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HRRS-Nummer: HRRS 2023 Nr. 925

Bearbeiter: Fabian Afshar

Zitiervorschlag: BGH, StB 23/23, Beschluss v. 15.06.2023, HRRS 2023 Nr. 925


BGH StB 23/23 - Beschluss vom 15. Juni 2023

Beschwerde gegen Durchsuchungsanordnung des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs; Durchsuchung bei anderen Personen (Auffindeverdacht; Konkretisierung der zu beschlagnahmenden Gegenstände; Verhältnismäßigkeit; beschlagnahmefreie Gegenstände); mitgliedschaftliche Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung.

§ 304 Abs. 5 StPO; § 103 StPO; § 105 StPO; § 53 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 StPO; § 97 StPO; § 129a StGB

Entscheidungstenor

Die Beschwerde der Betroffenen gegen den Beschluss des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs vom 16. März 2023 wird verworfen.

Die Beschwerdeführerin hat die Kosten ihres Rechtsmittels zu tragen.

Gründe

I.

Der Generalbundesanwalt führt gegen zahlreiche Personen aus dem Umfeld des gesondert verfolgten R. ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Bildung einer terroristischen Vereinigung und weiterer Straftaten (2 BJs 274/22-5). Bei den Ermittlungen wurde bekannt, dass eine Vielzahl weiterer - derzeit zumeist noch nicht bekannter - Personen als Mitglieder oder Unterstützer der Gruppierung in Betracht kommt. Vor diesem Hintergrund leitete der Generalbundesanwalt das vorliegende, gegen unbekannt gerichtete Ermittlungsverfahren ein (2 BJs 21/23-5).

Auf seinen Antrag hat der Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs mit Beschluss vom 16. März 2023 (1 BGs 480/23) die Durchsuchung der Person der Betroffenen und der von ihr genutzten Wohn-, Keller-, Garagen- und sonstigen Nebenräume zum Zwecke der Sicherstellung näher beschriebener Beweismittel gemäß §§ 103, 105 StPO angeordnet. Die Durchsuchung ist am 22. März 2023 vollzogen worden. Dabei sind zwei Smartphones und Unterlagen in Verwahrung genommen worden, deren Durchsicht noch andauert. Zwei weitere Smartphones sind der Betroffenen inzwischen wieder ausgehändigt worden.

Die Betroffene wendet sich mit ihrer Beschwerde gegen den Durchsuchungsbeschluss und begehrt die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Anordnung. Sie macht geltend, dass die zu suchenden Beweismittel im angefochtenen Beschluss nicht hinreichend konkretisiert seien und kein Auffindeverdacht bestanden habe. Insbesondere habe die Betroffene die Rückzahlung des dem gesondert verfolgten E. gewährten Darlehens bereits eingeklagt, was für die Ermittlungsbehörden offenkundig gewesen sei. Auch verstoße die angeordnete Maßnahme gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, da neben ihren Grundrechten aus Art. 14 GG und auf informationelle Selbstbestimmung aus Art. 2 i.V.m. Art. 1 GG die Pressefreiheit aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG verletzt sei, weil sie nebenberuflich als Journalistin tätig sei. Vor diesem Hintergrund unterfielen die sichergestellten Gegenstände dem Beschlagnahmeverbot nach § 97 Abs. 5, § 53 Abs. 1 Nr. 5 StPO.

Der Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs hat der Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem Senat zur Entscheidung vorgelegt. Soweit die Betroffene beantragt hat, gemäß § 94 Abs. 1, § 98 Abs. 2 Satz 2 (entsprechend), §§ 103, 162 Abs. 1, § 169 Abs. 1 Satz 2 StPO die vorläufige Sicherstellung zum Zwecke der Durchsicht in Verwahrung genommenen Smartphones und der Unterlagen aufzuheben, deren Herausgabe anzuordnen sowie die Rechtswidrigkeit der vorläufigen Sicherstellung der beiden inzwischen ausgehändigten Smartphones festzustellen, hat der Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs bereits angekündigt, hierüber gesondert zu entscheiden.

II.

Das zulässige Rechtsmittel hat in der Sache keinen Erfolg.

1. Die Beschwerde gegen die Durchsuchungsanordnung ist gemäß § 304 Abs. 5 StPO statthaft. Das Beschwerdeziel ist noch nicht prozessual überholt und daher nicht in einen Antrag auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der angegriffenen Maßnahmen umzudeuten. Angesichts der nicht vollständig abgeschlossenen Durchsicht der vorläufig sichergestellten Beweismittel dauert die Durchsuchungsmaßnahme an (vgl. BGH, Beschlüsse vom 18. November 2021 - StB 6/21 u.a., NJW 2022, 795 Rn. 5; vom 3. September 1997 - StB 12/97, juris Rn. 1; Meyer-Goßner/Schmitt/Köhler, StPO, 66. Aufl., § 110 Rn. 9, 10 mwN).

2. Das Rechtsmittel ist jedoch unbegründet. Die Voraussetzungen für den Erlass der Durchsuchungsanordnung (§§ 103, 105 StPO) lagen vor.

a) Gegen die gesondert Verfolgten bestand ein die Durchsuchung nach § 102 StPO rechtfertigender Anfangsverdacht.

aa) Für die Zulässigkeit einer regelmäßig in einem frühen Stadium der Ermittlungen durchzuführenden Durchsuchung genügt der über bloße Vermutungen hinausreichende, auf bestimmte tatsächliche Anhaltspunkte gestützte konkrete Verdacht, dass eine Straftat begangen wurde und der Verdächtige als Täter oder Teilnehmer an dieser Tat in Betracht kommt. Eines hinreichenden oder gar dringenden Tatverdachts bedarf es - unbeschadet der Frage der Verhältnismäßigkeit - nicht (st. Rspr.; vgl. BVerfG, Beschluss vom 7. September 2006 - 2 BvR 1219/05, BVerfGK 9, 149, 153; BGH, Beschlüsse vom 20. Juli 2022 - StB 29/22, NStZ 2022, 692 Rn. 6; vom 12. August 2015 - StB 8/15, BGHR StPO § 102 Tatverdacht 3 Rn. 4; vom 18. Dezember 2008 - StB 26/08, BGHR StPO § 102 Tatverdacht 2 Rn. 5).

bb) Gemessen hieran lagen zum Zeitpunkt des Durchsuchungsbeschlusses sachlich zureichende Gründe für die Anordnung der Durchsuchung vor. Es bestand der Anfangsverdacht, dass sich die gesondert Verfolgten an einer terroristischen Vereinigung als Mitglied gemäß § 129a Abs. 1 Nr. 1 StGB beteiligten oder sie gemäß § 129a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 5 Satz 1 StGB unterstützten.

(1) Im Sinne eines Anfangsverdachts ist von folgendem Sachverhalt auszugehen:

Die gesondert Verfolgten gehörten der sogenannten Reichsbürger- und QAnon-Bewegung an. Sie schlossen sich spätestens Ende November 2021 zu einer auf längere Dauer angelegten Organisation zusammen, die sich zum Ziel setzte, die bestehende staatliche Ordnung in Deutschland, insbesondere durch den Einsatz militärischer Mittel und Gewalt gegen staatliche Repräsentanten zu überwinden und durch eine eigene, bereits in Grundzügen ausgearbeitete Staatsform zu ersetzen. Dabei rechneten sie mit der Tötung von Personen und nahmen dies billigend in Kauf. Sie lehnten die freiheitlich-demokratische Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland und deren Institutionen ab. Auf der Grundlage einer entsprechenden gemeinsamen Gesinnung erwarteten sie an einem konkreten und unmittelbar bevorstehenden, aber noch nicht festgelegten „Tag X“ einen Angriff auf die oberste Ebene der staatlichen Führung der Bundesrepublik Deutschland durch die sogenannte Allianz, ein Geheimbund bestehend aus Angehörigen ausländischer Regierungen, Streitkräften und Geheimdiensten.

Zum Zwecke der Umsetzung ihrer Umsturzpläne schufen die Mitglieder der Gruppierung organisatorische, hierarchische und verwaltungsähnliche Strukturen mit einem sogenannten Rat als zentralem Gremium und einem militärischen Arm. Dieser sollte nach dem Angriff durch die „Allianz“ die noch verbleibenden Institutionen und Repräsentanten des Staates bekämpfen und die Macht durch ein deutschlandweites Netz von sogenannten Heimatschutzkompanien absichern. Ferner plante der engste Führungszirkel der Vereinigung das gewaltsame Eindringen einer bewaffneten Gruppe in das Reichstagsgebäude mit dem Ziel, Abgeordnete, Kabinettsmitglieder und deren Mitarbeiter zu verhaften und abzuführen, wobei sie hierfür bereits in konkrete Vorbereitungshandlungen eingetreten waren.

(2) Der Anfangsverdacht gründet sich im Wesentlichen auf Erkenntnisse des Bundeskriminalamts, der Landeskriminalämter Baden-Württemberg, Bayern, Berlin, Hessen, Rheinland-Pfalz und Sachsen sowie der Verfassungsschutzbehörden des Bundes und der Länder und des Bundesamtes für den Militärischen Abschirmdienst, die maßgeblich auf G 10-Maßnahmen - insbesondere Telefonüberwachung und Observation nach § 1 Abs. 1 Nr. 1, § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 Buchst. a, Abs. 2 G 10 i.V.m. § 129a Abs. 1 StGB - zurückzuführen sind. Die Ergebnisse dieser Maßnahmen sind für die Zwecke der Strafverfolgung freigegeben und gemäß § 4 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 G 10, § 161 Abs. 3 Satz 1 StPO in das Ermittlungsverfahren überführt worden.

(3) In rechtlicher Hinsicht sind die den gesondert Verfolgten vorgeworfenen Handlungen als mitgliedschaftliche Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung und Unterstützung einer solchen zu werten, strafbar gemäß § 129a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 5 StGB (vgl. BGH, Beschluss vom 30. März 2023 - StB 58/22, NStZ-RR 2023, 182, 183 f.). Ob die gesondert Verfolgten daneben verdächtig waren, sich zugleich wegen Vorbereitung eines hochverräterischen Unternehmens gemäß § 83 Abs. 1 StGB strafbar gemacht zu haben, bedarf hier keiner Entscheidung.

(4) Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Beschluss des Senats vom 30. März 2023 Bezug genommen (vgl. BGH, Beschluss vom 30. März 2023 - StB 58/22, NStZ-RR 2023, 182).

b) Es lagen auch hinreichende Tatsachen dafür vor, dass bei der Betroffenen bestimmte Beweismittel im Sinne des § 103 Abs. 1 Satz 1 StPO aufgefunden werden können.

aa) Eine Ermittlungsdurchsuchung, die eine nichtverdächtige Person betrifft, setzt nach § 103 Abs. 1 Satz 1 StPO Tatsachen dahin voraus, dass sich das gesuchte Beweismittel in den zu durchsuchenden Räumen befindet. Es müssen konkrete Gründe im Zeitpunkt der Anordnung, mithin aus ex ante-Sicht dafür sprechen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 9. August 2019 - 2 BvR 1684/18, NJW 2019, 3633 Rn. 35; BGH, Beschlüsse vom 18. November 2021 - StB 6/21 u.a., NJW 2022, 795 Rn. 11; vom 5. Juni 2019 - StB 6/19, juris Rn. 18; vom 13. Juni 1978 - StB 51/78, BGHSt 28, 57, 59), dass der gesuchte Beweisgegenstand in den Räumlichkeiten des Unverdächtigen gefunden werden kann (vgl. BVerfG, Beschluss vom 28. April 2003 - 2 BvR 358/03, BVerfGK 1, 126, 132 f.; BGH, Beschlüsse vom 15. Oktober 1999 - StB 9/99, BGHR StPO § 103 Gegenstände 1; vom 7. Juni 1995 - StB 16/95, NJW 1996, 405, 406 [dort mit dem Aktenzeichen 2 BJs 127/93-7]; vom 13. Januar 1989 - StB 1/89, BGHR StPO § 103 Tatsachen 1; vom 20. Dezember 1988 - 1 BGs 1143/88, BGHR StPO § 103 Tatsachen 2; vom 13. Juni 1978 - StB 51/78, BGHSt 28, 57, 59; KKStPO/Henrichs/Weingast, 9. Aufl., § 103 Rn. 5; LR/Tsambikakis, StPO, 27. Aufl., § 103 Rn. 14).

(1) Diese Voraussetzungen sind erfüllt. Nach dem damaligen Erkenntnisstand gewährte die Betroffene dem gesondert verfolgten E. ein Darlehen in Höhe von 30.000 € und zahlte die Darlehensvaluta in vier Teilbeträgen an diesen aus. Im Gegenzug wurde zu ihren Gunsten eine Grundschuld in Höhe von 50.000 € mit einem Zinssatz von 16 % an seinem Grundstück eingetragen. Damit lagen konkrete Umstände vor, die eine Verbindung zwischen beiden belegen. Zudem begründet dieses Verhalten die Vermutung, dass bei der Betroffenen Beweismittel aufgefunden werden, die Aufschluss über die Finanzierung der genannten Vereinigung geben. Nach dem für die Durchsuchungsanordnung maßgebenden Stand der Ermittlungen erscheint es als wahrscheinlich, dass der gesondert verfolgte E. von anderen Mitgliedern der Gruppierung und weiteren - derzeit noch unbekannten - Personen Gelder in Empfang nahm und weiterleitete, um die Tätigkeiten der Vereinigung, zuvörderst die Ausrüstung ihres militärischen Arms zu finanzieren. Dies wird vor allem aufgrund dokumentierter Zahlungsströme auf dem Konto des gesondert Verfolgten sowie dadurch belegt, dass Mitglieder und Unterstützer der Gruppierung ihm hohe Geldsummen übergaben. So erhielt er etwa vom gesondert verfolgten R. im November 2021 50.000 € Bargeld, das der Finanzierung der geplanten Erstürmung des Reichstagsgebäudes dienen sollte. Im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang hierzu zahlte die Betroffene die Darlehensvaluta an den gesondert verfolgten E. aus. Es war daher aufgrund von Tatsachen zu vermuten, dass die Durchsuchung bei der Betroffenen zum Auffinden insbesondere elektronischer Kommunikationsmittel führen werde, die nicht nur Aufschluss über die Zweckbestimmung des Darlehens, sondern auch über etwaige weitere Kontaktpersonen innerhalb der Vereinigung erbringen können.

(2) Trotz der im Beschwerdeverfahren vorgetragenen Kündigung und klageweisen Geltendmachung des Darlehens durch die Betroffene war der Vollzug der Maßnahme rechtmäßig. Zwar kann sich ein zum Zeitpunkt der Entscheidung vorliegender Verdacht durch neu hinzugetretene Umstände zerstreuen und damit die Maßnahme erübrigen (BVerfG, Beschluss vom 27. Juni 2005 - 2 BvR 2428/04, BVerfGK 5, 347, 353 ff.; BGH, Beschluss vom 30. März 2023 - StB 58/22, NStZ-RR 2023, 182, 184; Meyer-Goßner/Schmitt/Köhler, StPO, 66. Aufl., § 105 Rn. 8a; MüKoStPO/Hauschild, 2. Aufl., § 105 Rn. 27; KKStPO/ Henrichs/Weingast, 9. Aufl., § 105 Rn. 12). Aber selbst wenn dieses Vorbringen den Ermittlungsbehörden spätestens im Zeitpunkt der Durchsuchung bekannt gewesen wäre, wären deren Voraussetzungen nicht entfallen. Denn die von der Betroffenen eingeräumte Kündigung und die gerichtliche Geltendmachung der Rückforderung des Darlehens beseitigen zum einen nicht die dargelegte Verbindung zwischen ihr sowie dem gesondert verfolgten E. ; zum anderen entkräften sie nicht die Vermutung, dass der Betrag vereinigungsbezogenen Zwecken diente.

bb) Die Durchsuchung bei einer nichtverdächtigen Person setzt - anders als im Fall des § 102 StPO für die Durchsuchung beim Tatverdächtigen, bei dem eine allgemeine Aussicht genügt, irgendwelche relevanten Beweismittel zu finden - nach § 103 StPO überdies voraus, dass hinreichend individualisierte (bestimmte) Beweismittel für die aufzuklärende Straftat gesucht werden. Diese Gegenstände müssen im Durchsuchungsbeschluss so weit konkretisiert werden, dass weder bei dem Betroffenen noch bei dem die Durchsuchung vollziehenden Beamten Zweifel über die zu suchenden und zu beschlagnahmenden Gegenstände entstehen können (BGH, Beschluss vom 21. November 2001 - StB 20/01, BGHR StPO § 103 Gegenstände 2). Ausreichend ist dafür allerdings, dass die Beweismittel der Gattung nach näher bestimmt sind; nicht erforderlich ist, dass sie in allen Einzelheiten bezeichnet werden (vgl. BGH, Beschlüsse vom 20. Juli 2022 - StB 29/22, NStZ 2022, 692 Rn. 14; vom 28. Juni 2018 - StB 14/18, juris Rn. 16; vom 15. Oktober 1999 - StB 9/99, BGHR StPO § 103 Gegenstände 1; jeweils mwN).

Diesen Anforderungen wird der angefochtene Beschluss ebenfalls gerecht. Es wurden die zu sichernden Gegenstände, insbesondere elektronische Kommunikationsmittel, Dokumente und Unterlagen, auch in elektronischer Form, dahin konkretisiert, dass diese mit der terroristischen Vereinigung in Zusammenhang stehen mussten. Durch diese Einschränkung der möglicherweise aufzufindenden Beweismittel war den durchsuchenden Beamten hinreichend deutlich aufgezeigt, worauf sie ihr Augenmerk zu richten hatten. Im Ãœbrigen unterliegen Schriftstücke und elektronische Speichermedien vor ihrer Beschlagnahme oder sonstigen Sicherstellung nach § 110 Abs. 1 StPO der Durchsicht durch die Staatsanwaltschaft oder von ihr beauftragten Ermittlungspersonen. Dies ermöglicht die Ãœberprüfung, welche Dokumente oder Dateien als Beweismittel in Betracht kommen und deshalb sicherzustellen oder nach § 110 Abs. 3 Satz 2 StPO zu sichern sind. Um diese Durchsicht zu gewährleisten, kann die Mitnahme einer Gesamtheit von Daten zur Durchsicht zulässig sein (vgl. BVerfG, Beschluss vom 15. August 2014 - 2 BvR 969/14, NJW 2014, 3085 Rn. 44 f.; BGH, Beschluss vom 5. August 2003 - StB 7/03, BGHR StPO § 105 Abs. 1 Durchsuchung 3).

c) Die Strafgerichtsbarkeit des Bundes und damit die Zuständigkeit des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs für den Erlass des Durchsuchungsbeschlusses ergibt sich aus § 169 Abs. 1 StPO, § 120 Abs. 1 Nr. 6, § 142 Abs. 1 Nr. 1, § 142a Abs. 1 Satz 1 GVG.

d) Die Durchsuchungsanordnung entspricht auch unter Berücksichtigung ihrer grundrechtlich geschützten Belange dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.

aa) Sie ist zur weiteren Aufklärung einer Beteiligung bislang unbekannt gebliebener Personen an dem Tatgeschehen geeignet und erforderlich, da unter den gegebenen Umständen zu erwarten war, dass die Durchsuchung zum Auffinden von Gegenständen, insbesondere von elektronischen Kommunikationsmitteln, führen werde, die nicht nur eine inhaltliche Kommunikation zwischen den gesondert Verfolgten und der Betroffenen nachweisen oder widerlegen, sondern auch Aufschluss über weitere Kontaktpersonen innerhalb der Vereinigung erbringen können. Der Umstand, dass die Ermittlungsbehörden bereits über andere Beweismittel verfügten, stellt die Erforderlichkeit der Maßnahme nicht in Frage (vgl. BGH, Beschluss vom 18. Mai 2022 - StB 17/22, juris Rn. 17).

bb) Die Anordnung der Durchsuchung steht zudem in einem angemessenen Verhältnis zur Bedeutung und Schwere der aufzuklärenden Straftat. Die von der in Rede stehenden Gruppierung ausgehende Gefahr ist erheblich. Dies zeigt sich insbesondere in den konkreten vielfältigen Vorbereitungshandlungen einiger Mitglieder der Vereinigung für eine bewaffnete Erstürmung des Reichstagsgebäudes durch eine Gruppe von bis zu 16 Personen, vornehmlich aus den Reihen aktiver oder ehemaliger Angehöriger des Kommando Spezialkräfte oder anderer Spezialeinheiten der Bundeswehr sowie Polizei, und dem geplanten sowie in Teilen bereits umgesetzten Aufbau von militärischen Heimatschutzkompanien im gesamten Bundesgebiet.

cc) Das der Betroffenen zustehende Zeugnisverweigerungsrecht nach § 53 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 StPO stand der Anordnung und Durchführung der Durchsuchungsmaßnahme nicht entgegen. Aus dem Fehlen besonderer Regelungen für Durchsuchungen bei Zeugnisverweigerungsberechtigten ergibt sich, dass sie nach den allgemein in der Strafprozessordnung zur Durchsuchung bei nicht verdächtigen Personen niedergelegten Grundsätzen (§ 103 StPO) durchgeführt werden können. Wegen der Fernwirkung des § 97 StPO darf nur nicht gezielt nach beschlagnahmefreien Gegenständen geforscht werden (BVerfG, Beschluss vom 27. Februar 2003 - 2 BvR 1120/02, NVwZ-RR 2003, 495, 496; KKStPO/Henrichs/Weingast, 9. Aufl., § 103 Rn. 7; MüKoStPO/Hauschild, 2. Aufl., § 103 Rn. 10; Meyer-Goßner/Schmidt/Köhler, StPO, 66. Aufl., § 103 Rn. 7 mwN). Dies ist hier zu verneinen, weil es an einem Bezug des Privatdarlehens zur journalistischen Nebentätigkeit der Betroffenen fehlt.

HRRS-Nummer: HRRS 2023 Nr. 925

Bearbeiter: Fabian Afshar