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HRRS-Nummer: HRRS 2021 Nr. 921

Bearbeiter: Christian Becker

Zitiervorschlag: BGH, 1 BGs 340/21, Beschluss v. 06.08.2021, HRRS 2021 Nr. 921


BGH Ermittlungsrichter 1 BGs 340/21 - Beschluss vom 6. August 2021

Antrag des Untersuchungsausschusses auf Aufhebung der Geheimhaltung von Beweismitteln (Statthaftigkeit; Zulässigkeit; Fortbestehen des Untersuchungsausschusses; Abschlussbericht; Zeitpunkt der Entscheidung; Deutscher Bundestag; keine Rechtsnachfolge in die Antragsberechtigung; Erheblichkeit für die Untersuchung; öffentliches Interesse).

§ 30 PUAG; Art. 44 GG

Leitsätze des Bearbeiters

1. Einen Antrag gem. § 30 Abs. 4 Satz 2 PUAG, mit dem die Aufhebung einer vom Untersuchungsausschuss zunächst vorgenommenen Einstufung von Beweismitteln als „geheim“ für zulässig erklärt werden soll, kann ausschließlich der Untersuchungsausschuss oder ein Viertel seiner Mitglieder stellen. Da die Zulässigkeitsvoraussetzungen im Zeitpunkt der Entscheidung vorliegen müssen, fehlt es an der Antragsberechtigung, wenn der Untersuchungsausschuss in diesem Zeitpunkt aufgrund der Besprechung und Kenntnisnahme seines Abschlussberichts durch das Plenum aufgehört hat zu existieren. Eines Auflösungsbeschlusses des Deutschen Bundestages bedarf es insoweit nicht.

2. Der Deutsche Bundestag tritt regelmäßig nicht als Rechtsnachfolger des Untersuchungsausschusses in dessen Antragsberechtigung ein. Träger des Untersuchungsrechts aus Art. 44 GG ist zwar der Bundestag selbst. Allerdings sieht Art. 44 Abs. 1 GG vor, dass der Bundestag für die Durchführung der Untersuchung einen Untersuchungsausschuss einsetzt, der in öffentlicher Verhandlung die erforderlichen Beweise erhebt. Der Deutsche Bundestag ist hiernach zwar der Herr über das „ob“ und das „inwieweit“ einer Untersuchung, er kann sich aber nicht selbst als Untersuchungsausschuss einsetzen und auch nicht selbst als ein solcher handeln.

3. Gemäß § 30 Abs. 3 PUAG kann der Untersuchungsausschuss nach Durchsicht und Prüfung der in § 30 Abs. 1 PUAG bezeichneten Beweismittel die Aufhebung der Einstufung in den Geheimhaltungsgrad „geheim“ beschließen, soweit die Beweismittel für die Untersuchung erheblich sind. Dies ist regelmäßig ausgeschlossen, wenn der Untersuchungsausschuss seine Untersuchung im Zeitpunkt der Antragsstellung bereits beendet hat.

Entscheidungstenor

Der Antrag vom 24. Juni 2021 wird verworfen.

Gründe

I.

Der Antragsteller begehrt, die Aufhebung des Geheimhaltungsgrades GEHEIM in Bezug auf Beweismittel für zulässig zu erklären, die ihm von der Antragsgegnerin übergeben wurden.

1. Der 3. Untersuchungsausschuss der 19. Wahlperiode des Deutschen Bundestages hat unter anderem den Auftrag, mit Blick auf die zentrale Bedeutung der Verlässlichkeit testierter Abschlussberichte für die Finanz- und Börsenaufsicht zu untersuchen, ob die Wirtschaftsprüferinnen und Wirtschaftsprüfer in Bezug auf die Prüfungen und Testierungen der Jahresabschlüsse, Konzernabschlüsse, Lageberichte und Bilanzen von Unternehmen des Wirecard-Konzerns möglicherweise geltendes Recht verletzt haben oder von Rechnungslegungs- oder Prüfstandards abgewichen sind und inwiefern dabei gegebenenfalls mögliche Interessenkonflikte eine Rolle spielten (vgl. zum Untersuchungsauftrag im Einzelnen BT-Drs. 19/22996).

Mit Beweisbeschluss vom 29. Oktober 2020 ersuchte der Antragsteller die Antragsgegnerin gemäß § 29 Abs. 1 PUAG um die Herausgabe insbesondere sämtlicher Akten, Dokumente, gespeicherter Daten und sonstiger sächlicher Beweismittel, die im Zusammenhang mit den von der Antragsgegnerin durchgeführten Prüfungen der Abschlüsse und Lageberichte der Gesellschaften des Wirecard-Konzerns für die Jahre von 2014 bis 2019 stehen, einschließlich der internen Prüfungsunterlagen und sämtlicher Informationen zu der Kommunikation zwischen der Antragsgegnerin und Vertretern der Wirecard-AG.

2. Am 18. Dezember 2020 übergab die Antragsgegnerin unter Hinweis auf die ihrer Auffassung nach bestehenden Verschwiegenheitspflichten in versiegelten Kisten und damit ohne rechtmäßige Zugriffsmöglichkeit, erste Unterlagen in Erfüllung des Beweisbeschlusses. Zugleich beantragte sie gegenüber dem Antragsteller, die übergebenen Dokumente als geheime Verschlusssache einzustufen, weil sie „Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse (nicht nur von Wirecard-Gesellschaften, sondern insbesondere auch von ...) [enthielten], deren streng vertrauliche Behandlung sichergestellt sein muss“. Auf einem Ausdruck der diesen Antrag enthaltenden E-Mail der Rechtsanwälte der Antragsgegnerin vom 18. Dezember 2020 ist handschriftlich die Notiz „Einstufung als GEHEIM gemäß § 15 Abs. 1 Satz 2 PUAG“ aufgebracht. Nachdem der Bundesgerichtshof mit Beschluss vom 27. Januar 2021 - StB 43, 44 und 48/20 entschieden hatte, dass der Insolvenzverwalter der Wirecard AG die Antragsgegnerin wirksam von ihrer Verschwiegenheitspflicht entbunden hat, gestattete die Antragsgegnerin die Öffnung der übergebenen Kisten und übergab mit Begleitschreiben vom 17. Februar 2021 Laptops, auf denen weitere Dokumente gespeichert sind. Auch in Bezug auf diese Beweismittel beantragte die Antragsgegnerin die Einstufung als GEHEIM, weil sie „wichtige Geschäftsund/oder Betriebsgeheimnisse unserer Mandantin“ beträfen. Der Antragsteller stufte daher auch die Laptops mit den darauf befindlichen Daten gemäß § 15 Abs. 1 Satz 2 PUAG als GEHEIM ein.

3. Mit Beschluss vom 4. März 2021 setzte der Antragsteller gemäß § 10 PUAG einen Ermittlungsbeauftragten zur Sichtung und Auswertung der von der Antragsgegnerin vorgelegten Beweismittel auf ihre Relevanz zur Erfüllung des Untersuchungsauftrages ein. Der Ermittlungsbeauftragte sollte sich zunächst einen Überblick über die Beweismittel verschaffen und mit den Obleuten des Untersuchungsausschusses die Kriterien und Schwerpunkte für seine Auswertung erörtern. Zum Ergebnis seiner Untersuchungen sollte er dem Ausschuss einen Bericht erstatten. Zu Ermittlungsbeauftragten bestellte der Antragsteller Herrn Martin Wambach sowie drei weitere Wirtschaftsprüfer von R. zur Unterstützung seiner Arbeit. Unter dem 16. April 2021 erstattete der Ermittlungsbeauftragte Martin Wambach seinen Bericht, den er auf Bitten des Antragstellers mit Addenda vom 19. April 2021 und vom 19. Mai 2021 ergänzte (alle drei Berichte zusammen sind die sogenannten „Wambach-Berichte“). Da in den Berichten umfänglich Inhalte aus den als GEHEIM eingestuften Dokumenten der Antragsgegnerin wörtlich oder sinngemäß wiedergegeben werden, stufte der Antragsteller die Wambach-Berichte ebenfalls gemäß § 15 Abs. 1 Satz 2 PUAG als GEHEIM ein. In den Berichten geht es um Teilbereiche der Prüfungstätigkeit der Antragsgegnerin bei der Wirecard AG im Zeitraum zwischen 2014 und 2019.

4. Der Antragsteller bat die Antragsgegnerin mit Schreiben vom 20. April 2021 und vom 25. Mai 2021 entsprechend § 30 Abs. 4 Satz 1 PUAG um Zustimmung zur Aufhebung der Einstufung der in den Berichten wiedergegebenen Dokumenteninhalte. Die anwaltlichen Vertreter der Antragsgegnerin widersprachen der Aufhebung und führten zur Begründung aus, dass es sich bei den in Frage stehenden Dokumenten „um eine Auswahl aus den internen Arbeitspapieren unserer Mandantin, also um das Herzstück der Prüfungen und damit das Zentrum der beruflichen Tätigkeit der Prüfer ... [handelt]. Solche Unterlagen enthalten Betriebsgeheimnisse und tangieren Persönlichkeitsrechte der Gesellschaft wie auch von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Sie genießen deshalb Grundrechtsschutz und sind entsprechend § 30 Abs. 1 PUAG unter Geheimschutz gestellt“. Aufgrund des Widerspruchs der Antragsgegnerin schwärzte der Antragsteller die in den Wambach-Berichten wiedergegebenen Inhalte der weiterhin als GEHEIM eingestuften Dokumente und hob nur die GEHEIM-Einstufung der mit Schwärzungen versehenden Fassungen der Wambach-Berichte auf. Geschwärzt sind darin alle wörtlichen und/oder inhaltlichen Bezüge auf konkrete Handlungen der Antragsgegnerin und ihrer Mitarbeiter sowie der Wirecard AG und ihren Tochterunternehmen, ferner Angaben zu konkreten Projekten und Herangehensweisen der Antragsgegnerin bzw. ihrer Wirtschaftsprüfer an die bei der Prüfung der Wirecard AG aufgekommenen Themen wie die Bilanzierung des Drittpartner-Geschäfts oder der Umgang mit den öffentlichen Anschuldigungen gegen Wirecard sowie personenbezogene Daten. Die geschwärzten Fassungen der Wambach-Berichte sind nicht aus sich heraus verständlich.

5. In seiner Sitzung am 21. Juni 2021 fasste der Antragsteller folgenden Beschluss: „Die Berichte der Ermittlungsbeauftragten Wambach, Storbeck, Haendel und Mattner vom 16. April, 19. April und 19. Mai 2021 werden in elektronischer Form dem Ausschussbericht zunächst in ihrer ausgestuften, umfänglich geschwärzten Fassung als Anlage beigefügt. Sobald und soweit die Ermittlungsrichterin oder der Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs auf Antrag des Ausschusses gemäß § 30 Abs. 4 Satz 2 PUAG die Aufhebung des Geheimhaltungsgrades GEHEIM für die darin verwerteten Beweismittel für zulässig erklärt hat, werden die Berichte ungeschwärzt als Anlage bzw. Ergänzung des Ausschussberichts veröffentlicht. Der Ausschuss beschließt für diesen Fall vorsorglich die Ausstufung der Berichte in dem gerichtlich für zulässig erklärtem Umfang.“ Ferner schloss der Antragsteller am 21. Juni 2021 die Beweisaufnahme und hat „abschließend über seinen Bericht beschlossen“ (so ausdrücklich BT-Drs. 19/30900, Seite 122). Mit der ebenfalls auf den 21. Juni 2021 datierenden Beschlussempfehlung „Der Bundestag wolle beschließen, den Bericht des 3. Untersuchungsausschusses der 19. Wahlperiode nach Artikel 44 des Grundgesetzes zur Kenntnis zu nehmen.“ legte der Antragsteller seinen Abschlussbericht (BTDrs. 19/30900) am 22. Juni 2021 dem Deutschen Bundestag vor. Der Abschlussbericht ist durchgängig mit „Vorabfassung - wird durch die endgültige Fassung ersetzt.“ gekennzeichnet und enthält auf Seite 1671 mit Bezug auf die Wambach-Berichte folgende Formulierung: „Damit diese Berichte künftig möglichst weitgehend öffentlich verfügbar und nachvollziehbar sind, hat der Ausschuss beim Ermittlungsrichter des BGH ein Verfahren eingeleitet, die bisher auf Verlangen von ... unkenntlich gemachten Quellen zu entschwärzen. Zum Zeitpunkt der Berichtserstellung war das Gerichtsverfahren noch nicht abgeschlossen.“ Auf Seite 2026 wird zudem darauf hingewiesen, dass der 6. Teil mit Statistiken, Übersichten und Anlagen „erst mit der endgültigen Fassung der Drucksache veröffentlicht“ wird.

6. Am 24. Juni 2021 übermittelte der Verfahrensbevollmächtigte des Antragstellers die auf denselben Tag datierende Antragsschrift des vorliegenden Verfahrens vorab per E-Mail an den Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs unter Beifügung nur der geschwärzten Fassungen der Wambach-Berichte. Mit Verfügung vom selben Tag gab der Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs der Antragsgegnerin Gelegenheit zur Stellungnahme zu der Antragsschrift, nachdem die Verfahrensbevollmächtigten der Antragsgegnerin schon mit Schutzschrift vom 21. Mai 2021 um rechtlichen Gehörs für den Fall eines Antrags nach § 30 Abs. 4 Satz 2 PUAG gebeten hatten und im Rubrum der Antragsschrift die Antragsgegnerin ausdrücklich als solche bezeichnet worden war.

7. In seiner Sitzung am 25. Juni 2021 stimmte der Deutsche Bundestag der Beschlussempfehlung des Antragstellers einstimmig zu (vgl. Protokoll des Deutschen Bundestages - 19. Wahlperiode - 237. Sitzung, Seite 30945 ff.).

8. Die nicht geschwärzten Fassungen der Wambach-Berichte gingen dem Gericht am 1. Juli 2021 zu; die in den Wambach-Berichten in Bezug genommenen Beweismittel, die den Gegenstand des Antrags bilden, erhielt das Gericht am 9. Juli 2021.

9. Der Antragsteller behauptet (was unwidersprochen blieb), der nach § 15 Abs. 1 Satz 2 PUAG vorgenommenen Einstufung der verfahrensgegenständlichen Dokumente als GEHEIM habe keine Prüfung oder gar Anerkennung der materiellen Geheimhaltungsbedürftigkeit des Inhalts dieser Unterlagen zugrunde gelegen. Es entspreche der Praxis der Untersuchungsausschüsse, Einstufungsanträgen von Privaten, die sich auf ein in § 14 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 PUAG bezeichnetes Geheimnis berufen, zunächst ungeprüft nachzukommen. Das „rechtlich fragwürdige Verhalten bei der Zugänglichmachung der geforderten Dokumente“ durch die Antragsgegnerin habe zu erheblichen Verzögerungen bei der Aufklärungsarbeit geführt; die Einsicht in die Beweismittel habe erst Monate nach deren Anforderung bei der Antragsgegnerin durchgesetzt werden können. Aufgrund der nur begrenzt zur Verfügung stehenden Zeit hätten deshalb zusätzlich Ermittlungsbeauftragte eingesetzt werden müssen. Mit der Einstufung ihrer Berichte sei ebenfalls keine Anerkennung der materiellen Geheimhaltungsbedürftigkeit der wiedergegebenen Dokumenteninhalte verbunden gewesen.

Der Antragsteller ist der Auffassung, die öffentliche Verwendung der Wambach-Berichte sei jedenfalls im Sinne von § 30 Abs. 3 Satz 2 PUAG „zur Erfüllung des Untersuchungsauftrages unerlässlich“, weil die Wambach-Berichte nur ohne die Schwärzungen aus sich heraus verständlich seien und daher diese Berichte nur so der Öffentlichkeit vorgelegt werden könnten, um den Untersuchungsauftrag zu erfüllen. Auf Hinweise des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs vom 5. Juli 2021 zu Fragen der Zulässigkeit des Antrags führt der Antragsteller mit Schriftsatz vom 12. Juli 2021 ergänzend aus, seiner Auffassung nach sei der Untersuchungsausschuss bei Einreichung des Antrags beim Bundesgerichtshof und auch bei dessen Weiterleitung an den Antragsgegner am 25. Juni 2021 um 12:40 Uhr noch antragsberechtigt gewesen. Die Antragsberechtigung sei danach auch nicht verloren gegangen, denn Träger des Untersuchungsrechts sei das Parlament als Ganzes, das deshalb selbst für die Verpflichtungen einzustehen habe, die aus seinem Auftrag resultierten. Dabei werde das Parlament vom Präsidenten als eine Art „Nachlassverwalter“ des Untersuchungsausschusses vertreten. Dies gelte nicht nur im Hinblick auf Passivprozesse, also für „an sich“ nur den Untersuchungsausschuss betreffende Verpflichtungen, sondern dem Grunde nach notwendig auch für die Antragsberechtigung, also in Bezug auf nachwirkende Aspekte des vom Parlament getragenen Untersuchungsrechts in all seinen Facetten. Die Entstufung und Veröffentlichung der Wambach-Berichte sei jedenfalls solch ein nachwirkender Aspekt des Untersuchungsrechts. Ein Untersuchungsauftrag beinhalte stets zwei Aufgaben, nämlich eine Untersuchung durchzuführen und darüber zu berichten, und zwar sowohl gegenüber dem Plenum als auch gegenüber der Öffentlichkeit. Das Tatbestandsmerkmal „für die Untersuchung erheblich“ in § 30 PUAG schließe daher die Berichterstattung mit ein und entfalle nicht automatisch mit der Beschlussfassung über den Bericht. Die Rolle der Wirtschaftsprüfer sei eine zentrale Frage des Untersuchungsauftrags. In der sachgerechten Berichterstattung würde ohne die für die Öffentlichkeit nachvollziehbare Wiedergabe der Wambach-Berichte eine schwerwiegende Lücke klaffen. Weder die Öffentlichkeit noch die Abgeordneten, die nicht Mitglied des 3. Untersuchungsausschusses sind, hätten die Berichte bisher vollständig zur Kenntnis nehmen können. Deshalb sei die vollständige Berichterstattung gegenüber der Öffentlichkeit nicht nur eine Aufgabe des Untersuchungsausschusses, der den Antrag gestellt habe, sondern nunmehr auch des Parlaments als Träger des Untersuchungsrechts, dessen Präsidenten es obliege, das eingeleitete Verfahren fortzuführen. Dass die Berichterstattung am 25. Juni 2021 noch nicht vollständig abgeschlossen gewesen sei, komme in der als „Vorabfassung“ gekennzeichneten Bundestags-Drucksache 19/30900 und dem Hinweis auf Seite 2026 des Abschlussberichts hinreichend deutlich zum Ausdruck; aus den Ausführungen auf Seite 123 ergebe sich zudem, dass zu den Anlagen des Abschlussberichtes auch die Wambach-Berichte gehören sollen, zunächst in einer geschwärzten Fassung und nach einer aus Sicht des Ausschusses positiven Entscheidung des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs dann in ihrer ungeschwärzten Fassung. Den gesamten Abschlussbericht und damit auch die Ausführungen zur Notwendigkeit einer Vervollständigung des Berichts habe das Plenum am 25. Juni 2021 unbeanstandet zur Kenntnis genommen. Darüber hinaus könnten in den nächsten Wochen aus den parallelen Strafermittlungen oder den Medien noch weitere Informationen bekannt werden, die den Bundestag veranlassen könnten, den Untersuchungsauftrag zu aktualisieren.

Ein (fortbestehendes) Rechtsschutzbedürfnis für den vorliegenden Antrag ergebe sich bereits aus dem Informationsinteresse der Öffentlichkeit. Die Veröffentlichung des Abschlussberichtes stelle ein Essential des parlamentarischen Untersuchungsrechts dar; sie sei der finale Akt der Erfüllung der Rechenschaftspflicht nicht nur gegenüber dem Parlament, sondern auch gegenüber der Öffentlichkeit. Erst durch die Veröffentlichung der Vorgänge gewinne das Instrument der parlamentarischen Untersuchung seine Effizienz. Das gelte nicht nur für das Verfahren der Beweiserhebung, sondern auch für die Publizität des Abschlussberichts als Schlusspunkt der Untersuchung. Die Wambach-Berichte unterfütterten die Aussagen des Abschlussberichts, der damit in der Öffentlichkeit durch die ergänzende Bekanntmachung auch der Wambach-Berichte noch klarer verständlich werde. Überdies ergebe sich ein Rechtsschutzbedürfnis daraus, dass bisher lediglich die Mitglieder des Untersuchungsausschusses den Inhalt der Wambach-Berichte zur Kenntnis nehmen konnten, aber nicht die übrigen Mitglieder des Bundestages. Darüber hinaus könne derzeit nicht ausgeschlossen werden, dass auch in der nächsten Legislaturperiode nochmals Aspekte des Wirecard-Komplexes zum Gegenstand einer parlamentarischen Untersuchung gemacht werden. Durch den Ausschussbericht sollten mithin auch die Abgeordneten des nächsten Bundestages in den Stand versetzt werden, erforderlichenfalls darauf aufbauend einen neuen Untersuchungsausschuss für die Untersuchung (noch) nicht abschließend geklärter Fragen einzusetzen.

Der Antragsteller beantragt, die Aufhebung des Geheimhaltungsgrades GEHEIM für zulässig zu erklären in Bezug auf die von ... dem Ausschuss übergebenen Beweismittel, soweit sie in den Berichten der Ermittlungsbeauftragten des Ausschusses Martin Wambach, Felix Haendel, Stefan Mattner und Jan Henning Storbeck vom 16. April, 19. April und 19. Mai 2021 verwertet worden sind (sog. Wambach-Berichte), mit Ausnahme von Namen darin genannter natürlicher Personen, die im Abschlussbericht des Untersuchungsausschusses nicht namentlich genannt sind.

Die Antragsgegnerin beantragt, die Aufhebung des Geheimhaltungsgrades GEHEIM in vollem Umfang für unzulässig zu erklären und den Antrag des Ausschusses vom 24. Juni 2021 abzulehnen.

Die Antragsgegnerin ist der Auffassung, der Antrag sei bereits mangels hinreichender Bestimmtheit unzulässig. Zudem bedürfe der vorliegend sehr weit gefasste Untersuchungsauftrag aufgrund seiner Privatgerichtetheit einer verfassungskonformen restriktiven Auslegung, die sich zu Lasten eines Rechtsschutzbedürfnisses und damit auf die Zulässigkeit des Herabstufungsverlangens auswirke. Für den Fall, dass der Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs den Antrag für zulässig hält, bittet die Antragsgegnerin um ergänzende Gelegenheit, zu der (aus ihrer Sicht fehlenden) Begründetheit des Antrags vortragen zu dürfen.

II.

Der Antrag bleibt ohne Erfolg; er ist bereits unzulässig. Die in der Sache aufgeworfene Frage, ob die Aufhebung des Geheimhaltungsgrades GEHEIM zulässig ist, muss deshalb offen bleiben.

1. Der Antrag ist gemäß § 30 Abs. 4 Satz 2 PUAG statthaft. Er zielt darauf ab, dass der Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofes eine Aufhebung der vom Untersuchungsausschuss zunächst vorgenommenen Einstufung von Beweismitteln als GEHEIM für zulässig erklärt und bezieht sich ausdrücklich auf die dem Untersuchungsausschuss als Beweismittel übergebenen (elektronischen) Dokumente der Antragsgegnerin zu den Prüfungen von Wirecard. Nachdem die Antragsgegnerin einer Aufhebung der Einstufung durch den Untersuchungsausschuss widersprochen hat, bedarf es dafür einer Entscheidung des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs über die Zulässigkeit der Herabstufung nach § 30 Abs. 4 Satz 2 PUAG.

2. Der Antragsteller ist allerdings nicht (mehr) antragsberechtigt. Nach dem eindeutigen Wortlaut von § 30 Abs. 4 Satz 2 PUAG sind ausschließlich der Untersuchungsausschuss oder ein Viertel seiner Mitglieder berechtigt, eine solche Entscheidung zu beantragen. Der 3. Untersuchungsausschuss der 19. Wahlperiode des Deutschen Bundestages hat am 25. Juni 2021 mit dem Beschluss des Plenums, den Abschlussbericht zur Kenntnis zu nehmen, aufgehört zu existieren. Zwar war er im Zeitpunkt des Eingangs der E-Mail seines Verfahrensbevollmächtigten am 24. Juni 2021, mit dem die Antragsschrift vorab übersandt wurde, noch existent. Die Zulässigkeitsvoraussetzungen müssen indes im Zeitpunkt der Entscheidung vorliegen; weder bei Eingang der E-Mail des Verfahrensbevollmächtigten am 24. Juni 2021 noch am Folgetag bis zur Beschlussfassung des Parlaments war der Antrag entscheidungsreif. Das Parlament ist auch nicht als Rechtsnachfolger in die Antragsberechtigung des Untersuchungsausschusses eingetreten. Im Einzelnen:

a) Mit seiner Beschlussfassung über den Abschlussbericht und der Übermittlung dieses Berichts an das Parlament beendet der Untersuchungsausschuss formal seine Arbeit (vgl. etwa Brocker in BeckOK/Epping/Hillgruber, BeckOKGG, 47. Edition, Art. 44 Rn. 75) und bringt damit zum Ausdruck, aus seiner Sicht den Untersuchungsauftrag erfüllt zu haben. Mit der Besprechung und Kenntnisnahme des Berichts durch das Plenum findet das Untersuchungsverfahren formal seinen Abschluss; der Untersuchungsausschuss hört auf zu existieren, ohne dass es eines Auflösungsbeschlusses des Deutschen Bundestages bedürfte; (vgl. Klein in Maunz/Dürig, GG-Kommentar, 93. EL Oktober 2020, Art. 44 Rn. 98; Glauben in Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Art. 44 20 21 Rn. 138; ders. in Glauben/Brocker, Handbuch mit Kommentierung zum PUAG, 3. Aufl. 2016, § 33 Rn. 18; Brocker in Epping/Hillgruber, BeckOKGG, 47. Edition, Art. 44 Rn. 77; Heyer in Waldhoff/Gärditz, PUAG-Kommentar, § 33 Rn. 13; Peters, Untersuchungsausschussrecht, 2. Aufl. 2020, S. 434). Zwar hat das Parlament als Träger des Untersuchungsrechts die Möglichkeit, den Untersuchungsausschuss mit einer Fortführung der Untersuchung zu beauftragen (vgl. etwa Klein in Maunz/Dürig, GG-Kommentar, 93. EL Oktober 2020, Art. 44 Rn. 98; Glauben in Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Art. 44 Rn. 138). In Anbetracht der (Eingriffs-)Befugnisse eines Untersuchungsausschusses bedarf es dafür jedoch schon aus Gründen der Rechtssicherheit und -klarheit für den Ausschuss selbst sowie für die von seiner Arbeit Betroffenen einer ausdrücklichen Anordnung durch das Parlament.

b) Damit scheidet auch eine ergänzende Auslegung des Plenarbeschlusses vom 25. Juni 2021 dahingehend, der 3. Untersuchungsausschuss solle für das Verfahren nach § 30 Abs. 4 Satz 2 PUAG fortbestehen, aus. Zudem ergeben sich aus der Beschlussempfehlung und dem Verlauf der Plenardebatte zu dem Abschlussbericht keinerlei Anhaltspunkte für einen dahingehenden Willen des Parlaments. Der Hinweis auf Seite 1671 des Abschlussberichts, „zum Zeitpunkt der Berichtserstellung war das Gerichtsverfahren noch nicht abgeschlossen“, genügt hierfür nicht, da aus dieser Formulierung schon nicht entnommen werden kann, dass die Befassung des Plenums mit dem Abschlussbericht relevant für das Gerichtsverfahren sein könnte.

c) Der Deutsche Bundestag ist auch nicht als Rechtsnachfolger des Untersuchungsausschusses in dessen Antragsberechtigung eingetreten. Träger des Untersuchungsrechts aus Art. 44 GG ist zwar der Bundestag selbst. Allerdings sieht Art. 44 Abs. 1 GG vor, dass der Bundestag für die Durchführung der Untersuchung einen Untersuchungsausschuss einsetzt, der in öffentlicher Verhandlung die erforderlichen Beweise erhebt. Der Deutsche Bundestag ist hiernach zwar der Herr über das „ob“ und das „inwieweit“ einer Untersuchung, er kann sich aber nicht selbst als Untersuchungsausschuss einsetzen und auch nicht selbst als ein solcher handeln. Die Verfahrensgestaltung obliegt den Untersuchungsausschüssen. Nur ihnen stehen die damit einhergehenden Befugnisse zu; das Plenum kann diese Befugnisse von Verfassungs wegen nicht selbst wahrnehmen (vgl. BVerfGE 67, 100, 124; 105, 197, 220; 143, 101, 127 Rn. 87; Dreier/Morlok, GG-Kommentar, 3. Aufl. 2015, Art. 44 Rn. 16; Glauben in Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Art. 44 Rn. 37; Klein in Maunz/Dürig, GG-Kommentar, 93. EL Oktober 2020, Art. 44 Rn. 64; Magiera in Sachs, GG-Kommentar, 9. Aufl. 2021, Art. 44 Rn. 12; Brocker in Glauben/Brocker, Handbuch mit Kommentierung zum PUAG, 3. Aufl. 2016, § 1 Rn. 1; von Cossel in Waldhoff/Gärditz, PUAG-Kommentar, § 3 Rn. 2 f.).

Zwar ist denkbar, dass der Deutsche Bundestag auch jetzt noch den Untersuchungsauftrag aktualisiert und hierfür den Untersuchungsausschuss erneut einsetzt. Konkretes hierzu ist aber weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Die bloße theoretische Möglichkeit einer erneuten Einsetzung führt nicht zum Fortbestand des Untersuchungsausschusses. Vielmehr hätte es dafür aus den dargelegten Gründen eines ausdrücklichen Vorbehalts im Parlamentsbeschluss bedurft.

d) Nichts anderes ergibt sich daraus, dass das Ende eines Untersuchungsausschusses nicht zum Erlöschen der im Rahmen der Erfüllung seines Auftrags entstandenen Verpflichtungen (etwa auf Zurückgabe von ausgehändigten Beweismitteln) führt. Zwar trifft es zu, dass solche Ansprüche nach der Beendigung des Untersuchungsausschusses gegen den Deutschen Bundestag, vertreten durch den Präsidenten, zu richten sind (vgl. etwa LG Frankfurt am Main, Beschluss vom 6. Dezember 1988 - 5/28 Qs 16/86, NVwZ 1989, 997). Wenn man einen Untersuchungsausschuss als selbst teilrechtsfähig ansehen wollte (was an dieser Stelle nicht zu entscheiden ist), wäre der Deutsche Bundestag insofern in der Tat „Rechtsnachfolger“ des Untersuchungsausschusses. Allerdings entspricht die daraus folgende Stellung des Präsidenten des Deutschen Bundestages dann nicht - wie der Antragsteller in Anlehnung an Peters, Untersuchungsausschussrecht, 2. Aufl. 2020, S. 437, meint - der eines „Nachlassverwalters“, sondern - um in der zivilrechtlichen Terminologie des Antragstellers zu bleiben - einem Liquidator, der die aus der Arbeit des Untersuchungsausschusses verbliebenen Ansprüche und Verpflichtungen abzuwickeln hat. Daraus resultiert jedoch keine Befugnis des Präsidenten als Vertreter des Deutschen Bundestages, das „operative Geschäft“ des Untersuchungsausschusses, also die Untersuchung selbst fortzuführen. Ihm erwächst deshalb auch keine Berechtigung, in einem noch vom Untersuchungsausschuss angestrengten Gerichtsverfahren ein auf den Untersuchungsauftrag bezogenes Rechtsschutzziel des Ausschusses in der Sache weiterzuverfolgen. Der Deutsche Bundestag kann lediglich formal in die Parteistellung eines beendeten Untersuchungsausschusses nachfolgen. Ob dies hier der Fall war, kann dahinstehen, weil der Antragsteller sich selbst als fortbestehend erachtet und eine Änderung des Aktiv-Rubrums nicht beantragt ist.

e) Schließlich begründet der Umstand, dass der Untersuchungsausschuss am 24. Juni 2021 noch bestand, keine (fortbestehende) Antragsberechtigung. Die Sachentscheidungsvoraussetzungen müssen im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung über den Antrag vorliegen und am 24. Juni 2021 war der Antrag - auch für den Antragsteller offenkundig - nicht entscheidungsreif. Zum einen hat der Antragsteller seinen Antrag explizit gegen die ... als Antragsgegnerin gerichtet, so dass dieser schon deshalb - aber auch unabhängig davon wegen ihrer Betroffenheit - vor einer Entscheidung rechtliches Gehör zu gewähren war. Hinzu kommt, dass dem Gericht bei Eingang der Antrags bereits eine Schutzschrift der ... vorlag. Entscheidend ist in diesem Zusammenhang jedoch, dass dem Gericht mit dem Antrag nur die geschwärzten Versionen der Wambach-Berichte vorgelegt wurden. Die ungeschwärzten Ausgangsfassungen hat das Gericht erst am 1. Juli 2021 erhalten; die Dokumente der Antragsgegnerin, die den Gegenstand des vorliegenden Antrags bilden, gingen - auf die Beanstandung der Antragsgegnerin und die Hinweise des Gerichts - sogar erst am 9. Juli 2021 bei Gericht ein. Es liegt auf der Hand, dass das Gericht nicht über die Einstufung von Unterlagen entscheiden kann, die ihm nicht vorliegen.

3. Selbst wenn die Antragsberechtigung des Untersuchungsausschusses fortbestände, führte dies nicht zur Zulässigkeit des Antrags. Bereits bei Eingang der vorab per E-Mail übersandten Antragsschrift am 24. Juni 2021 fehlte es dem Antragsteller an einem Rechtsschutzbedürfnis für einen Antrag nach § 30 Abs. 4 Satz 2 PUAG.

a) Gemäß § 30 Abs. 3 PUAG kann der Untersuchungsausschuss nach Durchsicht und Prüfung der in § 30 Abs. 1 PUAG bezeichneten Beweismittel die Aufhebung der Einstufung in den Geheimhaltungsgrad GEHEIM beschließen, soweit die Beweismittel für die Untersuchung erheblich sind. Betreffen sie eines der in § 14 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 PUAG bezeichneten Geheimnisse, darf der Untersuchungsausschuss diesen Beschluss nur fassen, wenn die öffentliche Verwendung der Beweismittel zur Erfüllung des Untersuchungsauftrags unerlässlich und nicht unverhältnismäßig ist. Widerspricht die über das Beweismittel verfügungsberechtigte Person einer Aufhebung der Einstufung, so hat die Aufhebung gemäß § 30 Abs. 4 Satz 2 PUAG zu unterbleiben, wenn sie nicht vom Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofes auf Antrag des Untersuchungsausschusses oder eines Viertels seiner Mitglieder für zulässig erklärt wird.

b) Eine Herabstufung von Beweismitteln durch den Untersuchungsausschuss setzt danach zwingend voraus, dass die Unterlagen „für die Untersuchung erheblich“ sind. Da der Untersuchungsausschuss seine Untersuchung jedoch schon bei Antragstellung beendet hatte, können die verfahrensgegenständlichen Beweismittel der Antragsgegnerin nicht mehr für die Untersuchung im Sinne von § 30 Abs. 3 Satz 1 PUAG erheblich sein. Dabei kann letztlich dahinstehen, wie weit der Begriff der „Untersuchung“ in dieser Vorschrift reicht. Die systematische Einbindung der Norm und der Wortlaut von § 30 Abs. 2 Satz 1 PUAG (Durchsicht und Prüfung vorgelegter Beweismittel auf ihre „Beweiserheblichkeit“) sprechen zwar dafür, dass mit „Untersuchung“ in § 30 Abs. 3 Satz 1 PUAG nur die eigentliche Beweiserhebung gemeint ist, die gemäß § 13 Abs. 1 Satz 1 PUAG grundsätzlich in öffentlicher Sitzung durchzuführen ist. Allerdings gehört zur ureigenen Aufgabe des Untersuchungsausschusses auch die Beweiswürdigung (BVerfGE 124, 78, 115; 143, 101, 148 f. Rn. 155); zudem kann der Untersuchungsauftrag neben der Aufklärung von Tatsachen auch deren politische Bewertung umfassen, wobei auch Schlussfolgerungen für die Zukunft gezogen werden können (vgl. dazu etwa M.-E. Geis in HbdStR III, 3. Aufl. 2005, § 55 Rn. 36 mwN). Dies spricht dafür, dass zur Untersuchung im Sinne von § 30 PUAG auch noch die Beweiswürdigung und die Ziehung von Schlussfolgerungen aus dem Beweisergebnis zählt, auch wenn sich dies nicht mehr in öffentlicher Sitzung vollzieht (vgl. 12 Abs. 1 PUAG). Abgeschlossen ist die „Untersuchung“ im Sinne von § 30 PUAG aber jedenfalls mit der Übergabe des Abschlussberichts an den Deutschen Bundestag, da die Berichterstattung an das Parlament gemäß § 33 Abs. 1 Satz 1 PUAG „nach Abschluss der Untersuchung“ erfolgt. Der 3. Untersuchungsausschuss hat in seiner Sitzung am 21. Juni 2021 die Beweisaufnahme geschlossen und zugleich „abschließend über seinen Bericht beschlossen“. Am 22. Juni 2021 hat der Ausschussvorsitzende den Abschlussbericht mit einer uneingeschränkten Beschlussempfehlung dem Präsidenten des Deutschen Bundestages übergeben. Spätestens damit hatte der 3. Untersuchungsausschuss seine Untersuchung beendet. Indem das Plenum am 25. Juni 2021 - der Beschlussempfehlung folgend - den Abschlussbericht ohne Einschränkung zur Kenntnis nahm, hat es zum Ausdruck gebracht, den Untersuchungsauftrag als erfüllt anzusehen.

c) Davon abgesehen standen dem 3. Untersuchungsausschuss im Rahmen seiner Untersuchung die von der Antragsgegnerin übergegebenen Unterlagen und sodann auch die nicht geschwärzten Wambach-Berichte zur Verfügung. Der Verfahrensgang bestätigt, dass der Untersuchungsausschuss eine Lösung gefunden hat, mit den von ihm selbst eingestuften Dokumenten der Antragsgegnerin umzugehen.

d) Es ist auch kein Umstand ersichtlich, der den 3. Untersuchungsausschuss davon abhalten musste, während seiner Beweiserhebung einen Antrag nach § 30 Abs. 4 Satz 2 PUAG zu stellen. Das von dem Antragsteller beanstandete Verhalten der Antragsgegnerin und ihrer anwaltlichen Vertreter zog sich durch das gesamte Verfahren; daher lag von Anfang an auf der Hand, dass die Antragsgegnerin einer Entstufung der Unterlagen nicht zustimmen würde.

e) Dass der Abschlussbericht vorliegend als „Vorabfassung - wird durch die endgültige Fassung ersetzt“ gekennzeichnet war, begründet ebenfalls kein (fortbestehendes) Rechtsschutzbedürfnis für einen Antrag nach § 30 Abs. 4 Satz 2 PUAG.

Aus den Erläuterungen etwa auf Seiten 123, 1671 und 2026 sowie 1944 des Abschlussberichts ergibt sich eindeutig, dass der 3. Untersuchungsausschuss nicht den Inhalt seines Berichts als „vorläufig“ behandelt haben will, sondern ausschließlich die Frage offenblieb, ob die Wambach-Berichte „geschwärzt“ oder „ungeschwärzt“ dem Abschlussbericht als Teil eines Anhangs beigefügt werden. Keinem der Redebeiträge in der Plenardebatte kann entnommen werden, dass die Information des Parlaments durch die Schwärzungen eingeschränkt gewesen oder die Debatte lediglich vorläufig sei und nach der Entscheidung in vorliegendem Verfahren wieder aufgenommen werden solle. Vielmehr hat das Plenum den ihm vorgelegten Abschlussbericht vorbehaltlos zur Kenntnis genommen und damit das Untersuchungsverfahren beendet.

Es trifft auch nicht zu, dass die nicht dem 3. Untersuchungsausschuss angehörenden Mitglieder des Deutschen Bundestages keine Möglichkeit gehabt hätten, die ungeschwärzten Wambach-Berichte zur Kenntnis zu nehmen, wie dies der Antragsteller suggeriert. Die Einstufung als GEHEIM schließt die Kenntnisnahme durch die Bundestagsabgeordneten nicht aus, sondern knüpft dies lediglich an bestimmte Verfahrensweisen (vgl. Geheimschutzordnung des Deutschen Bundestages).

Wie die Formulierung auf Seite 1671 des Abschlussberichts zeigt, geht es dem Antragsteller tatsächlich auch nicht um die Information des Parlaments. Vielmehr soll hiernach das Gerichtsverfahren dazu dienen, „die bisher auf Verlangen von ... unkenntlich gemachten Quellen zu entschwärzen“, „damit diese Berichte künftig möglichst weitgehend öffentlich verfügbar und nachvollziehbar sind“ (BT-Drs. 19/30900, S. 1671).

f) Der vom Antragsteller auch in der Antragsschrift und im Schriftsatz vom 12. Juli 2021 hervorgehobene, tatsächlich mit dem angestrengten Verfahren nach § 30 Abs. 4 Satz 2 PUAG verfolgte Zweck, im Nachhinein eine Veröffentlichung der Wambach-Berichte ohne Schwärzungen zu ermöglichen, begründet jedenfalls kein Rechtsschutzbedürfnis für einen Antrag nach § 30 Abs. 4 Satz 2 PUAG.

Das Gericht verkennt dabei nicht, dass dem Öffentlichkeitsgrundsatz als einem allgemeinen parlamentarischen Prinzip im Rahmen des Untersuchungsrechts eine maßgebliche Funktion zukommt (vgl. dazu etwa Dreier/Morlok, GG-Kommentar, 3.Aufl. 2015, Art. 44 Rn. 13 f.). Allerdings erstattet der Untersuchungsausschuss seinen Abschlussbericht nicht der Öffentlichkeit, sondern gegenüber dem Parlament, das ihn eingesetzt hat und dem er rechenschafts- und berichtspflichtig ist (vgl. dazu etwa BVerfGE 113, 113, 126; Brocker in Glauben/Brocker, Handbuch mit Kommentierung zum PUAG, 3. Aufl. 2016, § 1 Rn. 1; Glauben in Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Art. 44 Rn. 159). Dass der Bericht als Bundestags-Drucksache öffentlich zugänglich ist, vermag deshalb ein Rechtsschutzbedürfnis für einen Antrag nach § 30 Abs. 4 Satz 2 PUAG, um in dem Abschlussbericht zuvor selbst als GEHEIM eingestufte Dokumente ungeschwärzt wiedergeben zu können, nicht zu begründen. Denn der gesamte Regelungskomplex der §§ 29, 30 PUAG in Verbindung mit §§ 15, 16 PUAG bezieht sich ausschließlich auf die eigene Untersuchungsarbeit des Ausschusses.

g) Der Argumentation des Antragstellers, auch künftige Abgeordnete der Deutschen Bundestages und ein etwaig in der nächsten Legislaturperiode zum Thema „Wirecard“ eingesetzter Untersuchungsausschuss müssten von den Unterlagen der Antragsgegnerin bzw. den ungeschwärzten Wambach-Berichten Kenntnis nehmen können, steht der Grundsatz der Diskontinuität entgegen.

III.

1. Das Begehren des Antragstellers kann nicht im Wege der Auslegung oder Umdeutung des Rechtsschutzziels auf eine andere Rechtsgrundlage gestützt werden. Davon abgesehen, dass die Antragsschrift nach ihrem eindeutigen Wortlaut und Inhalt auf ein Verfahren nach § 30 Abs. 4 Satz 2 PUAG abzielt, enthält das Untersuchungsausschussgesetz keine andere Rechtsgrundlage für eine gerichtliche Entscheidung über das Begehren des Antragstellers, seinem Abschlussbericht gegenüber dem Parlament beigefügte geschwärzte Anlagen nachträglich in ungeschwärzte Dokumente auszutauschen.

2. Das Untersuchungsausschussgesetz ist mit Blick auf das eigentliche Ziel des Untersuchungsausschusses, seinem Abschlussbericht ungeschwärzte Passagen aus nach § 15 Abs. 1 PUAG als GEHEIM eingestuften Beweismitteln beizufügen, schließlich auch nicht planwidrig lückenhaft. Vielmehr kann der Untersuchungsausschuss während seiner Untersuchung die Aufhebung der Einstufung bei einem Widerspruch des über das Beweismittel Verfügungsberechtigten in dem Verfahren nach § 30 Abs. 4 Satz 2 PUAG erreichen und die Beweismittel nach ihrer Herabstufung grundsätzlich auch ohne Schwärzungen im Abschlussbericht verwerten. Auch ohne Herabstufung bleibt eine Verwendung möglich, dann allerdings nur unter Beachtung der Geheimschutzvorgaben. Die Verfahrensweise der Berichterstattung regeln die §§ 32, 33 PUAG; der Inhalt des Abschlussberichts selbst ist nicht justiziabel (vgl. Art. 44 Abs. 4 Satz 1 GG). Das PUAG sieht damit einen Weg vor, mit dem der 3. Untersuchungsausschuss sein eigentliches Rechtsschutzziel hätte erreichen können. Dies hätte jedoch eine rechtzeitige Stellung des Antrags nach § 30 Abs. 4 Satz 2 PUAG erfordert.

IV.

Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst.

Die Erhebung von Gerichtskosten kommt mangels einer dahingehenden Rechtsgrundlage nicht in Betracht; ohnehin wäre der Bund von der Zahlung befreit (vgl. § 2 Abs. 1 GKG). Für eine Entscheidung über die Tragung der außergerichtlichen Kosten und Auslagen fehlt es ebenfalls an einer Rechtsgrundlage. Da das Untersuchungsausschussgesetz in § 35 Abs. 2 Satz 2 PUAG eine - hier nicht einschlägige - Regelung zu Gebühren eines rechtlichen Beistands enthält, scheidet insoweit eine entsprechende Anwendung anderer Verfahrensordnungen aus. Damit kann die Frage, ob das Verfahren nach § 30 Abs. 4 Satz 2 PUAG überhaupt kontradiktorisch ausgestaltet ist und der Antragsgegnerin durch ihre ausdrückliche Benennung als solche in der Antragsschrift eine formale Parteistellung zugewiesen wurde, letztlich dahinstehen. Zudem lag die Beauftragung eines anwaltlichen Beistands - wie die Schutzschrift vom 21. Mai 2021 zeigt - ausschließlich im eigenen Interesse der Antragsgegnerin.

HRRS-Nummer: HRRS 2021 Nr. 921

Bearbeiter: Christian Becker