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HRRS-Nummer: HRRS 2020 Nr. 1332

Bearbeiter: Christoph Henckel/Karsten Gaede

Zitiervorschlag: BGH, 1 StR 332/20, Beschluss v. 15.10.2020, HRRS 2020 Nr. 1332


BGH 1 StR 332/20 - Beschluss vom 15. Oktober 2020 (LG Rottweil)

Adhäsionsausspruch.

§ 406 Abs. 1 StPO

Entscheidungstenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Rottweil vom 19. Mai 2020 im Ausspruch über den Feststellungsantrag im Adhäsionsverfahren aufgehoben. Insoweit wird von einer Entscheidung abgesehen.

2. Die weitergehende Revision wird als unbegründet verworfen.

3. Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels sowie die dem Neben- und Adhäsionskläger dadurch entstandenen notwendigen Auslagen und die besonderen Kosten des Adhäsionsverfahrens in der Revisionsinstanz zu tragen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung zu der Freiheitsstrafe von drei Jahren und ihn auf Antrag des Adhäsionsklägers zu einer Schadensersatzzahlung in Höhe von 10.000 € nebst Zinsen ab 17. April 2020 verurteilt. Weiter hat das Landgericht festgestellt, dass der Angeklagte verpflichtet ist, dem Adhäsionskläger alle weiteren materiellen und immateriellen Schäden zu ersetzen, die diesem aus der Tat entstanden sind und noch entstehen werden, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder Dritte übergegangen sind oder übergehen. Im Übrigen hat es von einer Entscheidung über den Adhäsionsantrag abgesehen.

Die hiergegen gerichtete, auf die Rüge einer Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat nur hinsichtlich des Ausspruchs über den im Adhäsionsverfahren gestellten Feststellungsantrag Erfolg und ist im Übrigen unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.

1. Der Feststellungsausspruch hat keinen Bestand, weil darin - anders als in der Entscheidung über den Zahlungsantrag - kein Mitverschulden und damit kein Haftungsanteil des Adhäsionsklägers Berücksichtigung gefunden hat. Das Landgericht ist hinsichtlich des Zahlungsantrags im Adhäsionsverfahren rechtsfehlerfrei von einem erheblichen Mitverschulden des Adhäsionsklägers ausgegangen und hat deshalb entsprechend der Verantwortungsanteile von Adhäsionskläger und -beklagtem den Schmerzensgeldbetrag gemindert. Auf den Zahlungsantrag des Adhäsionsklägers über 20.000 € (nebst Rechtshängigkeitszinsen) hat es nur einen Betrag von 10.000 € (nebst Zinsen ab 17. April 2020) zuerkannt. Im Feststellungsausspruch hat das Landgericht dagegen - ohne dies zu begründen - keine Haftungsquote bestimmt, so dass danach der Angeklagte alleine in voller Höhe - ohne mitverschuldensbedingten Haftungsanteil des Adhäsionsklägers - für etwaige Zukunftsschäden einzustehen hat. Insbesondere ist der Adhäsionsentscheidung auch im Wege der Auslegung nicht hinreichend sicher zu entnehmen, dass den Adhäsionskläger hinsichtlich etwaiger Zukunftsschäden ein mitverschuldensbedingter Haftungsanteil trifft, da sich hierfür kein Anhaltspunkt im Tenor findet und sich auch die den Feststellungsausspruch betreffende Begründung zu einer Haftungsquote nicht verhält. Da sich die Entscheidung über den Feststellungsantrag insoweit nicht mit derjenigen über den Zahlungsantrag und den hierbei berücksichtigten, im Haftungsgrund angelegten Verantwortungsanteilen von Angeklagtem und Adhäsionskläger in Einklang bringen lässt, hebt der Senat den Feststellungsausspruch auf und sieht insoweit nach § 406 Abs. 1 Satz 3 StPO und in entsprechender Anwendung von § 354 Abs. 1 StPO von einer Entscheidung über den Adhäsionsantrag ab (vgl. BGH, Beschluss vom 6. August 2019 - 3 StR 258/19 Rn. 5 mwN).

2. Soweit der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift angeregt hat, den vom Landgericht auf 17. April 2020 bestimmten Zinsbeginn der Zahlungsverpflichtung auf den 10. April 2020 vorzuverlegen, weil bereits zu diesem Zeitpunkt Rechtshängigkeit eingetreten sei, ist dem nicht zu entsprechen. Auch wenn eine Schadensersatzverpflichtung im Wege eines Adhäsionsausspruchs nicht „Rechtsfolge der Tat“ im Sinne des § 358 Abs. 2 StPO sein (so BGH, Beschluss vom 18. Oktober 2000 - 3 StR 426/00, BGHR StPO § 358 Abs. 2 Nachteil 11) und daher das Verschlechterungsverbot im Adhäsionsverfahren keine Geltung erlangen mag, verbietet sich eine entsprechende Änderung des Zinsausspruchs jedenfalls deshalb, weil die landgerichtliche Adhäsionsentscheidung dem Senat durch das Rechtsmittel des Angeklagten überhaupt nicht zur Entscheidung angefallen ist, soweit darin hinsichtlich des Zinsanspruchs für die Zeit vom 10. bis 16. April 2020 von einer Entscheidung abgesehen worden ist (vgl. im Übrigen auch § 557 Abs. 1 ZPO).

3. Der geringfügige Erfolg der Revision des Angeklagten rechtfertigt es nicht, ihn teilweise von den Kosten und Auslagen freizustellen, die durch sein Rechtsmittel entstanden sind (§ 473 Abs. 4 StPO). Die Kosten- und Auslagenentscheidung hinsichtlich des Adhäsionsverfahrens folgt aus § 472a Abs. 1 und 2 StPO.

HRRS-Nummer: HRRS 2020 Nr. 1332

Bearbeiter: Christoph Henckel/Karsten Gaede