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HRRS-Nummer: HRRS 2022 Nr. 951

Bearbeiter: Christian Becker

Zitiervorschlag: BGH, AK 26/22, Beschluss v. 04.08.2022, HRRS 2022 Nr. 951


BGH AK 26/22 - Beschluss vom 4. August 2022 (Kammergericht)

Fortdauer der Untersuchungshaft.

§ 112 StPO

Entscheidungstenor

Die Untersuchungshaft hat fortzudauern.

Eine etwa erforderliche weitere Haftprüfung durch den Bundesgerichtshof findet in drei Monaten statt.

Bis zu diesem Zeitpunkt wird die Haftprüfung dem Kammergericht übertragen.

Gründe

I.

Die Angeklagte wurde aufgrund Haftbefehls der Ermittlungsrichterin des Kammergerichts vom 11. Juni 2020 (1 ER 49/20 - 172 OJs 8/19) am 7. Oktober 2021 festgenommen. Seither befindet sie sich ununterbrochen in Untersuchungshaft. Gegenstand des Haftbefehls ist der Vorwurf, die Angeklagte habe in Syrien im Zeitraum zwischen Ende Oktober 2016 und Dezember 2018 durch zwei selbständige Handlungen sich als Mitglied an einer Vereinigung im Ausland beteiligt, deren Zwecke und Tätigkeit darauf gerichtet gewesen seien, Mord (§ 211 StGB), Totschlag (§ 212 StGB) oder Kriegsverbrechen (§§ 8, 9, 10, 11 oder § 12 VStGB) zu begehen, und durch eine dieser Handlungen zugleich in zwei rechtlich zusammentreffenden Fällen ihre Fürsorge- oder Erziehungspflicht gegenüber einer Person unter 16 Jahren gröblich verletzt und dadurch den Schutzbefohlenen in die Gefahr gebracht, in seiner körperlichen oder psychischen Entwicklung erheblich geschädigt zu werden, strafbar gemäß § 129a Abs. 1 Nr. 1, § 129b Abs. 1 Satz 1 und 2, §§ 171, 52, 53 StGB.

Mit Beschluss vom 21. April 2022 (AK 14/22) hat der Senat die Fortdauer der Untersuchungshaft über sechs Monate hinaus angeordnet.

Die Generalstaatsanwaltschaft Berlin hat am 25. Mai 2022 unter anderem wegen des haftbefehlsgegenständlichen Vorwurfs Anklage zum Kammergericht erhoben, die der mit der Sache befasste Staatsschutzsenat mit Beschluss vom 22. Juni 2022 zur Hauptverhandlung zugelassen hat.

II.

Die Voraussetzungen für die Fortdauer der Untersuchungshaft auch über neun Monate hinaus liegen vor.

1. Gegenstand des Haftprüfungsverfahrens nach §§ 121, 122 StPO ist der vollzogene Haftbefehl der Ermittlungsrichterin des Kammergerichts vom 11. Juni 2020, zu dessen Anpassung oder Erweiterung nur der gemäß § 126 Abs. 2 Satz 1 StPO zuständige Strafsenat des Kammergerichts befugt ist (vgl. BGH, Beschluss vom 9. März 2022 - AK 6/22, juris Rn. 5 mwN). Auf den der Angeklagten mit der Anklageschrift der Generalstaatsanwaltschaft vom 24. Mai 2022 darüber hinaus angelasteten Vorwurf der Terrorismusfinanzierung in Tateinheit mit Steuerhinterziehung (§ 89c Abs. 1 Nr. 8, § 52 StGB, § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO) erstreckt sich die Haftprüfung nicht.

Auf diese im Anklagesatz geschilderte zusätzliche Tat kommt es indes für die Haftfortdauerentscheidung nicht an; denn der im Haftbefehl erhobene Vorwurf trägt den weiteren Vollzug der Untersuchungshaft.

2. Hinsichtlich des dringenden Tatverdachts, der Haftgründe der Fluchtgefahr und der Schwerkriminalität sowie der Versagung einer Haftverschonung wird auf den Senatsbeschluss vom 21. April 2022, ergänzend auf die Anklageschrift verwiesen, insbesondere das dort ausführlich dargelegte wesentliche Ergebnis der Ermittlungen. Ob sich die Angeklagte durch ihre Ausreise mit den beiden Kindern hochwahrscheinlich außerdem wegen tateinheitlich begangener schwerer Entziehung Minderjähriger in zwei rechtlich zusammentreffenden Fällen nach § 235 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 4 Nr. 1, § 52 StGB strafbar gemacht hat (vgl. etwa BGH, Beschluss vom 17. Oktober 2019 - AK 56/19, juris Rn. 40 ff.), kann für die Haftfrage dahinstehen.

3. Die Voraussetzungen für die Fortdauer der Untersuchungshaft über neun Monate hinaus (§ 121 Abs. 1, § 122 Abs. 1 und 4 Satz 2 StPO) liegen vor. Die besondere Schwierigkeit und der besondere Umfang des Verfahrens haben ein Urteil bislang noch nicht zugelassen und rechtfertigen weiterhin den Vollzug der Untersuchungshaft.

Auch nach der Vorlage zur Sechsmonatshaftprüfung ist das Verfahren hinreichend gefördert worden. Die noch mit der gebotenen Zügigkeit vorgenommene Anklageerhebung datiert auf den 25. Mai 2022, der Eröffnungsbeschluss auf den 22. Juni 2022. Seitdem ist das weitere Verfahren mit der Verteidigung besprochen und abgestimmt worden. Der Angeklagten ist am 18. Juli 2022 ein zusätzlicher Pflichtverteidiger beigeordnet worden, nachdem der vorher bestellte Verteidiger und er erklärt hatten, die Wahrnehmung der vorgesehenen Hauptverhandlungstermine - mit geringfügigen Ausnahmen - sicherstellen zu können. Am 19. Juli 2022 hat ein Erörterungstermin im Sinne des § 213 Abs. 2 StPO stattgefunden (zu dessen Bedeutung für das Recht des Beschuldigten auf ein Urteil innerhalb angemessener Frist [Art. 5 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 2 MRK] vgl. BGH, Beschluss vom 25. März 2021 - AK 19-28/21, juris Rn. 11). Der Beginn der Hauptverhandlung ist für den 23. August 2022 avisiert. Im Übrigen wird auf den Vermerk verwiesen, den der Vorsitzende des mit der Sache befassten Kammergerichtssenats im Rahmen der Vorlageverfügung vom 4. Juli 2022 erstellt hat (Bd. IX Bl. 35 ff. der Sachakten), daneben auf den dort in Bezug genommenen Vermerk der Generalstaatsanwaltschaft vom 24. Mai 2022 (Bd. VIII Bl. 30 ff. der Sachakten).

4. Der weitere Vollzug der Untersuchungshaft steht nach wie vor nicht außer Verhältnis zur Bedeutung der Sache sowie der Strafe, die im Fall einer Verurteilung wegen der vom Haftbefehl erfassten Taten zu erwarten ist (§ 120 Abs. 1 Satz 1 StPO).

HRRS-Nummer: HRRS 2022 Nr. 951

Bearbeiter: Christian Becker