und durch eine „Bescheinigung“ belegen konnten; das gestaltete sich indes als schwierig.

Die vorstehend skizzierten Pläne wurden auf einer Reihe von Zusammenkünften der Mitglieder der Vereinigung und weiterer Gleichgesinnter, darunter am 11. Dezember 2021 in Ben. in Rheinland-Pfalz, am 18. Dezember 2021 in N. in Hessen, am 15. Januar 2022 in M. in Thüringen und am 19. März 2022 in Ba. in Thüringen, entwickelt. Auf den Treffen wurden nicht nur die Umsturzpläne erörtert und diskutiert, sondern wurde auch versucht, weitere Gleichgesinnte zu akquirieren. Das stieß allerdings auch deshalb auf Schwierigkeiten, weil die Führungskräfte der Vereinigung großes Interesse an einer Anerkennung der geplanten neuen Regierung durch Russland sowie andere osteuropäische Staaten hatten. Sie hatten deshalb die Vorstellung, nach der „Machtübernahme“ durch Schreiben an die polnische und russische Regierung, die von der gesondert Verfolgten R. bereits verfasst worden waren, deutlich zu machen, dass eine Wiedererlangung der früheren deutschen Ostgebiete nicht erstrebt werde. Diese Haltung führte zur Abkehr einiger dem neonazistischen Spektrum zugehörigen Personen von der Gruppierung.

Die führenden Vereinigungsmitglieder beabsichtigten, die geplanten Aktionen, namentlich die „konstituierende Versammlung“, innerhalb der ersten Monate des Jahres 2022 durchzuführen; zuletzt war der Mai 2022 für den Beginn des Umsturzes in Aussicht genommen worden.

Zur Vorbereitung der Aktion „Klabautermann“ unternahmen es Mitglieder der Vereinigung, geeignete Waffen zu erwerben, und sammelten hierfür Geld.

Der gesondert Verfolgte O. nahm Kontakt zu einem vermeintlichen Waffenhändler auf, bei dem es sich aber tatsächlich um einen Verdeckten Ermittler des Landeskriminalamts Rheinland-Pfalz handelte, dem es gelungen war, das Vertrauen der Vereinigungsmitglieder als vermeintlich Gleichgesinnter zu erlangen. Bei einer fingierten Übergabe der von der Vereinigung bestellten Waffen - zwei Maschinenpistolen AK 47 Kalaschnikow und vier Pistolen Glock Modell 19 nebst Munition - an O. auf dem Parkplatz eines großen Einkaufsmarktes in Ne. wurde dieser von der Polizei am 13. April 2022 verhaftet; am selben Tag wurden auch die weiteren führenden Mitglieder B., H. und K. festgenommen und die Vereinigung damit zerschlagen.

bb) Der Angeschuldigte lernte den gesondert Verfolgten O. am 13. Dezember 2021 bei einem Treffen von Personen aus der „Selbstverwalter“-Szene kennen; schnell entstand nicht zuletzt aufgrund übereinstimmender politischer Auffassungen ein Vertrauensverhältnis zwischen beiden. Am 21. und 22. Dezember 2021 kam es zu einer Zusammenkunft beider und weiterer gleichgesinnter Personen am Wohnort des Angeschuldigten, zu der dieser eingeladen hatte. Dabei weihte O. ihn detailliert in die Pläne der Vereinigung ein; zudem wurde der Angeschuldigte als weiteres Mitglied in die Gruppierung aufgenommen. Er erklärte sich bereit, an den Umsturzplänen, die er guthieß, aktiv mitzuwirken.

Der Angeschuldigte versprach, sich an der zweiten geplanten Aktion, der Entführung des Bundesgesundheitsministers („Phase 2“), zu beteiligen. Zudem bot er an, seine Garage an seinem Wohnsitz in G. als Waffendepot zur Verfügung zu stellen. Er war, auch wenn er krankheitsbedingt selbst nicht teilnehmen konnte, in die Vorbereitung der Zusammenkunft von Vereinigungsmitgliedern am 15. Januar 2022 in M. in Thüringen eingebunden und trat einer geschlossenen Telegram-Chatgruppe bei, die Vereinigungsmitgliedern vorbehalten war. In einem Telefonat mit dem gesondert Verfolgten O. am 16. März 2022 bekundete er seine Bereitschaft, bei der Seereise nach Russland mitzumachen, und verkündete, hinreichend „seefest“ für eine solche Bootsfahrt zu sein. Bei dem weiteren Vorbereitungstreffen der Vereinigung am 19. März 2022 in Ba. in Thüringen war er anwesend und brachte sich aktiv in die Erörterung der Umsturzaktionen ein. Am 10. April 2022 vereinbarten der Angeschuldigte und O. ein Treffen zu dritt mit dem gesondert Verfolgten B. für den 23. oder 24. April 2022. Auf diesem sollten Einzelheiten der Entführung des Bundesgesundheitsministers, die von B. angeführt werden und an der sich der Angeschuldigte maßgeblich beteiligen sollte, erörtert werden. Dabei informierte O. den Angeschuldigten auch darüber, dass es „Mitte Mai losgehen“ solle. Schließlich vereinbarte der gesondert Verfolgte O. am 13. April 2022 wenige Stunden vor seiner Festnahme telefonisch mit dem Angeschuldigten, dass er die Waffen, deren Übernahme er an diesem Tag an seinem Wohnort Ne. plante, sogleich zu ihm in das vereinbarte „Zwischenlager“ bringen werde. Kurz darauf kam es zu den polizeilichen Zugriffen und der Zerschlagung der Vereinigung.

b) Der dringende Tatverdacht (§ 112 Abs. 1 Satz 1 StPO) beruht auf Folgendem:

aa) Die hochwahrscheinlichen Annahmen zur Gründung, zur Zielsetzung und zum Agieren der Vereinigung stützen sich auf weitgehend geständige Einlassungen der gesondert verfolgten mutmaßlichen Vereinigungsmitglieder B. und K. (vgl. hierzu BGH, Beschlüsse vom 3. Mai 2023 - AK 19/23, juris Rn. 25 f.; vom 3. November 2022 - AK 40-43/22, juris Rn. 37 f.) sowie Bekundungen eines vom 3. November 2021 bis zum 13. April 2022 im unmittelbaren Umfeld der Vereinigungsmitglieder eingesetzten Verdeckten Ermittlers des Landeskriminalamtes Rheinland-Pfalz („“ -“ “). Dieser stand in persönlichem Kontakt mit Angehörigen der Gruppierung, nahm an Treffen der Vereinigung teil und war in die Chatkommunikation der Beteiligten über Telegram eingebunden. Die Bekundungen des Verdeckten Ermittlers bestätigen ganz weitgehend die geständigen Einlassungen der gesondert Verfolgten B. und K. Der Verdeckte Ermittler hat nicht nur umfassende Angaben zu seinen Wahrnehmungen gemacht, sondern auch Protokolle der Chatkommunikationen vorgelegt, an denen er beteiligt war. Insbesondere die vorgenannten bisherigen Erkenntnisse zum Waffenkauf und der Übergabe von Waffen und Munition an den gesondert Verfolgten O. am 13. April 2022 basieren auf Angaben des Verdeckten Ermittlers.

Der dringende Tatverdacht hinsichtlich der Vereinigung gründet sich zudem auf Ermittlungsergebnisse zur Telekommunikation mutmaßlicher Vereinigungsmitglieder, die im Rahmen umfangreicher Telekommunikationsüberwachungsmaßnahmen gewonnen worden sind, auf eine Fahrzeuginnenraumüberwachung eines vom gesondert Verfolgten O. genutzten Pkw sowie auf polizeiliche Observationen persönlicher Treffen der Akteure.

bb) Der Angeschuldigte hat sich, was seine Einbindung in die Gruppierung, seine Kenntnis von den Umsturzplänen und seine Mitwirkungsakte anbelangt, bei einer Beschuldigtenvernehmung am 22. Februar 2024 weitgehend geständig eingelassen. Die diesbezüglichen Annahmen werden zudem gestützt durch Bekundungen des eingesetzten Verdeckten Ermittlers. Dieser nahm unter anderem an dem Treffen von Vereinigungsmitgliedern am 19. März 2022 in Ba. in Thüringen teil und hat zu den dortigen Gesprächen, an denen der Angeschuldigte beteiligt war, bekundet. Er war zudem über die Pläne informiert, die erworbenen Waffen in der Garage des Angeschuldigten zwischenzulagern, und hat hierzu Angaben gemacht. Die Annahmen zur Mitwirkung des Angeschuldigten finden zudem Rückhalt in Erkenntnissen, die aus einer Innenraumüberwachung des vom gesondert Verfolgten O. genutzten Kraftfahrzeugs gewonnen worden sind: Während der Rückfahrt von dem Treffen am 22. Dezember 2022 äußerte sich O. dahin, er habe den Angeschuldigten in die Umsturzpläne eingeweiht, so dass auch dieser nun genau wisse, worum es gehe. Auch die Ergebnisse von Telekommunikationsüberwachungsmaßnahmen stützen den dringenden Tatverdacht der mitgliedschaftlichen Beteiligung des Angeschuldigten an der Vereinigung: Der gesondert Verfolgte O. und der Angeschuldigte führten insgesamt 18 überwachte Telefonate miteinander, die unter anderem die Vorbereitung des Umsturzgeschehens sowie die geplante Einbindung und Mitwirkung des Angeschuldigten zum Inhalt hatten. Hinzuweisen ist nicht zuletzt auf die geständige Einlassung des gesondert Verfolgten B. bei seiner polizeilichen Vernehmung im Juli 2022, in der dieser den Angeschuldigten dem engeren Kreis der Vereinigungsmitglieder, wenngleich nicht der Kerngruppe, zugeordnet hat.

cc) Wegen weiterer Einzelheiten zu den vorläufigen Erkenntnissen, die den dringenden Tatverdacht begründen, wird auf den Haftbefehl vom 5. Oktober 2023 sowie die Anklageschrift der Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt am Main vom 22. März 2024 Bezug genommen.

2. In rechtlicher Hinsicht ist gegenwärtig auszugehen von einer hochwahrscheinlichen Strafbarkeit des Angeschuldigten jedenfalls - wie angeklagt - wegen mitgliedschaftlicher Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung gemäß § 129 Abs. 2, § 129a Abs. 1 Nr. 1 und 2, Abs. 2 Nr. 2 StGB.

a) Hinsichtlich des dringenden Tatverdachts der mitgliedschaftlichen Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung gilt:

aa) Bei der hier inmitten stehenden Gruppierung handelte es sich hochwahrscheinlich um eine terroristische Vereinigung im Sinne der § 129 Abs. 2, § 129a StGB (vgl. hierzu bereits BGH, Beschlüsse vom 24. Januar 2024 - StB 4/24, juris Rn. 35; vom 3. Mai 2023 - AK 19/23, juris Rn. 31; vom 3. November 2022 - AK 40-43/22, juris Rn. 44). Denn der Zusammenschluss bestand aus mehr als zwei Personen, war auf längere Dauer angelegt, hatte - wie schon die Unterteilung in einen „militärischen Zweig“ und einen „administrativen Arm“ zeigt - eine organisatorische Struktur und verfolgte mit der Abschaffung der freiheitlich-demokratischen Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland und der Errichtung eines neuen deutschen Staatswesens ein übergeordnetes gemeinsames Interesse (vgl. zu den konstitutiven Merkmalen einer Vereinigung im Sinne des § 129 Abs. 2 StGB BGH, Urteil vom 2. Juni 2021 - 3 StR 21/21, BGHSt 66, 137 Rn. 19 ff.; Beschluss vom 2. Juni 2021 - 3 StR 61/21, BGHR StGB § 129 Abs. 2 Vereinigung 2 Rn. 8 f.; MüKoStGB/Schäfer/Anstötz, 4. Aufl., § 129 Rn. 13 ff.). Dieses Ziel wollten die Mitglieder der Vereinigung nach dem gegenwärtigen Stand des Verfahrens durch die Begehung von Katalogtaten im Sinne des § 129a Abs. 1 und 2 StGB erreichen. Eine Entführung des Bundesgesundheitsministers einhergehend mit der Tötung seiner Personenschützer wäre als Straftat gemäß §§ 211, 212, 239b StGB zu werten (Katalogtat gemäß § 129a Abs. 2 Nr. 1 und 2 StGB). Die Herbeiführung eines bundesweiten längeren Stromausfalls durch Sprengstoffanschläge stellte rechtlich zumindest einen Verstoß gegen § 316b Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 StGB und damit eine Katalogtat gemäß § 129a Abs. 2 Nr. 2 StGB dar. Das Vorhaben war mit hoher Wahrscheinlichkeit auf eine gewaltsame Abschaffung der Staatsund Regierungsstrukturen Deutschlands gerichtet und damit dazu bestimmt, die politischen, verfassungsrechtlichen, wirtschaftlichen und sozialen Grundstrukturen der Bundesrepublik im Sinne des § 129a Abs. 2 StGB zu beseitigen. Die Pläne waren zudem objektiv geeignet, im Falle ihrer Umsetzung die Strukturen der bundesdeutschen Verfassungsordnung erheblich zu beeinträchtigen (vgl. insofern MüKoStGB/Schäfer/Anstötz, 4. Aufl., § 129a Rn. 43 ff.).

bb) Der Angeschuldigte beteiligte sich hochwahrscheinlich als Mitglied an dieser Vereinigung.

(1) Die mitgliedschaftliche Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung nach § 129a Abs. 1 StGB setzt eine gewisse formale Eingliederung des Täters in die Gruppierung voraus. Sie kommt nur in Betracht, wenn der Täter die Vereinigung von innen und nicht lediglich von außen her fördert. Insoweit bedarf es zwar keiner förmlichen Beitrittserklärung oder einer förmlichen Mitgliedschaft. Notwendig ist aber, dass der Täter eine Stellung innerhalb des Zusammenschlusses einnimmt, die ihn als zum Kreis der Mitglieder gehörend kennzeichnet und von den Nichtmitgliedern unterscheidbar macht. Dafür reicht allein eine Tätigkeit für die Vereinigung, mag sie auch besonders intensiv sein, nicht aus; denn ein Außenstehender wird nicht allein durch eine Förderung der Vereinigung zu deren Mitglied. Die Mitgliedschaft setzt ihrer Natur nach eine Beziehung voraus, die einer Vereinigung nicht aufgedrängt werden kann, sondern ihre Zustimmung erfordert. Ein auf lediglich einseitigem Willensentschluss beruhendes Unterordnen und Tätigwerden genügt nicht, selbst wenn der Betreffende bestrebt ist, die Vereinigung und ihre kriminellen Ziele zu fördern (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Beschlüsse vom 23. Januar 2024 - AK 108/23, NStZ-RR 2024, 111, 112; vom 18. Oktober 2022 - AK 33/22, juris Rn. 33; vom 21. April 2022 - AK 18/22, juris Rn. 5).

Eine relevante Beteiligungshandlung des Mitglieds kann darin bestehen, unmittelbar zur Durchsetzung der Ziele der Vereinigung beizutragen; sie kann auch darauf gerichtet sein, lediglich die Grundlagen für die Aktivitäten der Vereinigung zu schaffen oder zu erhalten. Ausreichend ist deshalb die Förderung von Aufbau, Zusammenhalt oder Tätigkeit der Organisation. In Betracht kommt etwa ein organisationsförderndes oder ansonsten vereinigungstypisches Verhalten von entsprechendem Gewicht. In Abgrenzung hierzu fehlt es in Fällen einer bloß formalen oder passiven, für das Wirken der Vereinigung bedeutungslosen Mitgliedschaft grundsätzlich an einem aktiven mitgliedschaftlichen Beteiligungsakt (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschlüsse vom 23. Januar 2024 - AK 108/23, NStZ-RR 2024, 111, 112; vom 15. Mai 2019 - AK 22/19, BGHR StGB § 129a Abs. 1 Mitgliedschaft 5 Rn. 24 mwN).

(2) Hieran gemessen war der Angeschuldigte hochwahrscheinlich Mitglied der Vereinigung und wurde als solches - und nicht lediglich als deren Unterstützer - für diese tätig. Denn nach den bisherigen Ermittlungserkenntnissen wurde er am 22. Dezember 2021 vom gesondert Verfolgten O., einem der mutmaßlichen Rädelsführer, in die Umsturzpläne im Detail eingeweiht und in die Vereinigung aufgenommen. Er war Mitglied einer geschlossenen Chatgruppe von Vereinigungsmitgliedern und ist von dem gesondert Verfolgten B. als Mitglied der Gruppierung eingeordnet worden. Ferner war seine maßgebliche Mitwirkung an dem Umsturzgeschehen vorgesehen und hatte er entsprechende Zusagen abgegeben.

Die geschilderten mutmaßlichen Mitwirkungsakte des Angeschuldigten, von denen im Sinne eines dringenden Tatverdachts auszugehen ist, stellen Beteiligungshandlungen im Sinne des § 129a Abs. 1 StGB dar. Unerheblich ist, dass sie für sich genommen keine strafbaren Handlungen waren. Denn für eine Strafbarkeit wegen mitgliedschaftlicher Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung ist eine isolierte Strafbarkeit der jeweiligen Beteiligungshandlungen nicht erforderlich (vgl. BGH, Beschlüsse vom 24. Januar 2024 - AK 100-106/23, juris Rn. 39; vom 21. September 2023 - StB 56/23, juris Rn. 32; MüKoStGB/Schäfer/Anstötz, 4. Aufl., § 129 Rn. 86 ff.).

b) Ob der Angeschuldigte zudem dringend verdächtig ist, tateinheitlich (§ 52 Abs. 1 StGB) zur mitgliedschaftlichen Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung der Vorbereitung eines hochverräterischen Unternehmens gemäß § 83 Abs. 1 StGB schuldig zu sein (zu den Voraussetzungen einer Strafbarkeit nach § 83 Abs. 1 StGB s. BGH, Beschluss vom 11. Juli 2023 - AK 35/23, juris Rn. 37 ff.), kann für diese Haftfortdauerentscheidung dahingestellt bleiben (vgl. insofern bezogen auf den vorliegenden Fallkomplex näher BGH, Beschluss vom 3. November 2022 - AK 40-43/22, juris Rn. 54). Denn bereits die hochwahrscheinliche Strafbarkeit wegen mitgliedschaftlicher Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung trägt die Fortdauer der Untersuchungshaft.

3. Es bestehen die Haftgründe der Fluchtgefahr gemäß § 112 Abs. 2 Nr. 2 StPO sowie - bei der gebotenen restriktiven Auslegung des § 112 Abs. 3 StPO (vgl. BGH, Beschlüsse vom 20. April 2022 - StB 15/22, juris Rn. 11 f.; vom 24. Januar 2019 - AK 57/18, juris Rn. 30 ff.; MeyerGoßner/Schmitt, StPO, 66. Aufl., § 112 Rn. 37 mwN) - der Schwerkriminalität. Es ist gesamtwürdigend wahrscheinlicher, dass sich der Angeschuldigte - sollte er auf freien Fuß gelangen - dem Strafverfahren entziehen, als dass er sich ihm stellen wird.

Der Angeschuldigte hat - auch wenn seine konkreten Beteiligungshandlungen nicht von sonderlich hohem Gewicht waren und er unbestraft ist - angesichts der potentiellen Gefährlichkeit der Vereinigung, die auf eine gewaltsame Beseitigung der freiheitlich-demokratischen Grundordnung Deutschlands abzielte, auch bei Verurteilung allein wegen der anklagegegenständlichen Tat mit einer längeren, nicht zur Bewährung ausgesetzten Freiheitsstrafe zu rechnen. Dem von der Straferwartung ausgehenden Fluchtanreiz stehen keine hinreichenden fluchthemmenden Umstände entgegen. Insofern gilt, dass die Annahme von Fluchtgefahr kein sicheres Wissen um die sie begründenden Tatsachen erfordert; es genügt derselbe Wahrscheinlichkeitsgrad wie bei der Annahme des dringenden Tatverdachts (vgl. BGH, Beschlüsse vom 6. September 2022 - AK 27/22, juris Rn. 36; vom 5. Oktober 2018 - StB 43 u. 44/18, juris Rn. 37).

Zwar verfügt der verheiratete Angeschuldigte in Deutschland über einen festen Wohnsitz und ist hier sozial verwurzelt. Jedoch lehnt er mit hoher Wahrscheinlichkeit die gegenwärtige Staatsund Verfassungsordnung der Bundesrepublik ab und verneint die Legitimität ihrer Staatsorgane zu hoheitlichem Handeln. Deshalb steht nicht zu erwarten, dass er sich dem weiteren Strafverfahren im Falle einer Haftentlassung freiwillig stellte. Der Umstand, dass er nach der - ihm unmittelbar bekannt gewordenen - Zerschlagung der Gruppierung im April 2022 weder Deutschland verließ noch untertauchte, sondern bis zu seiner Verhaftung eineinhalb Jahre später an seinem Wohnsitz erreichbar verblieb, und auch eine Gefährderansprache im September 2022 hieran nichts änderte, steht der Annahme von Fluchtgefahr nicht entgegen. Denn weil er nicht zu den unmittelbaren Führungspersonen der Vereinigung gehörte und sich die Verhaftungen im April 2022 auf diesen Personenkreis beschränkten, während der Angeschuldigte und weitere mutmaßliche Mitglieder der Vereinigung zunächst unbehelligt blieben, hatte er Anlass für die Annahme, dass eine Verhaftung nachrangiger Vereinigungsmitglieder unterbleiben werde. Die Ermittlungen haben zudem gezeigt, dass der Angeschuldigte gut vernetzt ist in der Szene derer, die - als sogenannte „Reichsbürger“ oder „Querdenker“, Verschwörungstheoretiker, Anhänger nationalsozialistischen Gedankengutes oder „Corona-Leugner“ - die staatliche Verfasstheit der Bundesrepublik und deren freiheitlich-demokratische Grundordnung missbilligen und ihre Überwindung erstreben. Er kann daher mit hoher Wahrscheinlichkeit auf ein Netzwerk von Sympathisanten und Gleichgesinnten zurückgreifen, das ihn im Falle einer Flucht beziehungsweise eines Untertauchens logistisch und finanziell unterstützen würde. Dies setzt einen weiteren Fluchtanreiz. Hinzu kommt, dass auch die Ehefrau des Angeschuldigten wahrscheinlich seine politischen und ideologischen Einstellungen teilt, so dass die Lebensgemeinschaft mit ihr hochwahrscheinlich keine nennenswerte fluchthemmende Wirkung haben dürfte. Schließlich liegt keine einer Fluchtgefahr mit Gewicht entgegenstehende berufliche Verankerung des Angeschuldigten vor, denn zuletzt vor seiner Verhaftung verdiente er sich seinen Lebensunterhalt mit der selbständigen Ausübung von Hausmeister- und Bauhelfertätigkeiten, wobei diese keine gesicherte Einnahmequelle darstellten und er sich in finanziellen Schwierigkeiten befand.

Der Zweck der Untersuchungshaft kann unter den gegebenen Umständen nicht durch weniger einschneidende Maßnahmen im Sinne des § 116 Abs. 1 StPO - die bei verfassungskonformer Auslegung auch im Rahmen des § 112 Abs. 3 StPO möglich sind - erreicht werden.

4. Die Voraussetzungen für die Fortdauer der Untersuchungshaft über sechs Monate hinaus (§ 121 Abs. 1 StPO) sind gegeben. Die besondere Schwierigkeit und der besondere Umfang der Ermittlungen haben ein Urteil noch nicht zugelassen und rechtfertigen den weiteren Vollzug der Untersuchungshaft. Das Verfahren ist bislang mit der in Haftsachen gebotenen Beschleunigung geführt worden.

Die Ermittlungen sind umfangreich und zeitintensiv gewesen; die Akten umfassen derzeit mehr als 100 Bände. Der Angeschuldigte hat sich erst kurz vor Anklageerhebung zur Sache eingelassen. Auch deshalb hat es insbesondere einer intensiven Auswertung bei einer Wohnungsdurchsuchung im Zuge der Festnahme des Angeschuldigten am 10. Oktober 2023 sichergestellter sachlicher Beweismittel, namentlich von über 40 elektronischen Speichermedien, bedurft. Allein auf einem dem Angeschuldigten zuzuordnenden Mobiltelefon sind über 300.000 Telegramnachrichten, 73.000 Bilddateien, 3.500 Videodateien und 1.000 Audiodateien festgestellt worden. Auf der Festplatte eines Computers des Angeschuldigten sind über 38.000 Bilddateien und 10.000 Textdokumente mit potentieller Beweisrelevanz aufgefunden worden, die ebenfalls einer Analyse bedurft haben. Die Auswertung der verschiedenen Datenträger durch das mit den Ermittlungen betraute Hessische Landeskriminalamt ist Mitte Januar 2024 abgeschlossen worden. Im Anschluss ist eine Vernehmung des Beschuldigten, der eine Einlassung zur Sache in Aussicht gestellt hatte, vorbereitet und nach Gewährung von Akteneinsicht an die Verteidigerin am 22. Februar 2024 durchgeführt worden. Der Abschlussbericht des Hessischen Landeskriminalamts datiert vom 7. März 2024. Am 22. März 2024 hat die Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt am Main die Ermittlungen abgeschlossen und Anklage erhoben. Es ist davon auszugehen, dass das Verfahren auch weiterhin mit der in Haftsachen gebotenen besonderen Beschleunigung geführt und insbesondere angesichts des kooperativen Verhaltens des Angeschuldigten alsbald über die Eröffnung des Hauptverfahrens befunden wird.

5. Schließlich steht die Untersuchungshaft nach Abwägung zwischen dem Freiheitsgrundrecht des Angeschuldigten einerseits sowie dem Strafverfolgungsinteresse der Allgemeinheit andererseits derzeit nicht außer Verhältnis zu der Bedeutung der Sache und der im Falle einer Verurteilung zu erwartenden Strafe (§ 120 Abs. 1 Satz 1 StPO).

HRRS-Nummer: HRRS 2024 Nr. 720

Bearbeiter: Fabian Afshar/Karsten Gaede