HRRS-Nummer: HRRS 2016 Nr. 316
Bearbeiter: Karsten Gaede
Zitiervorschlag: BGH, StB 4/16, Beschluss v. 10.03.2016, HRRS 2016 Nr. 316
Die Beschwerde des Beschuldigten gegen den Haftbefehl des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs vom 11. Dezember 2015 - 5 BGs 268/15 - wird verworfen.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
1. Der Beschuldigte wurde am 15. Dezember 2015 festgenommen und befindet sich seit diesem Tag aufgrund des Haftbefehls des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs vom 11. Dezember 2015 (5 BGs 268/15) in Untersuchungshaft.
Gegenstand des mit der Beschwerde angefochtenen Haftbefehls ist der Vorwurf, der Beschuldigte habe von Juli bis November 2013 durch vier rechtlich selbständige Handlungen die terroristische Vereinigung im Ausland „Jaish al Muhajirin wal Ansar“ („Armee der Auswanderer und Helfer“, im Folgenden: JAMWA) und damit eine Vereinigung unterstützt, deren Zwecke und Tätigkeiten darauf gerichtet seien, Mord (§ 211 StGB) oder Totschlag (§ 212 StGB) zu begehen (strafbar gemäß § 129a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 5 Satz 1, § 129b Abs. 1 Satz 1 und 2, § 53 StGB).
2. Die Beschwerde des Beschuldigten gegen den Haftbefehl ist unbegründet.
a) Nach dem bisherigen Ermittlungsstand ist im Sinne eines dringenden Tatverdachts von folgendem Sachverhalt auszugehen:
aa) Die JAMWA gründete sich im März 2013 durch die Vereinigung der von dem aus Georgien stammenden ethnischen Tschetschenen Tarkhan Batirashvili (Kampfname Abu Umar al Shishani) angeführten Gruppierung „Katibat al Muhajirin“ („Emigranten Bataillon“ oder auch „Muhajirin Brigade“) mit den militanten syrischen Gruppen „Jaish Muhammad“ und „Kata'ib Khattab“. Uneingeschränkter Anführer der militärisch hierarchisch organisierten Vereinigung blieb Abu Umar al Shishani, dem ein Schura-Rat und ein Komitee für Fragen der Scharia beigeordnet waren. An unterster Stelle der Hierarchie standen die mehreren hundert Kämpfer, zu denen auch die Kampfgruppe der „Muhajirun halab“ zählte. Das Ziel der Vereinigung, die Errichtung eines islamischen Kalifats voranzutreiben, suchte sie im Wege des militärischen Kampfs dadurch zu erreichen, dass sie auf Seiten der Gegner Assads in den syrischen Bürgerkrieg eingriff. Kampfgebiet der JAMWA war der Großraum um die syrische Stadt Aleppo.
Ende November des Jahres 2013 legten Abu Umar al Shishani und ein Teil seiner Kämpfer den Treueid auf Abubakr al Baghdadi, den Anführer des ISIG ab; in einer am 11. Dezember 2013 veröffentlichten Verlautbarung erklärte Abu Umar al Shishani, die JAMWA sei durch den Treueid auf al Baghdadi aufgelöst. Seit diesem Zeitpunkt sind die Abu Umar al Shishani folgenden Kämpfer, zu denen auch die Kampfgruppe der „Muhajirun halab“ zählt, als Teil des ISIG anzusehen.
Ein Teil der Mitglieder der JAMWA sah sich durch den zuvor auf Doku Umarov, den damaligen Anführer der Vereinigung Kaukasisches Emirat, geleisteten Gefolgschaftseid gehindert, sich dem ISIG anzuschließen. Unter der Führung des früheren Kommandeurs Salahuddin al Shishani spalteten sie sich von Abu Umar al Shishani ab und führen den Namen JAMWA weiter, haben ihm jedoch den Zusatz „Islamisches Emirat Kaukasus“ hinzugefügt.
bb) Der Beschuldigte ist ein bundesweit bekannter salafistischer Prediger, der den bewaffneten Jihad befürwortet und als religiöse Pflicht ansieht. Er führt den Konvertitennamen „H.“ und den Predigernamen „A. ". Er hatte seit dem Jahr 2005 leitende Funktionen in dem unter seiner Mitwirkung gegründeten, salafistisch ausgerichteten Moscheeverein „I. e.V.“ inne, der nach einem unter Mitwirkung des Beschuldigten zustande gekommenen Zusammenschluss mit einem anderen Moscheeverein den Namen „E. e.V.“ übernahm, und führte wiederholt Umrah- und Hadschreisen durch.
Mit Ausbruch des Bürgerkrieges in Syrien zielten die Aktivitäten des Beschuldigten darauf, Glaubensbrüdern eine gewaltbefürwortende Auslegung des Islams zu vermitteln und sie zu motivieren, sich an dem als bewaffneten Kampf verstandenen Jihad in Syrien zu beteiligen. Ihm kam in Deutschland die Funktion einer Anlaufstelle für Kampf- und Ausreisewillige insbesondere aus dem Personenumfeld der salafistischen Szene in M. zu. Er fungierte als Bindeglied zur JAMWA und stand dabei in intensivem Kontakt mit dem deutschen Konvertiten Sch., der sich als Mitglied der JAMWA in Syrien aufhielt und Führer einer Kampfgruppe des in Hraytan - einem sechs Kilometer nordwestlich gelegenen Vorort von Aleppo - ansässigen Kampfverbandes „Muhajirun halab“ („Auswanderer von Aleppo“) war. Neben seiner Einbindung in die Rekrutierung von Kämpfern sorgte der Beschuldigte von Deutschland aus für die logistische Unterstützung des Kampfverbandes.
Im Anschluss an eine von ihm im Juli/August 2013 geleitete Pilgerreise nach Mekka vermittelte und koordinierte der Beschuldigte die Reise des zur Teilnahme am bewaffneten Jihad in Syrien entschlossenen I. Is. von Deutschland nach Syrien und dessen Eingliederung in die von Sch. geführte Kampfgruppe „Muhajirun halab“. Er handelte dabei in enger Abstimmung mit Sch. sowie dem Schleuser Mo. und übergab I. Is. für dessen Ausreise 100 €. Gleichermaßen organisierte der Beschuldigte Ende August 2013 auch die Ausreise des ebenfalls zur Teilnahme am bewaffneten Jihad in Syrien entschlossenen L. aus Deutschland, der sich aufgrund der Vermittlung des Beschuldigten Anfang September 2013 eine Zeit lang bei der von Sch. geführten Kampfgruppe aufhielt, wobei bisher ungeklärt ist, ob es tatsächlich zu dem beabsichtigten mitgliedschaftlichen Anschluss an die JAMWA kam. Am 26. September 2013 reiste der Beschuldigte mit Hilfe des Schleusers Mo. über die Türkei nach Syrien. Er begab sich zu der in Hraytan gelegenen Basisstation der Kampfgruppe „Muhajirun halab“ und überbrachte I. Is., der sich dort aufhielt, Bargeld in Höhe von 250 €, das ihm dessen Bruder E. Is. zu diesem Zweck hatte zukommen lassen. Anlässlich dieses Aufenthaltes bei der Kampfgruppe erhielt der Beschuldigte den Auftrag, in Deutschland hochwertige Nachtsichtgeräte für den Kampfverband zu beschaffen. Zu diesem Zweck reiste er Anfang Oktober 2013 zurück nach Deutschland und kaufte drei Nachtsichtgeräte, die er anlässlich eines erneuten Aufenthaltes bei der Kampfgruppe entweder selbst mit nach Hraytan nahm oder sie mit Hilfe eines parallel stattfindenden Syrienkonvois der Organisation „He. e.V.“ dorthin bringen ließ.
b) Der dringende Tatverdacht gegen den Beschuldigten wird durch folgende Ermittlungsergebnisse belegt:
aa) Zu der terroristischen Vereinigung JAMWA und der Zuordnung der von Sch. geführten Kampfgruppe „Muhajirun halab“ zu dem Abu Umar al Shishani unterstehenden Flügel der JAMWA beruht er auf den Auswertungen des Bundeskriminalamtes und den Gutachten des Sachverständigen Dr. St. Wegen der Einzelheiten wird insoweit auf die Ausführungen in dem Haftbefehl und die dort in Bezug genommenen Beweismittel verwiesen.
bb) Hinsichtlich der dem Beschuldigten zur Last gelegten Tathandlungen folgt der dringende Verdacht aus einer Gesamtschau der vorliegenden Beweisanzeichen zu seiner radikalislamistischen Einstellung, seiner funktionalen Einbindung in die salafistische Szene in Deutschland als Anlaufstelle für Kampfwillige sowie in ein auf die Unterstützung des gewaltsamen Kampfes in Syrien angelegtes Netzwerk zur Unterstützung der JAMWA, namentlich der von dem JAMWA-Gruppenführer Sch. geführten Kampfgruppe „Muhajirun halab“, und der zu den einzelnen Unterstützungshandlungen gewonnenen Erkenntnissen.
So ergibt sich aus einer von dem Sachverständigen Dr. R. vorgenommenen islamwissenschaftlichen Auswertung einer Vielzahl von Internet- und Facebook-Auftritten des Beschuldigten sowie dessen Äußerungen bei öffentlichen Veranstaltungen, dass der Beschuldigte zum einflussreichen Personenspektrum „salafistischer Verkünder“ in Deutschland zählte und als ideologisches Bindeglied bekannter überregionaler salafistischer Netzwerke fungierte. Aus dem Gutachten des Sachverständigen Dr. R. folgt außerdem, dass der Beschuldigte durch seine nach außen getragene Glaubensfestigkeit sowie seine emotionale Rhetorik eine hohe suggestive Wirkung auf insbesondere jugendliche Personen muslimischen Glaubens ausübte, durch den von ihm eingeforderten bedingungslosen Einsatz für den Islam und die „wahren Muslime“ zugleich die aktive Auseinandersetzung mit den vermeintlichen Gegnern des Islam weltweit zur Pflicht machte und so die Teilnahme am militanten Jihad insbesondere in Syrien legitimierte. Die radikalislamistische Einstellung des Beschuldigten wird untermauert durch die Auswertung von sichergestellten Video- und Bilddateien, auf denen der Beschuldigte im Zusammenhang mit gewaltbefürwortenden Darstellungen mit salafistischem Bezug zu sehen ist.
Die weiteren Ermittlungsergebnisse, insbesondere die Auswertung von Videobotschaften, Telekommunikationsdaten und auf dem Laptop des Beschuldigten sichergestellten Bilddateien, belegen, dass sich der Beschuldigte im Jahr 2013 mehrfach selbst in der Kampfzone bei Aleppo aufhielt und in engem Kontakt zu Gleichgesinnten wie Sch. und dem anderweitig Verfolgten B. stand, der seinerseits kampfbereite Glaubensbrüder bei ihrer Reise nach Syrien unterstützte und Kontakte zu in Syrien agierenden terroristischen Vereinigungen vermittelte sowie Fahrzeuge und Gelder beschaffte, beispielsweise Krankenfahrzeuge, die mit Hilfe des Vereins „He. e.V.“ nach Syrien überführt wurden, um sie den dortigen terroristischen Vereinigungen zuzuführen. Die Auswertung der „WhatsApp-Chats“ von I. Is. und seiner sonstigen Telekommunikationsdaten deutet in hohem Maße darauf hin, dass der Beschuldigte ihn der Kampfgruppe um Sch. zuführte und ihm für die Reise nach Syrien 100 € übergab. Daraus und aus den Telekommunikationsdaten des Beschuldigten ergibt sich insbesondere, dass der Beschuldigte während des gesamten Ausreisezeitraums in engem Kontakt zu I. Is. sowie dem Schleuser Mo. stand, stets über den Stand der Dinge informiert war und die Ausreise von I. Is. koordinierte. Schließlich ergibt sich aus den Angaben, die I. Is. in dem gegen ihn vor dem Oberlandesgericht Stuttgart durchgeführten Strafverfahren gemacht hat, dass er sich in Syrien der von Sch. geführten Kampfgruppe angeschlossen hatte. Der sich daraus ergebende dringende Tatverdacht, dass der Beschuldigte I. Is. der Kampfgruppe von Sch. zuführte, wird entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers nicht dadurch in Frage gestellt, dass I. Is. im Rahmen des gegen ihn geführten Strafverfahrens angegeben hat, von einer Person, die sich“ F.“ genannt habe, an die „Muhajirun halab“ vermittelt worden zu sein. Denn für die Richtigkeit dieser Darstellung liegen keine tatsächlichen Anhaltspunkte vor; die objektiven Beweisanzeichen deuten vielmehr allein darauf hin, dass der Beschuldigte die Ausreise von I. Is. und dessen Anschluss an die „Muhajirun halab“ vermittelte und koordinierte.
Die Auswertung der Telekommunikationsdaten des anderweitig Verfolgten B., die in dem Strafverfahren gegen I. Is. gewonnenen Erkenntnisse und die aus dem Reisepass des Beschuldigten ersichtlichen Reisebewegungen begründen weiter den dringenden Tatverdacht, dass der Beschuldigte auch die Rekrutierung von L. vermittelte und koordinierte. So berichtete B. seinem Gesprächspartner im Rahmen eines im März 2014 geführten Telefongesprächs von einer entsprechenden Vermittlung eines „Marokkaners“ namens „Z.“ durch den Beschuldigten. Nach Lage der Dinge handelte es sich dabei um L., der ebenso wie der Beschuldigte aus der in M. ansässigen salafistischen Szene stammt. Nach den im Strafverfahren gegen I. Is. gewonnenen Erkenntnissen hielt sich L., der noch Ende August 2013 in M. an dem Abschiedstreffen für I. Is. teilgenommen hatte, Ende September 2013 zur selben Zeit wie der Beschuldigte bei der von Sch. geführten Kampfgruppe in Syrien auf. Den Angaben von I. Is. zufolge bat Sch. den Beschuldigten bei diesem Aufenthalt, L. wieder mit nach Deutschland zu nehmen, weil dieser die Gruppe durch sein Verhalten gestört und sich nicht in ausreichendem Maße integriert hatte. Das lässt darauf schließen, dass der Beschuldigte zuvor ebenso wie im Fall von I. Is. auch die Ausreise von L. nach Syrien vermittelt und koordiniert hatte.
Die Auswertung der „WhatsApp-Chats“ von I. Is. mit seinem Bruder E. Is. hat ergeben, dass der Beschuldigte Ende September 2013 I. Is. Bargeld in Höhe von 250 € übergab, das E. Is. dem Beschuldigten zu diesem Zweck hatte zukommen lassen. Einem Telefongespräch, das I. Is. im November 2013 mit einem Freund führte, ist zudem zu entnehmen, dass er das Geld nicht für sich selbst ausgab, sondern - wie alle ihm zur Verfügung stehenden Mittel - der Organisation zugutekommen ließ. Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers deuten die Umstände deshalb darauf hin, dass er I. Is. durch die Übergabe der 250 € in seinem Kampf für die JAMWA unterstützen wollte, sodass auch insoweit der dringende Tatverdacht gegeben ist.
Im Hinblick auf den Kauf der Nachtsichtgeräte ergibt sich der dringende Tatverdacht aus dem engen zeitlichen Zusammenhang zwischen den Aufenthalten des Beschuldigten bei der Kampfgruppe von Sch. in Syrien und der zwischenzeitlichen Bestellung der Nachtsichtgeräte bei dem Bundeswehr-Shop Le. in W. sowie aus den Erkenntnissen über die Lieferung der Geräte an den Beschuldigten. So folgt aus den in seinem Reisepass dokumentierten Reisebewegungen, aus bundespolizeilichen Kontrollmeldungen, aus auf dem Laptop des Beschuldigten gesicherten Bilddateien und aus seinem Chat-Verkehr mit I. Is., dass er sich Ende September und Ende Oktober 2013 bei der von Sch. geführten Kampfgruppe in Hraytan aufhielt; darüber hinaus haben die Ermittlungen zum Kauf der Nachtsichtgeräte bei dem Bundeswehr-Shop Le. in W. ergeben, dass die Geräte Mitte Oktober 2013 telefonisch bestellt, von einem Bekannten des Beschuldigten bezahlt und auftragsgemäß an die Wohnanschrift der Schwiegereltern des Beschuldigten geliefert wurden, in deren Wohnung er sich seinerzeit aufhielt. Zudem war auf dem sichergestellten Laptop des Beschuldigten eine Fotodatei des Zahlungsbelegs abgespeichert, was darauf schließen lässt, dass sein Bekannter dem Beschuldigten die Bezahlung der Nachtsichtgeräte nachweisen musste. Schließlich drängt es sich aufgrund der zeitlichen Abläufe auf, dass der Beschuldigte die Nachtsichtgeräte Ende Oktober 2013 entweder selbst nach Hraytan mitnahm oder sie der Kampfgruppe um Sch. mittels eines zur gleichen Zeit durchgeführten sogenannten Syrien-Hilfstransports des Vereins „He. e.V.“ zukommen ließ.
Wegen der weiteren Einzelheiten der den dringenden Tatverdacht zu den einzelnen Unterstützungshandlungen begründenden Umstände wird ebenfalls auf die Ausführungen in dem Haftbefehl und die dort in Bezug genommenen Beweismittel verwiesen.
c) Danach hat der Beschuldigte mit hoher Wahrscheinlichkeit durch die vier ihm zur Last gelegten Handlungen die ausländische terroristische Vereinigung JAMWA unterstützt (§ 129a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 5 Satz 1, § 129b Abs. 1 Satz 1 und 2, § 53 StGB).
Nach ständiger Rechtsprechung (vgl. BGH, Beschlüsse vom 11. Juli 2013 - AK 13 und 14/13, BGHSt 58, 318, 322 f.; vom 20. September 2012 - 3 StR 314/12, BGHR StGB § 129a Abs. 5 Unterstützen 4; vom 27. Oktober 2015 - 3 StR 334/15, StraFo 2016, 33, 34) ist unter einem Unterstützen im Sinne von § 129a Abs. 5 Satz 1, § 129b Abs. 1 Satz 1 StGB grundsätzlich jedes Tätigwerden zu verstehen, durch das ein Nichtmitglied der Vereinigung deren innere Organisation und ihren Zusammenhalt unmittelbar fördert, die Realisierung der von ihr geplanten Straftaten - wenn auch nicht unbedingt maßgebend - erleichtert oder sich sonst auf deren Aktionsmöglichkeiten und Zwecksetzung in irgendeiner Weise positiv auswirkt und damit die ihr eigene Gefährlichkeit festigt. Dies kann zum einen durch Förderung eines Betätigungsaktes eines Mitglieds geschehen. Zum anderen kann die Förderungshandlung aber auch auf die Vereinigung als solche bezogen sein, ohne dass im konkreten Fall die Aktivität des Nichtmitglieds zu einer einzelnen organisationsbezogenen Tätigkeit eines Organisationsmitglieds hilfreich beitragen muss (vgl. BGH, Beschluss vom 16. Mai 2007 - AK 6/07, BGHSt 51, 345, 350 f.; Urteil vom 14. August 2009 - 3 StR 552/08, BGHSt 54, 69, 117 f.; Beschluss vom 27. Oktober 2015 - 3 StR 334/15, StraFo 2016, 33, 34). Auch muss das Wirken des Nichtmitgliedes nicht zu einem von diesem erstrebten Erfolg führen; es genügt, wenn sein Tun für die Organisation objektiv nützlich ist, ohne dass ein messbarer Nutzen für diese eintritt (BGH, Urteile vom 14. August 2009 - 3 StR 552/08, BGHSt 54, 69, 116; vom 25. Juli 1984 - 3 StR 62/84, BGHSt 33, 16, 17; vom 25. Januar 1984 - 3 StR 526/83, BGHSt 32, 243, 244; Beschluss vom 27. Oktober 2015 - 3 StR 334/15, StraFo 2016, 33, 34).
Hier haben alle vier dem Beschuldigten zur Last gelegten Tathandlungen eine derartige positive Auswirkung auf die JAMWA gehabt. Das gilt insbesondere auch im Hinblick auf die Zuführung von L. zu der Organisation. Es kommt insoweit letztlich nicht darauf an, ob es tatsächlich zu dem beabsichtigen mitgliedschaftlichen Anschluss von L. an die von Sch. geführte Kampfgruppe gekommen ist. Denn jedenfalls war es für die Ziele der Vereinigung bereits objektiv von Nutzen, dass L. vor dem Hintergrund der von dem Beschuldigten mit Sch. getroffenen Absprachen mit dem Ziel, eine Mitgliedschaft in der Organisation zu begründen, nach Syrien ausgereist war und sich eine Zeit lang in der Gemeinschaft der Kampfgruppe aufhielt.
Deutsches Strafrecht ist anwendbar. Das folgt sowohl aus § 129b Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 StGB als auch aus § 9 Abs. 2 Satz 1 StGB (vgl. BGH, Beschluss vom 19. Mai 2015 - AK 10/15, NStZ-RR 2015, 242, 243), weil der Beschuldigte einen wesentlichen Teil der Tathandlungen im Inland begangen hat und zudem deutscher Staatsangehöriger ist.
Die nach § 129b Abs. 1 Satz 2 und 3 StGB erforderliche Ermächtigung zur strafrechtlichen Verfolgung von Mitgliedern oder Unterstützern der JAMWA liegt vor.
d) Es besteht aus den zutreffenden Gründen des angefochtenen Haftbefehls der Haftgrund der Fluchtgefahr (§ 112 Abs. 2 Nr. 2 StPO). Der Beschuldigte hat im Falle seiner Verurteilung mit einer erheblichen Freiheitsstrafe zu rechnen. Dem davon ausgehenden Fluchtanreiz stehen keine hinreichenden fluchthindernden Umstände entgegen. Insbesondere sind die persönlichen und familiären Bindungen des Beschuldigten nicht geeignet, den Fluchtanreiz zu relativieren. Sie haben ihn nicht davon abgehalten, im Jahr 2013 mehrmals nach Syrien zu reisen und sich bei der Kampfgruppe „Muhajirun halab“ im Kampfgebiet aufzuhalten. Auch über ein ihm behördlich erteiltes und gerichtlich bestätigtes Ausreiseverbot hat der Beschuldigte sich bereits wiederholt hinweggesetzt. Zudem ist davon auszugehen, dass er nach wie vor auf ein Netzwerk Gleichgesinnter zurückgreifen kann, das ihm ein Untertauchen ermöglicht. In Anbetracht dessen entfällt der Haftgrund der Fluchtgefahr entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers auch nicht deshalb, weil er bislang nicht untergetaucht ist, obwohl ihm schon seit längerer Zeit bekannt ist, dass gegen ihn ermittelt wird. Nachdem eine vor dem Landgericht Stuttgart gegen ihn erhobene Anklage wegen Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat (§ 89a StGB aF) am 21. Mai 2014 zurückgenommen und der Beschuldigte am selben Tag aus der seit dem 24. Februar 2014 vollzogenen Untersuchungshaft entlassen worden war, konnte er davon ausgehen, dass keine Verurteilungswahrscheinlichkeit besteht. Das hat sich nunmehr aufgrund des in dieser Sache gegebenen dringenden Tatverdachts grundlegend geändert.
Der Haftzweck kann nur durch den Vollzug der Untersuchungshaft erreicht werden; weniger einschneidende Maßnahmen im Sinne des § 116 StPO reichen nicht aus.
Schließlich steht die Anordnung der Untersuchungshaft auch unter Berücksichtigung der bereits vollzogenen Untersuchungshaft nicht außer Verhältnis zu der Schwere der dem Beschuldigten zur Last gelegten Taten und der im Falle der Verurteilung zu erwartenden Strafe (§ 120 Abs. 1 Satz 1 StPO).
HRRS-Nummer: HRRS 2016 Nr. 316
Bearbeiter: Karsten Gaede