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HRRS-Nummer: HRRS 2017 Nr. 523

Bearbeiter: Karsten Gaede/Marc-Philipp Bittner

Zitiervorschlag: BGH, 2 StR 439/16, Beschluss v. 22.02.2017, HRRS 2017 Nr. 523


BGH 2 StR 439/16 - Beschluss vom 22. Februar 2017 (LG Köln)

Nachträgliche Bildung der Gesamtstrafe (Ausgleich gescheiterter Gesamtstrafenbildung bei Strafzumessung; Durchführung in der Hauptverhandlung).

§ 55 StGB; 354 Abs. 1b StPO; § 460 StPO; § 462 StPO

Entscheidungstenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Köln vom 2. März 2016 im Strafausspruch aufgehoben; jedoch bleiben die zugehörigen Feststellungen aufrechterhalten.

2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere als Schwurgericht zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

3. Die weitergehende Revision des Angeklagten wird verworfen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Totschlags zu einer Freiheitsstrafe von zwölf Jahren verurteilt. Hiergegen richtet sich die auf Verfahrensrügen und die Sachbeschwerde gestützte Revision des Angeklagten. Das Rechtsmittel hat in dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.

Die Verfahrensrügen und die gegen den Schuldspruch gerichtete Sachbeschwerde bleiben aus den vom Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift vom 30. September 2016 genannten Gründen ohne Erfolg. Jedoch kann der Strafausspruch keinen Bestand haben.

Ist nach § 55 StGB eine nachträgliche Gesamtstrafenbildung an sich möglich, scheitert sie aber daran, dass die früher erkannte Strafe bereits vollstreckt, verjährt oder erlassen ist, oder wird durch die Zäsurwirkung einer früheren Verurteilung die Bildung einer Gesamtstrafe verhindert, ist die darin liegende Härte bei der Bemessung der nunmehr zu verhängenden Strafe auszugleichen (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschluss vom 9. November 2010 - 4 StR 441/10, BGHR StGB § 55 Abs. 1 Satz 1 Härteausgleich 20; Urteil vom 5. November 2014 - 1 StR 299/14, BGHR StGB § 55 Bemessung 4 jew. mwN). Dies hat das Landgericht nicht geprüft, obwohl ein solcher Fall nach den getroffenen Feststellungen in Betracht kommt.

Das Landgericht hat festgestellt, dass der auch schon 2011 verurteilte Angeklagte nach der Tatbegehung in dieser Sache am 12. März 2012 vom Amtsgericht K. durch Urteil vom 16. März 2012 wegen Betrugs zu einer Geldstrafe sowie am 10. Oktober 2012 vom Amtsgericht B. wegen Vorenthaltens von Arbeitnehmerbeiträgen zur Sozialversicherung in dreiundzwanzig Fällen zu einer Gesamtgeldstrafe verurteilt wurde. Daraus bildete das Amtsgericht K. mit Beschluss vom 4. März 2013 eine Gesamtgeldstrafe von 350 Tagessätzen zu je zwanzig Euro. Diese Gesamtgeldstrafe ist im Wege einer Ersatzfreiheitsstrafe vollstreckt worden. Feststellungen zur Tatzeit in den dort abgeurteilten Fällen hat das Landgericht nicht getroffen. Deshalb kann anhand der Urteilsgründe nicht geprüft werden, ob Einzelstrafen aus den Entscheidungen der Amtsgerichte K. und B. hypothetisch in eine Gesamtstrafe mit der Strafe wegen der vorliegenden Tat einzubeziehen gewesen wären.

Der Erörterungsmangel zwingt zur Aufhebung des Strafausspruchs. Die zugehörigen Feststellungen sind rechtsfehlerfrei getroffen worden und können aufrechterhalten bleiben. Ergänzende Feststellungen sind möglich, soweit sie nicht zu den bisherigen Feststellungen im Widerspruch stehen.

Die neu zu treffende Entscheidung über den Gesamtstrafenausspruch kann nicht gemäß § 354 Abs. 1b StPO dem Beschlussverfahren nach §§ 460, 462 StPO überlassen werden, weil die hier unter Umständen erforderliche Entscheidung über einen Härteausgleich nicht in den Regelungsbereich dieser Vorschriften fällt. Sie ist der Entscheidung des Tatgerichts nach Durchführung einer Hauptverhandlung vorbehalten (vgl. Senat, Beschluss vom 25. Februar 2016 - 2 StR 31/16, NStZ-RR 2016, 251).

HRRS-Nummer: HRRS 2017 Nr. 523

Bearbeiter: Karsten Gaede/Marc-Philipp Bittner