hrr-strafrecht.de - Rechtsprechungsübersicht


HRRS-Nummer: HRRS 2017 Nr. 634

Bearbeiter: Christian Becker

Zitiervorschlag: BGH, AK 23/17, Beschluss v. 01.06.2017, HRRS 2017 Nr. 634


BGH AK 20-24/17 - Beschluss vom 1. Juni 2017

Dringender Tatverdacht wegen Unterstützung einer terroristischen Vereinigung im Ausland (deutsches Strafrecht; Fluchtgefahr; Fortdauer der Untersuchungshaft über sechs Monate).

§ 129a StGB; § 129b StGB; § 112 StPO; § 116 StPO; § 121 StPO

Entscheidungstenor

Die Untersuchungshaft hat fortzudauern.

Eine etwa erforderliche weitere Haftprüfung durch den Bundesgerichtshof findet in drei Monaten statt.

Bis zu diesem Zeitpunkt wird die Haftprüfung dem nach allgemeinen Vorschriften zuständigen Gericht übertragen.

Gründe

1. Die Beschuldigten wurden am 8. November 2016 festgenommen und befinden sich seitdem aufgrund der Haftbefehle des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs vom 26. Oktober 2016 (2 BGs 703/16 [betreffend A. ], 2 BGs 705/16 [betreffend C. ], 2 BGs 707/16 [betreffend S. ], 2 BGs 711/16 [betreffend O. ] und 2 BGs 709/16 [betreffend F. Y. ]) in Untersuchungshaft.

Gegenstand der Haftbefehle ist jeweils der Vorwurf, die Beschuldigten hätten zwischen Januar und August 2015 (der Beschuldigte A.), zwischen Januar und Juli 2015 (die Beschuldigten C. und S.) bzw. im Juli und August 2015 (die Beschuldigten O. und F. Y.) in 1 2 H. bzw. in D. (der Beschuldigte C.) eine Vereinigung im außereuropäischen Ausland unterstützt, deren Zwecke und Tätigkeiten darauf gerichtet seien, Mord (§ 211 StGB), Totschlag (§ 212 StGB) oder Kriegsverbrechen (§§ 8, 9, 10, 11 oder § 12 VStGB) zu begehen (strafbar gemäß § 129a Abs. 5 Satz 1, § 129b Abs. 1 Sätze 1 und 2 StGB), indem sie jeweils als Teil eines Netzwerks, dem der Beschuldigte A. vorstand, die Ausreise des gesondert Verfolgten Oy. nach Syrien geplant und organisatorisch unterstützt hätten, wo sich letzterer der Vereinigung „Islamischer Staat“ (im Folgenden: IS) angeschlossen habe.

2. Die Beschuldigten sind der ihnen zur Last gelegten Taten dringend verdächtig.

Betreffend den Beschuldigten F. Y. nimmt der Senat insoweit zunächst Bezug auf seinen Beschluss vom 11. Januar 2017 (StB 41/16), mit dem er die Haftbeschwerde dieses Beschuldigten verworfen hat. Im Übrigen gilt Folgendes:

a) Nach dem bisherigen Ermittlungsstand ist im Sinne eines dringenden Tatverdachts von folgendem Sachverhalt auszugehen:

aa) Der „Islamische Staat“ ist eine Organisation mit militant-fundamentalistischer islamischer Ausrichtung, die es sich ursprünglich zum Ziel gesetzt hatte, einen das Gebiet des heutigen Irak und die historische Region „ash Sham“ - die heutigen Staaten Syrien, Libanon und Jordanien sowie Palästina - umfassenden und auf ihrer Ideologie gründenden „Gottesstaat“ zu errichten und dazu die schiitisch dominierte Regierung im Irak und das Regime des syrischen Präsidenten Assad zu stürzen. Zivile Opfer nahm und nimmt sie bei ihrem fortgesetzten Kampf in Kauf, weil sie jeden, der sich ihren Ansprüchen entgegenstellt, als „Feind des Islam“ begreift; die Tötung solcher „Feinde“ oder ihre Einschüchterung durch Gewaltakte sieht die Vereinigung als legitimes Mittel des Kampfes an.

Die Führung der Vereinigung, die sich mit der Ausrufung des „Kalifats“ im Juni 2014 aus „Islamischer Staat im Irak und in Großsyrien“ in „Islamischer Staat“ umbenannte - wodurch sie von der regionalen Selbstbeschränkung auf ein „Großsyrien“ Abstand nahm -, hat der „Emir“ Abu Bakr al Baghdadi inne, der von seinem Sprecher zum „Kalifen“ erklärt wurde, dem die Muslime weltweit Gehorsam zu leisten hätten. Ihm unterstehen ein Stellvertreter sowie „Minister“ als Verantwortliche für einzelne Bereiche, so ein „Kriegsminister“ und ein „Propagandaminister“. Zur Führungsebene gehören außerdem beratende „Shura Räte“. Veröffentlichungen werden in der Medienabteilung „Al Furqan“ produziert und über die Medienstelle „al I'tisam“ verbreitet, die dazu einen eigenen Twitterkanal und ein Internetforum nutzt. Das auch von den Kampfeinheiten verwendete Symbol der Vereinigung besteht aus dem „Prophetensiegel“, einem weißen Oval mit der Inschrift: „Allah - Rasul - Muhammad“, auf schwarzem Grund, überschrieben mit dem islamischen Glaubensbekenntnis. Die mehreren Tausend Kämpfer sind dem „Kriegsminister“ unterstellt und in lokale Kampfeinheiten mit jeweils einem Kommandeur gegliedert.

Die von ihr besetzten Gebiete hat die Vereinigung in Gouvernements eingeteilt und einen Geheimdienstapparat eingerichtet; diese Maßnahmen zielen auf die Schaffung totalitärer staatlicher Strukturen. Angehörige der syrischen Armee, aber auch von in Gegnerschaft zum IS stehenden Oppositionsgruppen, ausländische Journalisten und Mitarbeiter von Nichtregierungsorganisationen sowie Zivilisten, die den Herrschaftsanspruch des IS in Frage stellen, sehen sich der Verhaftung, Folter und der Hinrichtung ausgesetzt. Filmaufnahmen von besonders grausamen Tötungen wurden mehrfach vom IS zu Zwecken der Einschüchterung veröffentlicht. Darüber hinaus begeht der IS immer wieder Massaker an Teilen der Zivilbevölkerung und außerhalb seines Machtbereichs Terroranschläge. So hat er auch für Anschläge in Europa, etwa in Frankreich und Belgien, die Verantwortung übernommen.

bb) Die Beschuldigten gehörten einem überörtlichen Netzwerk an, dem der Beschuldigte A. vorstand. A., der sich auch“ W.“ nennt, gehört der salafistisch-jihadistischen Szene in Deutschland an. Er trat bei zahlreichen Veranstaltungen als Redner auf. Er bekannte sich ausdrücklich zum IS und dessen Ideologie und nahm für sich in Anspruch, vom IS beauftragt und autorisiert zu sein, Rechtsgutachten für die Vereinigung zu erstellen und Ausreisen in das von ihr beherrschte Gebiet zu organisieren. Dementsprechend bereitete das von ihm geleitete Netzwerk Personen in Deutschland gezielt darauf vor, sich dem IS anzuschließen, und vermittelte sie als Kämpfer in die vom IS kontrollierten Gebiete.

Eine dieser Personen war der gesondert Verfolgte Oy. Dieser radikalisierte sich ab dem Jahr 2012 zunehmend und nahm von Anfang 2015 bis Juli 2015 in D. und Do. an dem von den Beschuldigten C. und S. geleiteten radikalislamistischen Unterricht teil. Dabei wurde er zunächst in arabischer Sprache und sodann in der Ideologie des IS unterwiesen; insbesondere wurde ihm erklärt, nur Anhänger des IS seien wahre Muslime und das Leben im „Islamischen Staat“ sei deshalb obligatorisch. Außerdem wurden die grausamen Hinrichtungen durch den IS gerechtfertigt. Nach Abschluss dieser Ausbildung und weiterer Indoktrinierung traf Oy. entsprechend der Anweisung der Beschuldigten C. und S. in H. mit dem Beschuldigten A. zusammen, der seine Ausreise nach Syrien in die Wege leiten sollte. Dieser nannte ihm „als seine rechte und seine linke Hand“ die Beschuldigten O. und F. Y. Mit diesen traf sich Oy. mehrfach. Sie empfahlen ihm, sich zunächst auf dem Landweg nach B. zu begeben, von dort nach Rhodos zu fliegen und dann weiter in die Türkei und letztlich nach Syrien zu reisen. So sollte ein Einschreiten der Behörden verhindert werden, das die Beteiligten befürchteten, weil Oy. bereits am 7. Juli 2015 eine Verfügung der Stadt Aa. zugestellt worden war, mit der ihm sein Reisepass entzogen und der Geltungsbereich seines Personalausweises auf das Bundesgebiet beschränkt worden war. Außerdem gaben ihm die Beschuldigten O. und F. Y. Telefonnummern von Schleusern, die er nach seinem Eintreffen in der Türkei kontaktieren sollte, um seine Weiterreise nach Syrien zu bewerkstelligen, und erteilten ihm klare Anweisungen, wie er sich nach der Ankunft in der Türkei verhalten solle. Schließlich schlugen sie ihm vor, zur Ausreisefinanzierung Mobilfunkverträge abzuschließen, um in den Besitz hochpreisiger Apple-Geräte zu gelangen. Dem kam Oy. nach und händigte die Geräte an den Beschuldigten O. und dessen Begleiter aus, die ihm dafür mehrere Hundert Euro gaben. Zuvor hatte sich Oy. noch ein Rechtsgutachten von dem Beschuldigten A. ausstellen lassen, das ein solches Vorgehen für islamisch gerechtfertigt erklärte, weil „jeder Muslim auf der Welt das Recht hätte sich das Eigentum eines Nicht Muslim anzueignen.“ Das „Gut und Blut der Nicht Muslime“ sei nicht geschützt.

Tatsächlich reiste der gesondert Verfolgte Oy. mit seiner Frau ab dem 7. August 2015 über B. und R. nach Al. in der Türkei. Von dort teilte er wie verabredet dem Beschuldigten F. Y. seine Ankunft mit. Außerdem kontaktierte er einen der ihm genannten Schleuser unter der angegebenen Telefonnummer, der ihn wiederum an eine weitere Person verwies, mit deren Hilfe Oy. und seine Frau ein sogenanntes Safe-House in U. in der Türkei erreichten. Von dort wurden sie schließlich nach Syrien geschleust, wo sich Oy. dem IS als Mitglied anschloss.

b) Der dringende Tatverdacht ergibt sich hinsichtlich der terroristischen Vereinigung IS aus Auswertungen des Bundeskriminalamtes und insbesondere aus Gutachten des Sachverständigen Dr. St. .

Dass es mit großer Wahrscheinlichkeit ein überregionales Netzwerk um den Beschuldigten A. gab, in welches die anderen Beschuldigten eingebunden waren und in der beschriebenen Art und Weise an der Planung, Vorbereitung und Organisation der Ausreise Oy. nach Syrien zum Anschluss an den IS mitwirkten, ergibt sich aus den detaillierten Angaben des Oy., der in zahlreichen Beschuldigtenvernehmungen die Beteiligung der einzelnen Beschuldigten im Einzelnen geschildert hat. Seine Aussage wird weitgehend bestätigt durch Angaben einer durch das Landeskriminalamt Nordrhein-Westfalen geführten Vertrauensperson, der der Generalbundesanwalt Vertraulichkeit zugesichert hat. Eine weitere, durch das Landeskriminalamt Hessen geführte Vertrauensperson hat bekundet, dass sich der Beschuldigte A. im Rahmen eines Seminars in einer Moschee in K. ausdrücklich zum IS bekannte und zum Jihad in den Reihen dieser Vereinigung aufrief. Wegen der Einzelheiten der Beweisgrundlage nimmt der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen zunächst Bezug auf die Ausführungen in den Haftbefehlen sowie in dem Beschluss des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs vom 7. Dezember 2016 (2 BGs 879/16), mit dem er den Haftbefehl gegen den Beschuldigten F. Y. aufrechterhalten und in Vollzug belassen hat.

Darüber hinaus haben weitere Zeugen etwa die radikalislamistischen Inhalte des von dem Beschuldigten C. erteilten Unterrichts bestätigt. Die Übergabe der durch den Abschluss von Mobilfunkverträgen erlangten Geräte durch Oy. an O. ist von den Behörden observiert worden. Die Angaben des Oy. zu seinen Reisebewegungen haben sich gleichfalls anhand von Reiseunterlagen objektivieren lassen. Es existieren zudem mittlerweile Erkenntnisse, die den Verdacht begründen, dass die Beschuldigten die Ausreise weiterer Personen zum IS ebenfalls organisiert und unterstützt haben. Insoweit kann - weil die Haftbefehle darauf nicht gestützt sind - derzeit offenbleiben, ob gegen die Beschuldigten ein dringender Tatverdacht hinsichtlich weiterer Unterstützungshandlungen besteht; jedenfalls stützen diese Erkenntnisse aber die Ermittlungsergebnisse hinsichtlich des vorliegenden Falles und bestärken insoweit den dringenden Tatverdacht.

3. In rechtlicher Hinsicht ergibt sich daraus, dass die Beschuldigten der Unterstützung einer terroristischen Vereinigung im Ausland, deren Zwecke und deren Tätigkeit darauf gerichtet sind, Mord (§ 211 StGB), Totschlag (§ 212 StGB) oder Kriegsverbrechen (§§ 8, 9, 10, 11 oder § 12 VStGB) zu begehen, dringend verdächtig sind (strafbar nach § 129a Abs. 5 Satz 1, § 129b Abs. 1 Sätze 1 und 2 StGB). Ihnen war bekannt und es war auch von ihnen gewollt, dass Oy. sich dem IS als Kämpfer anschließen wollte. Indem sie seine Bereitschaft dazu förderten und ihm bei der Organisation seiner - erfolgreichen - Ausreise und dem Anschluss an den IS behilflich waren, förderten sie die terroristischen Ziele dieser Vereinigung.

Deutsches Strafrecht ist anwendbar. Dies folgt jedenfalls aus § 3 StGB in Verbindung mit § 129b Abs. 1 Satz 2 Variante 1 und 4 StGB: Die Unterstützungshandlungen wurden in der Bundesrepublik Deutschland verübt; die Tat wurde mithin durch eine in Deutschland ausgeübte Tätigkeit begangen und die Beschuldigten befinden sich in Deutschland (vgl. zum Strafanwendungsrecht nach § 129b Abs. 1 Satz 2 StGB auch BGH, Beschluss vom 6. Oktober 2016 15 16 - AK 52/16, juris Rn. 34 ff.). Hinsichtlich der Beschuldigten S. und O. gilt zudem § 129b Abs. 1 Satz 2 Variante 2 StGB, weil sie (auch) deutsche Staatsangehörige sind.

Die nach § 129b Abs. 1 Sätze 2 und 3 StGB erforderliche Ermächtigung zur strafrechtlichen Verfolgung von bereits begangenen und künftigen Taten im Zusammenhang mit der sich als „Islamischer Staat im Irak und Großsyrien“ sowie als „Islamischer Staat“ bezeichnenden ausländischen terroristischen Vereinigung liegt - als Neufassung der bisherigen Verfolgungsermächtigung - seit dem 13. Oktober 2015 vor.

4. Es besteht hinsichtlich aller Beschuldigten der Haftgrund der Fluchtgefahr, § 112 Abs. 2 Nr. 2 StPO. Sie haben im Fall ihrer Verurteilung empfindliche Freiheitsstrafen zu erwarten, die einen erheblichen Fluchtanreiz begründen. Bei dem IS handelt es sich um eine besonders gefährliche und grausam vorgehende terroristische Vereinigung. Die Unterstützungshandlungen der Beschuldigten waren auch schwerwiegend, weil sie als Teil eines überregional agierenden Netzwerks dazu beitrugen, dieser Vereinigung einen Kämpfer zur Verfügung zu stellen.

Vor diesem Hintergrund steht nicht zu erwarten, dass die Beschuldigten dem von der Straferwartung ausgehenden Fluchtanreiz widerstehen und sich den deutschen Strafverfolgungsbehörden freiwillig zur Verfügung stellen werden. Dies gilt insbesondere mit Blick darauf, dass die Beschuldigten überwiegend als ausländische Staatsangehörige (der Beschuldigte A. hat die irakische, der Beschuldigte C. die türkische, der Beschuldigte F. Y. die kamerunische Staatsangehörigkeit, der Beschuldigte S. ist serbischer und deutscher Staatsangehöriger, lediglich der Beschuldigte O. ist trotz seiner libanesischen Herkunft Deutscher) aktiv für die Ausreise aus der Bundesrepublik und den Anschluss an den IS eintreten. Ihre Kontaktpersonen im In- und Ausland sind mit der Schleusung ausreisewilliger Personen befasst, so dass zu befürchten ist, dass auch die Beschuldigten im Fluchtfall auf ihre Unterstützung zurückgreifen und sich dem Strafverfahren entziehen werden. Der Zweck der Untersuchungshaft kann deshalb auch nicht durch weniger einschneidende Maßnahmen im Sinne des § 116 StPO erreicht werden.

5. Die Voraussetzungen für die Fortdauer der Untersuchungshaft über sechs Monate hinaus (§ 121 Abs. 1 StPO) sind gegeben; der Umfang der Ermittlungen und ihre Schwierigkeit haben ein Urteil noch nicht zugelassen und rechtfertigen den weiteren Vollzug der Untersuchungshaft:

Anlässlich der Festnahmen der Beschuldigten wurden ihre Wohnungen und weitere von ihnen genutzte Räumlichkeiten durchsucht. Dabei wurden 79 sogenannte IT-Asservate, d.h. Mobilfunkgeräte, Laptops, Personalcomputer und weitere Speichermedien, sichergestellt. Zur Auswertung der auf den Asservaten gespeicherten Daten mussten diese zunächst gesichert und aufbereitet werden, was teilweise die Durchführung zeitaufwendiger technischer Verfahren erforderlich machte. Die zahlreichen Kontaktdaten, Chatund E-Mailnachrichten, Audio-, Video- und Bilddateien, die - soweit sprachlich - überwiegend in arabischer, kurdischer und türkischer Sprache verfasst sind, müssen - soweit noch nicht geschehen - weitgehend im Beisein von Dolmetschern gesichtet und ausgewertet werden. Diese zeitaufwendigen Arbeiten konnten trotz der bislang mit hohem personellen Einsatz geführten Ermittlungen noch nicht abgeschlossen werden.

Im Anschluss an die Festnahmen wurden zudem der gesondert Verfolgte Oy. mehrfach sowie weitere Zeugen, teilweise im Wege der Rechtshilfe vernommen und deren Angaben wiederum überprüft.

Die Sachakten umfassen mittlerweile über 150 Stehordner, die zum Teil noch digitalisiert werden müssen und sodann - soweit noch nicht geschehen - den Verteidigern der Beschuldigten zur Akteneinsicht in elektronischer Form überlassen werden. Der Generalbundesanwalt hat im Übrigen erklärt, dass gleichwohl zeitnah Anklage gegen die Beschuldigten erhoben werden wird, die die vom Haftbefehl umfasste Tat, aber auch weitere Tatvorwürfe zum Gegenstand haben soll.

Soweit die Verteidigung des Beschuldigten C. einen Verstoß gegen den Beschleunigungsgrundsatz rügt, weil einzelne Ermittlungsmaßnahmen bereits im Februar oder April 2017 abgeschlossen gewesen seien, dringt sie damit angesichts des geschilderten Gangs der Ermittlungen und ihres Umfangs nicht durch. Gleiches gilt für die Einwände des Verteidigers des Beschuldigten F. Y., es könne sich nicht zu Lasten dieses Beschuldigten auswirken, dass auch Wohnungen anderer Beschuldigter durchsucht worden und dort sichergestellte Asservate noch nicht vollständig ausgewertet seien bzw. die Vernehmung von Zeugen sich nur auf andere Beschuldigte und deren möglicherweise gesetzwidrigen Handlungen bezogen habe: Wie dargelegt besteht der dringende Verdacht, dass die Beschuldigten jeweils als Teil eines überregionalen Netzwerks agierten. Beweismittel können aus diesem Grund für jeden der Beschuldigten Bedeutung erlangen. Es entspricht zudem der ständigen Rechtsprechung des Senats, dass die durch objektive Kriterien zu bestimmende Angemessenheit der Verfahrensdauer etwa auch von der Anzahl der beteiligten Personen abhängen kann (BGH, Beschluss vom 4. Februar 2016 - StB 1/16, juris Rn. 20 mwN).

6. Der weitere Vollzug der Untersuchungshaft steht nach alldem nicht außer Verhältnis zur Bedeutung der Sache und der im Falle einer Verurteilung zu erwartenden Strafen (§ 120 Abs. 1 Satz 1 StPO).

HRRS-Nummer: HRRS 2017 Nr. 634

Bearbeiter: Christian Becker