HRRS-Nummer: HRRS 2024 Nr. 833
Bearbeiter: Julia Heß/Karsten Gaede
Zitiervorschlag: BGH, 2 StR 524/23, Beschluss v. 07.05.2024, HRRS 2024 Nr. 833
1. Dem Angeklagten wird nach Versäumung der Frist zur Begründung der Revision gegen das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 19. Mai 2023 auf seinen Antrag und seine Kosten Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand gewährt. Damit ist der Beschluss des Landgerichts Frankfurt am Main vom 25. Oktober 2023, durch den die Revision des Angeklagten als unzulässig verworfen worden ist, gegenstandslos.
2. Auf die Revision des Angeklagten wird das vorgenannte Urteil, soweit es ihn betrifft, im Strafausspruch aufgehoben. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die weitergehende Revision wird verworfen.
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen „Beihilfe zum Diebstahl, tateinheitlich begangen mit Beihilfe zum Herbeiführen einer Sprengstoffexplosion und tateinheitlich begangen mit Beihilfe zur Sachbeschädigung“ unter Einbeziehung „der mit Strafbefehl des Amtsgerichts Erkelenz vom 20.05.2022 […] verhängten Einzelstrafe - nach Auflösung der dort gebildeten Gesamtstrafe - zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei (2) Jahren und neun (9) Monaten verurteilt“, die in den Niederlanden erlittene Freiheitsentziehung dergestalt auf die verhängte Strafe angerechnet, dass einem Tag erlittener Freiheitsentziehung in den Niederlanden ein Tag Strafhaft entspricht und die Einziehung des Wertes von Taterträgen angeordnet. Die hiergegen gerichtete Revision des Angeklagten führt - nach Gewährung von Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Begründung der Revision ? zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung im Strafausspruch. Im Übrigen ist das Rechtsmittel offensichtlich unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).
Dem Angeklagten war - wie der Generalbundesanwalt in seiner Zuschrift zutreffend ausgeführt hat - Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Begründung der Revision zu gewähren. Damit ist der Beschluss des Landgerichts, mit dem dieses die Revision als unzulässig verworfen hatte, gegenstandslos.
Das Rechtsmittel des Angeklagten ist teilweise begründet.
1. Die Überprüfung des Schuldspruchs, der Anrechnungs- sowie der Einziehungsentscheidung hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.
2. Hingegen hält der Strafausspruch rechtlicher Prüfung nicht stand. Die Strafkammer hat bei der Zumessung der Einzelstrafe die ständige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Prüfungsreihenfolge bei minder schweren Fällen nicht beachtet. Danach gilt:
a) In den Fällen, in denen das Gesetz - wie hier - bei einer Straftat einen minder schweren Fall vorsieht und ein oder mehrere gesetzliche Milderungsgründe nach § 49 Abs. 1 StGB gegeben sind, ist bei der Strafrahmenwahl vorrangig zu prüfen, ob ein minder schwerer Fall vorliegt. Ist nach einer Abwägung aller allgemeinen Strafzumessungsumstände das Vorliegen eines minder schweren Falles abzulehnen, sind bei der weitergehenden Prüfung, ob der mildere Sonderstrafrahmen zur Anwendung kommt, schrittweise zusätzlich die gesetzlich vertypten Strafmilderungsgründe heranzuziehen. Erst wenn das Tatgericht danach weiterhin keinen minder schweren Fall für gerechtfertigt hält, darf es seiner konkreten Strafzumessung den (allein) wegen der gegebenen gesetzlich vertypten Milderungsgründe gemilderten Regelstrafrahmen zugrunde legen (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschlüsse vom 12. März 2019 - 2 StR 17/19, juris Rn. 3; vom 14. September 2021 - 2 StR 284/21, juris Rn. 5; vom 13. September 2022 - 2 StR 236/22, juris Rn. 5, jew. mwN).
b) Diesen Anforderungen wird das angegriffene Urteil nicht gerecht. Es lässt nicht erkennen, dass die Strafkammer bei der Prüfung eines minder schweren Falles die vertypten Strafmilderungsgründe der Beihilfe und der Aufklärungshilfe schrittweise in die Gesamtabwägung eingestellt hat. Der Senat kann nicht ausschließen, dass die Strafkammer, die - nach doppelter Milderung des Regelstrafrahmens des § 308 Abs. 1 StGB - ihrer Strafzumessung eine Strafrahmenobergrenze von acht Jahren und fünf Monaten zugrunde gelegt hat, unter Berücksichtigung einer oder beider vertypten Strafmilderungsgründe zur Annahme eines minder schweren Falles und dadurch zu einer für den Angeklagten günstigeren Strafobergrenze gelangt wäre und auf eine mildere Strafe erkannt hätte.
3. Der Rechtsfehler führt zur Aufhebung der Einzelstrafe von zwei Jahren und acht Monaten. Bereits dies entzieht der Gesamtfreiheitsstrafe die Grundlage.
4. Im Umfang der Aufhebung bedarf die Sache neuer Verhandlung und Entscheidung. Die Feststellungen sind von dem Rechtsfehler nicht betroffen und haben Bestand (§ 353 Abs. 2 StPO). Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat darauf hin, dass auch die Gesamtfreiheitsstrafe, wie der Generalbundesanwalt in seiner Zuschrift zutreffend ausgeführt hat, in mehrfacher Hinsicht rechtlicher Prüfung nicht standhält.
HRRS-Nummer: HRRS 2024 Nr. 833
Bearbeiter: Julia Heß/Karsten Gaede