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HRRS-Nummer: HRRS 2024 Nr. 1451

Bearbeiter: Julia Heß/Karsten Gaede

Zitiervorschlag: BGH, 2 StR 71/24, Beschluss v. 30.07.2024, HRRS 2024 Nr. 1451


BGH 2 StR 71/24 - Beschluss vom 30. Juli 2024 (LG Köln)

Handeltreiben mit Cannabis; Einfuhr von Cannabis (Anstiftung: Konkurrenzen, Betäubungsmitteldelikte).

§ 34 KCanG; § 26 StGB

Entscheidungstenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Köln vom 21. September 2023

a) abgeändert

aa) im Schuldspruch in den Fällen II.9, II.10 und II.12 bis II.36 der Urteilsgründe dahin, dass der Angeklagte des Handeltreibens mit Cannabis in 25 Fällen, davon in zwei Fällen in Tateinheit mit Beihilfe zum Handeltreiben mit Cannabis, und der Beihilfe zum Handeltreiben mit Cannabis in zwei Fällen schuldig ist,

bb) in der Einziehungsentscheidung dahin, dass gegen den Angeklagten die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 712.860 € angeordnet wird, die weitergehende Einziehung entfällt,

b) aufgehoben

aa) im Strafausspruch zu den Einzelstrafen in den Fällen II.9, II.10 und II.12 bis II.36 der Urteilsgründe,

bb) im Gesamtstrafenausspruch.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in 34 Fällen, davon in drei Fällen in Tateinheit mit Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge und in zehn Fällen in Tateinheit mit Anstiftung zur Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, sowie wegen Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstafe von zehn Jahren und sechs Monaten verurteilt. Zudem hat es die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 717.660 € gegen den Angeklagten angeordnet. Die auf die Rüge der Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg, im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet.

1. Die Verfahrensrügen versagen aus den in der Zuschrift des Generalbundesanwalts dargestellten Gründen.

2. Die auf die Sachrüge veranlasste Überprüfung des Urteils hat zum Schuldspruch wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in neun Fällen, davon in drei Fällen in Tateinheit mit Anstiftung zur Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge und in einem weiteren Fall in Tateinheit mit Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (Fälle II.1 bis II.8 und II.11 der Urteilsgründe), keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Gleiches gilt für die Strafaussprüche in diesen Fällen sowie die unterbliebene Maßregelanordnung.

3. Hingegen bedürfen die Schuldsprüche in den Fällen II.9, II.10 und II.12 bis II.36 der Urteilsgründe der Abänderung nach Maßgabe des am 1. April 2024 und damit nach Verkündung des vorliegenden Urteils in Kraft getretenen Gesetzes zum kontrollierten Umgang mit Cannabis und zur Änderung weiterer Vorschriften vom 27. März 2024 (BGBl. 2024 Nr. 109), auf das - weil in den konkreten Fällen milder - gemäß § 2 Abs. 3 StGB i.V.m. § 354a StPO bei der revisionsrechtlichen Kontrolle abzustellen ist. Auch die Einziehungsentscheidung unterfällt in geringem Umfang der Korrektur.

a) In den Fällen II.13 und II.14, II.19, II.20, II.23, II.24 sowie II.26 bis II.36 der Urteilsgründe ist das vom Landgericht rechtsfehlerfrei festgestellte Tatgeschehen nunmehr, wie vom Generalbundesanwalt in seiner Zuschrift zutreffend ausgeführt, als Handeltreiben mit Cannabis nach § 34 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 KCanG zu bewerten. In den Fällen II.16 und II.25 der Urteilsgründe liegt Beihilfe zum Handeltreiben mit Cannabis gemäß § 34 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 KCanG, § 27 Abs. 1 StGB vor.

b) Die Fälle II.9, II.10, II.12, II.15, II.17, II.18, II.21 und II.22 der Urteilsgründe sind nach den ebenfalls rechtsfehlerfreien Feststellungen als Handeltreiben mit Cannabis (§ 34 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 KCanG), in den Fällen II.18 und II.21 der Urteilsgründe in Tateinheit mit Beihilfe zum Handeltreiben mit Cannabis (§ 34 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 KCanG, § 27 Abs. 1 StGB) zu bewerten. Eine weitergehende, vom Generalbundesanwalt in diesen Fällen beantragte tateinheitliche Verurteilung wegen Anstiftung zur Einfuhr von Cannabis (§ 34 Abs. 1 Nr. 5, Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 KCanG, § 26 StGB) kommt nicht in Betracht.

aa) Zwar hat der Angeklagte in diesen Fällen seinen Lieferanten dazu angestiftet, ihm die Drogen aus dem Ausland nach Deutschland zu übersenden. Eine Bestrafung wegen Anstiftung zu einem Einfuhrdelikt scheitert indes daran, dass ein Tatbeteiligter, der einen anderen zu einer rechtswidrigen Tat bestimmt, die er selbst begeht, allein wegen täterschaftlicher Begehung belangt wird (vgl. RG, Urteil vom 3. Januar 1911 - V 836/10, RGSt 44, 207, 211; BGH, Urteil vom 7. September 1993 - 1 StR 325/93, NStZ 1994, 29, 30; Beschluss vom 23. März 2017 - 3 StR 260/16, BGHSt 62, 96, 100 Rn. 16; SK-StGB/Hoyer, 9. Aufl., § 26 Rn. 33; SSW-StGB/Murmann, 6. Aufl., § 26 Rn. 21). Die Einfuhr geht grundsätzlich als unselbständiger Teilakt im Handeltreiben auf. Deshalb macht sich derjenige Täter, der Betäubungsmittel unterhalb der Grenze zur nicht geringen Menge im Ausland erwirbt und zum Weiterverkauf nach Deutschland verbringt, nicht wegen Einfuhr von Betäubungsmitteln, sondern allein wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln schuldig (vgl. BGH, Beschlüsse vom 10. Mai 2005 - 3 StR 133/05, NStZ 2006, 172 und vom 22. Mai 2014 - 4 StR 223/13, Rn. 11). Entsprechend liegt in der Anstiftung zu einer solchen Einfuhr eine Anstiftung zum Handeltreiben mit den Drogen, die neben dem täterschaftlichen Handeltreiben nicht auszuurteilen ist.

bb) Etwas anderes folgt auch nicht aus dem Umstand, dass in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs anerkannt ist, dass die Einfuhr einer nicht geringen Menge an Betäubungsmitteln nicht von einem täterschaftlichen Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge verdrängt wird, sondern dazu in Tateinheit steht. Die Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge ist aufgrund ihres höheren Strafrahmens in § 30 Abs. 1 Nr. 4 BtMG das schwerere Delikt und muss dementsprechend im Schuldspruch hervorgehoben werden (vgl. BGH, Urteil vom 24. November 1982 - 3 StR 384/82, BGHSt 31, 163, 165 f.; Patzak in Patzak/Fabricius, BtMG, 11. Aufl., § 29 Rn. 772; § 30 Rn. 173). Gleiches gilt in diesem Fall wegen § 26 StGB für die Anstiftung zur Einfuhr. Im Anwendungsbereich des Konsumcannabisgesetzes laufen die Strafrahmen indes gleich (vgl. § 34 Abs. 1 Nr. 4 und 5, Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 KCanG), so dass die Notwendigkeit, in Ausnahme von dem allgemeinen Grundsatz die Einfuhr gegenüber dem Handeltreiben hervorzuheben, wenn beide sich auf eine nicht geringe Menge beziehen, nicht gegeben ist (vgl. BGH, Beschluss vom 22. Mai 2024 - 2 StR 41/24, Rn. 5 ff.).

c) Der Senat stellt die Schuldsprüche in entsprechender Anwendung von § 354 Abs. 1 StPO um. § 265 Abs. 1 StPO steht dem nicht entgegen, weil sich der Angeklagte nicht wirksamer als geschehen hätte verteidigen können.

d) Angesichts des reduzierten Unrechtsgehalts und der geringeren Strafdrohung nach dem Konsumcannabisgesetz haben die verhängten Einzelstrafen in den Fällen II.9, II.10 und II.12 bis II.36 der Urteilsgründe keinen Bestand. Dies zieht die Aufhebung der Gesamtstrafe nach sich.

e) Die Einziehungsentscheidung bedarf der Abänderung. Die Summe der festgestellten Taterträge addiert sich, worauf der Generalbundesanwalt in seiner Zuschrift zutreffend hinweist, lediglich auf 712.860 €. Die weitergehende Einziehung in Höhe von 4.800 € entfällt.

4. Im Umfang der Aufhebung bedarf die Sache neuer Verhandlung und Entscheidung. Die Feststellungen haben Bestand (§ 353 Abs. 2 StPO). Das neue Tatgericht kann ergänzende Feststellungen treffen, die den bisherigen nicht widersprechen.

HRRS-Nummer: HRRS 2024 Nr. 1451

Bearbeiter: Julia Heß/Karsten Gaede