HRRS-Nummer: HRRS 2023 Nr. 923
Bearbeiter: Fabian Afshar
Zitiervorschlag: BGH, AK 46/23, Beschluss v. 11.07.2023, HRRS 2023 Nr. 923
Die Untersuchungshaft hat fortzudauern.
Eine etwa erforderliche weitere Haftprüfung durch den Bundesgerichtshof findet in drei Monaten statt.
Bis zu diesem Zeitpunkt wird die Haftprüfung dem nach den allgemeinen Vorschriften zuständigen Gericht übertragen.
Die Beschuldigte ist am 7. Dezember 2022 aufgrund des Haftbefehls des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs vom 5. Dezember 2022 (1 BGs 806/22) festgenommen worden und befindet sich seit dem Folgetag ununterbrochen in Untersuchungshaft.
Gegenstand des Haftbefehls ist der Vorwurf, die Beschuldigte habe sich seit spätestens Ende November 2021 in Ber., Ba. und andernorts mitgliedschaftlich an einer Vereinigung beteiligt, deren Zwecke oder Tätigkeit auf die Begehung von Mord (§ 211 StGB) oder Totschlag (§ 212 StGB) gerichtet gewesen seien, strafbar gemäß § 129a Abs. 1 Nr. 1 StGB.
Die Voraussetzungen für die Fortdauer der Untersuchungshaft über sechs Monate hinaus liegen vor.
1. Die Beschuldigte ist der ihr zur Last gelegten Tat dringend verdächtig.
a) Nach dem gegenwärtigen Ermittlungsstand ist im Sinne eines dringenden Tatverdachts von folgendem Sachverhalt auszugehen:
aa) Die Beschuldigte gehörte wie die Mitbeschuldigten und die im vorliegenden Ermittlungskomplex gesondert Verfolgten der sogenannten Reichsbürger- und QAnon-Bewegung an. Sie beteiligte sich seit Februar 2022 an einer von jenen spätestens im November 2021 gegründeten und auf längere Dauer angelegten Organisation, die sich zum Ziel gesetzt hatte, die bestehende staatliche Ordnung in Deutschland insbesondere durch den Einsatz militärischer Mittel und Gewalt gegen staatliche Repräsentanten zu überwinden und durch eine eigene, bereits in Grundzügen ausgearbeitete Staatsform zu ersetzen. Sie alle lehnten die freiheitlich-demokratische Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland und deren Institutionen ab. Die Organisation schottete sich rigoros ab. Ihre Mitglieder, die nach außen nahezu unscheinbar in verschiedenen Funktionen am Gesellschaftsleben teilnahmen, mussten sich ihr gegenüber bei Androhung der Todesstrafe schriftlich zur Verschwiegenheit verpflichten. Auf der Grundlage einer entsprechenden gemeinsamen Gesinnung erwarteten sie an einem unmittelbar bevorstehenden, aber noch nicht festgelegten „Tag X“ einen Angriff auf die oberste Ebene der staatlichen Führung der Bundesrepublik Deutschland durch die „Allianz“, einen Geheimbund bestehend aus Angehörigen ausländischer Regierungen, Streitkräfte und Geheimdienste.
Zum Zwecke der Umsetzung ihrer Umsturzpläne schufen die Angehörigen der Gruppierung organisatorische, hierarchische und verwaltungsähnliche Strukturen mit einem sogenannten Rat als zentralem Gremium und einem militärischen Arm. Dieser von ihnen vereinfacht als das „Militär“ bezeichnete Teil der Organisation sollte im Zuge des Angriffs durch die „Allianz“ die noch verbleibenden Institutionen und Repräsentanten des Staates mit Waffen bekämpfen und die Macht durch ein deutschlandweites Netz von sogenannten Heimatschutzkompanien absichern. Die Mitglieder der Vereinigung waren der Überzeugung, ein zeitlich noch nicht feststehendes, tagesaktuelles Ereignis werde als Startsignal der „Allianz“ an sie zu werten sein, selbst aktiv zu werden und mit Gewalt gegen staatliche Stellen vorzugehen. Ferner plante der engste Führungszirkel der Vereinigung das gewaltsame Eindringen einer bewaffneten Gruppe in das Reichstagsgebäude mit dem Ziel, Abgeordnete, Kabinettsmitglieder sowie deren Mitarbeiter zu verhaften und abzuführen; hierfür war er bereits in konkrete Vorbereitungshandlungen eingetreten. Die an der Planung und Vorbereitung der Vorhaben Beteiligten rechneten jeweils mit der Tötung zahlreicher Menschen und nahmen dies billigend in Kauf. Im Einzelnen:
(1) Der von den Mitgliedern der Organisation unter der Führung des Mitbeschuldigten R. geschaffene, hierarchisch aufgebaute Rat, dem die Beschuldigte spätestens seit Februar 2022 angehörte, beschäftigte sich in regelmäßig stattfindenden Sitzungen mit der Errichtung künftiger staatlicher Strukturen, die an die Stelle der geltenden freiheitlich-demokratischen Grundordnung treten sollten. In den Rat wurden Personen aufgenommen, die als besonders vertrauenswürdig angesehen wurden und die dafür vorgesehen waren, an ministerielle Aufgabenverteilungen angelehnte Zuständigkeiten wahrzunehmen. So verfügte der Rat - vergleichbar mit einem Kabinett einer regulären Regierung - über die von einzelnen Mitbeschuldigten besetzten Ressorts „Justiz“, „Außen“, „Gesundheit“, „Bildung“ und „Militär“. Das Justizresort war der Beschuldigten zugewiesen, einer früheren Bundestagsabgeordneten und Richterin. Zwischen den Ratssitzungen hielt sie regelmäßig Kontakt zu anderen Mitgliedern der Vereinigung, unterschrieb die Verschwiegenheitserklärung und verfügte über ein Satellitentelefon zur vereinigungsinternen Kommunikation. Daneben bemühte sie sich - letztlich erfolglos - darum, die Gruppierung um weitere Personen zu erweitern.
Der Mitbeschuldigte R. suchte zudem auf verschiedenen Wegen Kontakt zur russischen Regierung, mit der Vorbereitungen für Friedensverhandlungen getroffen werden sollten. Die Mitglieder hatten die ideologische Überzeugung, bis zum Abschluss eines noch mit den alliierten Siegermächten des Zweiten Weltkrieges auszuhandelnden Friedensvertrages gelte das Kriegsrecht unter Anwendung der Haager Landkriegsordnung fort.
(2) Da den Mitgliedern des Rates und allen weiteren Angehörigen der Vereinigung bewusst war, dass der angestrebte Systemwechsel nicht auf friedlichem Weg zu erreichen war, wurde neben dem Rat ein militärischer Arm geschaffen. Der Mitbeschuldigte P., ein ehemaliger Kommandant eines Fallschirmjägerbataillons der Bundeswehr, führte das „Militär“. Weil er in dieser Funktion zugleich Mitglied des Rates war, bildete er das maßgebliche Bindeglied zwischen beiden Ebenen. Weitere Mitglieder des militärischen Arms waren unter anderem die Mitbeschuldigten Oberst a.D. E., der an der Gründung des Kommando Spezialkräfte der Bundeswehr (KSK) beteiligt gewesen war, und W., ein ehemaliger Kommandosoldat des KSK.
Zum Zwecke des Aufbaus von Militärverwaltungsstrukturen setzte der Mitbeschuldigte P. den „M Stab“ ein, der unter seiner Leitung alle Aktivitäten des „Militärs“ koordinierte. Dieser Führungsstab war damit befasst, neue Mitglieder insbesondere aus den Reihen des KSK und der Polizei zu rekrutieren, zudem damit, Waffen, Munition und Ausrüstungsgegenstände zu beschaffen, wobei mehrere Mitbeschuldigte und gesondert Verfolgte bereits über eigene Waffen verfügten. Ferner plante der Stab die zukünftige Unterbringung und Verpflegung der „neuen deutschen Armee“. Hierfür besuchten mehrere Mitbeschuldigte und gesondert Verfolgte unter Vorlage des Truppenausweises eines von ihnen Kasernen im Bundesgebiet. Auch organisierten Mitglieder des „Militärs“ zur Vorbereitung des geplanten Umsturzes Schießübungen und führten diese durch. Daneben arbeitete der militärische Zweig an der Schaffung einer eigenen, abhörsicheren Kommunikations- und IT-Struktur. Zu diesem Zweck wurde er in erheblichem Umfang von Mitgliedern des Rates finanziell unterstützt.
Parallel dazu begann der militärische Arm der Organisation, ein bundesweites System unter den „M Stab“ eingegliederter regionaler Heimatschutzkompanien aufzubauen. Dabei handelte es sich nach der Vorstellung der Beteiligten um militärisch organisierte, bewaffnete und kasernierte Verbände. Zu deren Aufgaben gehörte insbesondere die - als „Säuberungen“ oder „Aufräumarbeiten“ bezeichnete - unter Einsatz von Kriegs- und Schusswaffen ausgeführte Beseitigung der nach dem Angriff der „Allianz“ verbleibenden Institutionen und Repräsentanten des freiheitlich-demokratischen Rechtsstaats. Nach der „Befreiung“ sollten die Heimatschutzkompanien zur Absicherung der Macht der Organisation als Armee und Polizei fungieren. Beabsichtigt war, dass sie Kasernen, Waffen und sonstige Ausrüstung der Bundeswehr übernehmen, die ihrerseits aufgelöst werden sollte. Bis zum 7. Dezember 2022 gelang es der Vereinigung, einen Grundstock für eine Vielzahl von Heimatschutzkompanien zu legen; zwei solcher Untergruppen existierten bereits.
(3) Der engste Führungszirkel der Organisation plante zudem das gewaltsame Eindringen in das Reichstagsgebäude mit dem Ziel, Regierungsmitglieder und Abgeordnete festzunehmen sowie in Handschellen abzuführen. Alle in dieses Unternehmen Involvierten wussten, dass es nur durch Anwendung von auch tödlicher Waffengewalt gegen die Polizei und Sicherheitskräfte des Deutschen Bundestages durchgeführt werden konnte.
Die ursprünglich von den Mitbeschuldigten E. und W. entwickelten Planungen sahen die bewaffnete Erstürmung des Reichstagsgebäudes durch eine Gruppe von bis zu 16 Personen vor, vornehmlich aus den Reihen aktiver oder ehemaliger Angehöriger des KSK oder anderer Spezialeinheiten der Bundeswehr und Polizei. Hierfür traten sie bereits in konkrete Vorbereitungshandlungen ein. So nahmen sie Kontakt zu einigen Angehörigen des KSK auf. Der Mitbeschuldigte W. verschaffte sich mehrere hundert Schuss Munition, sechs Gewehrmagazine, Nachtsichtgeräte, Fesselungsmaterial, weitere Militärausrüstung und einen Totschläger. Die Beschuldigte führte ihn, den Mitbeschuldigten E. und einen weiteren Mitbeschuldigten im September 2022 durch das Reichstagsgebäude, zu dem sie als ehemalige Bundestagsabgeordnete noch ungehinderten Zugang hatte und in das sie jederzeit bis zu sechs Personen mit hineinnehmen konnte. Etwa drei Wochen später begab sie sich gemeinsam mit dem Mitbeschuldigten W. erneut ins Regierungsviertel. Dort fertigte er in ihrem Beisein unter anderem mehrere Videos vom Paul-Löbe-Haus und dessen unterirdischen Zugängen zu anderen Gebäuden des Regierungsviertels einschließlich des Reichstagsgebäudes sowie vom Inneren des Plenarsaals des Deutschen Bundestages. Später erläuterte sie ihm, dass die Regierungsmitglieder geschlossen auf der linken Seite des Rednerpults säßen. Überdies erstellte er eine Liste mit Namen zahlreicher Mitglieder der Bundesregierung und der Bayerischen Staatsregierung sowie von weiteren Politikern, Journalisten und Personen des öffentlichen Lebens.
Die Mitbeschuldigten E. und W. informierten im Oktober und November 2021 drei Mitbeschuldigte, darunter R. und P., über ihre Pläne zur bewaffneten Erstürmung des Reichstagsgebäudes. Die derart Eingeweihten machten sich das Vorhaben nicht nur zu eigen, sondern förderten es auch. So übergab der Mitbeschuldigte R. dem Mitbeschuldigten E. einen Betrag in Höhe von 50.000 €. Die Beschuldigte übersandte Übersichten über Sitzungswochen des Deutschen Bundestages für das Jahr 2022 und eine vorläufige Tagesordnung für eine Plenarwoche im September 2022 an andere Mitbeschuldigte.
(4) Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Haftbefehl des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs vom 5. Dezember 2022, die Antragsschrift des Generalbundesanwalts vom 28. November 2022 und dessen Zuschrift vom 31. Mai 2023 Bezug genommen.
bb) Der vorstehend geschilderte Sachverhalt unterliegt uneingeschränkt der Prüfung durch den Senat. Der vollzogene Haftbefehl des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs vom 5. Dezember 2022, der allein Gegenstand des Haftprüfungsverfahrens nach §§ 121, 122 StPO und zu dessen Anpassung oder Erweiterung nur das gemäß § 126 Abs. 1 oder 2 StPO zuständige Gericht befugt ist (s. BGH, Beschlüsse vom 21. April 2022 - AK 14/22, juris Rn. 3; vom 22. Juli 2020 - AK 17/20, juris Rn. 4), verhält sich zwar nicht zu dem Vorwurf, einige Mitglieder der Vereinigung hätten das gewaltsame Eindringen einer bewaffneten Gruppe in das Reichstagsgebäude geplant. Jedoch umfasst die haftbefehlsgegenständliche Tat im verfahrensrechtlichen Sinne auch dieses Geschehen. Denn prozessuale Tatidentität kann ohne Weiteres angenommen werden, wenn mehrere Taten zueinander materiellrechtlich im Verhältnis der Tateinheit nach § 52 Abs. 1 StGB stehen (st. Rspr.; s. etwa BGH, Beschlüsse vom 9. August 1983 - 5 StR 319/83, NStZ 1984, 135; vom 27. April 2010 - 3 StR 54/10, juris Rn. 8; vom 19. November 2020 - 2 StR 358/20, juris Rn. 9). So verhält es sich im vorliegenden Fall (vgl. die Ausführungen zur konkurrenzrechtlichen Bewertung unten 1. c) cc)). Soweit eine einheitliche prozessuale Tat gegeben ist, unterfällt sie jedenfalls regelmäßig - wie auch hier - der Kognition im Haftprüfungsverfahren (vgl. BGH, Beschlüsse vom 8. November 2017 - AK 54/17, NStZ-RR 2018, 42, 43 f.; vom 6. Dezember 2017 - AK 63/17, NStZ-RR 2018, 53, 54; offengelassen von BGH, Beschlüsse vom 21. April 2022 - AK 14/22, juris Rn. 4; vom 15. Dezember 2022 - AK 45/22 u.a., juris Rn. 4).
b) Der dringende Tatverdacht gründet sich im Wesentlichen auf Erkenntnisse des Bundeskriminalamts, der Landeskriminalämter Baden-Württemberg, Bayern, Berlin, Hessen, Rheinland-Pfalz und Sachsen, der Verfassungsschutzbehörden des Bundes und der Länder sowie des Bundesamtes für den Militärischen Abschirmdienst, die maßgeblich auf G 10-Maßnahmen - insbesondere Telefonüberwachung und Observation nach § 1 Abs. 1 Nr. 1, § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 Buchst. a, Abs. 2 G 10 i.V.m. § 129a Abs. 1 StGB - zurückzuführen sind. Die Ergebnisse dieser Maßnahmen sind für die Zwecke der Strafverfolgung freigegeben und gemäß § 4 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 G 10, § 161 Abs. 3 Satz 1 StPO in das Ermittlungsverfahren überführt worden. Die insoweit gewonnenen Erkenntnisse werden durch die weiteren Ermittlungen - insbesondere durch die Auswertung der im Rahmen der Durchsuchungen am 7. Dezember 2022 aufgefundenen Asservate und die Angaben der Beschuldigten, mehrerer Mitbeschuldigter sowie gesondert Verfolgter im Rahmen ihrer verantwortlichen Vernehmungen - gestützt. Im Einzelnen:
aa) Die Beschuldigte hat die ihr zur Last gelegten Beteiligungshandlungen in objektiver Hinsicht im Wesentlichen eingeräumt. Sie hat insbesondere bestätigt, Mitglied des Rates und dort für das Justizresort zuständig gewesen zu sein, Kontakte zu Mitbeschuldigten unterhalten, eine Verschwiegenheitsverpflichtung unterzeichnet, Rekrutierungsversuche unternommen und bei zwei Gelegenheiten mehrere Mitbeschuldigte durch das Reichstagsgebäude geführt zu haben, wobei diese Fotos und Videos gefertigt hätten. Sie hat jedoch die terroristische Zwecksetzung der Gruppierung bestritten; weder sei ein Umsturz noch ein gewaltsames Eindringen in das Reichstagsgebäude geplant gewesen.
bb) Die Beschuldigte wird jedoch mit hoher Wahrscheinlichkeit durch zahlreiche Beweismittel überführt werden. Ihre ideologische und verschwörungstheoretische Ausrichtung wird bestätigt durch zahlreiche mit Mitbeschuldigten gewechselte Chatnachrichten und bei ihr aufgefundene Schriftstücke. Dass die Gruppierung die bestehende staatliche Ordnung in Deutschland gewaltsam beseitigen und durch eine neue Staatsform ersetzen wollte, wird ebenfalls belegt durch sichergestellten Chatverkehr mit den Mitbeschuldigten R. und T. So schrieb der Mitbeschuldigte R. an die Beschuldigte im März 2022: „Die ganze Regierung ist in diese Korruption verwickelt … Damit wir in Frieden und Einklang miteinander leben können, müssen diese korrupten Gestalten ausgemerzt werden …“. Der Beschuldigte T. äußerte ihr gegenüber im Zusammenhang mit der Übersendung der Sitzungswochen des Deutschen Bundestages, es sei wichtig, die Pläne zu senden, damit „R“ (gemeint ist nach dem Zusammenhang der Mitbeschuldigte R.) „genau im Bild“ sei und „planen“ könne. Auf seine Ergänzung, „R“ habe betont, dass es bald „vorbei“ sei, antwortete die Beschuldigte: „Hoffentlich. Nicht nur ich warte sehnsüchtig“. Ihre Vorbereitungen für einen erwarteten Ausnahmezustand nach gewalttätigen Auseinandersetzungen werden durch bei ihr aufgefundene Waffen in Form eines Revolvers und einer halbautomatischen Selbstladebüchse mit Zielfernrohr sowie etwa 7.000 Patronen belegt. Die Auswertung bei ihr sichergestellter und offenbar selbst verfasster Unterlagen hat überdies ergeben, dass sie sich mit der Abschaffung und grundlegenden Neuorganisation von Justiz, Verwaltung, Parlamenten, Medien sowie Parteien befasste. Nach ihren Planungen sollte es in einer „Übergangsphase“ zu einer „Schließung der Gerichte“, „Schließungen der bisherigen (Regierungs-)Verwaltung (Bund, Länder, Gemeinden) und Legislativen“ sowie der „bisherigen (Mainstream-)Medien“, einem „Parteienverbot und Verbot parteinaher Stiftungen“, einer „Überprüfung (und etwaigen Entfernung) der Richter und sonstigen Mitarbeiter“ und der „Einrichtung besonderer Gerichtsbarkeit“ in Form von „Militär“ und weiterer „Sondergerichtsbarkeit“ kommen. Das Papier schließt mit der Frage: „Mitarbeit bei Sondergerichtsbarkeit in erster Phase?“.
Dass die Beschuldigte Kenntnis von einem bewaffneten Eindringen in das Reichstagsgebäude unter Führung der Mitbeschuldigten E. und W. hatte und in diesbezügliche Planungen eingebunden war, wird belegt durch sichergestellte mit Erstgenanntem ausgetauschte Chatnachrichten. Darin teilte sie ihm mit: „Die Fuehrungscrew sitzt uebrigens bei den BT-Sitzungen auf der Regierungsbank. Wenn man auf das Rednerpult schaut, auf der linken Seite. Da sitzen sie dann geschlossen. [sic!].“ Weiter wird sie belastet durch die beim Mitbeschuldigten W. aufgefundenen Fotos und Videos, die mit ihrer Einlassung zu den Führungen von Mitbeschuldigten durch das Regierungsviertel korrespondieren. Die Aufnahmen zeigen das Innere des Paul-Löbe-Hauses, dessen unterirdische Zugänge zu anderen Gebäuden des Regierungsviertels einschließlich des Reichstagsgebäudes sowie den Plenarsaal des Deutschen Bundestages. Die Auswertung des Mobiltelefons der Beschuldigten belegt darüber hinaus die von ihr an einige Mitstreiter weitergeleiteten Tagesordnungen und Übersichten zu Sitzungswochen des Deutschen Bundestages. Im Übrigen werden die Vorbereitungshandlungen für eine bewaffnete Erstürmung des Reichstagsgebäudes gestützt durch Erkenntnisse aus Observations- und Telekommunikationsüberwachungsmaßnahmen, die wiederum durch die geständigen Einlassungen des Mitbeschuldigten F. und der gesondert verfolgten S. und Ra. bestätigt werden.
cc) Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Haftbefehl des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs vom 5. Dezember 2022, die Antragsschrift des Generalbundesanwalts vom 28. November 2022 und dessen Zuschrift vom 31. Mai 2023 verwiesen.
c) In rechtlicher Hinsicht hat sich die Beschuldigte mit hoher Wahrscheinlichkeit wegen mitgliedschaftlicher Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung gemäß § 129a Abs. 1 Nr. 1 StGB und durch dieselbe Handlung (§ 52 Abs. 1 StGB) wegen Vorbereitung eines hochverräterischen Unternehmens gemäß § 83 Abs. 1 StGB strafbar gemacht.
aa) Sie ist der mitgliedschaftlichen Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung nach § 129a Abs. 1 Nr. 1 StGB dringend verdächtig.
(1) Bei der Gruppierung um die Beschuldigte, die Mitbeschuldigten und die gesondert Verfolgten handelte es sich hochwahrscheinlich um eine terroristische Vereinigung im Sinne der § 129 Abs. 2, § 129a Abs. 1 Nr. 1 StGB. Denn sie bestand aus mehr als zwei Personen, war auf längere Dauer angelegt, hatte eine organisatorische Struktur und verfolgte mit der Abschaffung der freiheitlich-demokratischen Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland sowie der Schaffung eines neuen deutschen Staatswesens ein übergeordnetes gemeinsames Interesse (s. BGH, Beschluss vom 30. März 2023 - StB 58/22, NStZ-RR 2023, 182, 183; vgl. auch BGH, Urteil vom 2. Juni 2021 - 3 StR 21/21, BGHSt 66, 137 Rn. 19 ff.; Beschlüsse vom 3. November 2022 - AK 40/22 u.a., juris Rn. 44; vom 3. Mai 2023 - AK 19/23, juris Rn. 31).
Dieses Ziel wollten die Mitglieder der Vereinigung nach dem gegenwärtigen Stand der Ermittlungen durch die Begehung von Katalogtaten im Sinne des § 129a Abs. 1 Nr. 1 StGB erreichen. Die Beschuldigte wusste und fand sich um des von ihr verfolgten Zieles willen damit ab, dass es sowohl bei der vermeintlichen Unterstützung eines Angriffs durch die „Allianz“ am „Tag X“ als auch bei der gewaltsamen Erstürmung des Reichstagsgebäudes zu vorsätzlichen Tötungen von Repräsentanten des Staates und Amtsträgern gemäß §§ 211, 212 StGB kommen werde.
Dem steht nicht entgegen, dass der konkrete Eintritt des „Tages X“ - anders als das geplante bewaffnete Eindringen in das Reichstagsgebäude - scheinbar noch ungewiss war, die Gruppierung nach der Vorstellung der ihr Angehörigen die Begehung von Katalogtaten durch den Einsatz ihres „Militärs“ von einem Eingreifen der „Allianz“ abhängig machte und insoweit mit dem Eintritt eines zukünftigen Ereignisses verknüpfte. Hierzu gilt:
Eine Vereinigung ist dann auf die Begehung von Straftaten gerichtet, wenn dies der verbindlich festgelegte Zweck ist, zu dessen Erreichung sich die Mitglieder verpflichtet haben. Die Organisation der Vereinigung muss auf den Zweck der gemeinschaftlichen Begehung von Straftaten hin konzipiert sein. Nur dann vermag die Betätigung der Vereinigung die ihre besondere Gefährlichkeit begründende Eigendynamik zu entfalten, die Grund für die durch §§ 129 ff. StGB bestimmte Vorverlagerung des Strafrechtsschutzes ist. Daraus folgt, dass der gemeinsame Wille zur Begehung von Straftaten fest gefasst sein muss und nicht nur vage oder insbesondere von dem Ergebnis weiterer Willensbildungsprozesse abhängig sein darf. Deshalb reicht es nicht aus, wenn sich die in der Vereinigung zusammengefassten Mitglieder bewusst sind, es könne bei der Verfolgung ihrer Pläne zu Straftaten kommen, sie diese mithin lediglich „ins Auge gefasst“ haben (vgl. BGH, Urteile vom 22. Januar 2015 - 3 StR 233/14, BGHSt 60, 166 Rn. 30; vom 21. Oktober 2004 - 3 StR 94/04, BGHSt 49, 268, 271 f.; MüKoStGB/Schäfer/Anstötz, 4. Aufl., § 129 Rn. 48; LK/Krauß, StGB, 13. Aufl., § 129 Rn. 64).
Die Angehörigen der Gruppierung hatten ihren Entschluss, die staatliche Ordnung der Bundesrepublik Deutschland unter Anwendung von Waffengewalt gegen Repräsentanten des Staates zu beseitigen und sie durch eine eigene Staatsstruktur zu ersetzen, nach dem derzeitigen Ermittlungsstand bereits fest gefasst. Dass der diesbezügliche Willensbildungsprozess innerhalb der Gruppe abgeschlossen war, zeigt sich in den vielfältigen Vorbereitungshandlungen der Beschuldigten, der Mitbeschuldigten und der gesondert Verfolgten für den gewaltsamen Umsturz. So erwarben einzelne Mitglieder nicht nur Munition, zahlreiche militärische Ausrüstungsgegenstände und Fesselungsmaterialien, sondern suchten darüber hinaus mehrere Waffengeschäfte zum Erwerb von Schusswaffen auf und führten Schießübungen durch. Daneben hatte die Gruppierung bereits zwei Heimatschutzkompanien errichtet und betrieb den Aufbau weiterer; ihnen sollten im Fall der Realisierung der Umsturzpläne militärische und polizeiliche Aufgaben zukommen. Für die Ausführung war gerade kein neuer Tatentschluss, sondern nur der Eintritt eines unmittelbar bevorstehenden, lediglich zeitlich noch nicht feststehenden Ereignisses erforderlich. Die Gruppierung behielt sich damit gerade nicht die Begehung von Straftaten für die Zukunft bloß vor. Dies gilt umso mehr, als allein die Angehörigen der Gruppierung die Deutungshoheit darüber hatten, welches tagesaktuelle Ereignis der „Allianz“ zuzurechnen und als deren Startsignal an die Vereinigung zu werten sein sollte, selbst aktiv zu werden und mit Gewalt gegen staatliche Stellen vorzugehen. Die Mitglieder der Vereinigung hatten mithin nur noch darüber zu entscheiden, wann die Umsturzpläne umgesetzt werden. Trotz des bei objektiver Betrachtung teilweise fernliegenden Gedankenguts war somit die spezifische Gefährlichkeit der Vereinigung gegeben (s. BGH, Beschluss vom 30. März 2023 - StB 58/22, NStZ-RR 2023, 182, 184).
(2) Die Beschuldigte gliederte sich nach dem aus dem Aktenmaterial ersichtlichen Erkenntnisstand spätestens ab April 2022 einvernehmlich in die Organisation ein. Sie trug mit ihrem Wirken im Rat und ihren Vorbereitungen zum bewaffneten Eindringen in das Reichstagsgebäude unmittelbar zur Durchsetzung der Ziele des Zusammenschlusses bei. Somit beteiligte sie sich hochwahrscheinlich als Mitglied an der Vereinigung (vgl. zu den Voraussetzungen der Mitgliedschaft einerseits und der Beteiligung andererseits BGH, Beschlüsse vom 18. Oktober 2022 - AK 33/22, juris Rn. 32 ff. mwN; vom 21. April 2022 - AK 18/22, juris Rn. 4 ff.; vom 21. April 2022 - AK 14/22, juris Rn. 27 ff.; vom 14. Juli 2021 - AK 37/21, juris Rn. 35, 37 mwN).
bb) Darüber hinaus ist die Beschuldigte der Vorbereitung eines hochverräterischen Unternehmens gemäß § 83 Abs. 1 StGB dringend verdächtig.
(1) Nach § 83 Abs. 1 StGB macht sich strafbar, wer ein bestimmtes hochverräterisches Unternehmen gegen den Bund vorbereitet. Ein solches Unternehmen ist eine Tat im Sinne des § 81 Abs. 1 StGB, wobei das Gesetz zwei Arten des mit Gewalt oder Drohung mit Gewalt unternommenen (§ 11 Abs. 1 Nr. 6 StGB) Hochverrats erfasst: zum einen die Beeinträchtigung des Bestandes der Bundesrepublik Deutschland (§ 92 Abs. 1 StGB) im Sinne der Aufhebung ihrer Freiheit von fremder Botmäßigkeit, der Beseitigung ihrer staatlichen Einheit oder der Abtrennung eines zu ihr gehörenden Gebietes (Bestandshochverrat), zum anderen die - hier relevante - Änderung der auf dem Grundgesetz beruhenden verfassungsmäßigen Ordnung (Verfassungshochverrat). Diese umfasst jedenfalls die vom Grundgesetz vorgegebene staatsrechtliche Organisation, also die Verfassungsorgane und Verfassungseinrichtungen in ihrer vom Grundgesetz geschaffenen Form, sowie die auf dem Grundgesetz beruhenden Regeln der politischen Willensbildung und Staatsführung (vgl. BGH, Urteile vom 2. August 1954 - StE 68/52 u.a., BGHSt 7, 222, 226 f.; vom 6. Mai 1954 - StE 207/52, BGHSt 6, 336, 338 f.; MüKoStGB/Hegmann/Stuppi, 4. Aufl., § 81 Rn. 17 ff.). Ihre Änderung beinhaltet sowohl normative als auch faktische Eingriffe, durch welche Verfassungsnormen oder auf ihnen basierende Verfassungseinrichtungen und staatliche Organisationsstrukturen beseitigt oder auf Dauer funktionsunfähig gemacht werden (vgl. BGH, Urteile vom 16. Juni 1954 - 6 StR 133/54, BGHSt 6, 352, 353; vom 6. Mai 1954 - StE 207/52, BGHSt 6, 336, 338 f.; Matt/Renzikowski/Becker, StGB, 2. Aufl., § 81 Rn. 3 f.). Der Gewaltbegriff des § 81 Abs. 1 StGB erstreckt sich nicht nur auf gegen Personen gerichtete körperliche Gewalt, sondern gegebenenfalls auch auf Beschädigungen oder Zerstörungen von Sachen, etwa Anschläge auf und Sabotageakte gegen Infrastruktureinrichtungen (vgl. insofern BGH, Urteile vom 23. November 1983 - 3 StR 256/83 (S), BGHSt 32, 165, 172; vom 4. Juni 1955 - StE 1/52, BGHSt 8, 102, 103 ff.; vom 6. Mai 1954 - StE 207/52, BGHSt 6, 336, 340; Matt/Renzikowski/Becker, StGB, 2. Aufl., § 81 Rn. 6 ff.; MüKoStGB/Hegmann/Stuppi, 4. Aufl., § 81 Rn. 7; Schönke/Schröder/ Sternberg-Lieben, StGB, 30. Aufl., § 81 Rn. 4, 10).
Die Aktivitäten der Beschuldigten, der Mitbeschuldigten und der gesondert Verfolgten zielten hochwahrscheinlich darauf ab, unter Einsatz von Waffengewalt gegen staatliche Repräsentanten und Amtsträger, sowohl bei der vermeintlichen Unterstützung eines Angriffs durch die „Allianz“ am „Tag X“ als auch bei der gewaltsamen Erstürmung des Reichstagsgebäudes, die bestehenden staatlichen Strukturen sowie die freiheitlich-demokratische Grundordnung der Bundesrepublik zu beseitigen und durch eine bereits in Grundzügen ausgearbeitete Staatsform zu ersetzen. Mithin sollte die grundgesetzliche Ordnung gewaltsam geändert und damit ein Verfassungshochverrat im Sinne des § 81 Abs. 1 Nr. 2 StGB begangen werden.
(2) Durch § 83 Abs. 1 StGB pönalisierte Vorbereitungshandlungen sind Aktivitäten im Vorfeld einer bereits von § 81 Abs. 1 StGB erfassten Versuchsstrafbarkeit, mit denen ein bestimmter späterer Hochverrat gefördert wird. Die Beschränkung der Strafbarkeit auf ein „bestimmtes“ hochverräterisches Unternehmen erfordert, dass Angriffsgegenstand und Angriffsziel feststehen und die hochverräterische Tat hinsichtlich der Art der Durchführung sowie Ort und Zeitpunkt ihrer Begehung bereits in ihren Grundzügen umrissen, damit konkretisiert ist (vgl. insofern BGH, Urteile vom 3. November 1954 - 6 StR 146/54, BGHSt 7, 11, 13 f.; vom 6. Mai 1954 - StE 207/52, BGHSt 6, 336, 340 f., 344; Fischer, StGB, 70. Aufl., § 83 Rn. 2; Lackner/Kühl/Heger, StGB, 30. Aufl., § 83 Rn. 2; MüKoStGB/Hegmann/Stuppi, 4. Aufl., § 83 Rn. 4; LK/Steinsiek, StGB, 13. Aufl., § 83 Rn. 3 ff.; Schönke/Schröder/Sternberg-Lieben, StGB, 30. Aufl., § 83 Rn. 2 ff.; SK-StGB/Zöller, 9. Aufl., § 83 Rn. 5 ff.). In zeitlicher Hinsicht ist erforderlich, dass der beabsichtigte Umsturz unmittelbar an die gegenwärtig gegebenen politischen Verhältnisse anknüpft und alsbald unter diesen durchgeführt werden soll oder eine für den geplanten Hochverrat als erforderlich erachtete vorherige Änderung dieser Verhältnisse nach Tätervorstellung unmittelbar bevorsteht (vgl. BGH, Urteil vom 3. November 1954 - 6 StR 146/54, BGHSt 7, 11, 13 f.; Matt/Renzikowski/Becker, StGB, 2. Aufl., § 83 Rn. 2; Schönke/Schröder/Sternberg-Lieben, StGB, 30. Aufl., § 83 Rn. 5; SK-StGB/Zöller, 9. Aufl., § 83 Rn. 8). Vorbereitungshandlungen sind alle das künftige Unternehmen objektiv fördernde Tätigkeiten. Zwar bedarf es zur Tatbestandsverwirklichung angesichts des außerordentlich hohen Ranges der geschützten Rechtsgüter keines Eintritts einer konkreten Gefahr für den Bestand der Bundesrepublik beziehungsweise die grundgesetzliche Verfassungsordnung (vgl. Matt/Renzikowski/Becker, StGB, 2. Aufl., § 83 Rn. 3; Fischer, StGB, 70. Aufl., § 83 Rn. 3; Lackner/Kühl/Heger, StGB, 30. Aufl., § 83 Rn. 3; LK/Steinsiek, StGB, 13. Aufl., § 83 Rn. 8 f.; MüKoStGB/Hegmann/Stuppi, 4. Aufl., § 83 Rn. 5; Schönke/Schröder/Sternberg-Lieben, StGB, 30. Aufl., § 83 Rn. 2, 8; SK-StGB/Zöller, 9. Aufl., § 83 Rn. 9 f.). Die Aktivitäten brauchen nicht in diesem Sinne erfolgsgeeignet zu sein; eine große Resilienz des Staates gegenüber Angriffen auf seine Integrität steht der Strafbarkeit von Vorbereitungshandlungen nicht entgegen. Nicht zuletzt im Hinblick auf die hohe Mindeststrafe von einem Jahr Freiheitsstrafe und die weite Vorverlagerung der Strafbarkeit reichen indes Aktivitäten ohne jedes Gefährdungspotential für die in Aussicht genommenen Angriffsobjekte zur Tatbestandserfüllung nicht (vgl. insofern BGH, Urteil vom 3. November 1954 - 6 StR 146/54, BGHSt 7, 11, 13; Matt/Renzikowski/Becker, StGB, 2. Aufl., § 83 Rn. 3; Fischer, StGB, 70. Aufl., § 83 Rn. 3; MüKoStGB/Hegmann/Stuppi, 4. Aufl., § 83 Rn. 5; LK/Steinsiek, StGB, 13. Aufl., § 83 Rn. 9; Schönke/Schröder/Sternberg-Lieben, StGB, 30. Aufl., § 83 Rn. 8; SK-StGB/Zöller, 9. Aufl., § 83 Rn. 10). Von § 83 Abs. 1 StGB werden daher Handlungen, die keine Gefährdung des designierten Angriffsgegenstandes bewirken, nicht erfasst. In subjektiver Hinsicht stellt § 83 StGB - anders als § 89a StGB (vgl. hierzu BGH, Beschluss vom 7. Februar 2023 - 3 StR 483/21, juris Rn. 34; Urteil vom 8. Mai 2014 - 3 StR 243/13, BGHSt 59, 218 Rn. 44 f.) und § 89c StGB (vgl. insofern MüKoStGB/Schäfer/Anstötz, 4. Aufl., § 89c Rn. 15) - keine besonderen Anforderungen; es genügt bedingter Vorsatz des Vorbereitungstäters dahin, dass er mit seinen Handlungen ein - von ihm oder Dritten - in Aussicht genommenes bestimmtes hochverräterisches Unternehmen fördert (vgl. Matt/Renzikowski/Becker, StGB, 2. Aufl., § 83 Rn. 4; Fischer, StGB, 70. Aufl., § 83 Rn. 6; LK/Steinsiek, StGB, 13. Aufl., § 83 Rn. 12; MüKoStGB/Hegmann/Stuppi, 4. Aufl., § 83 Rn. 8; Schönke/Schröder/Sternberg-Lieben, StGB, 30. Aufl., § 83 Rn. 9; SKStGB/Zöller, 9. Aufl., § 83 Rn. 11).
Hieran gemessen ist die Beschuldigte einer Vorbereitung im Sinne des § 83 Abs. 1 StGB dringend verdächtig. Ihre Aktivitäten - namentlich innerhalb des Rates und hinsichtlich des gewaltsamen Eindringens in das Reichstagsgebäude - bereiteten den von ihr beabsichtigten Hochverrat vor und wurden von ihr zu diesem Zweck entfaltet. Das hochverräterische Unternehmen war hinreichend konkretisiert, und zwar nicht nur in gegenständlicher und örtlicher, sondern auch in zeitlicher Hinsicht. Nach dem gegenwärtigen Erkenntnisstand handelte es sich bei den Plänen der Beschuldigten, der Mitbeschuldigten und der gesondert Verfolgten nicht um nur vage Ideen, sondern es ging um konkrete Ziele, die unter den gegebenen politischen Verhältnissen und in Kürze realisiert werden sollten. Der beabsichtigte Umsturz war nicht abhängig gemacht worden von zukünftigen Entwicklungen, die außerhalb des Einflussbereichs der Beschuldigten und ihrer Mitstreiter lagen. Auch in diesem Zusammenhang ist maßgebend, dass sie ihren Entschluss, die staatliche Ordnung der Bundesrepublik Deutschland unter Anwendung von Waffengewalt gegen Repräsentanten des Staates zu beseitigen und sie durch eine eigene Staatsstruktur zu ersetzen, bereits gefasst hatten. Wie dargelegt (s. oben 1. c) aa) (1)), hatten sie nur noch auf der Grundlage eigener Deutungen und Wertungen darüber zu entscheiden, wann die Umsturzpläne umgesetzt werden.
Trotz des teilweise fernliegenden gedanklichen Fundaments wiesen die Handlungen, von denen im Sinne eines dringenden Tatverdachts auszugehen ist, den zur Tatbestandserfüllung erforderlichen spezifischen Gefährlichkeitsgrad auf. Denn zum Zeitpunkt der Zerschlagung der Vereinigung im Dezember 2022 waren bereits nicht unerhebliche Finanzmittel zusammengetragen, Satellitentelefone, Munition und weitere Militärausrüstung beschafft, Schießübungen durchgeführt und mehrere Heimatschutzkompanien aufgebaut worden; zudem verfügten einige Mitglieder bereits über eigene Waffen nebst Munition. Daneben war die bewaffnete Erstürmung des Reichstagsgebäudes nicht nur geplant, sondern einige Mitglieder der Vereinigung waren diesbezüglich schon in konkrete Vorbereitungshandlungen eingetreten.
cc) Die mitgliedschaftliche Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung gemäß § 129a Abs. 1 StGB steht in Tateinheit mit der Vorbereitung eines hochverräterischen Unternehmens nach § 83 Abs. 1 StGB (vgl. MüKoStGB/Hegmann/Stuppi, 4. Aufl., § 83 Rn. 12; LK/Steinsiek, StGB, 13. Aufl., § 83 Rn. 19; Schönke/Schröder/Sternberg-Lieben, StGB, 30. Aufl., § 83 Rn. 13; NK-StGB/Paeffgen/Klesczewski, 6. Aufl., § 83 Rn. 25; Fischer, StGB, 70. Aufl., § 83 Rn. 7). Da sich die mutmaßlichen Betätigungen der Beschuldigten für die Organisation in der als eine Tat im materiellrechtlichen Sinne zu bewertenden Vorbereitung eines hochverräterischen Unternehmens erschöpften, liegt nur eine - hiermit idealkonkurrierende - mitgliedschaftliche Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung vor (vgl. BGH, Beschluss vom 9. Juli 2015 - 3 StR 537/14, BGHSt 60, 308 Rn. 24). Die Tätigkeit der Vereinigung diente von Anfang an dem beabsichtigten gewaltsamen Umsturz der staatlichen Ordnung, damit dem hochverräterischen Unternehmen. Weitere Beteiligungsakte, die nicht zugleich nach § 83 Abs. 1 StGB strafbar sind und damit - als verbleibende, kein anderes Strafgesetz verletzende tatbestandliche Handlungseinheit - geeignet wären, eine zusätzliche isolierte Strafbarkeit nach § 129a Abs. 1 Nr. 1 StGB zu begründen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 9. Juli 2015 - 3 StR 537/14, aaO, Rn. 38 f.; vom 20. Dezember 2016 - 3 StR 355/16, BGHR StGB § 129a Konkurrenzen 6 Rn. 5), sind nicht ersichtlich (vgl. BGH, Beschluss vom 28. Juni 2022 - 3 StR 403/20, juris Rn. 29; ferner BGH, Beschluss vom 7. August 2018 - 3 StR 74/18, juris Rn. 3).
2. Es bestehen der Haftgrund der Fluchtgefahr gemäß § 112 Abs. 2 Nr. 2 StPO sowie - auch bei der gebotenen restriktiven Auslegung des § 112 Abs. 3 StPO (s. BGH, Beschluss vom 24. Januar 2019 - AK 57/18, juris Rn. 30 ff.) - derjenige der Schwerkriminalität.
a) Nach Würdigung der Umstände des Einzelfalls ist es wahrscheinlicher, dass sich die Beschuldigte, sollte sie auf freien Fuß gelangen, dem Strafverfahren entziehen, als dass sie sich ihm zur Verfügung halten werde. Sie hat im Falle ihrer Verurteilung angesichts der Schwere des Tatvorwurfs und des Gewichts ihrer mutmaßlichen Tatbeiträge selbst unter Berücksichtigung ihrer bisherigen Straflosigkeit mit einer erheblichen Freiheitsstrafe zu rechnen. Dem hieraus resultierenden großen Fluchtanreiz stehen keine hinreichenden fluchthindernden Umstände entgegen. Zudem ist ein Telefonat aufgezeichnet worden, in dem sie mit der Mitbeschuldigten Rit. bereits mögliche Rückzugsorte erörterte. Überdies lehnt sie nach den bislang gewonnenen Erkenntnissen die gegenwärtige Staatsund Verfassungsordnung der Bundesrepublik ab und verneint die Legitimität ihrer Staatsorgane zu hoheitlichem Handeln. Die Ermittlungen haben gezeigt, dass sie wie zahlreiche Mitbeschuldigte und gesondert Verfolgte in der Szene derer, die - als sogenannte Reichsbürger, Querdenker, Verschwörungstheoretiker oder Anhänger nationalsozialistischen Gedankengutes - die staatliche Verfasstheit der Bundesrepublik und deren freiheitliche-demokratische Grundordnung ablehnen und ihre Überwindung erstreben, eng eingebunden und vernetzt ist. Sie kann mithin mit hoher Wahrscheinlichkeit auf ein Netzwerk von Sympathisanten und Gleichgesinnten zurückgreifen, die sie im Falle einer Flucht beziehungsweise eines Untertauchens logistisch und finanziell unterstützen würden (vgl. zum für die Annahme der Fluchtgefahr maßgebenden Verdachtsgrad BGH, Beschluss vom 2. November 2016 - StB 35/16, juris Rn. 11).
b) Daneben besteht der Haftgrund der Schwerkriminalität. Die Beschuldigte ist der mitgliedschaftlichen Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung, mithin einer Katalogtat des § 112 Abs. 3 StPO, dringend verdächtig. Nach den vorgenannten Umständen des Einzelfalls ist eine Fluchtgefahr jedenfalls nicht ausgeschlossen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 15. Dezember 1965 - 1 BvR 513/65, BVerfGE 19, 342, 349 ff.; s. auch BGH, Beschlüsse vom 24. Januar 2019 - AK 57/18, juris Rn. 30 ff.; vom 9. Juni 2020 - AK 12/20, juris Rn. 37; vom 20. April 2022 - StB 15/22, juris Rn. 11 f.).
c) Dieser Fluchtgefahr kann durch andere fluchthemmende Anordnungen, beispielsweise einer Kautionszahlung, nicht genügend begegnet werden, weshalb der Zweck der Untersuchungshaft nicht auf der Grundlage weniger einschneidender Maßnahmen im Sinne von § 116 StPO erreicht werden kann.
3. Die Strafgerichtsbarkeit des Bundes und damit die Zuständigkeit des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs für den Erlass des Haftbefehls ergibt sich aus § 169 Abs. 1 StPO, § 120 Abs. 1 Nr. 2 und 6, § 142 Abs. 1 Nr. 1, § 142a Abs. 1 Satz 1 GVG.
4. Die Voraussetzungen für die Fortdauer der Untersuchungshaft über sechs Monate hinaus (§ 121 Abs. 1 StPO) sind gegeben. Die besondere Schwierigkeit und der besondere Umfang der Ermittlungen haben ein Urteil noch nicht zugelassen und rechtfertigen die Haftfortdauer. Das Ermittlungsverfahren ist nach der Festnahme der Beschuldigten am 7. Dezember 2022 mit der in Haftsachen gebotenen besonderen Beschleunigung geführt worden. Die Ermittlungen in dem vorliegenden Komplex, zwei gegen 63 Beschuldigte und gesondert Verfolgte betriebenen Verfahren, waren und sind sehr umfangreich; dies spiegelt sich unter anderem im Aktenbestand wider, der derzeit mehr als 200.000 Blatt Papier umfasst. Im Kontext der Verhaftungen der Beschuldigten sowie von mehr als 20 Mitbeschuldigten und gesondert Verfolgten ist es zu zahlreichen Durchsuchungen in mehreren Bundesländern gekommen. Dabei sind über 5.000 Asservate, darunter gut 1.800 Speichermedien, sichergestellt worden. Die diesbezügliche Datenmenge beträgt mindestens 265 Terabyte. Deren Durchsicht, Auslesung und Auswertung gestalten sich besonders zeit- und arbeitsintensiv. Daneben sind etwa 1.300 Waffen oder Waffenteile aufgefunden worden, die zum Zweck der waffenrechtlichen Beurteilung kategorisiert worden sind und von denen 239 ergänzend begutachtet werden. Zudem wird eine Vielzahl weiterer sichergestellter Dokumente und Fotos kriminaltechnisch untersucht.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Zuschrift des Generalbundesanwalts vom 31. Mai 2023 Bezug genommen.
5. Schließlich steht die Untersuchungshaft nach Abwägung zwischen dem Freiheitsgrundrecht der Beschuldigten einerseits sowie dem Strafverfolgungsinteresse der Allgemeinheit andererseits derzeit nicht zu der Bedeutung der Sache und der zu erwartenden Strafe außer Verhältnis (§ 120 Abs. 1 Satz 1 StPO).
HRRS-Nummer: HRRS 2023 Nr. 923
Bearbeiter: Fabian Afshar