HRRS-Nummer: HRRS 2022 Nr. 1223
Bearbeiter: Fabian Afshar/Karsten Gaede
Zitiervorschlag: BGH, AK 41/22, Beschluss v. 03.11.2022, HRRS 2022 Nr. 1223
Die Untersuchungshaft hat fortzudauern.
Eine etwa erforderliche weitere Haftprüfung durch den Bundesgerichtshof findet in drei Monaten statt.
Bis zu diesem Zeitpunkt wird die Haftprüfung dem nach allgemeinen Grundsätzen zuständigen Gericht übertragen.
1. Die Beschuldigten sind am 13. April 2022 vorläufig festgenommen worden und befinden sich seit dem Folgetag ununterbrochen in Untersuchungshaft, zunächst aufgrund von Haftbefehlen des Amtsgerichts Koblenz vom 14. April 2022 und nunmehr aufgrund von Haftbefehlen des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs vom 23. Mai 2022 (3 BGs 384/22 [B. ]), vom 24. Mai 2022 (3 BGs 383/22 [O. ]), vom 1. Juni 2022 (3 BGs 397/22 [H. ]) sowie vom 2. Juni 2022 (3 BGs 411/22 [K. ]). Die Haftbefehle gegen die Beschuldigten B. und H. hat der Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs im Anschluss an mündliche Haftprüfungstermine durch Beschlüsse vom 5. September 2022 (3 BGs 651/22 [B. ]) und vom 5. August 2022 (3 BGs 619/22 [H. ]) aufrechterhalten und zugleich in rechtlicher Hinsicht erweitert.
2. Gegenstand der aktuellen Haftbefehle sind folgende Vorwürfe:
a) Dem Beschuldigten O. legt der Haftbefehl vom 24. Mai 2022 zur Last, er habe spätestens seit Mitte Januar 2022 in N., M. und anderenorts in zwei tatmehrheitlichen Fällen als Rädelsführer eine Vereinigung gemäß § 129 Abs. 2 StGB, deren Zwecke oder deren Tätigkeit darauf gerichtet gewesen seien, Mord (§ 211 StGB), Totschlag (§ 212 StGB), Straftaten gegen die persönliche Freiheit in den Fällen des § 239a oder des § 239b StGB oder gemeingefährliche Straftaten gemäß § 316b Abs. 1 oder 3 StGB, die bestimmt gewesen seien, die Bevölkerung auf erhebliche Weise einzuschüchtern oder die politischen, verfassungsrechtlichen, wirtschaftlichen oder sozialen Grundstrukturen eines Staates zu beseitigen oder erheblich zu beeinträchtigen, und die durch die Art ihrer Begehung oder die Auswirkungen einen Staat erheblich hätten schädigen können, zu begehen, gegründet beziehungsweise sich als Mitglied an dieser Vereinigung beteiligt und dabei in einem Fall durch dieselbe Handlung a) eine schwere staatsgefährdende Gewalttat, die nach den Umständen bestimmt und geeignet gewesen sei, den Bestand oder die Sicherheit eines Staates zu beeinträchtigen oder Verfassungsgrundsätze der Bundesrepublik Deutschland zu beseitigen, außer Geltung zu setzen oder zu untergraben, vorbereitet, indem er sich Waffen verschafft habe, b) die tatsächliche Gewalt über Kriegswaffen ohne Genehmigung nach § 2 Abs. 2 KrWaffKG von einem anderen erworben sowie c) ohne Erlaubnis nach § 2 Abs. 2 WaffG in Verbindung mit Anlage 2 Abschnitt 2 Unterabschnitt 1 Satz 1 WaffG halbautomatische Kurzwaffen zum Verschießen von Patronenmunition nach Anlage 1 Abschnitt 1 Unterabschnitt 3 Nr. 1.1. WaffG erworben. Der aktuelle Haftbefehl geht insofern von einer mutmaßlichen Strafbarkeit des Beschuldigten O. gemäß § 89a Abs. 1 und 2 Nr. 2, § 129a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Nr. 2, Abs. 4 StGB, § 22a Abs. 1 Nr. 2 KrWaffKG, § 52 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b WaffG, §§ 52, 53 StGB aus.
b) Dem Beschuldigten B. wird mit dem Haftbefehl vom 23. Mai 2022 vorgeworfen, er habe spätestens seit Mitte Januar 2022 in F., M. und anderenorts in zwei tatmehrheitlichen Fällen als Rädelsführer eine Vereinigung gemäß § 129 Abs. 2 StGB, deren Zwecke oder deren Tätigkeit darauf gerichtet gewesen seien, Mord (§ 211 StGB), Totschlag (§ 212 StGB), Straftaten gegen die persönliche Freiheit in den Fällen des § 239a oder des § 239b StGB oder gemeingefährliche Straftaten gemäß § 316b Abs. 1 oder 3 StGB, die bestimmt gewesen seien, die Bevölkerung auf erhebliche Weise einzuschüchtern oder die politischen, verfassungsrechtlichen, wirtschaftlichen oder sozialen Grundstrukturen eines Staates zu beseitigen oder erheblich zu beeinträchtigen, und die durch die Art ihrer Begehung oder die Auswirkungen einen Staat erheblich hätten schädigen können, zu begehen, gegründet beziehungsweise sich als Mitglied an dieser Vereinigung beteiligt und dabei in einem Fall durch dieselbe Handlung a) Vermögenswerte zur Verfügung gestellt mit dem Wissen oder in der Absicht, dass diese von einer anderen Person oder ihm selbst zur Begehung eines Mordes (§ 211 StGB), eines Totschlags (§ 212 StGB), eines erpresserischen Menschenraubes (§ 239a StGB), einer Geiselnahme (§ 239b StGB), von gemeingefährlichen Straftaten gemäß § 316b Abs. 1 oder 3 StGB oder von Straftaten nach § 22a Abs. 1 bis 3 des Gesetzes über die Kontrolle von Kriegswaffen hätten verwendet werden sollen und die dazu bestimmt gewesen seien, die Bevölkerung auf erhebliche Weise einzuschüchtern oder die politischen, verfassungsrechtlichen, wirtschaftlichen oder sozialen Grundstrukturen eines Staates zu beseitigen oder erheblich zu beeinträchtigen, und die durch die Art ihrer Begehung oder ihre Auswirkungen einen Staat erheblich hätten schädigen können, b) vorsätzlich einem anderen Hilfe geleistet, die tatsächliche Gewalt über Kriegswaffen ohne Genehmigung nach § 2 Abs. 2 KrWaffKG von einem anderen zu erwerben, sowie c) vorsätzlich einem anderen Hilfe geleistet, ohne Erlaubnis nach § 2 Abs. 2 WaffG in Verbindung mit Anlage 2 Abschnitt 2 Unterabschnitt 1 Satz 1 WaffG halbautomatische Kurzwaffen zum Verschießen von Patronenmunition nach Anlage 1 Abschnitt 1 Unterabschnitt 3 Nr. 1.1. WaffG zu erwerben. Der Haftbefehl vom 23. Mai 2022 geht insofern von einer mutmaßlichen Strafbarkeit des Beschuldigten B. gemäß § 89c Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 3 und 5, Abs. 2, § 129a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Nr. 2, Abs. 4 StGB, § 22a Abs. 1 Nr. 2 KrWaffKG, § 52 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b WaffG, § 27 Abs. 1, §§ 52, 53 StGB aus.
Mit Beschluss des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs vom 5. September 2022 (3 BGs 651/22) ist der Haftbefehl gegen den Beschuldigten B. in rechtlicher Hinsicht um den Vorwurf einer hinsichtlich beider Taten jeweils tateinheitlich hinzutretenden Strafbarkeit wegen Vorbereitung eines hochverräterischen Unternehmens gemäß § 83 Abs. 1 StGB erweitert worden.
c) Gegenstand des Haftbefehls gegen den Beschuldigten H. vom 1. Juni 2022 ist der Vorwurf, er habe sich spätestens seit Mitte Januar 2022 in Z. und anderenorts als Rädelsführer an einer Vereinigung gemäß § 129 Abs. 2 StGB beteiligt, deren Zwecke oder deren Tätigkeit darauf gerichtet gewesen seien, Mord (§ 211 StGB), Totschlag (§ 212 StGB), Straftaten gegen die persönliche Freiheit in den Fällen des § 239a oder des § 239b StGB oder gemeingefährliche Straftaten gemäß § 316b Abs. 1 oder 3 StGB, die bestimmt gewesen seien, die Bevölkerung auf erhebliche Weise einzuschüchtern oder die politischen, verfassungsrechtlichen, wirtschaftlichen oder sozialen Grundstrukturen eines Staates zu beseitigen oder erheblich zu beeinträchtigen, und die durch die Art ihrer Begehung oder die Auswirkungen einen Staat erheblich hätten schädigen können, zu begehen. Der aktuelle Haftbefehl geht insofern von einer mutmaßlichen Strafbarkeit des Beschuldigten H. gemäß § 129a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Nr. 2, Abs. 4 StGB aus.
Mit Beschluss vom 5. August 2022 (3 BGs 619/22) hat der Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs den Haftbefehl gegen den Beschuldigten H. in rechtlicher Hinsicht um den Vorwurf einer tateinheitlich hinzutretenden Strafbarkeit wegen Vorbereitung eines hochverräterischen Unternehmens gemäß § 83 Abs. 1 StGB erweitert.
d) Dem Beschuldigten K. wird mit dem Haftbefehl vom 2. Juni 2022 der Vorwurf gemacht, er habe sich spätestens seit Mitte Januar 2022 in Br., M. und anderenorts in zwei tatmehrheitlichen Fällen als Mitglied an einer Vereinigung gemäß § 129 Abs. 2 StGB beteiligt, deren Zwecke oder deren Tätigkeit darauf gerichtet gewesen seien, Mord (§ 211 StGB), Totschlag (§ 212 StGB), Straftaten gegen die persönliche Freiheit in den Fällen des § 239a oder des § 239b StGB oder gemeingefährliche Straftaten gemäß § 316b Abs. 1 oder 3 StGB, die bestimmt gewesen seien, die Bevölkerung auf erhebliche Weise einzuschüchtern oder die politischen, verfassungsrechtlichen, wirtschaftlichen oder sozialen Grundstrukturen eines Staates zu beseitigen oder erheblich zu beeinträchtigen, und die durch die Art ihrer Begehung oder die Auswirkungen einen Staat erheblich hätten schädigen können, zu begehen, und dabei in einem Fall durch dieselbe Handlung a) eine schwere staatsgefährdende Gewalttat, die nach den Umständen bestimmt und geeignet gewesen sei, den Bestand oder die Sicherheit eines Staates zu beeinträchtigen oder Verfassungsgrundsätze der Bundesrepublik Deutschland zu beseitigen, außer Geltung zu setzen oder zu untergraben, vorbereitet, indem er Waffen verwahrt habe, b) entgegen § 2 Abs. 3 WaffG in Verbindung mit Anlage 2 Abschnitt 1 Nr. 1.1 eine halbautomatische Langwaffe besessen sowie c) in drei tateinheitlichen Fällen ohne Erlaubnis nach § 2 Abs. 3 WaffG in Verbindung mit Anlage 2 Abschnitt 2 Unterabschnitt 1 Satz 1 WaffG eine Schusswaffe besessen. Der aktuelle Haftbefehl geht insofern von einer mutmaßlichen Strafbarkeit des Beschuldigten K. gemäß § 89a Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2, § 129a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Nr. 2 StGB, § 52 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 Nr. 2 WaffG, §§ 52, 53 StGB aus.
Die Voraussetzungen für die Fortdauer der Untersuchungshaft über sechs Monate hinaus liegen vor.
1. Die Beschuldigten sind der ihnen mit den Haftbefehlen des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs zur Last gelegten Taten dringend verdächtig.
a) Nach dem gegenwärtigen Ermittlungsstand ist im Sinne eines dringenden Tatverdachts von folgendem Sachverhalt auszugehen:
aa) Die vier Beschuldigten lehnen die staatliche Verfasstheit der Bundesrepublik Deutschland und deren freiheitlich-demokratische Grundordnung ab. Sie erstreben eine Überwindung der gegenwärtigen Verfassungsordnung Deutschlands sowie die Errichtung eines neu organisierten deutschen Staates auf der Basis einer anderen Verfassung und ausgehend vom „Willen des Volkes“.
Mit dieser politisch-ideologischen Grundhaltung beteiligten sie sich spätestens seit dem Herbst 2021 an verschiedenen Telegram-Chatgruppen im Internet, in denen Personen aus den Szenen der sogenannten „Reichsbürger“ und „Querdenker“, Anhänger nationalsozialistischen Gedankengutes, Verschwörungstheoretiker, sogenannten „Prepper“ und Kritiker der staatlichen Corona-Politik sich über die ihnen gemeinsame Ablehnung des auf der Ordnung des Grundgesetzes beruhenden deutschen Staates austauschten und Überlegungen zur Schaffung eines neuen deutschen Staatswesens anstellten. So kamen die vier Beschuldigten und weitere Gleichgesinnte miteinander in - zunächst virtuellen - Kontakt, der schließlich in gemeinsame persönliche Treffen mündete.
Ende 2021 oder Anfang 2022, spätestens aber Mitte Januar 2022, schlossen sich die Beschuldigten O., B., H. und K. sowie zumindest die Gleichgesinnten W. und R. zu einer Gruppierung zusammen, um fortan nicht nur über die angenommene Notwendigkeit eines staatlichen Umsturzes zu sinnieren, sondern gemeinsam und konzertiert das übergeordnete Ziel zu verfolgen und letztlich zu realisieren, die freiheitlich-demokratische Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland im Rahmen eines revolutionären Geschehens zu beseitigen und die Staatsstrukturen Deutschlands durch eine andere Regierung auf der Basis einer neuen Verfassung abzulösen. Hierzu waren sie fest entschlossen. Der unter anderem von den Beschuldigten O. und B. gegründeten Vereinigung schlossen sich die Beschuldigten H. und K. an. Die Führung der Vereinigung oblag den Beschuldigten O., B. und H.; bestimmenden Einfluss hatte daneben die Mitwirkende R. .
Die Vereinigung verstand sich als aus zwei ebenbürtigen Teilen bestehend: Es gab einerseits einen „militärischen Zweig“, der den operativen Part des staatlichen Umsturzes übernehmen sollte, und andererseits einen „administrativen Arm“, dem die staatstheoretische Fundierung des zu gründenden neuen staatlichen Gemeinwesens, die Vorbereitung und Schaffung einer neuen Verfassung sowie die Errichtung einer neuen Regierung zu Aufgaben gemacht wurde. Zum „militärischen Zweig“ gehörten die Beschuldigten O., B. und K. Teil des „administrativen Arms“ waren der Beschuldigte H. sowie W., der bis zur Verhaftung der vier Beschuldigten namentlich als Finanzier der Gruppierung in Erscheinung trat, und R. .
bb) Nach der Vorstellung der Beschuldigten und ihrer Mitstreiter sollte der staatliche Umsturz wie folgt bewerkstelligt werden:
Zunächst wollten sich die Angehörigen der Gruppierung im Vorfeld des auszulösenden revolutionären Geschehens einer Anerkennung des neu zu schaffenden staatlichen deutschen Gemeinwesens durch einen gewichtigen ausländischen Staat versichern. Dem lag die Überlegung zu Grunde, ein neuer Staat bedürfe, um langfristig existieren zu können, einer Anerkennung durch das Ausland. Die Beschuldigten und ihre Mitstreiter nahmen an, Frankreich, Großbritannien und die USA hätten als „westliche Alliierte“ und „Besatzungsmächte Deutschlands“ kein Interesse an der erstrebten Anerkennung. Die Wahl fiel daher auf Russland, zumal - so die Vorstellung - die Russische Föderation nach der deutschen Vereinigung durch das nicht gehaltene Versprechen des Unterlassens einer NATO-Osterweiterung enttäuscht worden sei und daher Interesse an einer neuen deutschen Staatlichkeit habe. Es wurde der grobe Plan entwickelt, mit etwa fünf Emissären per Schiff über die Ostsee in die russische Exklave Kaliningrad zu fahren, sich in den dortigen Küstengewässern von der russischen Marine aufbringen zu lassen und sodann den Wunsch nach einem Gespräch mit dem Präsidenten Putin zu artikulieren. Es bestand die Hoffnung, dann in den Kreml gebracht zu werden und bei Putin vorsprechen zu können. Sobald dieser eine Anerkennung der neuen deutschen Regierung zugesagt habe, aber auch erst dann, sollte noch vor einer Rückkehr der Emissäre der Umsturz auf bundesdeutschem Boden in Angriff genommen werden. Konkrete Schritte zur Umsetzung des Planes der Russlandreise waren zum Zeitpunkt der Festnahme der Beschuldigten noch nicht eingeleitet worden.
Der Umsturz sollte im Anschluss an die Russlandreise und die russische Zusage einer Anerkennung der neuen Regierung durch drei in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang ablaufende und miteinander verzahnte Aktionen bewirkt werden, wobei es sich bei den drei Bausteinen der geplanten Revolution um zunächst isoliert entstandene und von unterschiedlichen Mitstreitern eigenständig propagierte „Aktionsideen“ handelte, die im Zuge gemeinsamer Diskussionen zu einem „Gesamtplan“ zusammengeführt wurden.
Im Rahmen einer ersten Aktion, hinter der vor allem der Beschuldigte O. stand, die federführend von diesem sowie dem Beschuldigten K. organisiert und durchgeführt werden sollte und die von den Beteiligten als „silent night“ oder „Blackout“ bezeichnet wurde, sollte ein mindestens zweiwöchiger bundesweiter Stromausfall durch Sabotage an Stromumspannwerken und Stromtrassen in ganz Deutschland, etwa mittels Sprengstoff, herbeigeführt werden. Hierdurch sollte die bundesdeutsche Infrastruktur für längere Zeit lahmgelegt werden. Damit verfolgten die Beschuldigten gleich mehrere Ziele: Erstens sollte der bisherigen Bundesregierung die Möglichkeit zur Fortsetzung ihrer Tätigkeit genommen werden. Zweitens sollten „die Medien“ daran gehindert werden, weiter Einfluss auf die Bevölkerung auszuüben. Drittens schließlich sollte die Bevölkerung - wie nach der verheerenden Flutkatastrophe im Ahrtal, bei der sich der Beschuldigte B. und Gleichgesinnte aus dem Umfeld der Beschuldigten als „Nothelfer“ engagiert hatten - auf sich selbst zurückgeworfen und so zu einer neuen (politischen) Selbstorganisation von unten herauf veranlasst werden.
Den Beschuldigten war, als sie diesen Plan diskutierten und beschlossen, bewusst, dass ein mehrwöchiger bundesweiter Stromausfall erhebliche Schäden, darunter den Tod etlicher Menschen, verursachen würde. Sie waren bereit, solche Folgen als „Kollateralschäden“ hinzunehmen. Dabei spielte auch eine Rolle, dass sie und ihre Gesinnungsgenossen in den Chatgruppen davon ausgingen, dass es in näherer Zukunft ohnehin - als auch ohne Sabotageaktionen - wegen der von der Bundesregierung veranlassten Abkehr von der Atomkraft und fossilen Energieträgern zu einem Zusammenbruch der Stromversorgung in Deutschland kommen werde, die Aktion „silent night“ beziehungsweise „Blackout“ also einen Zusammenbruch der Infrastruktur nur zeitlich vorverlagere. Nach den gegenwärtigen Ermittlungserkenntnissen hatte der Beschuldigte O. bereits einige aus seiner Sicht anschlagsgeeignete Objekte im Bereich seines Wohnortes ausgekundschaftet und sich Kartenmaterial zur Strominfrastruktur beschafft. Im Übrigen aber waren die Pläne zum Zeitpunkt der Verhaftung der Beschuldigten noch nicht näher konkretisiert worden.
Als zweite Aktion zur Herbeiführung des beabsichtigten Umsturzes planten die Beschuldigten unter der Bezeichnung „Klabautermann“ eine Entführung des Bundesministers für Gesundheit Prof. Dr. Karl Lauterbach. Die Vorstellung der Beschuldigten ging dahin, durch die gewaltsame Entführung eines „weithin verhassten“ besonders hochrangigen Vertreters der Bundesregierung und damit des deutschen Staates eine große Zustimmung in der Bevölkerung für die in Angriff genommene Installation einer neuen Regierung Deutschlands auszulösen und zugleich nach außen hin die Wirkmacht der am Umsturz beteiligten Personen deutlich zu machen, wodurch sich die Mitglieder der Vereinigung einen weiteren Zulauf von Unterstützern, auch aus dem Kreis der deutschen Sicherheitsbehörden, erhofften. Die Gruppierung um die Beschuldigten führte zur Auswahl des Entführungsopfers eine Umfrage in einschlägigen geschlossenen Telegram-Chatgruppen durch; dabei entschied sich die Mehrheit der Teilnehmer für den Bundesgesundheitsminister, weil dieser als die wegen ihrer Corona-Politik „meistgehasste“ Führungspersönlichkeit Deutschlands erachtet wurde.
Die Beschuldigten und weitere Mitstreiter diskutierten verschiedene Möglichkeiten, wie der Plan einer Entführung des Bundesgesundheitsministers realisiert werden könne. Letztlich favorisierte der Kreis um die Beschuldigten die Idee, während eines Auftritts von Prof. Dr. Lauterbach in einer live im Fernsehen übertragenen Talkshow mit etwa fünf mit Maschinenpistolen militärisch bewaffneten und soldatisch ausgebildeten Kämpfern in das Fernsehstudio einzudringen, die Personenschützer des Ministers „auszuschalten“ und den Minister öffentlichkeitswirksam vor laufenden Kameras in die eigene Gewalt zu bringen. Den Beschuldigten war bewusst, dass mit bewaffneter Gegenwehr der Personenschützer zu rechnen war; hierüber wurde unter anderem auf einem Treffen am 15. Januar 2022 diskutiert. Sie gingen daher von der naheliegenden Möglichkeit eines Schusswaffeneinsatzes und einer Tötung der Personenschützer durch die mit der Aktion betrauten eigenen Kämpfer aus. Einen Tod der Personenschützer nahmen sie mindestens billigend in Kauf. Zum Schutz vor „gegnerischer“ Waffengewalt sollten die eigenen Kämpfer mit militärischen Helmen und Schutzwesten ausgestattet werden.
Zur Vorbereitung der Aktion „Klabautermann“ unternahm es die Gruppierung um die Beschuldigten, sich geeignete Waffen zu beschaffen. Im Übrigen aber waren die Planungen zum Zeitpunkt der Verhaftung der Beschuldigten noch nicht weiter konkretisiert. Insbesondere waren weder ein Zeitpunkt noch ein Ort für die intendierte Entführung in Aussicht genommen noch Bemühungen zur Anwerbung in Betracht kommender Entführer entfaltet worden.
Als dritte Aktion, die maßgeblich von dem Beschuldigten H. gemeinsam mit der Mitstreiterin R. forciert wurde und die der Beschuldigte B. federführend organisatorisch vorbereiten sollte, war die Durchführung einer „konstituierenden Sitzung“ vorgesehen, um eine neue Verfassung in Kraft zu setzen und eine neue deutsche Regierung zu installieren. Nach den Plänen sollten jedenfalls der Beschuldigte H. sowie W. Führungspositionen in der neuen Regierung übernehmen. Grundlage der neuen deutschen Staatlichkeit sollte nach der maßgeblich von dem Beschuldigten H. und der Mitstreiterin R. entwickelten Vorstellung der Gruppierung die Deutsche Reichsverfassung von 1871 sein. Denn diese sei dem deutschen Volk, anders als das Grundgesetz, nicht aufoktroyiert worden. Zudem basiere die Verfassung von 1871, im Gegensatz zum Grundgesetz, nicht auf dem Leitbild einer Parteiendemokratie. Die neue Staatsorganisation sollte nach dem Vorstellungsbild der Gruppierung ohne politische Parteien auskommen; die staatliche Willensbildung sollte, so die Vorstellung der Beschuldigten, nicht von Parteien gesteuert werden, sondern „unmittelbar vom Volk ausgehen“. Allerdings sollte die Reichsverfassung von 1871 modifiziert werden. Einen Kaiser oder König als monarchisches Staatsoberhaupt sollte es nicht geben. Zudem war als notwendige Anpassung an die moderne Zeit ein Frauenwahlrecht geplant.
Dem Zusammentreten der „konstituierenden Versammlung“ sowie dem beabsichtigten Zusammenbruch der Stromversorgung Deutschlands unmittelbar vorausgehen sollte ein unter der Bezeichnung „False Flag“ geplanter Auftritt eines entweder den Bundespräsidenten oder den Bundeskanzler imitierenden Schauspielers in einer Live-Sendung im Fernsehen, der bekanntgeben sollte, dass die bestehende Bundesregierung abgesetzt sei und die Verfassung des Deutschen Reiches von 1871 wieder gelte. Hierdurch erhoffte sich die Gruppierung, dass die Bevölkerung die auf diese Weise begründete neue Staatsform und eingesetzte Regierung aufgrund des Anscheins einer geordneten Übergabe der Regierungsgeschäfte anerkennen werde.
Die vorgesehene „konstituierende Sitzung“ sollte im Großraum Be. zusammenkommen, live im Internet übertragen und - organisiert von dem Beschuldigen B. - durch noch zu gewinnende Kräfte geschützt werden, wobei auch über deren Bewaffnung diskutiert wurde. Einzelheiten hinsichtlich des Ortes, des Zeitpunktes und des Ablaufes der Versammlung wurden aber nicht beschlossen; insofern gab es zum Zeitpunkt der Verhaftung der Beschuldigten noch keine konkreten Vorbereitungen. Denn großen Raum bei den Mitte April 2022 nicht abgeschlossenen Erörterungen nahm die Frage ein, aus welchen Personen sich die Versammlung zusammensetzen sollte, deren Teilnehmerzahl auf 277 festgesetzt wurde. Es wurde vereinbart, dass nur „Deutsche nach dem Reichs- und Staatsangehörigengesetz von 1913", die eine entsprechende „Bescheinigung der deutschen Volkszugehörigkeit“ vorlegen können, als Teilnehmer in Betracht kämen. Bis zur Verhaftung der Beschuldigten ging es im Zusammenhang mit dieser dritten Aktion im Wesentlichen darum, potentielle Teilnehmer für die Volksversammlung zu finden, welche die aufgestellten Anforderungen erfüllten und durch eine „Bescheinigung“ belegen konnten; das gestaltete sich indes als schwierig.
cc) Die skizzierten Vorstellungen zum Umsturz wurden auf einer Reihe von Zusammenkünften der Beschuldigten und weiterer Gleichgesinnter entwickelt.
Zu einem ersten Zusammentreffen von insgesamt sechs oder sieben Personen kam es auf Initiative des Beschuldigten O. am 11. Dezember 2021 an einer Grillhütte in Ben. in Rheinland-Pfalz. Teilnehmer waren unter anderem die Beschuldigten O. und K. Bei diesem Treffen stellte der Beschuldigte O. seine Idee eines umfangreichen Angriffs auf die deutsche Stromversorgung vor; der Beschuldigte K. erklärte sich zur Mitwirkung bereit und machte deutlich, aufgrund seiner beruflichen Tätigkeit als Sicherungsposten auf Baustellen bei der Deutschen Bahn über Kenntnisse im Bereich von Hochspannungsstrom zu verfügen. Zudem hatte er bereits zu diesem Zeitpunkt vier Waffen (eine Langwaffe „Erma“, zwei Gewehre der Marke „Voere“ und eine Langwaffe „Mauser K 98") in seinem Besitz, die er nunmehr für Aktivitäten der Gruppierung einsetzen wollte.
Bei einem nächsten persönlichen Treffen am 18. Dezember 2021 auf dem Gelände eines ehemaligen Reha-Zentrums in Ne. in Hessen, an dem insgesamt 15 bis 20 Personen teilnahmen, darunter neben den Beschuldigten O. und B. auch der Beschuldigte H. sowie die Mitstreiterin R., wurden die Umsturzpläne weiter erörtert.
Auf einem Treffen am 15. Januar 2022 in M. in Thüringen stellten die Beschuldigten B. und O. im Beisein des Beschuldigten K. den drei Aktionen umfassenden Tatplan den insgesamt 13 Anwesenden vor und versuchten, weitere Gleichgesinnte zu akquirieren. Dies gestaltete sich allerdings auch deshalb als schwierig, weil die Angehörigen der Gruppierung ein großes Interesse an einer Anerkennung der geplanten neuen Regierung durch Russland sowie andere osteuropäische Staaten hatten, weshalb sie die Vorstellung hatten, nach der „Machtübernahme“ durch Schreiben an die polnische und russische Regierung deutlich zu machen, dass eine Wiedererlangung der früheren deutschen Ostgebiete nicht erstrebt werde. Diese Haltung führte zur Abkehr einiger dem neonazistischen Spektrum zugehörigen Personen von der Gruppierung. Auf diesem Treffen wurde, wie schon bei dem Treffen am 18. Dezember 2021, auch über die vorgesehene Entführung des Bundesgesundheitsministers diskutiert.
dd) Am 29. Januar 2022 kam es zu einem Zusammentreffen des Beschuldigten O. mit einem Verdeckten Ermittler des Landeskriminalamtes Rheinland-Pfalz, dem es gelungen war, das Vertrauen der Beschuldigten als vermeintlich Gleichgesinnter zu erlangen. Diesen fragte der Beschuldigte O., ob er über eigene Kontakte Waffen beschaffen könne; man benötige zehn Maschinenpistolen AK 47 (Kalaschnikow), 50 Kurzwaffen Kaliber 9 mm, vorzugsweise Pistolen Glock, 15 Schutzwesten und 100 Funkgeräte. Am 23. Februar 2022 übergab der Beschuldigte O. dem Verdeckten Ermittler eine „Bestellliste“, deren Inhalt zuvor der Beschuldigte B. bestimmt hatte. Demnach bestellten die Beschuldigten in Vorbereitung ihrer Aktionspläne fünf Schutzwesten, fünf Maschinenpistolen AK 47 (Kalaschnikow), 15 Kurzwaffen Kaliber 9 mm und 30 Kontaktminen. O. handelte mit dem Verdeckten Ermittler eine Anzahlung in Höhe von 12.000 € aus.
Parallel dazu bemühten sich die Beschuldigten, anderweitig an Waffen und Sprengstoff für die geplanten Aktionen zu gelangen. So kam es am 12. Februar 2022 zu einem persönlichen Treffen zwischen den Beschuldigten O. und K. sowie einer “ " genannten Kontaktperson in G. bei Mü., bei dem “ " erklärte, er habe Kontaktleute in „Exjugoslawien“, die zehn Tonnen Waffen und Munition kostenlos zur Verfügung stellen könnten, sofern die Gruppierung um die Beschuldigten für den Transport nach Deutschland sorge. Das teilte der Beschuldigte O. dem Beschuldigten B. mit. Dieser sagte zu, sich Gedanken darüber zu machen, wie das Material nach Deutschland verbracht werden könne, und informierte seinerseits am Folgetag telefonisch den Beschuldigten H. .
Am 8. April 2022 kam der Beschuldigte B. mit dem Verdeckten Ermittler in Be. zusammen, bestätigte das Interesse der Gruppierung an den bestellten Waffen und sagte zu, die vereinbarte Anzahlung zeitnah zu erbringen. Am Folgetag werde er sich mit der Kontaktperson der Geldgeber der Gruppierung treffen und versuchen, sogleich den für den Waffenkauf vereinbarten Gesamtbetrag in Höhe von 50.000 € zu beschaffen.
Tatsächlich kam es am 9. April 2022 am Rande einer neuerlichen Zusammenkunft von Mitgliedern der Gruppierung in der Wohnung des Beschuldigten B. in F., an der etwa 15 Personen teilnahmen, zu einem Treffen der Beschuldigten O., B. und H. mit dem zwischenzeitlich vom Beschuldigten H. als Finanzier der Vereinigung rekrutierten W., der sich in Kenntnis der Pläne in den „administrativen Arm“ der Gruppe integriert hatte. W. übergab dem Beschuldigten B. als Anzahlung für den Waffenkauf Gold im Wert von rund 8.700 € und 50 Silbermünzen im Wert von 1.500 €. Aus seinem eigenen Vermögen steuerte der Beschuldigte B. eine Goldmünze im Wert von 1.800 € bei, so dass der mit dem Verdeckten Ermittler vereinbarte Anzahlungsbetrag zusammengetragen war. B. informierte den Verdeckten Ermittler über die erfolgreiche Geldbeschaffung und übergab das Gold und die Münzen dem Beschuldigten O., der diese seinerseits am 10. April 2022 an seinem Wohnort N. dem Verdeckten Ermittler aushändigte.
Am 13. April 2022 informierte der Beschuldigte O. den Verdeckten Ermittler, dass die vereinbarte Restzahlung noch nicht erbracht werden könne, und reduzierte die Waffenbestellung daher auf zunächst zwei Maschinenpistolen AK 47 Kalaschnikow und vier Pistolen Glock Modell 19 nebst Munition. Er vereinbarte mit dem Verdeckten Ermittler, diese Waffen sogleich zu übernehmen. Noch am selben Tag gegen 12 Uhr übergab der Verdeckte Ermittler dem Beschuldigten O. auf dem Parkplatz eines großen Einkaufsmarktes in N. einen Pkw, in dem sich eine Kiste mit den vorgenannten Waffen und Munition befand. Noch bevor O. den Parkplatz mit den übernommenen Waffen und der erhaltenen Munition verlassen konnte, wurde er von der Polizei festgenommen. Auch die drei weiteren Beschuldigten B., H. und K. wurden am 13. April 2022 festgenommen.
b) Der dringende Tatverdacht (§ 112 Abs. 1 Satz 1 StPO) beruht auf Folgendem:
aa) Der Beschuldigte B. ist am 11. und 13. Juli 2022 vernommen worden und hat sich umfassend und detailliert geständig eingelassen. Er hat das Kennenlernen der Beschuldigten und ihrer Mitstreiter, die Entstehung und Entwicklung der Pläne für einen staatlichen Umsturz, die jeweilige (Führungs-)Rolle der Beschuldigten sowie die Aktivitäten der Gruppierung im Einzelnen so geschildert, wie dies hier als derzeitiger Ermittlungsstand beschrieben worden ist. Er hat abweichend lediglich geltend gemacht, man habe nicht in Kauf genommen, dass bei der Entführung des Bundesgesundheitsministers dessen Personenschützer zu Tode kommen könnten; sie hätten zwar „ausgeschaltet“, indes nicht getötet werden sollen. Dem steht allerdings eine Äußerung des Beschuldigten gegenüber dem Verdeckten Ermittler entgegen, die von diesem bekundet worden ist und wonach der Beschuldigte B. sich dahin äußerte, dass die Personenschützer erforderlichenfalls getötet werden müssten, jedenfalls müssten sie auch unter Inkaufnahme ihres Todes „ausgeschaltet“ werden.
bb) Der Beschuldigte K. hat sich im Rahmen einer umfangreichen Vernehmung am 5. Oktober 2022 ebenfalls weitreichend geständig eingelassen. Er hat die Planungen und Zusammenkünfte der Gruppierung eingeräumt, soweit er an diesen beteiligt war. Insbesondere hat er - in Übereinstimmung mit dem Beschuldigten B. - eingestanden, dass es Pläne zur Herbeiführung eines längeren bundesweiten Stromausfalls, einer Entführung des Bundesgesundheitsministers sowie der Errichtung einer neuen Regierung auf der Basis der Reichsverfassung von 1871 gegeben habe. Zudem hat er eingeräumt, im Besitz der vier genannten Waffen gewesen zu sein; diese wurden bei einer Durchsuchung seiner Räumlichkeiten am 13. April 2022 sichergestellt.
cc) Der dringende Tatverdacht stützt sich weiter auf Bekundungen eines vom 3. November 2021 bis zum 13. April 2022 im unmittelbaren Umfeld der Beschuldigten eingesetzten Verdeckten Ermittlers des Landeskriminalamtes Rheinland-Pfalz („VE 2" - ). Dieser stand in persönlichem Kontakt mit den Beschuldigten, nahm an Treffen der Gruppierung teil und war in die Chatkommunikation der Beteiligten über Telegram eingebunden. Die Bekundungen des Verdeckten Ermittlers bestätigen ganz weitgehend die geständigen Einlassungen der Beschuldigten B. und K. Der Verdeckte Ermittler hat nicht nur umfassende Angaben zu seinen Erkenntnissen gemacht, sondern auch Protokolle der Chatkommunikation vorgelegt, an der er beteiligt war. Insbesondere die bisherigen Erkenntnisse zum Waffenkauf durch den Beschuldigten O. und der Übergabe von Waffen und Munition an diesen am 13. April 2022 basieren auf Angaben des „VE 2". Dieser hat die für den Waffenverkauf an die Gruppierung erhaltenen Edelmetalle dem Landeskriminalamt Rheinland-Pfalz übergeben.
dd) Der dringende Tatverdacht gründet sich zudem auf bei umfangreichen Telekommunikationsüberwachungsmaßnahmen gewonnene Erkenntnisse zur Kommunikation der Beschuldigten und ihrer Mitstreiter untereinander, auf eine Fahrzeuginnenraumüberwachung eines vom Beschuldigten O. genutzten Pkw sowie auf Observationsmaßnahmen, die namentlich die persönlichen Treffen der Beschuldigten und ihrer Mitstreiter betrafen.
ee) Wegen weiterer Einzelheiten zu den bisherigen Beweisergebnissen, die den dringenden Tatverdacht begründen, wird auf die Haftbefehle des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs vom 23. Mai 2022, 24. Mai 2022, 1. Juni 2022 und 2. Juni 2022 sowie die dort angeführten Aktenfundstellen, ferner auf die Darlegungen zum dringenden Tatverdacht in der Zuleitungsschrift des Generalbundesanwalts vom 6. Oktober 2022 Bezug genommen.
2. In rechtlicher Hinsicht folgt daraus, dass sich die Beschuldigten mit hoher Wahrscheinlichkeit wie folgt strafbar gemacht haben:
a) Der Beschuldigte O. ist jedenfalls dringend verdächtig, sich - wie bereits im Haftbefehl des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs vom 24. Mai 2022 (3 BGs 383/22) dargetan worden ist - wegen Gründung und mitgliedschaftlicher Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung als Rädelsführer sowie wegen mitgliedschaftlicher Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung als Rädelsführer in Tateinheit mit Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat, mit Erwerb der tatsächlichen Gewalt über Kriegswaffen ohne Genehmigung sowie mit unerlaubtem Erwerb halbautomatischer Kurzwaffen zum Verschießen von Patronenmunition gemäß § 89a Abs. 1 und 2 Nr. 2, § 129a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Nr. 2, Abs. 4 StGB, § 22a Abs. 1 Nr. 2 KrWaffKG, § 52 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b WaffG, §§ 52, 53 StGB strafbar gemacht zu haben.
Bei der Gruppierung um die Beschuldigten handelte es sich hochwahrscheinlich um eine terroristische Vereinigung im Sinne der § 129 Abs. 2, § 129a StGB. Denn die Gruppierung bestand aus mehr als zwei Personen, war auf längere Dauer angelegt, hatte - wie schon die Unterteilung in einen „militärischen Zweig“ und einen „administrativen Arm“ zeigt - eine organisatorische Struktur und verfolgte mit Abschaffung der freiheitlich-demokratischen Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland und der Schaffung eines neuen deutschen Staatswesens ein übergeordnetes gemeinsames Interesse. Dieses Ziel wollten die Mitglieder der Vereinigung nach dem gegenwärtigen Stand der Ermittlungen durch die Begehung von Katalogtaten im Sinne des § 129a Abs. 1 und 2 StGB erreichen. Eine Entführung des Bundesgesundheitsministers unter jedenfalls billigender Inkaufnahme der Tötung seiner Personenschützer wäre als Straftat gemäß §§ 211, 212, 239b StGB zu werten. Die Herbeiführung eines bundesweiten längeren Stromausfalls stellte rechtlich jedenfalls einen Verstoß gegen § 316b Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 StGB und damit eine Katalogtat gemäß § 129a Abs. 2 Nr. 2 StGB dar. Das Vorhaben war auf eine gewaltsame Abschaffung der Staats- und Regierungsstrukturen Deutschlands gerichtet und damit dazu bestimmt, die politischen, verfassungsrechtlichen, wirtschaftlichen und sozialen Grundstrukturen der Bundesrepublik im Sinne des § 129a Abs. 2 StGB zu beseitigen. Die Pläne waren zudem objektiv geeignet, im Falle ihrer Umsetzung die Strukturen der bundesdeutschen Verfassungsordnung erheblich zu beeinträchtigen (vgl. insofern MüKoStGB/Schäfer/Anstötz, 4. Aufl., § 129a Rn. 43 ff.).
Der Beschuldigte O. war nach dem Stand der Ermittlungen einer der Gründer der Vereinigung. Ihm kam nach den internen Absprachen, den Plänen der Vereinigungsmitglieder und auch rein tatsächlich im Hinblick auf Art und Umfang seiner Mitwirkung eine Führungsrolle zu, so dass er als Rädelsführer der Vereinigung einzustufen ist.
Die Entgegennahme von mehreren Kurz- und Langwaffen durch den Beschuldigten O. von dem Verdeckten Ermittler „VE 2" am 13. April 2022 begründet darüber hinaus den dringenden Verdacht einer zu der Gründung und Mitgliedschaft in der terroristischen Vereinigung als Rädelsführer tatmehrheitlich hinzutretenden Straftat der Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat gemäß § 89a Abs. 1 und 2 StGB in Tateinheit mit den vorgenannten Verstößen gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz und das Waffengesetz, wobei hiermit tateinheitlich eine (weitere) Tat der mitgliedschaftlichen Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung als Rädelsführer einhergeht, weil die Entgegennahme der Waffen und Munition zugleich einen weiteren mitgliedschaftlichen Betätigungssakt für die terroristische Vereinigung als Rädelsführer darstellt.
b) Hinsichtlich des Beschuldigten B. ist im Sinne eines dringenden Tatverdachts - wie bereits im Haftbefehl des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs vom 23. Mai 2022 (3 BGs 384/22) ausgeführt worden ist - auszugehen von einer Strafbarkeit wegen Gründung und mitgliedschaftlicher Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung als Rädelsführer sowie wegen mitgliedschaftlicher Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung als Rädelsführer in Tateinheit mit Terrorismusfinanzierung und Beihilfe zu den vom Beschuldigten O. hochwahrscheinlich begangenen Taten des Erwerbs der tatsächlichen Gewalt über Kriegswaffen ohne Genehmigung sowie des unerlaubten Erwerbs halbautomatischer Kurzwaffen zum Verschießen von Patronenmunition, mithin von einer Strafbarkeit gemäß § 89c Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 3 und 5, Abs. 2, § 129a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Nr. 2, Abs. 4 StGB, § 22a Abs. 1 Nr. 2 KrWaffKG, § 52 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b WaffG, § 27 Abs. 1, §§ 52, 53 StGB.
Der Beschuldigte B. war nach dem Stand der Ermittlungen ebenfalls einer der Gründer der Vereinigung. Auch ihm kam nach den internen Absprachen, den Plänen der Vereinigungsmitglieder sowie rein tatsächlich im Hinblick auf Art und Umfang seiner Mitwirkung eine Führungsrolle zu, so dass er gleichfalls als Rädelsführer der Vereinigung einzustufen ist.
Dadurch, dass er hochwahrscheinlich am 9. April 2022 Gold- und Silbermünzen für die Bezahlung eines Waffenkaufs entgegennahm, aus seinem eigenen Vermögen eine Goldmünze beisteuerte und die Edelmetalle dem Beschuldigten O. übergab, der sie anschließend verabredungsgemäß dem Verdeckten Ermittler als Entgelt für die bestellten Waffen aushändigte, hat sich der Beschuldigte B. im Sinne eines dringenden Tatverdachts wegen Terrorismusfinanzierung in Tateinheit mit Beihilfe zu den genannten Verstößen gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz und das Waffengesetz strafbar gemacht, wobei hiermit tateinheitlich eine (weitere) Tat der mitgliedschaftlichen Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung als Rädelsführer einhergeht, weil die Sammlung und Weitergabe der Edelmetalle zum Zwecke des Waffen- und Munitionskaufes zugleich einen weiteren mitgliedschaftlichen Betätigungsakt für die terroristische Vereinigung als Rädelsführer darstellt.
c) Der Beschuldigte H. ist jedenfalls dringend verdächtig, sich - wie bereits im Haftbefehl des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs vom 1. Juni 2022 (3 BGs 397/22) dargetan worden ist - wegen mitgliedschaftlicher Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung als Rädelsführer gemäß § 129a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Nr. 2, Abs. 4 StGB strafbar gemacht zu haben.
Auch er gehörte zum engen Führungszirkel der Vereinigung; ihm oblag wesentlich die Leitung des „administrativen Arms“ der Vereinigung. Er sollte, wie sich unter anderem aus überwachten Telefongesprächen ergibt, nach dem „Machtwechsel“ eine Führungsfunktion in einer neuen Regierung übernehmen. Er ist mithin ebenfalls als Rädelsführer der Vereinigung einzustufen.
d) Hinsichtlich des Beschuldigten K. ist im Sinne eines dringenden Tatverdachts - wie bereits im Haftbefehl des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs vom 2. Juni 2022 (3 BGs 411/22) ausgeführt worden ist - auszugehen von einer Strafbarkeit jedenfalls wegen mitgliedschaftlicher Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung in zwei Fällen, davon in einem Fall - soweit es die Verwahrung der in seinen Wohnräumen sichergestellten Waffen anbelangt, die er für die Zwecke der Vereinigung verwenden wollte - in Tateinheit mit der Vorbereitung einer staatsgefährdenden Gewalttat sowie mit unerlaubtem Besitz einer halbautomatischen Langwaffe und mit unerlaubtem Besitz einer Schusswaffe in drei tateinheitlichen Fällen. Mit großer Wahrscheinlichkeit ist mithin eine Strafbarkeit gemäß § 89a Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2, § 129a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Nr. 2 StGB, § 52 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 Nr. 2 WaffG, §§ 52, 53 StGB begründet.
e) Es kann für die vorliegende Haftfortdauerentscheidung dahingestellt bleiben, ob die Beschuldigten über die vorstehend genannten Straftaten hinausgehend dringend verdächtig sind, sich auch (tateinheitlich) wegen Vorbereitung eines hochverräterischen Unternehmens gemäß § 83 Abs. 1 StGB strafbar gemacht zu haben. Denn für jeden der Beschuldigten rechtfertigt der jeweilige vorgenannte dringende Tatverdacht, von dem nach dem gegenwärtigen Stand der Ermittlungen auszugehen ist, die Fortdauer der Untersuchungshaft.
Hinsichtlich einer Verwirklichung des Straftatbestandes des § 83 Abs. 1 StGB könnte fraglich sein, ob die mit dem Ziel eines Umsturzes geplanten drei Aktionen in gegenständlicher, örtlicher und zeitlicher Hinsicht schon hinreichend konkretisiert waren (vgl. insofern BGH, Urteil vom 3. November 1954 - 6 StR 146/54, BGHSt 7, 11, 13 f.; MüKoStGB/Hegmann/Stuppi, 4. Aufl., § 83 Rn. 4; LK/Steinsiek, StGB, 13. Aufl., § 83 Rn. 5 ff.; Schönke/Schröder/Sternberg-Lieben, StGB, 30. Aufl., § 83 Rn. 2, 5) und die Aktivitäten der Gruppierung, deren Pläne kaum erfolgsgeeignet erscheinen, den zur Tatbestandserfüllung erforderlichen spezifischen Gefährlichkeitsgrad (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 3. November 1954 - 6 StR 146/54, BGHSt 7, 11, 13; Fischer, StGB, 69. Aufl., § 83 Rn. 3; MüKoStGB/Hegmann/Stuppi, 4. Aufl., § 83 Rn. 5; LK/Steinsiek, StGB, 13. Aufl., § 83 Rn. 9; Schönke/Schröder/Sternberg-Lieben, StGB, 30. Aufl., § 83 Rn. 8) aufwiesen.
3. Es sind - auch unter Berücksichtigung des Vorbringens der Verteidiger der Beschuldigten B. und H. mit Schriftsätzen jeweils vom 26. Oktober 2022 - die Haftgründe der Fluchtgefahr gemäß § 112 Abs. 2 Nr. 2 StPO sowie - bei der gebotenen restriktiven Auslegung des § 112 Abs. 3 StPO (vgl. BGH, Beschlüsse vom 20. April 2022 - StB 15/22, juris Rn. 11 f.; vom 24. Januar 2019 - AK 57/18, juris Rn. 30 ff.; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 65. Aufl., § 112 Rn. 37 mwN) - der Schwerkriminalität gegeben. Es ist wahrscheinlicher, dass sich die Beschuldigten, sollten sie auf freien Fuß gelangen, dem Strafverfahren entziehen, als dass sie sich ihm stellen werden.
Alle vier Beschuldigten haben im Falle ihrer Verurteilung angesichts der Schwere der Tatvorwürfe und des Gewichts ihrer Tatbeiträge mit erheblichen Freiheitsstrafen zu rechnen. Dies gilt ungeachtet des Umstandes, dass die Beschuldigten O., B. und K. nicht vorbestraft sind.
Dem von der hohen Straferwartung ausgehenden Fluchtanreiz stehen keine hinreichenden fluchthemmenden Umstände entgegen. Insofern gilt, dass die Annahme von Fluchtgefahr kein sicheres Wissen um die sie begründenden Tatsachen erfordert; es genügt derselbe Wahrscheinlichkeitsgrad wie bei der Annahme des dringenden Tatverdachts (vgl. BGH, Beschlüsse vom 5. Oktober 2018 - StB 43 u. 44/18, juris Rn. 37; vom 2. November 2016 - StB 35/16, juris Rn. 11).
Zwar ist der Beschuldigte O. verheiratet, indes war seine Ehefrau nach den bisherigen Ermittlungserkenntnissen in seine Pläne zumindest eingeweiht und steht der freiheitlich-demokratischen Grundordnung der Bundesrepublik ebenfalls ablehnend gegenüber. Eine Einbindung des Beschuldigten O. in ein fluchthemmend wirkendes engeres soziales Umfeld liegt mithin nicht vor. Er ist Frührentner und geht keiner Erwerbstätigkeit nach, so dass auch keine einer Flucht entgegenstehende berufliche Verankerung gegeben ist.
Der Beschuldigte B. ist gleichfalls verheiratet; er ist bis zu seiner Verhaftung einer beruflichen Tätigkeit als - zum Teil selbständiger, zum Teil angestellter - Dozent für Buchhaltungswesen im Bankenbereich nachgegangen. Diese Umstände sind indes keine fluchthemmenden Umstände von Gewicht, zumal seine Ehefrau nach seiner Verhaftung eine eigene Wohnung bezogen hat und der Beschuldigte angesichts der gegen ihn erhobenen Tatvorwürfe mit hoher Wahrscheinlichkeit seine bisherige berufliche Tätigkeit nicht wieder wird ausüben können.
Soweit der Beschuldigte H. vorgebracht hat, seine Tochter lebe bei ihm, er habe einen pflegebedürftigen Vater und einen intensive Betreuung erfordernden Hund, zudem sei er als Vertriebsmitarbeiter berufstätig, liegen keine fluchthemmenden Faktoren mit hinreichendem Gewicht vor, zumal die Tochter des Beschuldigten bereits volljährig ist und auch der Beschuldigte H. vor dem Hintergrund der Tatvorwürfe keine Möglichkeit zur Fortsetzung seiner bisherigen beruflichen Tätigkeit haben dürfte. Hinzu kommt, dass er vor seiner Verhaftung gegenüber Gleichgesinnten die Absicht kundgetan hatte, im Falle eines Scheiterns der Pläne für einen staatlichen Umsturz in das Ausland „abhauen“ zu wollen, und zwar nach Südafrika, weil dort „am wenigsten geimpft“ worden sei.
Fluchtgefahr ist ebenso hinsichtlich des Beschuldigten K. zu bejahen, und zwar auch eingedenk dessen, dass er verheiratet sowie Vater eines 2019 geborenen Sohnes ist und vor seiner Verhaftung einer beruflichen Tätigkeit in Festanstellung bei der Deutschen Bahn nachging.
Denn hinsichtlich aller Beschuldigten gilt, dass sie die gegenwärtige Staats- und Verfassungsordnung der Bundesrepublik ablehnen und den Staatsorganen die Legitimität zu hoheitlichem Handeln absprechen. Deshalb steht nicht zu erwarten, dass sie sich dem weiteren Strafverfahren freiwillig stellen werden. Die bisherigen Ermittlungen haben zudem gezeigt, dass alle Beschuldigten in der Szene derer, die - als sogenannte „Reichsbürger“ oder „Querdenker“, Verschwörungstheoretiker, Anhänger nationalsozialistischen Gedankengutes oder „Corona-Leugner“ - die staatliche Verfasstheit der Bundesrepublik und deren freiheitlich-demokratische Grundordnung ablehnen und ihre Überwindung erstreben, eng eingebunden und vernetzt sind. Sie können mithin mit hoher Wahrscheinlichkeit auf ein Netzwerk von Sympathisanten und Gleichgesinnten zurückgreifen, die sie im Falle einer Flucht beziehungsweise eines Untertauchens logistisch und finanziell unterstützen würden. Dies setzt einen weiteren Fluchtanreiz.
Der Zweck der Untersuchungshaft kann unter den gegebenen Umständen nicht durch weniger einschneidende Maßnahmen im Sinne des § 116 Abs. 1 StPO - die bei verfassungskonformer Auslegung auch im Rahmen des § 112 Abs. 3 StPO möglich sind - erreicht werden.
4. Die Voraussetzungen für eine Fortdauer der Untersuchungshaft über sechs Monate hinaus (§ 121 Abs. 1 StPO) sind gegeben. Die besondere Schwierigkeit und der besondere Umfang der Ermittlungen haben ein Urteil noch nicht zugelassen und rechtfertigen den weiteren Vollzug der Untersuchungshaft. Das Verfahren ist bislang mit der in Haftsachen gebotenen besonderen Beschleunigung geführt worden.
Die Ermittlungen in dem gegen insgesamt fünf Beschuldigte betriebenen Verfahren waren und sind sehr umfangreich; dies spiegelt sich im Aktenbestand wider, der sich derzeit auf 51 Stehordner Sachakten und acht Stehordner Haftsachakten beläuft.
Im Kontext der Verhaftungen der Beschuldigten am 13. April 2022 ist es zu Durchsuchungen bei insgesamt 21 Betroffenen in mehreren Bundesländern gekommen. Dabei sind zahlreiche Asservate, darunter eine Vielzahl elektronischer Speichermedien, sichergestellt worden. Bislang haben 77 von 142 sichergestellten digitalen Datenträgern ausgewertet werden können; die Auswertung von 31 elektronischen Speichermedien sowie von nichtdigitalen Asservaten, darunter Schriftdokumente, die mutmaßlich Aufschluss über die ideologischen Hintergründe der Aktivitäten der Beschuldigten geben, dauert noch an.
Der während der verdeckten Phase der Ermittlungen im unmittelbaren Umfeld der Beschuldigten eingesetzte Verdeckte Ermittler des Landeskriminalamtes Rheinland-Pfalz („VE 2") hat während seines Einsatzes fortlaufend Telegram-Chatprotokolle gesichert, die verfahrensrelevante Kommunikation der Beschuldigten beinhalten. Der Ausdruck der Chatprotokolle umfasst etwa 6.000 Seiten. Deren Auswertung dauert gleichfalls noch an und gestaltet sich nicht zuletzt deshalb als aufwändig, weil in der teils konspirativ geführten Kommunikation vielfach keine Klarnamen der Beteiligten und Tarnbezeichnungen - etwa „Bohnen“ für Munition - verwendet wurden.
Die Beschuldigten unterhielten nach dem gegenwärtigen Stand der Ermittlungen sowohl virtuelle als auch reale Kontakte mit etlichen Personen, die - vielfach der „Reichsbürger-" oder „Querdenkerszene“, neonazistischen Gruppen, „Coronaleugnern“ oder Gruppierungen von Verschwörungstheoretikern zugehörig - ebenfalls die Auffassung vertreten, die gegenwärtige staatliche Ordnung der Bundesrepublik Deutschland müsse beseitigt werden. Insofern gibt es Hinweise auf zahlreiche Kontaktpersonen, Mitwisser und Sympathisanten im gesamten Bundesgebiet, die als Zeugen vernommen worden sind beziehungsweise noch vernommen werden sollen. Es ist gegenwärtig beabsichtigt, im Ermittlungsverfahren insgesamt 22 Zeuginnen und Zeugen zu vernehmen. Hiermit sind zur Wahrung des Beschleunigungsgrundsatzes neben dem Landeskriminalamt Rheinland-Pfalz derzeit sechs weitere Landeskriminalämter befasst.
Der Beschuldigte B. ist an zwei Tagen im Juli 2022 umfangreich audiovisuell vernommen worden; die Verschriftlichung seiner Aussage, in der er detailliert zu den Tatvorwürfen Stellung nimmt, hat einen Umfang von 374 Seiten und bedarf einer intensiven Auswertung. Der Beschuldigte K. hat sich Anfang Oktober 2022 ausführlich zur Sache eingelassen; die Niederschrift seiner Vernehmung umfasst 36 Seiten, auch sie macht eine zeitaufwändige Auswertung erforderlich.
Ungeachtet der noch fortdauernden Ermittlungen hat der Generalbundesanwalt bereits mit der Fertigung einer Anklageschrift begonnen. Mithin ist davon auszugehen, dass die Ermittlungen auch zukünftig mit der in Haftsachen gebotenen besonderen Beschleunigung geführt werden und alsbald Anklage gegen die Beschuldigten erhoben werden kann. Dies gilt auch deshalb, weil der mit den Ermittlungsbehörden kooperierende Beschuldigte B. durch seine umfangreichen geständigen Angaben erheblich zur Aufklärung des Agierens der Mitglieder der Vereinigung sowie ihrer Ziele, Planungen und ideologischen Hintergründe beigetragen hat.
5. Schließlich steht die Untersuchungshaft nach Abwägung zwischen dem Freiheitsgrundrecht der Beschuldigten einerseits sowie dem Strafverfolgungsinteresse der Allgemeinheit andererseits derzeit nicht außer Verhältnis zu der Bedeutung der Sache und der im Falle einer Verurteilung zu erwartenden Strafen (§ 120 Abs. 1 Satz 1 StPO).
HRRS-Nummer: HRRS 2022 Nr. 1223
Bearbeiter: Fabian Afshar/Karsten Gaede